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Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben. Nachdenken über die Neuen Medien und das gar nicht mehr allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit
Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben.
Nachdenken über die Neuen Medien und das gar nicht mehr allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit




Hartmut von Hentig

Beltz Verlag
EAN: 9783407221155 (ISBN: 3-407-22115-0)
328 Seiten, kartoniert, 13 x 21cm, Oktober, 2002, Im Anhang ist die Kontroverse zwischen J. Rüttgers und H. v. Hentig in DIE ZEIT vom 19.09.1997 über >>Schulen ans Netz<< dokumentiert.

EUR 16,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Zweifel an der Kennzeichnung unserer Epoche als »Informationszeitalter« und an der Bekömmlichkeit des Computers für den Bildungsgang sind der Motor der Gedanken dieses Buches.

Zwischen blanker Abwehr und erwartungsvoller Hingabe an die Neuen Medien nimmt Hartmut von Hentig, Pädagoge und kritischer Beobachter der Zeit, den schwierigeren, den mittleren Weg: Er zeigt, welcher Fähigkeiten es bedarf, um der »technischen Zivilisation« und ihrer konsequentesten Erscheinung, der elektronischen Virtualität, gewachsen zu sein. Mit »Schulen ans Netz« und einem hohen Rang in den internationalen Schulleistungsvergleichen ist man es nicht.
Rezension
Der Schrecken, der angesichts der Technisierung der Welt empfunden werden kann, drückt sich im Titelbild des Buches aus: In einem Raum mit Bank, Tisch, angedeutetem LapTop und anderen Schachteln sitzt eine mehr roboter- als menschenähnliche, gesichtslose Figur. Im offenen Thorax ist eine Mechanik statt eines Herzens zu erkennen. Diese Figur wendet sich von allen ordnenden Schachteln ab und beschäftigt sich – statt der Hände hat sie Stöcke – mit einem Diabolo, um die Gesetze der Mechanik spielerisch zu entdecken. Offen bleibt das Bild: die Maschine, die in die ureigensten menschlichen Bereiche vordringt? Oder der technisierte, verkrüppelte Mensch, der sich resigniert von den Verheißungen der Maschine abwendet und zur unmittelbaren Erfahrung zurückkehrt?

In seinem Buch – eine Neubearbeitung von „Das allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit“ aus dem Jahr 1984 – wird H. v. Hentig deutlicher: In einer Zeit, in der die Medien stetig an Bedeutung gewinnen, muss die Pädagogik alle Anstrengungen unternehmen, dass die kommenden Generationen „Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben“. Und er meint damit „Aufklärung“ als „Herstellung von Einsicht in die Grundverhältnisse“ und „Einübung in vernünftiges Verhalten“ (63) Pädagogik muss demnach junge Menschen begleiten und in die Lage versetzen, Neue Medien als „Instrumente zum Zwecke von …“ zu erkennen, um Nutzen und Risiken der „vierten Kulturtechnik“ abschätzen zu können. Aus dieser Einsicht erhält die Medienpädagogik erst ihre Aufgabenstellung, sofern sie reflektiert, welches Mittel, Erfahrungen, Einsichten oder Verstehen – letztlich also Bildungsprozesse – ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund zeigt v. Hentig mit wenigen Federstrichen, wo die Kritiker des IT-Einsatzes im Unterricht mit ihrer Argumentation zu kurz greifen und wo andererseits die Befürworter ihren Schülern unmittelbare Erfahrungen und die Einübung einer kritischen Distanz vorenthalten. Resignativ klingt, mit Verlaub, sein Urteil über eine Politik die IT in die Schulen drängt und über pädagogische Ansätze, denen es um eine Einübung der Schüler in eine Technologie geht, damit sie die Mittel der Informationsgesellschaft lediglich bedienen können. Vielmehr sieht er beider Aufgabe darin, diese Entwicklung zu verlangsamen, damit nicht der Mensch von einer Technologie abhängig wird und der Schein der Virtualität zu einer Wirklichkeit wird, die keinerlei Anhalt an Erfahrungen der Realität mehr hat. „Das allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit“ soll nicht fortschreiten sondern umgekehrt werden.

M.E. unterschätzt v. Hentig die pädagogische Arbeit der Lehrer an den Schulen und die pädagogischen Konzepte zahlreicher Initiativen von "Schulen ans Netz "bis zur Stiftung Bertelsmann. Bei seinen üblichen Seitenhieben auf Religion und Kirche hat er scheinbar auch nicht zur Kenntnis genommen, dass die EKD z.B. schon bei der Einführung von BTX auf Einsetzung einer Kommission zur Risikofolgenabschätzung bestanden hatte und gegenwärtig Theologen wie z.B. W. Nethöfel die Kommunikation im interNet untersuchen und hier auch religiöse Merkmale feststellen. Dennoch skizziert dieses Buch ein Gerüst mit zahlreichen und gewichtigen Anfragen, an denen Konzepte zur Einführung von Neuen Medien überprüft werden sollten.

F. Wessel, Mülheim
www.intRUnet.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

Eine Einführung oder: Die Suche nach den notwendigen Fragen

I DER AUFTRAG DER MENSCHENBILDUNG HEUTE: DER TECHNISCHEN ZIVILISATION GEWACHSEN BLEIBEN

1 Die Mittel werden zum Zweck, die Nebenwirkungen zum Hauptproblem, die Entwicklungen zum Programm - drei untypische Analysen unseres Umgangs damit

2 Der Alptraum des zum Computer mutierenden Menschen - vier zeittypische Reaktionen darauf

3 Eine andere Beschreibung des Zustands der Gesellschaft

4 Eine andere Beschreibung des Auftrags der Pädagogik

5 Ein anderes Vorgehen der Pädagogik

II ERWARTUNGEN AN DIE NEUEN MEDIEN

1 Die Gärten des Adonis

2 VernünftigeErwartungen

3 Unvernünftige Erwartungen

4 DieNebenwirkungen

5 Zweifel an der Unvermeidbarkeit des Wandels

III. ERWARTUNGEN AN DIE BILDUNGSEINRICHTUNGEN

1 »Medienkompetenz«

2 »Medienpädagogik«

3 Die Erziehungseinrichtung Familie - und der Schrott

4 Die »aufgeklärte Öffentlichkeit« als pädagogische Instanz - und der Schein

5 Abschied von der Bildungseinrichtung »Enzyklopädie«, oder: Je mehr wir wissen, um so mehr müssen wir denken

IV EPILOG

Die Forschung und das »Gute Leben«

ANHANG

Streit Rüttgers / Hentig in DIE ZEIT

Zitierte Literatur

Anmerkungen