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Handbuch Phänomenologie
Handbuch Phänomenologie




Emmanuel Alloa, Thiemo Breyer, Emanuele Caminada (Hrsg.)

Mohrsiebeck
EAN: 9783161545603 (ISBN: 3-16-154560-5)
563 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, April, 2023

EUR 49,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Seit den Anfängen hat sich die Phänomenologie als eine der einflussreichsten philosophischen Strömungen des 20. und 21. Jahrhundert etabliert. Hiermit liegt das erste umfassende Handbuch in deutscher Sprache vor, das einen Überblick über die wichtigsten Grundmotive, Positionen, entwicklungen und Anwendungsfelder der Phänomenologie verschafft.
Rezension
Was verbindet die Philosoph:innen Franz Brentano, Edmund Husserl, Max Scheler, Martin Heidegger, Edith Stein, Eugen Fink, Hellmuth Plessner, Hermann Schmitz, Hans Blumenberg, Bernhard Waldenfels, Maurice Merleau-Ponty, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Paul Ricœur, Emmanuel Lévinas und den Soziologen Alfred Schütz miteinander? Bei allen ihr Denken prägenden Differenzen können die Vertreter.innen zur phänomenologischen Bewegung gezählt werden. Die Phänomenologie gilt – international betrachtet – zusammen mit der Analytischen Philosophie als die dominierende Richtung gegenwärtiger Philosophie. Phänomenologische Grundbegriffe sind zum Beispiel „Lebenswelt“, „Intentionalität“, „Konstitution”, „Epoché“, „Reduktion“, „Intersubjektivität” und „Leib”.
Welche Richtungen innerhalb der Phänomenologie lassen sich nachweisen? Wie wurde und wird diese weltweit rezipiert? Welche sind die Grundkonzepte und Methoden der Phänomenologie? Kann die Phänomenologie eine Ethik sein? Welche Bedeutung besitzt die Phänomenologie für die Epistemologie? Hilft eine phänomenologische Psychopathologie zur Erklärung von Krankheiten? Welche Rolle spielen phänomenologische Ansätze in der empirischen Sozialforschung? Ist eine phänomenologische Konzeption des Gehirns möglich? Lassen sich Phänomenologie und Enaktivismus miteinander verbinden?
Fachlich fundierte Antworten auf diese philosophischen Fragen liefert das „Handbuch Phänomenologie”, veröffentlicht bei Mohr Siebeck. Herausgegebenen wird der Band von Emmanuel Allola, Professorin für Ästhetik und Kunstphilosophie an der Universität Freiburg (Schweiz), von Thiemo Breyer, Professor für Phänomenologie und Anthropologie an der Universität Köln, und von Emanuele Caminada, Professorin an der Katholieke Universiteit Leuven. Die einzelnen Texte des Handbuchs stammen von ausgewiesenen Expert:innen, primär aus der Philosophie. Deren Beiträge belegen, dass phänomenologische Ansätze mittlerweile in allen Subdisziplinen der Philosophie breit rezipiert werden sowie in positiven Wissenschaften wie der Psychologie, Medizin, Kognitions-, Medien- und Kulturwissenschaften. Besondere Aktualität kann die Phänenomenologie m.E. in der Psychologie und Psychatrie beanspruchen sowie in der Ethik aufgrund ihrer werttheoretischen Ansätze. Im Kontext von Wertebildung kann m.E. noch mancher Schatz aus Max Schelers materialer Wertethik und aus der Alteritätsphilosophie von Emmanuel Lévinas gehoben werden. Man vermisst in dem „Handbuch Phänomenologie” ein Begriffsregister. Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik erhalten durch das vorliegende Werk einen sehr guten Überblick über die Phänomenologie und werden dadurch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht mit phänomenologischen Fragestellungen und Texten problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Das „Handbuch Phänomenologie” demonstriert eindrücklich die Vielfalt sowie die Fruchtbarkeit phänomenologischer Philosophie.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Phänomenologie stellt eine der Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie dar und findet in zahlreichen Wissenschaften sowie in Praxis und Therapeutik starke Resonanz. Nach 120 Jahren Wirkungsgeschichte füllt die Bibliothek phänomenologischer Werke zahllose Bücherregale und selbst für Expertinnen und Experten ist die Forschungsliteratur mittlerweile unüberschaubar geworden. An allgemeinen Einführungen sowie spezialisierter Fachliteratur mangelt es dabei keineswegs, wohl aber an einem Handbuch, in dem sowohl der Vielfalt der historischen Entwicklungen als auch dem berechtigten Wunsch nach innerer systematischer Kohärenz Rechnung getragen wird. Das Handbuch Phänomenologie schließt diese Lücke. Ausgewiesene Autorinnen und Autoren bereiten in eigens für diesen Band verfassten Artikeln komplexe sachliche Zusammenhänge übersichtlich auf. Durch seinen Aufbau eignet sich das Handbuch sowohl für Neulinge als auch für Fortgeschrittene. Anhand bündig präsentierter Grundbegriffe und Verfahren konturiert das Handbuch die Spezifik der phänomenologischen Methode, spart dabei jedoch nicht die Kontroversen und methodologischen Neuausrichtungen aus, die von ihrer Lebendigkeit und Vielstimmigkeit zeugen. Ein umfangreicher Schlussteil ist der Rezeption und Anwendung in einzelnen Wirkfeldern gewidmet. Als Hilfsmittel zur eigenständigen Erschließung der phänomenologischen Denkrichtung und zu ihrer Anwendung auf aktuelle Probleme zeichnet sich das Handbuch durch seine Lesefreundlichkeit und einen stark forschungspraktischen Bezug aus.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung 1
Phänomenologie als lebendige Bewegung
(Emmanuel Alloa, Thiemo Breyer, Emanuele Caminada) 2
1. Zum Handbuch – eine Gebrauchsanleitung 2
2. Was ist Phänomenologie? 4
3. Hintergründe und Orientierungen 6
4. Wider die Orthodoxie 10
5. Phänomenologie und/als Wissenschaft 11
6. Metaphysik und Methodik 13
7. Wozu Phänomenologie heute? – Ein Ausblick 14
B. Historische Entwicklungen 17
I. Anfänge der Phänomenologie 18
1. Husserl im Kontext (Emanuele Caminada) 18
2. Münchener und Göttinger Kreis (Matthias Schloßberger) 24
3. Die Freiburger Jahre (Emanuele Caminada) 27
4. Martin Heideggers Sonderstellung (Emmanuel Alloa) 31
5. Phänomenologie im Nationalsozialismus
(Emmanuel Alloa, Emanuele Caminada) 38
6. Heideggers Schwarze Hefte. Eine Bestandsaufnahme
(Dieter Thomä) 49
II. Rezeptionen der Phänomenologie (Marco Cavallaro) 53
1. Deutscher Sprachraum 55
2. Französischer Sprachraum (Frankreich, Belgien) 57
3. Niederländisch 59
4. Italienisch 59
5. Mittel- und Osteuropa (deutsch, polnisch,
tschechisch/slowakisch, russisch) 60
6. Nordeuropa 61
7. Angloamerikanischer Sprachraum 62
8. Spanisch und portugiesisch (Spanien, Portugal, Lateinamerika) 63
9. Japanisch 65
10. Koreanisch 66
11. Chinesisch 66
12. Fazit 67
III. Wendungen der Phänomenologie 67
1. Realistische Wendung (Matthias Schloßberger) 67
2. Existenzialistische Wendung (Jens Bonnemann) 76
3. Hermeneutische Wendung (Inga Römer) 85
4. Dekonstruktion (Iris Laner) 94
5. Responsive Wendung (Regula Giuliani) 103
6. Theologische Wende (Peter Gaitsch) 111
7. Kosmologische Wende (Ovidiu Stanciu) 119
8. Phänomenologie und Analytische Philosophie
(Søren Overgaard) 129
9. Naturalisierung der Phänomenologie (Thiemo Breyer) 138
C. Werkzeugkasten 147
I. Grundkonzepte 148
1. Korrelation: Phänomenologie als Korrelationsforschung
(Emmanuel Alloa) 148
2. Intentionalität: Bewusstsein als Akt (Thiemo Breyer) 153
3. Evidenz: Anschauliche Wahrheit (Julia Jansen) 157
4. Konstitution: Was das Bewusstsein leistet (Nicolas de Warren) 162
5. Gegenständlichkeit: Gegenstand und Gegebenheitsweise
(Tobias Keiling) 167
6. Positionalität: Stellungnahme, Einstellung, Haltung
(Christopher Erhard) 175
7. Zeitbewusstsein: Retention, Impression, Protention
(Nicolas de Warren) 180
8. Gegenwärtigung und Vergegenwärtigungen: Wahrnehmung,
Erinnerung, Fantasie (Emmanuel Alloa) 185
9. Leiblichkeit: Orientierung und Bewegung (Maren Wehrle) 192
10. Perspektivität und Horizontalität: Situation, Feld, Welt
(Marco Cavallaro) 199
11. Intersubjektivität: Ego und Alter Ego
(Christian Ferencz-Flatz) 203
12. Habitualität: Passivität, Gewohnheit, Tradition
(Maren Wehrle) 208
13. Lebenswelt: Praktisch, ontologisch, transzendental
(Karl-Heinz Lembeck) 213
14. Historizität: Geschichtlichkeit und Generativität
(Karl-Heinz Lembeck) 217
II. Methoden 222
1. Deskription (Andrea Staiti) 222
2. Epoché (Andrea Staiti) 228
3. Eidetische Variation (Thiemo Breyer, Julia Jansen) 234
4. Reduktion (Dieter Lohmar) 240
5. Statische und genetische Methode (Jagna Brudzińska) 245
D. Wirkfelder 253
I. Logik und Sprachphilosophie (Emmanuel Alloa, Andris Breitling) 254
1. Mathematische Voranfänge 254
2. Von der Mathematik zur Logik 257
3. Logische Bedeutung und sprachlicher Ausdruck 262
4. Phänomenologie der ›sprechenden Sprache‹ 266
5. Einsätze und Entwicklungen phänomenologischen
Sprachdenkens 270
5.1. Phänomenologische Motive in der Sprachwissenschaft 270
5.2. Hermeneutische Phänomenologie 271
5.3. Dekonstruktion 272
5.4. Ethik der antwortenden Rede 273
5.5. Phänomenologie und analytische Sprachphilosophie 274
II. Erkenntnistheorie und Metaphysik (Paul Livingston) 274
1. Gibt es eine phänomenologische Metaphysik? 274
2. Kritik des Repräsentationalismus: Internalismus,
Externalismus und Cartesianismus 279
3. Konzeptualismus vs. Nonkonzeptualismus:
Die Dreyfus-McDowell-Debatte 282
4. Die Transformationen des Transzendentalen:
Der Schatten Kants 284
5. Formales, materiales und historisches Apriori 286
6. Sinn, Wahrheit und Zeit: Kann die Phänomenologie eine
realistische Philosophie sein? 289
III. Ethik und Normen (Emanuele Caminada) 294
1. Werttheoretische Ansätze 295
1.1. Werte und Güter 296
1.2. Ethos und Person 299
1.3. Emotive Schichtung und Werthierarchie 300
1.4. Werten und Wollen 301
2. Das Problem der Normativität. Von der Wertethik zur
Verantwortungsethik 302
2.1. Ideales Sollen. Von Husserl zur Rechtsphänomenologie 303
2.2. Ethik der Freiheit 305
2.2.1. Heideggers Verwerfung der Wertethik 306
2.2.2. Sartres Phänomenologie der Freiheit 306
2.2.3. Ricœurs Hermeneutik der Verantwortung 308
2.3. Levinas: Verantwortung als Antwort 309
2.3.1. Von-Angesicht-zu-Angesicht (vis-à-vis) 310
2.3.2. Stellvertretung und Gerechtigkeit 311
3. Kritische Phänomenologie: auch eine Ethik? 312
IV. Psychologie und Psychiatrie (Thomas Fuchs, Samuel Thoma) 316
1. Zum Verhältnis der Phänomenologie zu Psychologie
und Psychiatrie 317
2. Phänomenologische Psychologie 318
3. Phänomenologie und Psychoanalyse 319
4. Phänomenologische Psychiatrie 321
5. Phänomenologische Psychopathologie einzelner Erkrankungen 323
5.1. Melancholische Depression 323
5.2. Schizophrenie 325
5.3. Anorexia nervosa 328
5.4. Borderline-Persönlichkeitsstörung 329
6. Schluss 330
V. Anthropologie und Ethnologie 332
1. Philosophische Anthropologie (Oliver Müller) 333
1.1. Phänomenologie und Anthropologie in ihren
›Gründungsphasen‹: Konkurrenz und Kritik 334
1.1.1. Gefährliche Parallelaktionen 334
1.1.2. Seinesgleichen geschieht: Die philosophische
Anthropologie wird ›begründet‹ 335
1.2. Entfremdungen und Annäherungen in der Zeit nach 1945 337
1.2.1. Existenziale Anthropologien als Antwort auf die
anthropologische Herausforderung 338
1.2.2. Beginn der interdisziplinären Ausweitung des
Programms der Phänomenologie 339
1.3. Es wächst zusammen, was zusammengehört 340
1.3.1. Zeit der Entspannung: ›Unorthodoxe‹ Studien
zwischen Phänomenologie und Anthropologie 340
1.3.2. Überwindung der Anthropologie-Phobie 341
1.3.3. Die Geburt der phänomenologischen Anthropologie
aus dem Geist der Psychopathologie 342
1.4. Fazit 342
2. Ethnologie (Hans Peter Hahn) 342
2.1. Körper 345
2.2. Wahrnehmung 347
2.3. Existenzialistische Ethnologie 350
2.4. Schluss 353
VI. Sozialphilosophie und Soziologie
(Hans Bernhard Schmid, Gerhard Thonhauser) 354
1. Ist Phänomenologie Solipsismus? 355
1.1. Ist Sozialität transzendentalphänomenologisch
zu erfassen? 357
2. Ist eine phänomenologische Gesellschaftstheorie möglich? 359
2.1. Muss Gesellschaftstheorie der transzendentalen
Phänomenologie den Rücken kehren? 360
2.2. Ist Subjektivität diskursiv oder systemisch
zu reformulieren? 361
3. Kann empirische Sozialforschung phänomenologisch
betrieben werden? 363
3.1. Welche Rolle spielt die lebensweltliche Situierung
für das Wissen? 364
3.2. Was trägt die Phänomenologie der Lebenswelt zur
empirischen Sozialforschung bei? 365
4. Was ist Gemeinschaft eigentlich? 367
4.1. Was heißt ›Dasein ist immer schon Mitsein‹? 367
4.2. Taugt Phänomenologie zu Sozialkritik? 369
5. Gibt es eine Phänomenologie der Pluralperspektive? 371
5.1. Was ist kollektiv an der kollektiven Intentionalität? 371
6. Resümee 373
VII. Politische Philosophie (Thomas Bedorf) 374
1. Husserls Staatsphilosophie 374
2. Totalitarismuskritik 375
3. Institution 377
4. Radikale Demokratie 382
5. Die politische Differenz 384
6. Situiertheit 386
7. Politische Affekte 389
8. Phänomenologien der Rassifizierung 391
VIII. Feministische Theorie und Gender Studies (Christina Schües) 393
1. Feministischer Aufbruch 394
1.1. Simone de Beauvoir: Das zweite Geschlecht 394
1.2. Die Gebürtlichkeit der Menschen 398
2. Gender Studies 402
2.1. Differenztheoretische Ansätze 403
2.2. Poststrukturalismus und Phänomenologie 407
3. Feministische Phänomenologie 410
3.1. Beschreibende, angewandte Phänomenologie 411
3.2. Transformationen der Phänomenologie 412
3.3. Feministische Phänomenologie und Interdisziplinarität 413
IX. Medien- und Kulturwissenschaften
(Emmanuel Alloa, Eva Schürmann) 414
1. Vermittelte Unvermitteltheit oder: Der Topos der
Unmittelbarkeit 414
2. Phänomenologie der Kultur 416
3. Phänomenologie der Technik 421
4. Phänomenologie der Medien 426
5. Ausblick 431
X. Ästhetik und Künste (Christian Grüny) 432
1. Positionen und Konstellationen 433
1.1. Edmund Husserl: Bild und Fantasie 433
1.2. Roman Ingarden: Ontologie des ästhetischen Gegenstands 435
1.3. Martin Heidegger: Kunst und Ereignis 436
1.4. Jean-Paul Sartre: Imagination und Negation 438
1.5. Maurice Merleau-Ponty: Bild und Werden der Welt 439
1.6. Mikel Dufrenne: Sinnliches und Ausdruck 441
1.7. Henri Maldiney: Form und Rhythmus 443
2. Felder 444
2.1. Bild 444
2.2. Skulptur, Land Art und Architektur 446
2.3. Musik 447
2.4. Literatur 448
2.5. Tanz und Performance 450
2.6. Film 451
XI. Kognitions- und Lebenswissenschaften (Thiemo Breyer) 452
1. Kognitionswissenschaften 454
1.1. Begriffe und Paradigmen 454
1.2. Kritik der Künstlichen Intelligenz 456
1.3. 4E Cognition 457
2. Lebenswissenschaften 460
2.1. Biologie 461
2.2. Ökologie 463
2.3. Neurowissenschaften 465
2.4. Medizin 469
E. Apparat 473
I. Hilfsmittel und Ressourcen 474
II. Ausgaben phänomenologischer Hauptwerke 477
III. Literaturverzeichnis 487
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 555
Personenregister 557