lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Der Philosoph Habermas und wir
Der Philosoph Habermas und wir




Philipp Felsch

Propyläen Verlag
EAN: 9783549100707 (ISBN: 3-549-10070-1)
256 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Februar, 2024

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
HABERMAS:

DAS INTELLEKTUELLE GESICHT EINER EPOCHE

Von Achtundsechzig bis zur Wiedervereinigung, vom Historikerstreit bis in die Gegenwart: Jürgen Habermas hat die intellektuellen und politischen Debatten der Bundesrepublik wie kein anderer geprägt. Machen die Krisen, die wir heute erleben, sein Werk obsolet – oder verleihen sie ihm neue Relevanz? Philipp Felsch wirft einen ebenso persönlichen wie durch die Perspektive seiner Generation geprägten Blick auf den einflussreichsten Denker der deutschen Nachkriegszeit.

„Wie Ideen, Menschen und politische Konstellationen einander stimulieren und stören, beflügeln und bekriegen – und wie daraus Gegenwart wird: das von Philipp Felsch zu lesen ist ein lehreiches Vergnügen.“

Elke Schmitter
Rezension
Jürgen Habermas (*1929) gilt international als der wichtigste Gegenwartsphilosoph und Intellektuelle der Bundesrepublik Deutschland. Seine Bücher und Aufsätze zählen zu den meist zitiertesten in der Philosophie und Soziologie. Der ehemalige Assistent Theodor W. Adornos, Kodirektor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg und emeritierte Frankfurter Philosophieprofessor ist der Hauptvertreter der neueren Kritischen Theorie, genauer der zweiten Generation der Frankfurter Schule. Immer wieder hat der überzeugte Sozialdemokrat sich durch seine wissenschaftlichen und publizistischen Beiträge in aktuelle philosophische und politische Debatten eingeschaltet. Erinnert sei an den Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, den Historikerstreit, die Diskussion über Eugenik, die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Philosophie, die Ausgestaltung einer europäischen Verfassung bis hin zu seinen Stellungnahmen zur Außenpolitik angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und zum neuen Nahostkrieg.
Mit seiner kritischen Sozialphilosophie verbindet man gemeinhin u.a. folgende Begriffe: „Erkenntnisinteresse“, „Kolonialisierung der Lebenswelt durch das System“, „kommunikatives Handeln“, „Diskursethik“, „herrschaftsfreier Diskurs“, „zwangloser Zwang des besseren Arguments“ oder „Verfassungspatriotismus“. Vielfach erweisen sich seine sozialphilosophischen Schriften als schwer zugänglich, während seine publizistischen Beiträge zum Beispiel in überregionalen Zeitungen oder politischen Organen sich durch gute Verständlichkeit auszeichnen. Ist Habermas universeller Denker und zu partikularen Fragen Deutschlands und Europas Stellung nehmender Intellektueller zugleich?
Dieses jedenfalls behauptet Philipp Felsch (*1972), Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin, in seiner Biographie „Der Philosoph. Habermas und wir“, erschienen bei Propyläen. Die Darstellung des Historikers, der bekannt wurde durch sein Buch „Der lange Sommer der Theorie“(2015), basiert auf drei Quellensorten: veröffentlichten Schriften von Habermas, zwei mit dem Philosophen persönlich 2022 und 2023 in seinem Einfamilienhaus geführten Gesprächen sowie auf dem Vorlass von Habermas im Archivzentrum der Universitätsbibliothek der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Aus den unveröffentlichten Briefen von und an Habermas zitiert Felsch wichtige Stellen, die sich gut zur Erschließung seines Werks eignen. In seiner Biographie kann der Kulturhistoriker überzeugend die Bedeutung jüdischer Denker für die Philosophie von Habermas aufzeigen. Felsch gelingt es in seinem sehr verständlich verfassten Buch durch die Verknüpfung biographischer Details mit den veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften von Habermas dessen philosophische und politische Positionen zu erschließen. Deren begriffliche und argumentative Basis hätte in dem Habermas-Porträt zuweilen genauer und ausführlicher entwickelt werden können. Das zweite Opus magnum von Habermas, sein Spätwerk „Auch eine Geschichte der Philosophie“(2019) wird von Felsch gar nicht berücksichtigt. Habermas` produktive Beiträge zur deutschen Erinnerungskultur und seine Rolle im Historikerstreit werden von dem Historiker Felsch dagegen sehr gut in mehreren Kapiteln herausgearbeitet und differenziert beleuchtet. Erwähnung hätte in dem Buch noch verdient, dass Habermas Mitherausgeber der Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ ist und in dieser wichtige Beiträge zur aktuellen Politik veröffentlicht. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik, Geschichte und Politik werden durch den vorliegenden Band motiviert, sich in ihrem Fachunterricht mit dem Werk von Jürgen Habermas problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Philipp Felsch ist mit seinem stilistisch elegant geschriebenen Buch „Der Philosoph Habermas und wir“ eine hervorragende biographische Annäherung an die Denkbewegungen des wirkungsmächtigsten noch lebenden Philosophen und Intellektuellen der Bundesrepublik Deutschland gelungen, welche zur Relektüre seines philosophischen und politischen Œuvres einlädt. Zugleich kann Felschs aufschlussreiches Buch als eine Aufforderung gelesen werden, an dem Habermaschen Projekt der Moderne – gerade angesichts der globalen Polykrise - festzuhalten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das intellektuelle Gesicht einer Epoche
Solange Philipp Felsch zurückdenken kann, war Jürgen Habermas around: als mahnende Stimme der Vernunft, als Stichwortgeber der Erinnerungskultur, als Sohn der Nachbarn seiner Großeltern in Gummersbach.
Neigt sich die intellektuelle Lufthoheit des Philosophen heute ihrem Ende zu, oder bekommen seine Ideen in der Krise unserer »Zeitenwende« neue Brisanz?
Felsch liest in einem kaum zu überblickenden Oeuvre nach, folgt dessen Autor in die intellektuelle Kampfzone der Bundesrepublik und fährt nach Starnberg, um Habermas zum Tee zu treffen. Dabei entsteht nicht nur das Porträt eines faszinierend widersprüchlichen Denkers, sondern auch der Epoche, der er sein Gesicht verliehen hat.

Pressestimmen
»Es ist nicht die erste Biografie über Jürgen Habermas, aber die erste, die unterhaltsam zu lesen ist.«
Die Welt
»Ein leichtfüßiges und elegantes, ebenso treff- wie stilsicher formulierendes Buch.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Felsch gelingt das Kunststück, über einen Denker mitreißend zugänglich zu schreiben, ohne dessen Denken zu verraten.«
Süddeutsche Zeitung
»Jeder, der in den letzten Dekaden die Primärtexte von Habermas mitunter auch mühsam gefunden hat, wird in dieser Sekundärliteratur entschädigt.«
Der Spiegel
»Der Kulturhistoriker Philipp Felsch erzählt elegant, was Jürgen Habermas in seiner Gelehrtenkarriere alles stemmte.«
Die Zeit
»Ein Glück auch für den Porträtierten, vor allem aber ein Glück für alle, die sich für Geistesgeschichte interessieren. Denn Felsch besitzt das seltene Talent, komplexe Philosophie in Erzählungen anschaulich machen zu können.«
Neue Zürcher Zeitung am Sonntag
Inhaltsverzeichnis
Ein Nachmittag in Starnberg 7
In der verkehrten Welt 19
Täter und Opfer 26
Abschied vom Tiefsinn 31
Das Bewusstsein der Gegenwart 37
The center does not hold 44
Spießrutenlaufen in Frankfurt 50
Raketenwissenschaft für eine bessere Gesellschaft 58
Was wir unterstellen müssen 69
Der Makel des Mündlichen 77
Unheimliches Deutschland 84
Theorie des Sinnverlusts 90
Musste das sein? 96
Taxonomie der Gegenaufklärung 107
Distanz und Thymos 119
J’accuse 123
Zurück aus der Zukunft 135
Geschichte und Gedächtnis 147
Die Stunde der postnationalen Empfindung 156
Primat der Weltinnenpolitik 168
Vom Krieg 175
Der Denker der universellen Provinz 185
Dank 191
Anhang
Anmerkungen 195
Literaturverzeichnis 231
Personenregister 251