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Bindung und Sozialisation während der Adoleszenz Die Kombination der Bindungstheorie Bowlbys und der Sozialisationstheorie Bourdieus als theoretisches Erklärungsmodell für deviantes Verhalten von Jugendlichen
Bindung und Sozialisation während der Adoleszenz
Die Kombination der Bindungstheorie Bowlbys und der Sozialisationstheorie Bourdieus als theoretisches Erklärungsmodell für deviantes Verhalten von Jugendlichen




Juliane Staehler

Reihe: Beiträge zur pädagogischen Grundlagenforschung


Beltz Verlag , Juventa
EAN: 9783779963035 (ISBN: 3-7799-6303-5)
228 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2020

EUR 34,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Welchen Gewinn versprechen sich deviante Jugendliche von ihrem Verhalten? Theoretisch fundiert erarbeitet die Autorin, dass junge Menschen sich entsprechend ihrer Bindungsmuster und den sich darbietenden Möglichkeiten der Kapitalakkumulation verhalten. Der Wunsch, sich bewähren zu wollen, wird zum zentralen Gedanken beim Blick auf die subjektive Perspektive von jungen Menschen. Anhand eines differenziert ausgearbeiteten Fallbeispiels wird das theoretische Modell überprüft. Damit trägt dieses Buch zum besseren Verständnis jugendlicher Devianz bei und ermöglicht dem Diskurs der Fachwelt eine neue, erkenntnisreiche Perspektive.

Dr. Juliane Staehler ist Pädagogin und zertifizierte SAFE®-Mentorin. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Kinder- und Jugendhilfe, Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen.
Rezension
Devianz umfasst abweichendes Verhalten, Delinquenz und soziale Auffälligkeit und findet sich bei nicht wenigen Jugendlichen. Aber wie ist Devianz zu erklären und welchen Gewinn versprechen sich deviante Jugendliche von ihrem Verhalten? Die Autorin sucht einen neuen Erkklärungsansatz in der Kombination der Bindungstheorie Bowlbys und der Sozialisationstheorie Bourdieus. - Das Entstehen sicherer Bindungen ist ein wesentliches Element für die gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung eines Kindes. Die Bindungsforschung hat sich mit dieser Erkenntnis und mit ihrem britischen Pionier John Bowlby (1907-1990) seit der Nachkriegszeit kinderpsychiatrisch etabliert. Reale frühkindliche Erlebnisse in der Beziehung zu den Eltern bestimmen demnach die Entwicklung eines Kindes grundlegend. - Neben Durkheim, Parsons, Mead und Habermas hat Pierre Bourdieu (1930-2002) eine heute zentrale Theorie der Sozialisation entwickelt. Darin spielen Begriffe wie "Habitus", "Distinktionsgewinn" oder "symbolisches Kapital" eine zentrale Rolle. - Es gibt Jugendliche, die sich den typischen Entwicklungsaufgaben dieses Lebensabschnitts durch Devianz, Weglaufen und der Verweigerung einer vorgezeichneten Laufbahn entziehen. Sie leben meist außerhalb der Einflussnahme durch Erwachsene, indem sie sich nicht mehr in ihrer Familie aufhalten und sich in Jugendhilfeeinrichtungen jeglichem pädagogischen Einfluss verweigern. Manche der jungen Menschen wählen die Straße als Lebensmittelpunkt, leben dann in prekären Verhältnissen, haben wenig Eigentum und keinen festen Wohnsitz, ärztliche Hilfe ist ihnen aufgrund fehlender Krankenversicherung nicht oder nur im absoluten Notfall möglich. Viele substituieren sich mit Alkohol oder Drogen, um den Alltag erträglicher zu machen. - Die Forschung nach den Ursachen, warum sich junge Menschen für einen devianten Lebensweg entscheiden, setzt häufig in den Familien der Jugendlichen an, in welchen sie oft schwerwiegenden Belastungen ausgesetzt waren. Jedoch verweigern sich nicht alle Jugendlichen mit unsicherer Bindungsrepräsentation radikal den gesellschaftlichen Anforderungen, was die Frage nach weiteren möglichen Ursachen aufwirft. Nachdem die Bindungstheorie den Fokus auf die entwicklungspsychologische Perspektive legt, erscheint es sinnvoll, den Blickwinkel um eine Gesellschaftstheorie, welche die strukturellen Gegebenheiten des Aufwachsens in den Blick nimmt, zu erweitern: die Sozioanalyse Bourdieus. Sehr vereinfacht ausgedrückt, positioniert diese Akteure und Akteurinnen anhand ihrer Kapitalien, namentlich dem „ökonomischen Kapital“, dem „kulturellen Kapital“ und dem „sozialen Kapital“ in einem gedachten sozialen Raum. Die verschiedenen Kapitalien können schließlich noch in symbolisches Kapital konvertiert werden, welches das Renommee der Akteure und Akteurinnen bezeichnet. Akteurinnen und Akteure versuchen, sich ihren Platz im sozialen Raum zu sichern. - Die Gretchenfrage lautet: Welche bindungstheoretischen und sozioanalytischen Faktoren führen dazu, dass manche Jugendliche eine Möglichkeit autonom erlebter Handlungsfähigkeit in anomischen Strukturen und abweichendem Verhalten sehen? Darauf sucht diese Studie eine Antwort zu geben.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
Erziehungswissenschaft | Aufwachsen | Sozialkapital | Habitus | Bewältigungsstrategie | Krise | Bindungstypen | Lebenslauf | Biografie
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

1 Einleitung 11

2 Begriffsklärung 17

2.1 Sozialisation 17
2.2 Bildung 22
2.3 Familie als Erziehungsinstanz 24
2.4 Adoleszenz 26
2.5 Peergroup 28
2.5.1 Aktionismus als Bewältigungsstrategie von Adoleszenzkrisen 30
2.6 Gesellschaftliche Anforderungen 31
2.7 Zwischenfazit 33

3 Die Bindungstheorie 35

3.1 Historischer Abriss 35
3.2 Kritik 39
3.3 Vorläufer der Bindungstheorie: Folgen der frühen Mutterentbehrung 42
3.4 Grundannahmen der Bindungstheorie 44
3.4.1 Begrifflichkeiten 45
3.4.2 Entwicklung einer Bindungsbeziehung 46
3.4.3 Innere Arbeitsmodelle 52
3.4.4 Die Fremde Situation und das Adult Attachment Interview (AAI) 53
3.4.5 Die verschiedenen Bindungstypen 56
3.4.6 Exkurs: Faktoren, die zur Entwicklung einer Angstbindung führen können 61
3.4.7 Schichtzugehörigkeit und Bindungssicherheit 64
3.5 Bindung im weiteren Lebensverlauf 65
3.5.1 Studien zur Bindung im weiteren Lebensverlauf 66
3.5.2 Die Bielefelder Längsschnittstudie 70
3.6 Bindungsverhalten im Jugendalter 74
3.6.1 Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz aus Sicht der Bindungstheorie 75
3.6.2 Familiäre Bindung während der Adoleszenz 79
3.6.3 Auswahl der Peergroup im Kontext zur Bindung 81
3.6.4 Beziehungsfähigkeit in der Jugend im Kontext zur Bindung 85
3.6.5 Schulische Kompetenzen im Kontext zur Bindung 87
3.6.6 Risikofaktoren, die während der Adoleszenz auftreten können 88
3.6.7 Besondere Stressfaktoren in konfliktbelasteten Familien 89
3.6.8 Desorganisierte Bindung und/oder traumatische Erfahrungen während der Kindheit und ihre Auswirkungen auf die Adoleszenz 92
3.7 Zusammenfassung der Bindungstheorie 94
3.8 Zwischenfazit 96

4 Die Gesellschaftstheorie Bourdieus 98

4.1 Historischer Abriss 98
4.2 Kritik und Verortung der Theorie im historischen Kontext 101
4.3 Grundannahmen der Theorie der Praxis 105
4.3.1 Begrifflichkeiten 106
4.3.2 Die Struktur der Gesellschaft 116
4.3.3 Lebensstil, Lebensführung, Geschmack 121
4.3.4 Der primäre Habituserwerb während der Kindheit 123
4.3.5 Bildung und Habitus 125
4.3.6 Entwicklungsmöglichkeiten des Habitus 129
4.4 Exkurs: Die Sozialkapitaltheorie nach Coleman 132
4.5 Sozialisation, Bildung und Habitusentwicklung während der Adoleszenz 133
4.5.1 Habitus und Adoleszenz 134
4.5.2 Familie als soziales Feld während der Adoleszenz 135
4.5.3 Peergroup als soziales Feld während der Adoleszenz 139
4.5.4 Liebe als soziales Feld während der Adoleszenz 143
4.5.5 Schule als soziales Feld während der Adoleszenz 144
4.5.6 Mögliche Risikofaktoren während der Adoleszenz 147
4.6 Zusammenfassung der Theorie Bourdieus und Zwischenfazit 150

5 Die Zusammenführung beider Theorien im Hinblick auf die Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit 152

5.1 Sozialer Raum und Bindung 152
5.2 Bindungstheorie und Habitustheorie: Eine sinnvolle Ergänzung 154
5.3 Der Einfluss von Kapital, Habitus und Bindung auf die Bewährungsfelder von Jugendlichen –
Entwicklung eines Erklärungsmodells 158
5.3.1 Bewährungsfeld Familie 160
5.3.2 Bewährungsfeld Peergroup 161
5.3.3 Bewährungsfeld Liebe 161
5.3.4 Bewährungsfeld Schule 162

6 Forschungsansatz 164

6.1 Die Methodik 164
6.2 Zugang zum Forschungsgegenstand 166
6.3 Auswahl der Interviewpartnerinnen 168
6.4 Das Interview 170

7 Überprüfung des theoretisch entwickelten Erklärungsmodells anhand einer Einzelfallanalyse 171

7.1 Biografie Larissa 172
7.2 Die erarbeiteten Risikofaktoren in Bezug auf Larissas Biografie 174
7.3 Larissa im Bewährungsfeld Familie 178
7.4 Larissa im Bewährungsfeld Peer-Group 189
7.5 Larissa im Bewährungsfeld Beziehung/Liebe 198
7.6 Larissa im Bewährungsfeld Schule 203
7.7 Abschließende Interpretation 210

8 Schlussfolgerungen dieser Arbeit 213

Literaturverzeichnis 220
Danksagung 228