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Die phantastische Macht des Geldes Ökonomie und psycho­analytisches Handeln
Die phantastische Macht des Geldes
Ökonomie und psycho­analytisches Handeln




Ingo Focke, Mattias Kayser, Uta Scheferling (Hrsg.)

Klett-Cotta
EAN: 9783608947854 (ISBN: 3-608-94785-X)
304 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 16 x 23cm, 2013

EUR 38,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wie Geld und Psyche zusammenhängen

Geld ist Wertäquivalent, Zahlungsmittel und noch viel mehr – es stiftet Beziehungen, kann sie jedoch auch (zer-)stören: Familiäre Beziehungen, Tauschbeziehungen, Arbeitsverhältnisse und auch Partnerschaften werden von finanziellen Umständen bestimmt. Das Buch zeigt, dass die Psychoanalyse Licht in dieses ökonomisch-soziale Gefüge bringen kann.

Die Autoren fragen, was die psychoanalytische Theorie zum allgemeinen Verständnis ökonomischer Strukturen wie den Turbolenzen im Euroraum beitragen kann. Denn die Entscheidungen im Bankensektor und an der Börse werden auch von psychischen Faktoren bestimmt. Sie befassen sich mit der Gefühlswelt der Patienten, die zunehmend von finanziellen Sorgen geprägt ist. Sie greifen das heikle Thema auf, dass Psychoanalyse selbst ein Geldgeschäft ist: Der Patient muss den Analytiker stundenweise dafür bezahlen, dass dieser ihm Interesse und Zuwendung entgegenbringt. Hierdurch entstehen auch in dieser „Beziehung“ nicht selten Spannungen.

Aus der Einleitung der Herausgeber:

In verschiedensten Lebensbereichen setzt sich derzeit eine zunehmend ökonomische Sichtweise durch. Obwohl besonders das Gesundheitssystem und damit auch psycho-analytisches Arbeiten betroffen ist, wurde die Frage nach der Bedeutung des Geldes und seiner Macht bisher rätselhafterweise selten gestellt. Auch in der psychoanalytischen Literatur ist das Thema Geld wenig bearbeitet worden. Wie kann diese „Unterschlagung“ eines so bedeutsamen Themas erklärt und verstanden werden? Ist es die „Gleich-Gültigkeit“ des Geldes (Wellendorf), oder der ewige Zusammenhang von Geld und Schuld (Türcke), die eine Annäherung an das Thema erschwert?

Als allgemeines Äquivalent erfasst das Geld alle Lebensbereiche. Es zeitigt nicht nur im gesellschaftspolitischen Diskurs Wirkung, sondern prägt auch die bewussten und unbewussten Strukturen von Paarbeziehungen (Haubl), von Arzt-Patienten-Beziehungen (Grabska), letztlich – als eigentliches beziehungsstiftendes Medium – von jeder Beziehung. Dieser Zusammenhang wird gern verleugnet, wie sich im therapeutischen Raum am Beispiel der Auseinandersetzungen über Ausfallhonorare zeigen lässt. Andererseits scheint alles käuflich zu werden und dem Geld wird die Qualität eines narzisstisch gefärbten Allheilmittels gegen Alterung und Vergänglichkeit zugeschrieben (Teising). Auch die konkreten Entscheidungen der Akteure an den Finanzmärkten lassen sich am besten als Ausdruck einer unbewussten Dynamik verstehen (Tuckett). Die psychoanalytische Betrachtung des Bresson-Filmes „L’argent“ (Zwiebel) erweitert den Blick auf das Thema Geld um den Aspekt der angewandten Psychoanalyse.



Dr. med. Ingo Focke ist Nervenarzt und Psychoanalytiker (DPG/IPV) in eigener Praxis in Stuttgart. Er ist erster Vorsitzender der DPG und hat dort verschiedene Leitungsfunktionen innegehabt.

Dr. med. Mattias Kayser ist Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytiker (DPG, IPV, DGPT) und Lehranalytiker (DPG, ÄKN) in Hannover.

Uta Scheferling ist Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin (DGPT) und Lehranalytikerin (DPG) in Hannover.
Rezension
Das ist ein eher selten thematisiertes Gebiet in der Psychoanalyse: Geld, - und umso wichtiger, dass es in diesem Sammelband besprochen wird. Der Focus liegt auf der verborgenen Macht des Geldes, deren Bedeutung in rationalen Diskursen unbemerkt bleibt und die doch menschliches Handeln bestimmt. So zeigt sich am Beispiel Geld, wie psychoanalytisches Wissen als Handwerkszeug zum Verständnis gesellschaftlicher Phänomene angewendet werden kann. Der erste Teil zeigt u.a.: Geld hat keinen Wert an sich. Und: Wir sind nicht die Herren des Geldes, sondern selbst Prozessen ausgesetzt, die wir nicht durchschauen und planen können, die vielmehr mit Ungewissheit und Unsicherheit verknüpft sind. Der zweite Teil des vorliegenden Bandes zeigt auf, wie psychologische und psychoanalytische Konzepte zum Verständnis dieser komplexen, unbewussten Prozesse beitragen und so neue Perspektiven auf die immanenten Machtverhältnisse eröffnet werden.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Buch wendet sich an:
- PsychoanalytikerInnen
- PsychotherapeutInnen
- SozialwissenschaflterInnen
- Ökonomen
- PhilosophInnen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Die phantastische Macht des Geldes 9

Einleitung 15

1 (Be-)Deutungen des Geldes aus psychoanalytischer Sicht

FRANZ WELLENDORF
»Pecunia non olet« – Macht und Gleich-Gültigkeit des Geldes in der Psychoanalyse 27

LILLI GAST
»Verlustrealisierung« – Zur Melancholie des Geldes 45

WERNER POHLMANN
Wie kann man »Geld« psychoanalytisch verstehen?
Überlegungen zu einer Psychoanalyse der Dinge 63

ROLF HAUBL
Liebeslohn. Geld in Paarbeziehungen 76

MARTIN TEISING
Die Macht des Geldes im hohen Lebensalter: Autonomie und Abhängigkeit, Phantasma und Realität 89

Psychoanalyse und Ökonomie

OSKAR NEGT
Der politische Mensch – Demokratie als Lebensform 109

CHRISTOPH TÜRCKE
Urgeld. Zur Archäologie der Wertschätzung 129

DAVID TUCKETT
Geld verstehen – Understanding Money 144

HERBERT WILL
Die Kühe melken: Über private Ideologien von Finanzkrisen-Akteuren 159

3 Geld in der Kunst: analytische Perspektiven

RALF ZWIEBEL
Geld und Gewalt. Filmpsychoanalytische Gedanken zum Film »L’Argent« von Robert Bresson 177

DIANA PFLICHTHOFER
Was ist Ihnen Ihre Analyse wert? Einige Gedanken über Unkalkulierbares 197

KARIN MENGE-HERRMANN
Gianni Schicchi oder die Ambivalenz des Erbens 213

4 Geld im klinisch-praktischen Feld

CELINE DEGENHARDT
»Schwarzgeld«: Innere und äußere Bedeutung des Geldes für die analytische Arbeit an Schuld 229

KLAUS GRABSKA
Über das (un)mögliche Geschäft des Analytikers und seine rätselhafte Gabe 246

KURT BRYLLA
Der Ausfallhonorarkonflikt als Ventil für Probleme in der begleitenden Elternarbeit 275

SABINE WARNEKE
Geld – der blanke Hass 290


Autorinnen und Autoren 299