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Die Refiguration der Religion
Perspektiven der Religionssoziologie und Religionswissenschaft
Hubert Knoblauch (Hrsg.)
Reihe: Randgebiete des Sozialen
Beltz Verlag
, Juventa
EAN: 9783779960911 (ISBN: 3-7799-6091-5)
228 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Juni, 2020
EUR 29,95 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Nach langen Jahrzehnten der (vermeintlichen) Säkularisierung scheint die Religiosität neu erwacht und ein »postsäkulares Zeitalter« eingeläutet. So sehr uns hierzulande diese Entsäkularisierung überrascht hat, haben wir es jedoch nicht mit der Renaissance bekannter Religionsformen zu tun; wir beobachten aber auch keine Auflösung in eine postmoderne Religion. Vielmehr kommt es zu einer Refiguration der Religion. Zum einen zielen die Beiträge des Bandes auf eben diese gegenwärtige Refiguration der Religion. Doch indem sie jeweils auf einen theoretischen Ansatz fokussieren, reflektieren sie auch die eigene Position und bieten so zum anderen einen Überblick über aktuelle Zugänge in der religionssoziologischen und religionswissenschaftlichen Erforschung der gegenwärtigen Religiosität.
Hubert Knoblauch, Prof. Dr., Professor für Allgemeine Soziologie an der TU Berlin. 2008-2014 Leiter des Forschungsprojektes „Tod und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft“. Forschungsschwerpunkte: Wissenssoziologie, Religionssoziologie, Emotionssoziologie, Interaktion und Kommunikation, qualitative Methoden, visuelle Soziologie.
Rezension
Wie entwickelt sich (die Bedeutung von) Religion in unserer Gesellschaft? Die (Nachkriegs-)These einer durchgängigen Säkularisierung der Gesellschaft ist längst zugunsten einer Pluralisierung, ja sogar der Renaissance von Religion und Entsäkularisierung gewichen. Nicht ungern (unterstützt von manch einschlägigen Kreisen) wird von einer Wiederkehr der Religion gesprochen. Sicher aber ist: Nicht Religion (in institutionalisierter Form) sondern allenfalls Religiosität (in diffus-pluraler, ungebundener Form) kehrt wieder. Der hier anzuzeigende Band bietet einen gelungenen Überblick über aktuelle Zugänge in der religionssoziologischen und religionswissenschaftlichen Erforschung der gegenwärtigen Religiosität und spricht von einer Refiguration der Religion. Dieser Begriff meint mehr als Transformation, etwa durch Aufnahme esoterischer, spiritueller und fernöstlicher Religiosität. Er meint auch eine Veränderung des offiziellen Modells von Religion: Neben der Abnahme an Mitgliedschaft, Partizipation und Glaube bemerken wir zum Beispiel die Ausweitung von neuen populärkulturellen Formen des Pfingstlertums, Evangelikalismus oder Charismatischer Bewegungen im Christentum, eines über die digitalen Medien betriebenen Islams oder national-populistischer Formen des Hinduismus oder Buddhismus. Der Begriff der Transformation kann nicht fassen, was der Begriff der Refiguration sehr wohl schaffen kann: den gegen den breiten Konsens von Weltlichkeit anlaufende „Fundamentalismus“ im Protestantismus, das Wiedererstarken eines Ritualismus etwa im Katholizismus, der Sakrales gegen Profanes abzugrenzen versucht, oder auch die Aufladung einer religiösen Lebensführung im Islam, der die Präsenz der Religion im Alltag markiert, stärker in die religionssoziologische Wahrnehmung zu integrieren. Damit wendet sich der Band ab von zwei überholten Modellen: Lange Zeit herrschte in der wissenschaftlichen wie auch in der öffentlichen Diskussion eine unilineare Vorstellung vor, die zwei sich widersprechende Linien behauptete. Die eine Linie ging von der Annahme einer fortgesetzten Säkularisierung aus, die aus der Struktur moderner Gesellschaften und den sie prägenden Kulturen der Modernisierung und funktionalen Differenzierung resultiere. Auf der anderen Seite wurde eine Rückkehr zur Religion, eine Resakralisierung und eine damit verknüpfte Desäkularisierung behauptet. Religion steht demnach nicht in einem Widerspruch zur gegenwärtigen Gesellschaft, sondern kehre zurück oder nehme eine neue Bedeutung an. Auch hier wird eine Linie gezogen, sei es der Fortsetzung des Religiösen oder einer Ersetzung des Säkularen.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
Soziologie | Gesellschaft | Glaube | Kultur | Moderne | Neue Religiöse Bewerungen | Mega Churches | Evangelikale Bewegungen | Erving Goffman | Klimaschutz | Mediatisierung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Die Refiguration der Religion
Hubert Knoblauch 7
Das Heilige moderner Gesellschaften
Von Émile Durkheim zu Erving Goffman
Jochen Schwenk 29
Verbindlichkeit: über Religiosität als eine Existenzmodalität der
Vergesellschaftung aus Perspektive der Akteur-Netzwerk-Theorie
Joost van Loon 41
Refiguration der Religion – Refiguration der Religionssoziologie
Spuren von Luckmanns Invisible Religion in der religionssoziologischen Forschung
Tom Kaden und Bernt Schnettler 53
Verschiebungen des religiösen Feldes
Michael N. Ebertz 77
Religiöse Milieus in einer säkularisierten Gesellschaft –
am Beispiel älterer katholischer und neuerer Migrationsmilieus
Marc Breuer 88
Die Nähe des Entfernten
Zur räumlichen Mehrbezüglichkeit des Religiösen im „global age“
Henrik Simojoki 113
Kognitive Minderheiten in Leipzig und Dallas: Zur Aktualisierung
eines religionssoziologischen Konzepts von Peter L. Berger
Silke Steets 129
Der Wandel religiöser Inklusion in den USA:
Von der „traditionellen“ zur „vernetzten“ Religiosität?
Thomas Kern und Insa Pruisken 147
Neue Religiöse Bewegungen im Wandel: Mediatisierung,
Unmittelbarkeit und Remarkierung von Wissen
Henriette Hanky 169
Refiguration im Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft?
Überlegungen am Beispiel der Proteste für Klimaschutz
Silke Gülker 189
Die kommunikative Konstruktion religiöser Events und ihre affektive Ordnung
Meike Haken 208
Zu den Autorinnen und Autoren 227
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