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Arbeit am Logos
Arbeit am Logos



LIT
EAN: 9783825849672 (ISBN: 3-8258-4967-8)
264 Seiten, kartoniert, 16 x 22cm, März, 2000

EUR 25,90
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Wissenschaftsphilosophie und –geschichte zählen zu den im schulischen Unterricht gegenwärtig vernachlässigten Gegenständen. Dieses ist umso bedauerlicher, da der Fortbestand unserer Zivilisation durch die wissenschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten in einem höchsten Maße bedroht ist. Nun könnte man auf die mittlerweile auch in den Medien präsentierte ökologische Krise mit einer radikalen Technik- und Wissenschaftskritik antworten oder wie postmoderne Vertreter das Ende der „großen Erzählung“ Aufklärung verkünden. Volker Steenblock, Professor für Kulturphilosophie und Philosophiedidaktik an der Ruhr-Universität Bochum, geht in seinem 2000 erschienenen Buch „Arbeit am Logos“ einen anderen Weg. Mit seinem Werk verfolgt er die Intention, einen „Überblick über die Geschichte der erfolgreichen und herrschend gewordenen, der unterlegenen, der alternativen und der komplementären Wissenschaftsdiskurse und somit eine Einschätzung von Aufstieg und Krise der wissenschaftlichen Vernunft“(S. 5) zu geben. Steenblock begreift die „Arbeit am Logos“ als kulturelle Arbeit und damit als Beitrag zur Bildung. Daher bezeichnet er seine Ausführungen auch als „Prologomena einer Philosophie der Kultur und der Bildung“(S. 6).
Dazu beleuchtet Steenblock das Verhältnis von Mythos und Logos in der Geschichte, stellt die Ausprägung wissenschaftlicher Vernunft im Mittelalter dar, gibt einen Überblick über die wissenschaftliche Revolution in der Frühen Neuzeit und erläutert die szientistischen Wissenschaftstheorien des 19. und 20. Jahrhunderts. Dabei zeigt der Hochschullehrer die „große Bedeutung der Wissenschaften in unserem Lebens- und Weltverhältnissen“(S. 7) auf. Meines Erachtens hätte Steenblock dem in zahlreichen Disziplinen unkritisch rezipierten Radikalen Konstruktivismus mehr Aufmerksamkeit schenken können. Besondere Erwähnung verdient das dreiseitige Kapitel, welches der Frage nachgeht: „Warum hat sich die moderne Wissenschaft in Europa und nicht vielmehr in China entwickelt?“(S. 84-86) Neben der Wissenschaftsgeschichte widmet sich Steenblock der Technik- und Ökologieethik. Angesichts der Panökonomisierung aller Lebensbereiche unterstreicht Steenblock die Notwendigkeit naturwissenschaftlicher Bildung, die nicht nur technisches Verfügungswissen vermittelt, sondern auch die moralische Reflexion über die der Auswirkungen Technik miteinschließt. Dabei plädiert Steenblock für einen nicht-szientistisch verengten Vernunftbegriff (S. 244) und tritt für ein Festhalten an dem Programm der Aufklärung ein: „Wir haben zur Kritik der wissenschaftlichen Vernunft keine andere Instanz als diese ebenso wirkmächtige wie endliche Vernunft selbst.“ (S. 250) Wissenschaftliche Vernunft entwickeln beinhaltet nach einem Bilde Steenblocks „einen Tiger zu reiten“(S. 6).
Fazit: Das Buch „Arbeit am Logos“ des Philosophiedidaktikers Volker Steenblock kann allen Lehrern, die in der Oberstufe Philosophie, Ethik oder Geschichte auf hohem Reflexionsniveau unterrichten möchten, zur Lektüre empfohlen werden. Angesichts der Verbreitung prämoderner Ansätze in den gegenwärtigen Diskursen sollte die von Steenblock in Anlehnung an eine Wendung Sigmund Freunds gewählte Forderung „Wo Wissen ist, muß Bildung werden“ mehr Beachtung finden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Mit dem Logos, dem argumentativen und auf Gründe gestützten Denken, beginnt der lange Prozeß der ihrer selbst bewußten kulturellen Arbeit von Philosophie und Wissenschaft. Durch den Aufstieg der modernen Wissenschaften steht der Logos heute im Zeichen der wissenschaftlichen Vernunft. Was wir von der Welt zu wissen glauben, ist von ihren Ergebnissen, und was wir für vernünftig halten, ist von ihrem Denkstil entscheidend geprägt.

Wissenschaftliche Vernunft zu entwickeln, hieß aber für den Menschen zugleich - und heißt es gerade heute: - einen Tiger zu reiten. Die wissenschaftlich-technische Revolution setzt zivilisatorische Prozesse in Gang, denen wir viel verdanken, die aber auch eine Lawine ausgelöst haben, deren mitreißender Kraft wir heute mehr denn je ausgesetzt sind. Globale Probleme, "Grenzen des Wachstums" und deren Widerhall in den theoretischen Produktionen der Philosophie und Wissenschaftstheorie bezeichnen eine Krise der wissenschaftlichen Vernunft.

Angesichts ihres "apokalyptischen Soges" gilt es, den Weg sowie die Risiken und Chancen dieser Errungenschaft auszuloten, die unsere Zivilisation antreibt. Eine "Arbeit am Logos" erscheint dringlicher denn je. Wie nachhaltig eine philosophische und gesellschaftliche Reflexion von Zielen und Zwecken das Machen des Machbaren begleiten, und, womöglich, zunehmend steuern kann: hiervon wird abhängen, ob und inwiefern unsere Lebensverhältnisse noch das Produkt menschlicher Arbeit und Kooperation, inwieweit sie Kultur sein werden. Das szientifische Wissen muß, individuell und für alle, auf Bildung hin entwickelt werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 4
Einleitung: Sich über Wissenschaft orientieren 7
1.Kapitel: Der Mythos – alte und neue Karriere 11
1.1 Der Mythos als Gegenstand der Wissenschaft 11
1.2 Der Mythos als überwundener Vorläufer der Wissenschaft 14
1.3 Der Mythos als Alternative zur wissenschaftlichen Rationalität 16
1.4 Ein Leitbegriff für freiheitsfördernde Distanzierungspotentiale? 21
2. Kapitel: Modelle wissenschaftlicher Vernunft in der Geschichte 25
2.1 Antike: Teilhabe der Natur; Platon und Aristoteles 29
2.2 Die wissenschaftliche Vernunft im Mittelalter: Ihre Kritik, theologische Inszenierung, Transformation 57
2.3 Warum hat sich die moderne Wissenschaft in Europa und nicht vielmehr in China entwickelt? 84
2.4 Von Galilei zu Newton: Die ‚wissenschaftliche Revolution‘ im neuzeitlichen Europa 87
2.5 Der große Erfolg der Technik – Die Vernunft der Naturwissenschaften seit dem 19. Jahrhundert 159
3. Kapitel: Zur Philosophie der Naturwissenschaften und zur Technikphilosophie im 20. Jahrhundert
3.1 Wissenschaft als ‚Arbeit am Logos‘ – Die Debatte um die Bestimmung szientifischer Rationalität 180
3.2 Auf dem Wege in ein ökologisches und soziales Desaster? Zur Krise der wissenschaftlichen Vernunft 203
4. Kapitel: Arbeit am Logos 233
Epilog: Wo Wissen ist, muss Bildung werden 249
Literatur 253