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BilderStreit Theologie auf Augenhöhe
BilderStreit
Theologie auf Augenhöhe




Erich Garhammer (Hrsg.)

Echter
EAN: 9783429028893 (ISBN: 3-429-02889-2)
328 Seiten, 14 x 23cm, 2007

EUR 17,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Streit um die Bilder ist bis heute von der jahrhundertelangen Auseinandersetzung der Theologie um die Bilder geprägt.



Der Band beschäftigt sich nicht nur mit dem Bilderverbot im Alten Testament und dem Bilderstreit im Laufe der Kirchengeschichte sowie dem Bildergebrauch in der Gegenwart, sondern hat auch die Interdisziplinarität des Themas im Blick.



Herausgeber:

Erich Garhammer, Dr. theol., geb. 1951, Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Würzburg. Er ist Schriftleiter der Zeitschrift „Lebendige Seelsorge“ und Mitherausgeber der Reihe „Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge“.
Rezension
Der vorliegende Band versammelte die Beiträge einer Ringvorlesung, die die Katholisch-Theologische Fakultät Würzburg im Wintersemester 2005/2006 veranstaltet hat. So unterschiedlich die Fachgebiete sind, die hierzu beitragen, so unterschiedlich sind auch die abgedruckten Untersuchungen und Vorträge. Was sie verbindet, ist das Thema des biblischen 'Bilderverbotes' und seine Auswirkungen in der Geschichte des christlichen Umgangs mit Bildern. Was erstaunt, ist die Breite und Vielgestaltigkeit der Zugriffe auf ein Thema, die sich aus der an einer einzigen Universität versammelten Kompetenz ergeben.

Der besondere Wert des Buches liegt darin, dass er sich dem vielberufenen 'Iconic Turn' in der Gegenwart von theologischer Seite zu nähern beginnt, auch wenn die Ausführungen die Problematik der zeitgenössischen Bilderflut und die Fragen, die sich mit der computergestützten Bildgebung verbinden, eher ausklammern: Obwohl es immer mehr Bilder gibt, scheinen sie gleichzeitig immer irrealer zu werden und eine Tendenz zu besitzen, zu verschwinden.

Eine Besprechung einer so umfangreichen Sammlung kann nur einzelnes hervorheben, vor allem natürlich das, was für den Rezensenten von besonderer Bedeutung war, nämlich die Beiträge von Seidl, Dünzl, Burkard, Gärtner und Riedel.

Theodor Seidl arbeitet ausführlich und mit vielen Belegen ein differenziertes Verständnis des alttestamentlichen Bilderverbotes heraus. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus: 1) Funde belegen, dass der vorexilische Kult Israels von Bildern geprägt und getragen waren. 2) Das 1. Dekaloggebot stellt ein spezielles Kultverbot, kein generelles Kunstverbot dar, es kann also nicht dafür dienen, gegen jegliche darstellende Kunst im religiösen Raum zu argumentieren.

Franz Dünzl zeichnet den Bilderstreit im Christentum während des ersten Jahrtausends nach, bewertet die Argumente von Bilderverehrern wie Bilderstürmern und kommt zu dem Schluss, dass gerade die Dialektik von Darstellung und Verweigerung der Darstellung fruchtbar ist: "Die Theologie wäre ärmer, wenn eine der beiden Traditionen völlig verstummte." (76)

Dominik Burkard schließt historisch betrachtet an den Überblick von Dünzl an und setzt sich mit dem Verhältnis der Reformatoren zu den Bildern auseinander, vor allem mit Karlstadt, Martin Luther und mit den Reformierten (Zwingli). Seine Überlegungen führen zu der Frage, ob die Ablehnung des Bildes im religiösen Raum durch die Reformation nicht als gescheitert betrachtet werden muss. Zu ihrer Beantwortung bedarf es allerdings weiterer Studien, die das jeweilige Verhältnis der beiden Konfessionen zu ihren Bildwelten und ihrer Nutzung durch die Gläubigen untersuchen und bestimmen, inwiefern die jeweils verfolgte 'Bildpolitik' erfolgreich war oder nicht. Während die eine Seite das Bild fürchtete, fürchtete die andere das Wort: volkssprachliche Bibeln standen auf dem römischen Index der verbotenen Bücher.

Der Beitrag von Claudia Gärtner dürfte für die Praxis des Religionsunterrichts von besonderem Interesse sein. Sie plädiert für einen neuen 'Bilderstreit im Religionsunterricht' und meint damit eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Bildbefund etwa in den einschlägigen Religionsbüchern: Gottesbilder (Darstellungen Gottes in der Kunst) werden kunstgeschichtlich-historisch abgehandelt, es wird jedoch nicht darüber gestritten, welche Gegenwärtigkeit diese Bilder haben und wie Gott heute darzustellen sei oder nicht. Sie fordert zu Recht eine 'inhaltliche' Debatte über religiöse Kunst, die über eine Würdigung und Reihung der Vielfalt an Darstellungen hinausgeht und tatsächlich nach der 'Angemessenheit' von Darstellungen fragt. Sobald man das tut, muss man nämlich wirklich über den aktuellen Glauben reden und kann sich nicht auf eine nur kulturhistorische Betrachtung der Hervorbringungen des Christentums zurückziehen.

Abschließend seien noch Wolfgang Riedels Ausführungen über Max Frischs 'Stiller' hervorgehoben. Er bietet eine ausführliche Interpretation des Romans und der in ihm dargestellten Identitätsproblematik. Was heißt es, sich ein Bildnis zu machen von sich selbst und von anderen? Er kontrastiert Frischs Ansatz mit Brechts 'Bildnispädagogik', wie sie sich etwa in der Keuner-Geschichte 'Wenn Herr K. einen Menschen liebte' artikuliert. Laut Frisch bleibt ein Bildnis immer mangelhaft, verformt das Geliebte, verzerrt es, ob es sich nun um einen Menschen oder um Gott handelt.

Matthias Wörther, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Im Anfang war nicht das Wort - sondern das Bild: Die Glaubensgeschichten der Menschheit begannen als Bildmagie. Die Götterbilder wurden geschmückt, gesalbt, eingekleidet und mit Speiseopfern versehen. Das Bilderverbot des Alten Testaments ist auf diesem Hintergrund eine Revolution: Es ist der Spott über diese Kultbilder, die nur Machwerk von Menschenhänden seien.

Der Streit um die Bilder ist bis heute von der jahrhundertelangen Auseinandersetzung der Theologie um die Bilder geprägt. Würden die Zehn Gebote heute formuliert, müsste das erste Gebot des Dekalogs so lauten: Du sollst DIr keine virtuelle Realität erfinden und auch nicht Deinen eigenen Markt im Kultbild verehren. Die Bilderfrage bleibt also aktuell.

Der Band beschäftigt sich mit dem Bilderverbot im Alten Testament und dem Bilderstreit im Laufe der Kirchengeschichte sowie dem Bildergebrauch in der Gegenwart.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7

Friedhelm Hofmann
Recht auf Kultur - Pflicht zur Kultur 11
Kirchliches Kultur-Engagement zwischen Martyria, Leiturgia und Diakonia

Stefan Weigand
Auf Tuchfühlung 21
Ein Zugang zur Kreuzwegstation von Waldemar Kolmsperger

Theodor Seidl
Kunstverbot oder Kultverbot? 29
Zum Verständnis des alttestamentlichen Bilderverbots

Franz Dünzl
Bilderstreit im ersten Jahrtausend 47

Wolfgang Weiß
Bilderzauber - Zauberbilder 77
Bild und Plastik in der westlichen Kirche des Mittelalters

Dominik Burkard
Bildersturm? 115
Die Reformation(en) und die Bilder

Stephan Ernst
Das „christliche Menschenbild" 141
Norm oder Fiktion?

Heribert Hallermann
Kitsch oder Kunst? 169
Bilder, Bilderstreit und Bilderverehrung im Kirchenrecht

Guido Fuchs
Heilige Zeichen, die zu Gott führen 187
Über die vielfältige Verwendung der Bilder in der Liturgie

Erich Garhammer
Entbanalisierung des Vertrauten 201
Bilder in Kirchenräumen

Claudia Gärtner
Plädoyer für einen neuen Bilderstreit im Religionsunterricht 223

Thomas Schauerte
Ein erfundener Skandal 245
Caravaggios „Matthäus Giustiniani" und „Matthäus Contarelli"

Wolfgang Riedel
Ich bin nicht der ich bin 271
Anthropologisches Bildnisverbot bei Max Frisch (Stiller) - mit einem Nachsatz zu Brechts Über das Anfertigen von Bildnissen

Jürgen Lenssen
Bilder im Museum 297
Das Konzept des Museums am Dom in Würzburg

Gerhard Droesser
Wahrnehmungskunst und Kunstwahrnehmung 307
Zur Funktion der (Selbst)Erzählung für die Praxis

Autorenverzeichnis 325