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Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit in der mittelalterlich-scholastischen Ontologie
Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit in der mittelalterlich-scholastischen Ontologie




Hans Blumenberg

Suhrkamp
EAN: 9783518587454 (ISBN: 3-518-58745-5)
232 Seiten, hardcover, 15 x 23cm, Juni, 2020, Herausgegeben von Benjamin Dalke und Matthias Laarmann

EUR 28,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Den 100. Geburtstag des Philosophen Hans Blumenberg (1920-1996) würdigt der Suhrkamp Verlag mit drei lesenswerten Neuerscheinungen: mit dem biographischen Meisterwerk von Rüdiger Zill „Hans Blumenberg. Der absolute Leser“, mit neun tiefschürfenden Texten aus dem Blumenberg-Nachlass zur „Unsicherheit“ des Wirklichkeitsbegriffs in der Neuzeit, veröffentlicht unter dem Titel „Realität und Realismus“, und mit der erstmaligen Veröffentlichung von Blumenbergs Dissertation in Buchform, herausgegeben von Benjamin Dahlke und Matthias Laarmann.
Blumenbergs 1947 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vorgelegte und mit „summa cum laude“ bewertete Untersuchung trägt den Titel „Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlichen-scholastischen Ontologie“. In ihr setzt sich Blumenberg kritisch mit Heideggers Existenzialanalyse und seiner Seinsgeschichte auseinander, um sich davon ausgehend dem paradigmatischen Seinsverständnis in der mittelalterlichen Ontologie zu widmen, insbesondere bei Thomas von Aquin und Duns Scotus. Blumenbergs Dissertation charakterisiert Zill in seiner Biographie treffend als „eine mit Heidegger`schem Instrumentarium gelesene Verteidigung der scholastischen Ontologie gegen Heidegger“.
Für die Buchausgabe von Blumenbergs Untersuchung, die auf dem maschinenschriftlichen Typoskript der Kieler Universitätsbibliothek basiert, wurden alle hebräischen, griechischen und lateinischen Zitate übersetzt und ein Verzeichnis der von Blumenberg benutzten Referenzliteratur beigefügt. Entstanden ist so eine „leseorientierte working edition“, die Einblicke in das frühe Denken des Philosophen gibt. Zu Recht schreibt sein Doktorvater Ludwig Landgrebe in seinem Dissertations-Gutachten, dass Blumenbergs Arbeit eine „denkerische Persönlichkeit eigener Prägung“ zeige. So finden sich in ihr bereits zentrale Begriffe wie „Wirklichkeitserlebnis“, „Weltverhältnis“ oder auch Reflexionen zur Lichtmetaphorik, welche in seinen weiteren Büchern und Texten aufgenommen und weiterentwickelt wurden, zum Beispiel in „Paradigmen zu einer Metaphorologie“(1960), „Die Legitimität der Neuzeit“(1966), „Die Genesis der kopernikanischen Welt“(1975), „Lebenszeit und Weltzeit“(1986) oder „Realität und Realismus“(2020).
Fazit: Mit der erstmaligen Publikation von Hans Blumenbergs Dissertation „Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie“ ist ein Schatz für die Blumenberg-Forschung gehoben worden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Hans Blumenberg
Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie
Herausgegeben von Benjamin Dahlke und Matthias Laarmann
Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie
D: 28,00 €
A: 28,80 €
CH: 38,50 sFr
NEU
Erschienen: 22.06.2020
Gebunden, 232 Seiten
ISBN: 978-3-518-58745-4
Auch als eBook erhältlich
1947 legt Hans Blumenberg aus Bargteheide in Holstein an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel seine unter schwierigsten persönlichen Umständen entstandene Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie vor. Hinter diesem Titel verbirgt sich eine mit ständigem Bezug auf die Philosophie Heideggers und seine »Fundamentalontologie« geführte Auseinandersetzung mit dem Denken des christlichen Mittelalters, in dem die Frage nach dem Grund des Seins eine so krisenhafte wie produktive Zuspitzung erfahren hatte. Die Dissertation wird von den Gutachtern Ludwig Landgrebe und Rudolf Schneider mit »ausgezeichnet« bewertet, aber sämtliche Bemühungen, zeitnah einen Verlag für die Arbeit zu finden, scheitern.
Blumenbergs brillantes Erstlingswerk blieb mehr als 70 Jahre ungedruckt. Nun wird es erstmals publiziert in einer leserorientierten Edition, die unter anderem Übersetzungen der zahlreichen altsprachlichen Zitate wie auch ein »Verzeichnis der Referenzliteratur« bietet, das die Lücke des im Original fehlenden Literaturverzeichnisses schließt und dieses darüber hinaus durch heute zugängliche Ausgaben ergänzt. In ihrem Nachwort beleuchten die Herausgeber den Entstehungskontext dieses Werks, das überraschende Perspektiven auf Blumenbergs Biographie und Denkentwicklung eröffnet.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung 11
§1. Das Problem der Ursprünglichkeit des ontologischen
Ansatzes bei Martin Heidegger 13
(a) Geschichtlichkeit und Tradition 13
(b) Destruktion als Freigabe der Geschichtlichkeit 16
(c) Auszeichnung der Scholastik im Zusammenhang des
Ursprünglichkeitsproblems 19
(d) Descartes als Fazit der Scholastik? 22
(e) Integration der Ursprünglichkeitsidee 24
§ 2. Voraussetzungen und Möglichkeiten eines ursprünglichen
Seinsverständnisses in der mittelalterlichen Scholastik 30
(a) Kontinuität des Wirklichkeitsbewußtseins als Boden der
›Rezeption‹ 30
(b) Einheit und Totalität der christlichen Erfahrung 35
(c) Direkte Rezeption und Spaltung des
Erfahrungshorizontes 37
(d) Lebendige und autoritäre Tradition 42
II. Die Durchbrechung der traditionellen ontologischen
Interpretationsweisen 45
§ 3. Die Interpretation des Seins als Hergestelltsein 47
(a) Destruktion und ›ens creatum‹ 47
(b) Ursache und Grund in der griechischen Ontologie 48
(c) Der biblische Schöpfungsgedanke 53
(d) Schöpfung und Seinsgrund bei Augustinus 55
(e) Schöpfung und Bewegungskausalität bei Thomas von
Aquino 64
(f) Die Personalität des Seinsgrundes in der augustinischen Scholastik 73
(g) Kosmologie und Ontologie bei Duns Skotus 77
(h) Leistung und Ertrag 79
§ 4. Die Interpretation des Seins als Vorhandenheit 81
(a) Der Inbegriff der Destruktionskritik 81
(b) Der Umschlag der exemplarischen Orientierung 84
(c) Analogie und Univozität des Seins 88
(d) Erkenntnisschema und Seinsauslegung 99
(e) Überblick 111
§ 5. Die Interpretation des Seins als Wesenheit 112
(a) ›Existenz‹ als Kontrastbegriff 112
(b) Die Verschüttung des Existenzproblems in der Antike 115
(c) Vorzeichnung der christlichen Existenzerfahrung 119
(d) Das Individuationsproblem bei Thomas von Aquino 124
(e) Die Entwurzelung der Individuationsfrage 128
(f) Aktualität als Auslegungsmodus von ›existentia‹ 135
(g) Substanz und Faktizität 141
(h) Überwindung der Wesensontologie? 145
§ 6. Die Interpretation des Seins als Gegenständlichkeit 148
(a) ›Welt‹ als ursprünglichstes Problem der Ontologie 148
(b) Weltphänomen und ›ontische Illumination‹ 152
(c) Die Einheit ontischer und intellektualer Illumination 159
(d) Leistung und Gefährdung des Illuminationsgedankens 165
(e) Das Sein als ›primum obiectum‹ bei Duns Skotus 168
(f) Weitere Fragemöglichkeit 171
§ 7. Das außertheoretische Fundament der Seinsinterpretation 173
(a) Radikalisierung des ontologischen Phänomenbegriffes 173
(b) ›Weisheit‹ als Totalität des Seinsbezuges 178
(c) Grundbefindlichkeit und Illumination 183
III. Letzte metaphysische Positionen 187
§ 8. Die Frage nach dem Sinn von Sein 189
(a) Sinn und Sinnverstehen 189
(b) Seinsverständnis als illuminative Methexis 191
(c) Die ontologische Exemplarität des Menschen 195
(d) Grenzen der Ursprünglichkeit 200
Anhang 203
Lebenslauf 205
Verzeichnis der Referenzliteratur 206
Nachwort der Herausgeber 217
Namenregister 231