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Das Jahrhundertwerk. Sämtliche Gedichte / Künstlerische Prosa
Klett-Cotta
EAN: 9783608937275 (ISBN: 3-608-93727-7)
1020 Seiten, hardcover, 11 x 17cm, 2006
EUR 29,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Gottfried Benn (1886-1956) zählt den wichtigsten und umstrittensten deutschen Lyrikern des 20. Jahrhundert. Anlässlich seines 50. Todestages erscheint im Verlag >Klett-Cotta< eine zweibändige Ausgabe, die sowohl sämtliche seiner Gedichte als auch Schriften seiner >Künstlerischen Prosa< enthält. Der Text der Ausgabe 2006 folgt der Stuttgarter Ausgabe der Sämtlichen Werke Gottfried Benns. Die äußere Gestaltung der beiden >Werkstattbände mit buntfadengehefteten offenen Buchrücken< hätten dem praktizierenden Arzt und Schriftsteller gefallen. Der erste Band der Jubiläumsausgabe von Benn enthält nicht nur die zu seinen Lebzeiten veröffentlichen Gedichte, sondern auch >Gedichte aus dem Nachlaß> und >Poetische Fragmente>. Dem Lehrer ist so die Möglichkeit gegeben, Gedichte des Schriftstellers aus verschiedenen Werksphasen im schulischen Unterricht zu behandeln.
So zeigen Benns frühe Gedichte wie >Morgue< (1912, S. 11-13) oder >Fleisch< (S. 28-32), dass er zurecht zu den wichtigsten expressionistischen Dichter zählt. Zu erwähnen sind zum Beispiel auch sein Gedicht >Saal der kreissenden Frauen> (S. 17), in dem er das soziale Elend verdeutlicht, sowie sein Gedicht >Kokain< (S. 45), das den >Ich-Zerfall< durch die Droge thematisiert. Mithilfe von Benns Gedicht >Der Arzt< (1912, S. 14f) kann in der Schule sein radikal skeptisches Menschenbild erarbeitet werden. Dort heißt es nämlich in der zweiten Strophe im Gegensatz zur christlichen Anthropologie >Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch< (S. 14). Angesichts einer zunehmenden Inszenierung von >Körperwelten< haben seine Gedichte nichts von ihrer Aktualität verloren.
Auf Benns expressionistische Lyrik folgen bei ihm Gedichte, in denen er einen archaische Idealzustand beschwört wie z. B. >Die hyperämischen Reiche< (S. 120f) oder >Quartär< (S. 178f). Als das bekannteste >Schul-Gedicht< von Benn gilt sein Werk >Verlorenes Ich< (1943, S. 205f). In ihm problematisiert er die Fragmentarisierung des Ich in einem naturwissenschaftlich dominierten, ‚hyperaufgeklärten‘ Zeitalter. Benns lyrisches Spätwerk wird geprägt von seinen eher melancholischen >Statischen Gedichten< (1948). In seinen letzten Lebensjahren verfasste Benn auch das Gedicht >Reisen< (S. 307), welches sich zur Erarbeitung rhetorischer Figuren und Grundbegriffen der Lyrik im Deutschunterricht geradezu anbietet. Auch sprachphilosophische Aspekte lassen sich anhand von Benn-Gedichten im Deutschunterricht behandeln, so mit dem lyrischen Text >Ein Wort< (1941, S. 198). Benns Lebensthema kommt in seinem Gedicht >Nur zwei Dinge< (1953) zum Ausdruck; dort lauten die beiden letzten Verse: >es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeichnete Ich< (S. 320).
Im zweiten Band der Jubiläumsausgabe sind u.a. enthalten: der frühe Text >Gehirne< (1914), Beispiele für die von Benn so genannte >absolute Prosa< wie >Weinhaus Wolf< (1937) und der >Roman des Phänotyp< (1944), in denen der innere Monolog vorherrscht, sowie die Novelle >Der Ptolemäer< (1947) und der szenische Prosatext >Drei alte Männer< (1948). Von besonderer literaturtheoretischer Bedeutung ist sein 1934 erschienenes autobiographisches Fragment >Lebensweg eines Intellektuellen<. Benn legt dort seine ihn beeinflussenden geistigen Strömungen der Jahrhundertwende und seine künstlerischen Auffassungen dar. In der Jubiläumsausgabe findet sich auch der ursprünglich 1934 von Benn, d. h. ohne die von ihm selbst nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Tilgungen, in Druck gegebene Text (vgl. S. 303, 309).
Fazit: Die neue Bennausgabe bietet jedem Deutschlehrer die Möglichkeit, sich mit dem Werk dieses Schriftstellers differenziert auseinander zu setzen und zugleich Grundlagen der Lyrik zu erarbeiten.
Dr. Marcel Remme, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
120. Geburtstag -
»Sämtliche Gedichte« und »Künstlerische Prosa« in der Werkstatt-Edition
Mit der zweibändigen Werkstatt-Edition legt Klett-Cotta eines der größten schriftstellerischen Werke des vergangenen Jahrhunderts in wahrhaft außergewöhnlicher bibliophiler Ausstattung vor: zwei Werkstattbände mit buntfadengeheftetem freien Buchrücken, transparent abgeleimt, farbiger Siebdruck auf Schwarzpappe mit bedruckter Banderole
(Beide Bände sind nur zusammen erhältlich.)
Mit diesen beiden sorgfältig gestalteten und edierten Büchern gewinnt man einen fundierten Einblick in eines der größten schriftstellerischen Werke des vergangenen Jahrhunderts.
Im Gedichtband sind alle Gedichte, die Benn je schrieb, enthalten, ob zu Lebzeiten veröffentlicht oder nicht. Überdies die mittlerweile berühmten »Poetischen Fragmente« und Gedichte aus dem Nachlaß.
Der Prosaband: Benn hat – das ist im Nachwort von Holger Hof zum »Prosa«- Band nachzulesen – selbst mehrfach versucht, seine Prosa in »novellistische « und »essayistische« zu gruppieren; »Essay« und »reine« oder »dichterische Prosa« sind andere Unterscheidungen Benns. Die fulminanten Texte der Jahre bis zum Ersten Weltkrieg sind hier vertreten, die »Rönne-Novellen« des jungen Arztes und »Weinhaus Wolf« aus der Phase der inneren Emigration. Weiterhin: Der »Roman des Phänotyp«, »Der Ptolemäer«, »Doppelleben« und die Szenen, die von Benn nicht für das Theater geschrieben wurden.
Noch heute ist es ein geistiges Abenteuer ersten Ranges, Benns Prosa zu lesen, die ihren expressionistischen Gestus weit übersteigt. »Vor Ihrer Prosa«, schrieb Ernst Robert Curtius nach dem Weltkrieg an Benn, »verblaßt alles, was in den letzten 30 Jahren berühmt war.«
»Benn war ein Dichter von europäischer Größe. Ein Jahrhundertgefühl ging bei ihm in Schönheit und Resignation zu Ende.«
Horst Krüger
120. Geburtstag am 02. Mai 2006
50. Todestag am 07. Juli 2006
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Gesammelte Gedichte 1956 5
Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte, die
nicht in die Sammlung von 1956 aufgenommen
wurden
Gedichte aus dem Nachlaß
Poetische Fragmente 1930-1955 325
Anhang
Verzeichnis der Gedichtüberschriften und
-anfänge 527
Verzeichnis der Gedichte 538
Inhalt
Prosa 1911-1913
Unter der Großhirnrinde. Briefe vom Meer 7
Nocturno 16
Heinrich Mann. Ein Untergang 18
Rönne-Prosa 1914-1916
Gehirne 23
Die Eroberung 29
Die Reise 36
Der Geburtstag 44
Die Insel 56
Prosa 1917-1930
Diesterweg 69
Querschnitt 79
Der Garten von Arles 90
Das letzte Ich 100
Alexanderzüge mittels Wallungen 107
Urgesicht 112
Saison 123
Prosa 1937-1949
Weinhaus Wolf 133
Roman des Phänotyp. Landsberger Fragment, 1944 156
Der Stundengott 156
Gestützt auf Pascal 159
Ambivalenz 160
Statische Metaphysik 161
Die Verneinung 166
Blicke 167
Dialektik 168
Bedenken gegen Nietzsche 169
Völlinger Gegensatz zu Schifferkreisen 171
Summarisches Überblicken 172
Geographische Details 175
Der Stadtpark 176
Die Geschichte 178
Libellen 180
Pilger, Bettler, Affenscharen 181
Bordeaux 183
Blöcke 186
Zusammenfassung 188
Studien zur Zeitgeschichte des Phänotyps 191
Der Ptolemäer. Berliner Novelle, 1947 204
Lotosland 204
Der Glasbläser 221
Der Ptolemäer 238
Der Radardenker 252
Autobiographische Prosa 1934-1950
Lebensweg eines Intellektualisten. Autobiographisches Fragment 269
I. Die Erbmasse 269
II. Ihre Erscheinungsformen 278
a) Rönne 278
b) Pameelen 286
c) Das lyrische Ich 292
III. Die Probleme 296
a) Die Kunst 296
b) Intellektualismus 303
IV. Die neue Jugend 307
V. Die Lehre 311
Doppelleben 314
I. Schatten der Vergangenheit 314
II. Leier und Schwert 334
III. Lyrisches Intermezzo 349
IV. Block II, Zimmer 66 353
V. Literarisches 371
a) Absolute Prosa 371
b) Doppelleben 374
c) Stil und Entartung 381
d) Hamsun: >Auf überwachsenen Pfaden< 385
VI. 1886 387
VII. Zukunft und Gegenwart 390
VIII. Noch einiges Private 404
Schlußworte 406
Szenische Prosa 1948-1951
Drei alte Männer. Zwei Gespräche 411
Die Stimme hinter dem Vorhang 441
I. Die Beispiele 442
II. Die Sonntagszeitung 454
III. Melancholie und Neonbeleuchtung 467
Nachwort 471
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