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Drei Fliegen Über Gedichte
Drei Fliegen
Über Gedichte




Nico Bleutge

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406755330 (ISBN: 3-406-75533-X)
327 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, September, 2020, mit Extrazettel

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kann man an der Zimmerdecke schlafen? Kann man unter die Tapete gehen? Nur Gedichte können so etwas, denke ich. Mich hier und zugleich dort sein lassen. Die Sprache dehnen, ohne daß es auch nur im mindesten gedehnt aussehen würde. Mich anregen, vorbehaltlos in die Verse einzutauchen, von mir abzusehen, für Momente jedenfalls. Selbstvergessenheit. Nachdenken. Die Lust des Staunens.
Rezension
Nico Bleutge ist bislang mit vier Lyrikbänden, einem Essay zu Inger Christensens "alphabet", einem Opernlibretto und vielen Einzelveröffentlichungen als Literaturkritiker oder Stipendiat an das Licht der Öffentlichkeit getreten. Das zu besprechende Buch stellt gewissermaßen die erste größere Prosa-Sammlung des Schriftstellers dar, indem es Essays und Interpretationen versammelt. Dabei handelt es sich um Texte zu - wie es der Untertitel sagt - Gedichten, die, aus den Jahren 2005 - 2019 stammend, zum Teil schon an anderer Stelle gedruckt wurden, teils aber auch Erstveröffentlichungen sind. Auch der eingangs erwähnte Essay zum Versepos "alphabet" ist darin enthalten.
Jeder der kurzen Aufsätze lässt Bleutges überdurchschnittliches Gespür für die verschiedenen Schichten von Dichtung durchscheinen: Bleutge fühlt sowohl an der Oberfläche der Texte als auch in inhaltlich großer Tiefe vielen Strömungen nach, die dem Durchschnittsleser selbst bei genauer Lektüre verborgen blieben. Exakte Recherchen und höchst präzise Formulierungskunst lassen jeden der Texte zu einem interpretatorischen Juwel geraten. So interpretiert Bleutge u.a. Gedichte von Ernst Jandl, Gunnar Ekelöf, Inger Christensen, Marcel Beyer und Barbara Köhler, um nur einige Autorennamen aus diesem überaus vielfältigen Band zu nennen. Im Zuge der Interpretationen erfährt der Leser manches über Bleutges Welt und Biographie, mehr noch über Literatur und eben Gedichte. Gerade die immer wieder geschilderten Kindheitserlebnisse zeigen, dass seine bereits angedeutete scharfe Wahrnehmungsgabe früh ausgeprägt war und sich im Laufe des Lebens zu einem wichtigen Baustein eigener Lyrik verdichtete. Welche Beobachtungen macht Bleutge konkret? Es können (die titelgebenden) „drei Fliegen“ genauso sein wie Schiffe auf dem Rhein oder Traumzustände beim Aufwachen. Es können Rillen in einem Tisch der Großeltern ebenso sein wie Tierspuren. All diese Beobachtungen kann Bleutge mit Poesie in Verbindung bringen, all diese Beobachtungen kann er im Wortsinne „verdichten“ und in der Dichtung wiederfinden. Der Leser hat so die Gelegenheit, an zahlreichen Beispielen aus Literatur und Erleben das durch und durch ästhetische Weltempfinden Bleutges kennenzulernen und nachzuvollziehen.
Zum möglichen Einsatz des Bandes in der Schule: Die vorgelegten Interpretationen sind für den Deutschunterricht der Oberstufe eine herausfordernde, aber lohnende Lektüre. An ihnen könnten Schülerinnen und Schüler lernen, aus welch kreativen und häufig biographisch geprägten Interpretationsansätzen großer Gewinn gezogen werden kann, ohne in die heutzutage formal häufig festgeklopften und zur Langeweile verdammten Analyseschemata verfallen zu müssen. Innerhalb einer Lyrikreihe können die Texte Bleutges sicher ausgezeichnet Verwendung finden. Übrigens lohnt auch die Lektüre der Gedichte Bleutges mit Schülergruppen sehr. Der Band könnte einen Anlass bieten, wieder mehr moderne Lyrik im Deutschunterricht zu lesen. Vielleicht lassen sich im Unterricht oder im Rahmen einer Fach-/Seminararbeit Querverbindungen herstellen und größere Bögen spannen. Ein weiterer großer Zugewinn für junge Menschen besteht in der perfekten Sprachbeherrschung des Autors, die ihresgleichen sucht. Jedes Verb, jedes Adjektiv, vermutlich jede Kursivierung scheint seitens des Autors bewusst gesetzt zu sein, so dass die Lektüre zu einem wirklichen Erlebnis wird und den Schülerinnen und Schülern beispielhaft zeigen kann, welch hohes Maß an Sprachkunst erreicht werden kann.
Fazit:
Dem Dichter Nico Bleutge gelingt es in diesem hervorragend redigierten Band, eine einzigartige Sammlung von Gedichtinterpretationen und Essays vorzulegen, der man viele Leserinnen und Leser wünschen kann.

Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Drei Fliegen
ÜBER GEDICHTE
Kann man an der Zimmerdecke schlafen? Kann man unter die Tapete gehen? Nur Gedichte können so etwas, denke ich. Mich hier und zugleich dort sein lassen. Die Sprache dehnen, ohne daß es auch nur im mindesten gedehnt aussehen würde. Mich anregen, vorbehaltlos in die Verse einzutauchen, von mir abzusehen, für Momente jedenfalls. Selbstvergessenheit. Nachdenken. Die Lust des Staunens.

Manchmal genügt der eigene Schreibtisch. Ein Blick auf Zettel, Stifte, die Maserung des Holzes - und schon nehmen die Assoziationen ihren Lauf. Nico Bleutge tastet der Bedeutung von Wörtern und historischen Schichten nach. Seine Sätze schenken uns überraschende Verbindungen und machen etwas spürbar von der Lust der Wiederholung. Ob es sich um ein Gedicht von Elizabeth Bishop handelt, ein Bild des niederländischen Malers Jacques de Gheyn II. oder einen Gedächtnissplitter aus der Kindheit - stets verknüpft er den genauen Leseblick des Dichters mit autobiografischenen Erkundungen und Reflexionen über Erinnerung und Sprache. In seinen Essays und Skizzen taucht Bleutge in die Sprachwelten anderer Dichterinnen und Dichter ein und bringt dabei zugleich Gedanken über das eigene Schreiben an die Oberfläche. Hier lauscht er den morgendlichen Fliegen am Fenster, vertraut der Kraft der Imagination und wird am Ende selbst zur Fliege. Dort versucht er dem Staunen der Tiere auf die Spur zu kommen. So wie Tiere immer ein Moment des Anderen, des Ungleichen an sich haben, suchen diese Texte nach dem Geheimnis der Phänomene, drehen das scheinbar Bekannte, um es uns neu sehen zu lassen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

1. Kapitel
Aussichtsturm
Flechten
Drei Fliegen

2. Kapitel
Wie eine Katze hinter Fensterscheiben
Balkon
Traum
Im Nachhall der Geräusch
Gib mir die Augen der Sepien. Drei Splitter
Bucklicht Männlein

3. Kapitel
Auf der Glasfläche
Drei Plätze
An der Decke schlafen
Das Staunen der Tiere

4. Kapitel
In der fließenden Welt
Gedanken wie Reisig zu Füßen
Den Wiederholungen folgen
Nichts ist wie
Auf der Lichtung
Wiederholung. Variation

5. Kapitel
Die rasende Stimme
Nicht hinauslehnen
Honig des Himmels, Segen des Alls
Geröllfeld
Breeches, Feldstecher, Kodak
In Seitenlage
Die Luft voller Späne

6. Kapitel
Grüne Wellen

Veröffentlichungsnachweise