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Die Provokation der Krise
Zwölf Fragen und Antworten zur Lage der Kirche
Rainer Bucher (Hrsg.)
Echter
EAN: 9783429025939 (ISBN: 3-429-02593-1)
256 Seiten, kartoniert, 12 x 21cm, 2004
EUR 14,80 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
„Von Krise kann man nur sprechen, wenn in absehbarer Zeit eine Wende – sei es zum Besseren, sei es zum Schlechteren – bevorsteht. Ein solche Wende ist jedoch nicht abzusehen.“ Vielleicht, so Rainer Bucher im Vorwort, hat Niklas Luhmann mit diesem wenig schmeichelhaften Wort über den Zustand der Kirche ja recht, aber ausgemacht ist es nicht. In diesem Sinne versuchen die Beiträge des vorliegenden Bandes die Muster aufzuspüren, die von neuen Möglichkeiten für das Evangelium sprechen. Das ist eine heikle und fragile Arbeit, und sie bleibt stets Versuch. Doch nicht zuletzt das Festhalten Jesu “an den zarten Elementen der Welt, die langsam und in aller Stille durch Liebe wirken” (Whitehead), verpflichtet dazu – so Bucher weiter --, den verstörenden Reiz der Krise zu entdecken und die darin enthaltene Provokation anzunehmen.
Rainer Bucher, Dr. theol., geb. 1956., Professor und Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz.
Rezension
Von Krise reden alle, aber nicht alle sehen in ihr eine produktive Provokation. Die gegenwärtige Situation der Kirche in Deutschland durchgehend als Chance zur Neuorientierung und als Herausforderung zur kreativen Neuformatierung des Glaubens, des kirchlichen Lebens und der institutionellen Verfasstheit von Kirche zu betrachten, macht den von Rainer Bucher herausgegebenen und weithin verfassten und mitverfassten Band zu einer überraschend aufbauenden und perspektivenreichen Lektüre.
Denn bei nüchterner Betrachtung der Situation könnte man durchaus auch in Depressionen verfallen, ob man nun die Lage der Gemeinden, den Zustand der Pastoral, das kirchliche Leben auf dem Land, die Fluchtbewegungen der Frauen, Jugendlichen und Intellektuellen, die Erstarrung der Liturgie oder die Sakramentenpastoral in den Blick nimmt. Allen diesen Problemfeldern nähern sich die Beiträge ohne ideologische Blindstellen, beschreiben ungeschönt die Lage, analysieren die Ursachen für die Misere und versuchen dann, die im Untertitel versprochenen Antworten zu geben.
Basis aller gegebenen Antworten ist dabei der implizite und explizite Bezug auf die Theologie des II. Vatikanischen Konzils und dessen Zuordnung von Pastoral und Dogmatik: "Diese Lehre fordert ein neues Verhältnis der Kirche zur sie umgebenden modernen pluralen Gesellschaft. Diese kann von der Kirche nicht mehr einfach unter Kategorien der ideologischen Gegnerschaft gefasst und behandelt werden, sondern sie wird zum Ort, an dem das Evangelium scheitert oder zur Geldung gebracht wird, zum Ort, ohne den das Evangelium überhaupt nicht in seiner gegenwärtigen Bedeutung erschlossen werden kann." (40)
Konkret heißt das:
"Die Kirche ist nicht ihrer eigenen institutionellen Größe verpflichtet, sondern dem Evangelium."
(Beitrag 1, 26, Ursachen der Krise)
"Jeder Mensch, dem die Kirche begegnet und welcher der Kirche begegnet, ist von Gott berufen."
(Beitrag 2, 41, Aufgabe der Kirche)
"Kirche wird nicht zuerst verstanden als Institution, die dann auch noch einen religiösen Auftrag hat, sondern umgekehrt: Alle in der Kirche sind von ihrer Aufgabe her zu verstehen, das eine Volk Gottes zu sein."
(Beitrag 3, 55, Institutionelle Struktur der Kirche)
"Es braucht aber 'das Bewusstsein, dass Frauen Autorität haben, dass kein Mann bestätigen muss, was Frauen denken und reden.'"
(Beitrag 4, 79, Frauen in der Kirche)
"Nicht auf religiöse Remythologisierung setzen, sondern auf jene Balance von Wort, Bild, Gemeinschaft und konkreter Tat, auf die das Christentum und speziell die katholische Kirche immer gesesetzt hat."
(Beitrag 5, 100, Kirche und Medien)
"Kirche ist viel mehr als Gemeinde - und existiert ja auch in hohem Maße faktisch recht erfolgreich jenseits der Gemeinde."
(Beitrag 6, 119, Krise der Pfarrgemeinden)
"Das Land von gestern ist nicht das Land von heute."
(Beitrag 7, 140, Kirche auf dem Land)
"Christliche 'Seelsorge' ist zuallererst Diakonie, ist helfendes Handeln in der Nachfolge Jesu und seiner Reich-Gottes-Botschaft."
(Beitrag 8, 162, Moderne Seelsorge)
"Rede von Gott ist Rede von etwas, über das geredet werden muss, aber nicht angemessen geredet werden kann."
(Beitrag 9, 199, Gottesbegriff)
"Ein Lehramt, das die Bibelwissenschaft und andere kirchliche Orte ignoriert, neigt dazu, sich selbst als Kirche absolut zu setzen."
(Beitrag 10, 211, Rolle der Bibel)
"Die Frage der Sakramentenpastoral ist nicht eine Randfrage, sondern betrifft den Kern katholischen Glaubenslebens."
(Beitrag 11, 222, Krise der Sakramente)
"Das Unerhörte der Liturgie der Religionsgemeinschaft sind all jene, die sich ihr zunehmend verweigern. ... Deshalb muss das Unerhörte erhört werden."
(Beitrag 12, 243/244)
Zu bemerken bleibt noch: Rainer Bucher stammt aus der Schule des Würzburger Fundamentaltheologen Elmar Klinger, der wiederum ein Schüler von Karl Rahner ist. Von daher führen die präzisen Anmerkungen und Literaturhinweise zu den einzelnen Beiträgen in ein Denken des Glaubens, das entschieden zum II. Vatikanischen Konzil steht, das machtkritisch ist, das die Wende zum Subjekt vollzogen hat und das die gegenseitige Verwiesenheit von Theorie und Praxis zum systematischen Schlüssel einer gegenwärtigen Theologie macht.
Natürlich werden auch hier nicht alle Fragen schon endgültig beantwortet. Aber wenigstens wird nach den Antworten in der richtigen Richtung gesucht.
Matthias Wörther
Verlagsinfo
Die Krise der Kirche als Chance für eine mutige, in die Zukunft weisende Gemeinschaft
„Von Krise kann man nur sprechen, wenn in absehbarer Zeit eine Wende – sei es zum Besseren, sei es zum Schlechteren – bevorsteht. Ein solche Wende ist jedoch nicht abzusehen.“ Vielleicht, so Rainer Bucher im Vorwort, hat Niklas Luhmann mit diesem wenig schmeichelhaften Wort über den Zustand der Kirche ja recht, aber ausgemacht ist es nicht. In diesem Sinne versuchen die Beiträge des vorliegenden Bandes die Muster aufzuspüren, die von neuen Möglichkeiten für das Evangelium sprechen. Das ist eine heikle und fragile Arbeit, und sie bleibt stets Versuch. Doch nicht zuletzt das Festhalten Jesu “an den zarten Elementen der Welt, die langsam und in aller Stille durch Liebe wirken” (Whitehead), verpflichtet dazu – so Bucher weiter --, den verstörenden Reiz der Krise zu entdecken und die darin enthaltene Provokation anzunehmen.
Rainer Bucher, Dr. theol., geb. 1956., Professor und Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
(1)
Rainer Bucher
Entmonopolisierung und Machtverlust
Wie kam die Kirche in die Krise? 11
(2)
Rainer Bucher
Die pastorale Konstitution der Kirche
Was soll Kirche eigentlich? 30
(3)
Rainer Bucher / Georg Plank
Ungeliebte Kinder, überlastete Lieblingssöhne und weit entfernte Verwandte
Warum hat die Kirche Probleme mit ihrer professionellen Struktur? 45
(4)
Maria Elisabeth Aigner / Rainer Bucher
"Nicht länger Planeten um männliche FIxsterne ..."
Warum verlassen die Frauen die Kirche? 63
(5)
Rainer Bucher / Gabriele Russ
Aus Misserfolgen lernen
Wie kann die Kirche in der Mediengesellschaft bestehen?
(6)
Rainer Bucher
Jenseits der Idylle
Wie weiter mit den Gemeinden? 106
(7)
Birgit Hoyer
Verantwortung übernehmen
Was bleibt der Kirche auf dem Land? 131
(8)
Rainer Bucher / Karl Heinz Ladenhauf
"Räume des Aufatmens"
Welche Seelsorge brauchen Menschen heute? 154
(9)
Rainer Bucher / Johann Pock
Entdeckungen wagen
Wie heute von Gott reden? 177
(10)
Joachim Kügler
Ferne Zeichen lesen lernen
Wie mit der Bibel umgehen? 203
(11)
Johann Pock
Biographisch erfahrbares Heil
Wie Wege zu den Sakramenten eröffnen? 220
(12)
Hildegard Wustmans
Lebens-Mittel
Wie Liturgie feiern? 238
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