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Aggressive Medien
Zur Geschichte des Wissens über Mediengewalt
Zugl.: Diss. Uni Köln, Phil. Fak., 2007
Isabell Otto
Reihe: Formationen der Mediennutzung
Transcript
EAN: 9783899428834 (ISBN: 3-89942-883-8)
340 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2008
EUR 29,80 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Mediengewalt ist immer wieder ein Thema öffentlicher Debatten. Insbesondere nach spektakulären Amokläufen taucht regelmäßig die Frage auf, ob Medien ihre Nutzer zu Gewalttätern programmiert und so die Tat verursacht haben. Dabei ist der kausale Zusammenhang alles andere als geklärt: Obwohl die empirische Mediengewaltforschung mit großem Aufwand betrieben wird, hat sie bis heute keine konsensfähige Antwort gefunden. Diese Studie sucht keine weitere Lösung, sondern fragt, wie sich die Kausalformel "Mediengewalt" historisch herausgebildet hat und welcher Gewinn darin liegt, die Mediengewalt-Debatte beständig mit ungeklärtem Wissen zu versorgen.
Rezension
Ob Medien Gewalt erzeugen, ob also z.B. der Konsum von Gewalt-Videos entsprechende Nachahmungen evoziert, - diese Frage wird zwar immer wieder diskutiert, insbesondere, wenn Gewalt öffentlich und medial wirksam stattgefunden hat, wie z.B. bei Amokläufen (z.B. Erfurter Gymnasium), aber geklärt ist die Frage keineswegs trotz einer immensen Forschungsarbeit, die in den vergangenen Jahren betrieben wurde. - Spannender fast als die Beantwortung dieser Kontroverse erscheint mittlerweile die Frage, warum diese Debatte so gern betrieben wird, warum die Medien gern für Gewalttaten verantwortlich gemacht werden, - genau hier setzt diese Kölner Dissertation an und rückt die gesamte Debatte damit in ein anderes, nkicht minder spannendes Licht ...
Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Isabell Otto ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg "Medien und kulturelle Kommunikation" und am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität zu Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Medien in der Wissenschaftsgeschichte, Mediendiskurse und Medientheorie.
WWW: www.fk-427.de
Adressaten
Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft
Schlagworte
Mediengewalt, Wissenschaftsgeschichte, Diskursgeschichte
Interview
... mit Isabell Otto
"Bücher die die Welt nicht braucht". Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
In meiner Studie verfolge ich eine neue Annäherung an die vieldiskutierte Frage, ob Medien ihre Nutzer zu Gewalttaten anreizen. Dies geschieht, indem die historischen Voraussetzungen für diese Fragestellung beleuchtet werden. Ich untersuche, wie sich die Möglichkeiten des wissenschaftlichen Sprechens über Mediengewalt formieren. Das Buch liefert keine weitere der zahlreichen Antworten auf die Mediengewalt-Frage. Es veranschaulicht vielmehr, warum diese Frage immer wieder gestellt wird.
Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Die Geschichte der Mediengewaltdebatte ist häufig als eine immer wiederkehrende Entrüstung von Eltern, Pädagogen und Politikern erzählt worden, die nicht aus wissenschaftlich-rationalen Überlegungen resultiert. Die neue Betrachtungsweise meines Buchs richtet sich dagegen auf die empirische Mediengewaltforschung: Inwiefern tragen die Verfahren des Messens und der Verdatung von Mediengewalt dazu bei, diese als Problem in der Öffentlichkeit präsent zu halten?
Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Nach wie vor ist die Mediengewaltforschung auf der Suche nach den besseren Methoden zur Messung von Mediengewalt. Sie kann jedoch die grundlegende Frage nicht klären: Ist Gewalt in den Medien nun gefährlich oder nicht? Zu jeder Untersuchung gibt es sofort ein Experiment, das die gegenteilige Beweisführung antritt. Die Frage der Mediengewalt ist also nach wie vor virulent und keineswegs ad acta gelegt. Es lohnt sich daher ein Blick auf die #anf1d#Forschungskulturen' von Mediengewalt.
Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
»Aggressive Medien« wirft einen kulturwissenschaftlichen Blick auf einen sozialwissenschaftlichen Forschungsbereich und stellt dabei u. a. folgende Fragen: Welche epistemologischen Gesichtspunkte prägen die Forschung in ihrer Frühzeit und noch heute? Welche Theorien und Konzepte finden Eingang in die Lehrbücher der Mediengewaltforschung und welche nicht? Eine Diskussion des Buchs mit Sozialwissenschaftlern und Wissenschaftshistorikern wäre deshalb besonders interessant.
Ihr Buch in einem Satz:
»Aggressive Medien« untersucht, wie die Kausalformel Mediengewalt in Forschungspraktiken entsteht und Eingang in Debatten über Gewalt und Medien findet.
Inhaltsverzeichnis
Die Formel ›Mediengewalt‹ 11
Die Kontroverse der Experten 13
Die diskursive Regulation von Mediengewalt 26
TEIL 1: WIRKUNGSKONTROLLE 39
1 Wirkung: Epistemologie des Messens 45
Sozialstatistische Positivitäten und die Objektivierung der Gesellschaft 45
Experimentelle Beobachtung und kontrollierte Kausalität 58
2 Propaganda: Politik der Beeinflussung 77
Techniken politischer Gewaltkommunikation 80
Die Mission der Persuasionsforschung 91
3 Werbung: Ökonomie der Suggestion 101
Anzeigen und ihre mediale Umgebung 110
Die Rationalisierung negativer Werbewirkung 114
Wirkungsforschung im Werbemedium 122
4 Erziehung: Pädagogik der Gefährdung 131
Die Rückseite des Erziehungsmediums 134
Die Delinquenz des unschuldigen Mediennutzers 137
Die Medien der Lerntheorie 146
5 Heilung: Therapie der Mediengewalt 159
Zur Genealogie medizinischer Reinigungskonzepte 162
Mediengewalt als kathartische Arznei 169
Die Widerlegung der Katharsisthese 175
Sozialhygienische Regulation 182
Das Wissen über Mediengewalt: Zwischenbilanz 189
Wirkungsstabilisierende Zähmung 189
Das Moralische der Regulation 193
Die moralische Regulation von Mediengewalt 199
TEIL 2: REGIERUNG DER MEDIENNUTZUNG 203
1 Kontexte der Wissensproduktion 207
Rhetoriken der Beweisführung 211
Regulation statt Kontrolle 217
Die sozialhygienische Institution als Ort der Wissensproduktion 222
Justierung des Experimentalsystems 232
2 Formatierung der Wissensordnung 235
Von der Gewalttat zum alltäglichen Normverstoß 239
Dispersion des gefährlichen Mediums 252
a) Fernsehen als Messproblem 254
b) Korrelation in Zeitsprüngen 255
c) Muster der Rezeption 261
Die Überwachung gewalttätiger Mediennutzer 263
3 Diffusion des Wissens 271
Die Irrwege publizierter Daten 274
Staatspolitische Handlungsohnmacht 280
Schließung des Forschungskreislaufs 290
Rezeptionspolitiken 295
Die Offenheit der Mediengewalt-Frage 301
Killerspiele verbieten: Die Sackgasse der Restriktionen 303
Schau hin! Der Appell an autonome Subjekte 309
Literaturverzeichnis 313
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