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Ketzer und Kirche Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden
Ketzer und Kirche
Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden




Daniela Müller

LIT
EAN: 9783643122711 (ISBN: 3-643-12271-3)
365 Seiten, hardcover, 15 x 21cm, 2014

EUR 49,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Frage nach den Dissidenten im Mittelalter stellt sich als methodische Herausforderung dar, die sich besonders in der jüngsten Forschung zu den Katharern niederschlägt: Gab es denn überhaupt Katharer oder handelt es sich um ein Konstrukt von angstbesessenen Theologen und Inquisitoren? Stellten die Kirchenmänner der christlichen "civitas dei" bewusst eine teuflische Gesellschaft gegenüber, nicht zuletzt um die römische Kirche als sicheren Hort des Heils unterstreichen zu können?

Es gilt, bei der Frage des Verhältnisses von Norm und Dissidenz Abstand zu nehmen von einem rein kausalen Verständnis, das nur im Rahmen von Aktion und Reaktion denkt. Tatsächlich geht es um äußerst komplizierte und pluriforme Verflechtungen, um Netzwerke, bei denen Wirkungen wiederum zurückwirken auf die eigentlichen Faktoren. Auch wenn dieser Startband historische Beispiele aus der leidvollen Geschichte der Dissidenten vorstellt, so ist dieser Mechanismus keinesfalls eine Sache der Vergangenheit.

Daniela Müller, Prof. Dr. theol., lehrt Kirchengeschichte und kanonisches Recht an der Faculteit der Filosofie, Theologie en Religiewetenschappen der Radboud-Universiteit Nijmegen.
Rezension
Dies ist der erste Band aus der neuen Reihe "Christentum und Dissidenz", die sich einer wesentlichen Fragestellung im Christentum zuwendet; denn das Christentum ist von Beginn an ein pluriformes Gebilde, das sich aus Streit- und Debattierkultur, aus Rede und Gegenrede (=dissentio) heraus entwickelt, man vergleiche in den Anfängen z.B. die Konkurrenz der Evangelien oder den Konflikt zwischen Judenchristen und Heidenchristen. In der folgenden Kirchengeschichte allerdings werden Bewegungen, als Dissidenten wahrgenommen, unter Zuhilfenahme der weltlichen Macht zu Ketzern abgestempelt. Schon bei Augustinus findet sich das Konzept der Häresie (vgl. S. 97ff). Dieser Band geht dieser Problematik mit besonderem Schwerpunkt auf der mittelalterlichen Bewegung der Katharer nach (vgl. Kap. 3).

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Christentum und Dissidenz
Herausgegeben von Prof. Dr. Daniela Müller

Editorial Board
Gian Ackermans, Anne Brenon, David Zbíral

Die Geschichte des Christentums ist von Beginn an auch eine Geschichte der Streit- und Debattierkultur. Das dissentio der Gegenrede erfuhr allerdings im Laufe der Geschichte des Christentums eine lebensgefährliche Wendung: Bewegungen - als Dissidenten wahrgenommen - wurden unter Zuhilfenahme der weltlichen Macht zu Ketzern abgestempelt. Wer sich der vielbeschworenen opinio communis verweigerte, wurde nicht nur als Vertreter von konträren Meinungen wahrgenommen, sondern als gleichsam asozial, areligiös, böswillig und kriminell. Das Augenmerk der Reihe liegt somit auf dem hochaktuellen Wechselverhältnis von Norm und Abweichung von der Norm: Für den Einzelnen mit Leid und Opfer verbunden, bleibt solches Ringen für den Prozess der Wahrheitssuche unverzichtbar.
Inhaltsverzeichnis
Liste der Abkürzungen
Vorwort
Ketzer-Identität 1
Eine bleibende Herausforderung

I. GRUNDLAGEN 9

„Ohne Ketzer gibt es keine Geschichte" 11
Ketzergeschichte ist Kirchengeschichte
Das Bild vom „Anderen" und die eigene Identität 32
Päpstliche Intentionen und Einflussmöglichkeiten auf den cultus divinus im Hoch- und Spätmittelalter 52

II. DAS ANTIKE ERBE 73

„Heiden" 75
Eine Skizze zur Transformation eines frühchristlichen Konzepts im Mittelalter
Augustinus und das Konzept von „Häresie" 97

III. KETZER - KATHARER 117

Häresie und Orthodoxie im mittelalterlichen Languedoc und die Entstehung des Ketzerprozesses 119
Die Kirche der Katharer 161
Die erfundenen Katharer 180
Zur Instrumentalisierung von Ketzerprozessen
Die Giovannali 193
Eine kaum bekannte korsische Dissidentenbewegung

IV. RECHTLICHE ASPEKTE 219

Die Entstehung des summarischen Verfahrens im Strafrecht des Mittelalters 221
Der Bischof und der Inquisitor 237
Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Prozessführung von Jacques Fournier und Geoffroi d'Ablis auf der Basis ihrer Inquisitionsregister
Die Spiritualität der Inquisitoren und die Entwicklung einer veränderten Schuldauffassung im 13. Jahrhundert 262
Ketzerei und Ketzerbestrafung im Werk des Alfonso de Castro 281
Pomponio d'Algieri und Paul IV. 302
Der Glaube des Einzelnen und das Räderwerk der Römischen Inquisition

STATT EINER SCHLUSSBETRACHTUNG 331

„Neue" Katharer 333
Von Zuschreibung nach Aneignung

Liste der Erstpublikationen 355
Index 359
Weitere Titel aus der Reihe Christentum und Dissidenz