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Auschwitz Birkenau
Auschwitz Birkenau




Juergen Teller

Steidl
EAN: 9783969994597 (ISBN: 3-9699945-9-4)
448 Seiten, kartoniert, 19 x 26cm, März, 2025

EUR 35,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Das Erreichen dieses von Theodor W. Adorno formulierten obersten Ziels aller Pädagogik aus seinem bekannten Radiovortrag „Erziehung nach Auschwitz“(1966) sei, so betont der Vertreter älterer Kritischer Theorie, an zwei Prozesse unabdingbar gebunden: an die Aufklärung der gesamten Gesellschaft über den Holocaust und an die „Erziehung zur Mündigkeit“.
Einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz – 80 Jahre nach seiner Befreiung - in Form eines visuellen Atlas leistet der Bild-Text-Band „Auschwitz Birkenau“ des international bekannten Modefotografen Juergen Teller (*1964). Erschienen ist das mit 820 Abbildungen und mit Texten von Christoph Heubner (*1949), Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, versehene englisch-deutsche Buch im Steidl Verlag. Für seine über 800 Fotografien hat Teller zusammen mit seiner Frau Dovile Drizyte und dem Verleger des Göttinger Verlags Gerhard Steidl drei Tage lang Anfang Dezember 2024 das KZ Auschwitz besucht und in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz übernachtet.
Das Lager umfasst das 20 Hektar große Stammlager Auschwitz I und das 170 Hektar große Vernichtungslager Auschwitz Birkenau (Auschwitz II). Zwischen 1940 und 1945 wurden von den Nationalsozialisten in Auschwitz mehr als eine Millionen Menschen, überwiegend Jüdinnen und Juden, ermordet. Fast 900 Tausend von den Häftlingen starben direkt nach der Ankunft in den Gaskammern. Von den mindestens 232.000 nach Auschwitz verschleppten Säuglingen, Kindern und Jugendlichen bis zum 17. Lebensjahr konnten am 27.2.1945 nur 650 befreit werden.
Tellers Fotos umfassen Aufnahmen aus der Vogelperspektive von Teilen des Lagerkomplexes sowie eine Vielzahl von Detailaufnahmen. Zu sehen sind in dem Buch u.a. folgende Fotografien: Auschwitz-Torbogen mit Schriftzug „Arbeit macht frei“ mit dem von Häftlingen umgedrehten „B“, die „Alte jüdische Rampe“ und Waggon in Auschwitz II, Gaskammer Nr. 1 im Lager Auschwitz I, Dosen des Giftgases „Zyklon B“, Öfen des Krematoriums, Schreibstube und „Todeswand“ von Block 11, Strafzellen, transportabler Galgen, Folterinstrumente, Stacheldrahtzäune, Baracken, Brillen und Prothesen ermordeter Menschen. Des Weiteren hat Teller Aufnahmen gemacht von Zeichnungen und Gemälden von Häftlingen sowie von Backsteinen, in denen sie sich mit Namen oder Initialen verewigt haben. Auf die heutzutage noch sichtbaren Spuren der im Lager erniedrigten, gequälten und ermordeten Menschen legt der Fotograf einen besonderen Fokus.
Zudem finden sich im Band von ihm Aufnahmen aus Gerhard Richters Zyklus „BIRKENAU“ aus dem Ausstellungshaus „Gerhard Richter Birkenau“, ein Porträt der Holocaust-Überlebenden Eva Umlauf sowie von Fotos der Befreiung des Lagers. Auch wenn die Aufnahmen Tellers eher beiläufig gemacht wirken und in gleicher größer Größe im Buch angeordnet sind, dokumentieren sie eindrücklich das Leid der Häftlinge in der Todesfabrik Auschwitz. Diese rufen in Erinnerung die Einhaltung des von Roman Cent und Marian Turski, welche Auschwitz überlebten, formulierten 11. Gebot: „Du sollst nicht gleichgültig sein. Gleichgültigkeit tötet.“ Geschichts- und Ethiklehrkräfte werden durch den vorliegenden Bildband geradezu aufgefordert, sich in ihrem Fachunterricht mit dem Holocaust anhand des Lagers Auschwitz intensiv auseinanderzusetzen und mit Schüler:innen die KZ-Gedenkstätte Auschwitz zu besuchen.
Fazit: Juergen Teller leistet mit seinem Band „Auschwitz Birkenau“ mit Texten von Christoph Heubner einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur. Man wird erinnert an die historische Verantwortung aller für „Nie wieder Auschwitz“ – gerade in einer Zeit des massiven Erstarkens von Rechtsextremismus in der Bundesrepublik und politischen Versuchen der Umdeutung deutscher Geschichte.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers reisen Juergen Teller, Dovile Drizyte und Gerhard Steidl auf Einladung des Schriftstellers und Exekutiv-Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees Christoph Heubner nach Auschwitz und Birkenau. Tagelang gehen sie durch die Gedenkstätten, und Teller fotografiert, was er sieht: Baracken und Gleise, die ins Unendliche zu führen scheinen, Gaskammern und Latrinen, elektrische Zäune, Botschaften, Zeichnungen, Fotos und Nachrichten, die das Leben der Häftlinge und ihren Tod dokumentieren – aber auch Profanes wie Parkplatzschilder und Souvenirshops, Besucher und Busse. Alles in diesen Fotografien hat seine Unschuld verloren, auch Gräser, Birken, Beeren, winterliches Sonnenlicht, das durch Fenster fällt. Jedes Detail, das Teller festhält, ist eine Spur in die Welt der Opfer und Täter, ist Teil des Grauens und der Realität dieser 190 Hektar großen Todesfabrik, in der mehr als 1,1 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden, ermordet wurden. Juergen Tellers Fotografien bewahren, was da ist, Vergangenheit und Gegenwart. Manchen der Fotos fügt Christoph Heubner Erinnerungen, Zitate und Eindrücke aus seinen jahrzehntelangen Begegnungen und Gesprächen mit Überlebenden des Lagers hinzu.
Auschwitz Birkenau ist ein visueller Atlas, eine beeindruckende Bestandsaufnahme.