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Berufsbildungsforschung Alte und neue Fragen eines Forschungsfeldes
Berufsbildungsforschung
Alte und neue Fragen eines Forschungsfeldes




Peter Schlögl, Kriztina Dér (Hrsg.)

Transcript
EAN: 9783837613704 (ISBN: 3-8376-1370-4)
286 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2010

EUR 26,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Berufsbildungsforschung ist stark von Fragen der Praxis und der Politik geprägt. Hinter den tagesaktuellen Themen – etwa des nationalen Qualifikationsrahmens, des Ausbildungsplatzangebots, der Evaluationsforschung etc. – stehen aber in der Regel grundlegendere Fragestellungen, denen in der zumeist auftragsbezogenen Forschungsarbeit wenig Raum gegeben wird. Die Beiträge dieses Bandes geben Einblick in aktuelle Wissensbestände sowie alte und neue Fragen eines Forschungsfeldes, das vor rund 40 Jahren mit dem Anspruch etabliert wurde, ein zukunftsträchtiges gesellschaftliches Handlungsfeld wissenschaftlich zu erschließen.
Rezension
Berufsbildungsforschung ist ein Teilbereich der Berufspädagogik und ist letztlich zwischen öffentlichen und privaten Institutionen angesiedelt, stark von politischen und wirtschaftlichen Interesselagen abhängig und unterliegt zumeist recht enger auftragsbezogener Forschungsarbeit. Zugliech aber müssen auch übergreifende Aspekte behandelt und erforscht werden, z.B. die nationalen und internationalen Qualifikationsrahmen von Berufsausbildungen, das Ausbildungsplatzangebot, die Evaluationsforschung, die (inter)nationale Standardisierung beruflicher Qualifikationen etc. Dieser Sammelband bietet eine Darstellung des Status Quo heutiger Berufsbildungsforschung und eröffnet von daher Perspektiven für die Zukunft.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Berufsbildungsforschung – quo vadis? Der Band gibt Einblick in aktuelle Wissensbestände und trägt dazu bei, dieses wichtige gesellschaftliche Handlungsfeld für die Zukunft zu erschließen.
Schlagworte:
Bildungsforschung, Berufsbildung, Lehrlingsausbildung, Evaluation
Adressaten:
Erziehungswissenschaften, Berufspädagogik, Erwachsenenbildung, Evaluationsforschung

Peter Schlögl (Mag. phil.) ist Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (Wien).
Krisztina Dér (Mag. phil., M.A.) arbeitet am Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (Wien).
WWW: www.oeibf.at
Inhaltsverzeichnis
Einbegleitung in Form von Zukunftserinnerungen 9

Die langen und kurzen Wellen berufsbildungsrelevanter Forschung 12
ROLAND LÖFFLER / REGINE WIESER

Demografie und die Entwicklung von Berufsaus- und -weiterbildung in der EU 21
CHRISTIAN LETTMAYR

Qualifikationen der Zukunft: Herausforderungen für einen Arbeitsmarkt im Wandel 28
JULIA BOCK-SCHAPPELWEIN

Globalisierung der pädagogischen Provinz als Hinwendung zum konkreten, individuellen Menschen 38
PETER SCHLÖGL

Allgemein weiblich, beruflich männlich: eine renitente kulturelle Semantik 49
LYNNE CHISHOLM

Peter F. Druckers Sicht des Bildungswesens 62
EMIL WETTSTEIN

Die Expertise als Grundlage moderner Ordnungs- und Steuerungspolitik in der Weiterbildung 74
ELKE GRUBER

Qualifikation, Kompetenz und berufliches Wissen – ein aufklärungsbedürftiger Zusammenhang 86
FELIX RAUNER

Strukturierung beruflicher Ordnungsmittel im Kontext des lebenslangen Lernens 103
GEORG ROTHE

Ausbildungsinhalt, Anforderungsprofil oder berufliches Selbstverständnis? 115
ROLAND LÖFFLER

Ungenutzte Potenziale des Kompetenzansatzes: Mehr Mut zur Pädagogik 125
RÜDIGER PREISSER

Kompetenzorientierung und Individualisierung vor dem Hintergrund des kaufmännischen Unterrichts 136
PETER SLEPCEVIC-ZACH / ELISABETH RIEBENBAUER / MICHAELA STOCK

Die Betriebe im dualen Berufsbildungssystem – eine politökonomische Sichtweise 147
JÜRG SCHWERI

Professionelles Handeln in der Netzwerk-Polis 159
WOLFGANG JÜTTE

Was ist der genuine Beitrag von Hochschulen zu berufsbezogener Weiterbildung? 170
EVA CENDON

Qualität in der beruflichen Erstausbildung: europäische Politik und österreichische Umsetzungsstrategien 180
FRANZ GRAMLINGER / GABRIELA NIMAC / MICHAELA JONACH

Wie kommt die Qualität in die Bildung? Aktuelle Ansätze zur Qualitätssicherung unter der Lupe 194
MARIA GUTKNECHT-GMEINER

Professionalisierung der LehrerInnen durch Portfolios: ein Beitrag zur Biografieforschung 208
HARRY NESS

Bildungszugang und soziale Stratifikation 223
NORBERT LACHMAYR

Bildungsbenachteiligte Jugendliche an der Schwelle zum Berufsleben 232
MARLENE LENTNER

Literatur 244

Autorinnen und Autoren 279


Leseprobe:
9
Einbegleitung in Form von Zukunftserinnerungen
PETER SCHLÖGL / KRISZTINA DÉR

Im März 1971 fand in den Räumen des Palais Palffy in Wien eine Pressekonferenz
zur Bekanntmachung des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung
(damals unter dem Namen Institut für Berufspädagogische
Forschung und Entwicklung) statt, dessen Konstituierung
im Jahr 1970 erfolgt ist. Es war damit die erste spezialisierte Berufsbildungsforschungseinrichtung
in Österreich und eine der ersten in Europa.
Das deutsche Bundesinstitut wurde auch 1970 gegründet, das italienische
ISFOL 1973, das Europäische Zentrum CEDEFOP folgte 1975.
Die damalige österreichische Bundesministerin für Wissenschaft und
Forschung, Frau Hertha Firnberg, Gründungspräsidentin des Instituts,
hielt eine Ansprache, welche die Motive der Institutsgründung und Ziele
der Institutsarbeit aufzeigte. Diese waren damals überaus ambitioniert
und sind bis heute überraschend zeitgemäß. Die hohen Dynamiken moderner
Gesellschaften durch Produktionsinnovationen, Entwicklungen in
Technik und Wissenschaft, die tief in die Lebenswelten jedes/r Einzelnen
hineinwirken und Einflüsse auf volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit
haben, wurden von ihr als Herausforderung benannt und für das Bildungswesen
im Allgemeinen und für die berufliche Bildung im Speziellen
als erhebliche Innovationserfordernisse gesehen. Denn vor diesem
Hintergrund wären aktuell umgesetzte Konzepte von Grundausbildung,
Weiterbildung und Umschulung in Frage zu stellen und in Richtung permanenter
Bildung zu entwickeln, denn »(f)ür das künftige System lebenslanger
Bildung genügt […] nicht mehr die klassische Konzeption
unseres Schulwesens und beruflichen Ausbildungssystems.« Man bedenke,
dass 1971 ein Jahr vor Faure’s Bericht »Learning to Be« liegt,
PETER SCHLÖGL/KRISZTINA DÉR
10
der die noch anhaltende Renaissance von lifelong education einläutete.
Optimistisch wurde angenommen »[d]as Hauptkennzeichen des Bildungssystems
der Zukunft wird nicht diese oder jene Art der Organisation
sein, sondern permanente Reform« und »[w]er sich heute noch gegen
zuviel Experimente im Bildungswesen wendet, wird morgen klagen,
man hätte nicht genug Zeit mehr zum Experimentieren!« Die entsprechende
Presseinformation nennt konkret drei Ziele der Institutsarbeit.
Berufsbildungsforschung müsse in einen dauernden Reflexionsprozess
mit der Praxis eintreten und die Wirklichkeit der Berufserziehung durch
empirische Untersuchungen analysieren, weiters wäre ein interdisziplinärer
wissenschaftlicher Ansatz in Angriff zu nehmen, es sollte dies ein
Forschungsdreieck bestehend aus Berufspädagogik, Bildungssoziologie
und Bildungsökonomie werden. Und drittens sollte die Politikberatung
durch Vorlagen von Entscheidungshilfen in Form von Berufsprognosen,
Berufsbildern und Organisationsmodellen auf dem Gebiet der Berufserziehung
verstärkt werden.
Mit diesen Zielsetzungen wurde das Institut als außeruniversitäre
Einrichtung umgesetzt und sollte eine Lücke auf dem Gebiet der damaligen
Berufspädagogik (in Österreich) schließen. Zum zehnjährigen Bestehen
des Instituts 1980 schrieb die noch amtierende Präsidentin Firnberg
im Geleitwort des Tätigkeitsberichts: »Kalendarische Punkte im
Bestehen einer Institution bieten willkommene Anlässe, die Leistungen
der Vergangenheit Revue passieren zu lassen, Bilanz zu ziehen und
durch kritische Standortbestimmung die Perspektiven künftiger Tätigkeit
vorzuzeichnen.« Dies soll nun auch zum 40-jährigen Bestehen des
Instituts durch den gegenständlichen Sammelband geleistet werden. Einen
kurzen Aufriss zur Institutsgeschichte leisten ganz zu Beginn der
Beiträge Roland Löffler und Regine Wieser.
Die Berufsbildungsforschung in Österreich, aber nicht nur hier, ist
stark von Fragen der Bildungspraxis und der Bildungspolitik geprägt sowie
von einzelnen disziplinären Zugängen dominiert. Hinter den tagesaktuellen
Fragen – etwa eines nationalen Qualifikationsrahmens, der
Entwicklung von Bildungsstandards, der Evaluationsforschung u.v.m. –
stehen häufig grundlegende bildungstheoretische oder didaktische Fragestellungen,
denen in der zumeist auftragsbezogenen Bearbeitung zu
wenig Raum gegeben werden kann. Insofern lässt sich, verbunden mit
einer starken Fragmentierung der Forschungslandschaft, auch in vielen
Fällen keine aufbauende, voranschreitende Diskussion und damit wenig
wissenschaftlicher Fortschritt erkennen.
Die eingeladenen AutorInnen wurden ersucht, ein aus ihrer Sicht aktuelles
Thema aufzugreifen und neben einer kompakten Aufarbeitung
des Forschungsstandes einen – durchaus subjektiven – Ausblick auf akEINBEGLEITUNG
11
tuelle und künftige Forschungsfragen des Forschungsfeldes zu geben.
Die Sammlung von Beiträgen, die einem thematischen und keinem disziplinären
Zugang folgen, zeigen demnach aufbauend auf Befunden rezente
und künftige Forschungsfragen auf. Bei der Breite des Feldes wird
es nicht verwundern, dass es nicht gelingt, hier alle relevanten Bereiche
anzusprechen. So sind Aspekte der betrieblichen Bildungsarbeit, der
Ausbildung der AusbilderInnen und LehrerInnen, fachdidaktische Aspekte,
bildungshistorische Analysen, testtheoretische oder international
vergleichende Fragestellungen, nur exemplarisch vertreten, gestreift
oder angedeutet. Aber die hier vorgelegte thematische Auswahl umreißt
auf Grundlage der Expertise der AutorInnen, denen an dieser Stelle ausdrücklicher
Dank für ihre Leistungen ausgesprochen sei, Entwicklungsfelder
der Berufsbildungsforschung für Österreich und darüber hinaus.
Dies kann und soll nicht allein dem Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung
dienen, sondern der gesamten Forschungsgemeinschaft
Anstöße bieten und den fachlichen Diskurs positiv befördern und
für ForscherInnen hochschulischer und außeruniversitärer Bildungs- und
Berufsbildungsforschung, Studierende, Forschungsverantwortliche in
der öffentlichen Verwaltung, Arbeitsmarktverwaltung und für Bildungseinrichtungen.
Die Beiträge orientieren sich an fünf Themenfeldern. Einleitend werden
von Christian Lettmayr und Julia Bock-Schappelwein die aktuellen
und zukünftigen demografischen, politischen und arbeitsmarktökonomischen
Rahmenbedingungen beruflicher Bildung dargestellt. Das zweite
Themenfeld – mit Beiträgen von Peter Schlögl, Lynne Chisholm, Emil
Wettstein und Elke Gruber – ist einer Diskussion bildungstheoretischer
Fragestellungen und der Positionierung der Berufsbildungsforschung
innerhalb der Kultur- und Humanwissenschaften gewidmet. Die Beiträge
von Felix Rauner, Georg Rothe, Roland Löffler, Rüdiger Preißer, Michaela
Stock, Peter Slepcevic-Zach und Elisabeth Riebenbauer geben in
ihrer unterschiedlichen Ausrichtung einen Überblick über die aktuellen
Herausforderungen beruflicher Bildung. Die Artikel von Jürg Schweri,
Wolfgang Jütte, Eva Cendon, Franz Gramlinger, Gabriela Nimac, Michaela
Jonach, Maria Gutknecht-Gmeiner und Harry Ness behandeln
zentrale Aspekte der Qualitätssicherung und Professionalisierung der
beruflichen Aus- und Weiterbildung. Im abschließenden Teil werden
von Norbert Lachmayr und Marlene Lentner, ausgehend von aktuellen
Forschungsarbeiten, relevante Forschungsfelder einer zielgruppenorientierten
Analyse von Bildungszugang und -chancen aufgezeigt.