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Global Images Eine Studie zur Praxis der Bilder. Mit einem Glossar zu Bildbegriffen
Global Images
Eine Studie zur Praxis der Bilder. Mit einem Glossar zu Bildbegriffen




Arthur Engelbert

Transcript
EAN: 9783837616873 (ISBN: 3-8376-1687-8)
216 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2011, kart., zahlr. Abb.

EUR 26,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wir leben in einer Zeit, in der die Generierung und Manipulierung bildlicher Prozesse scheinbar keine Grenzen mehr kennen. Mit dem Aufkommen der digitalen Visualisierung von Daten in den 1990er Jahren sind Bilder nicht mehr an ein bestimmtes Bildformat gebunden. Was hat sich dadurch in Bezug auf tradierte Verbreitungs-, Archivierungs- und Wahrnehmungsformen verändert?

Das Augenmerk dieses Buches gilt der kritischen Bewusstwerdung einer kulturellen Bildpraxis. Arthur Engelberts interdisziplinäre, medienwissenschaftlich gewichtete Auseinandersetzung mit zahlreichen Bildformaten und Visualisierungsprozessen zeigt, dass sich im Gebrauch optischer Informationen Hinweise finden lassen, wie Bildereignisse in den unterschiedlichsten Bildmedien in einem offenen Bildersystem miteinander verbunden sind.
Rezension
Die digitale Fotographie ist erst seit ca. 20 Jahren ein flächiges Phänomen; sie hat die Bilderzeugung nicht nur maßgeblich vereinfacht, sie eröffnet auch ganz ungeahnte Möglichkeiten der Bildmanipulation; denn heute kann fast jedermann Bilder auf einfachste Art und Weise mit Bildbearbeitungsprogrammen verändern. Zugleich werden Bilder im visuellen Zeitalter und nach dem sog. iconic turn immer bedeutsamer; wir sprechen vom Ende der Gutenberg-Galaxie. Dieses Buch fragt danach, wie sich durch die Digitalisierung die Verbreitungs-, Archivierungs- und Wahrnehmungsformen von Bildern verändern. Mehr denn je müssen wir uns kritisch bewusst machen, welcher kulturellen Bildpraxis wir unterliegen. Dazu leistet diese Darstellung einen wichtigen Beitrag.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Bilder, Visualisierung, Formate, Informationen, Bildersystem
Adressaten:
Medienwissenschaften, Visual Studies, Kulturwissenschaften

Arthur Engelbert habilitierte im Fachgebiet Medientheorie und Kunstwissenschaft und lehrt an der Fachhochschule Potsdam. Neben interdisziplinären Studien zur zeitgenössischen Kunst leitet er seit 1999 ein Forschungsprojekt, das kulturelle Transfers zwischen Kulturen und Künsten untersucht.

Editorial zur Reihe Metabasis:
Medien entfachen kulturelle Dynamiken; sie verändern die Künste ebenso wie diskursive Formationen und kommunikative Prozesse als Grundlagen des Sozialen oder Verfahren der Aufzeichnung als Praktiken kultureller Archive und Gedächtnisse. Die Reihe Metabasis (griech. Veränderung, Übergang) am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam will die medialen, künstlerischen und gesellschaftlichen Umbrüche mit Bezug auf unterschiedliche kulturelle Räume und Epochen untersuchen sowie die Veränderungen ... mehr in Narration und Fiktionalisierung und deren Rückschlag auf Prozesse der Imagination nachzeichnen. Darüber hinaus werden Übergänge zwischen den Medien und ihren Performanzen thematisiert, seien es Text-Bild-Interferenzen, literarische Figurationen und ihre Auswirkungen auf andere Künste oder auch Übersetzungen zwischen verschiedenen Genres und ihren Darstellungsweisen. Die Reihe widmet sich dem »Inter-Medialen«, den Hybridformen und Grenzverläufen, die die traditionellen Beschreibungsformen außer Kraft setzen und neue Begriffe erfordern. Sie geht zudem auf jene schwer auslotbare Zwischenräumlichkeit ein, worin überlieferte Formen instabil und neue Gestalten produktiv werden können.
Mindestens einmal pro Jahr wird die Reihe durch einen weiteren Band ergänzt werden. Das Themenspektrum umfasst Neue Medien, Literatur, Film, Kunst und Bildtheorie und wird auf diese Weise regelmäßig in laufende Debatten der Kultur- und Medienwissenschaften intervenieren.

Die Reihe wird herausgegeben von Heiko Christians, Andreas Köstler, Gertrud Lehnert und Dieter Mersch.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7

Global Images: Eine Studie zur Praxis der Bilder

Zur Vorgehensweise 11
Das mediale Ereignis oder visuelle Vermittlung von Realität 12
Konstruktion von Realität im Bild 31
Das Experiment: Fiktion bezogen auf Realität und umgekehrt 36
Zur Frage der Realitätskonstruktion: Das Medienereignis 39
Die Zuverlässigkeit der Nachrichten 40
Künstlerische Auseinandersetzungen mit 9/11 43
Die große Familie der Bilder 59
Die multiplizierte Perspektive 62
Austauschbewegungen im Internet 69
Das zerlegte Bild, die durchbrochene Oberfläche 72
Literatur und Abbildungsverzeichnis 87
Versuch zur Wahrnehmung der Fotografie heute
Global Images: Fotografie 93
Bilder – Kontexte – Zeichen 101
Literatur und Abbildungsverzeichnis 106

Anhang I: Glossar zu Bilderbegriffen

Hinweise zum Glossar 109
Bilderbegriffe – Glossar 115

Anhang II: Bibliographie zu Bildertheorien

Vorbemerkung 173
Bildertheorien 174
Geschichte des Sehens 185
Visuelle Phänomene 194

7
Einleitung
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Der Erste ist zugleich der Hauptteil. Er
trägt den Titel „Global Images: Eine Studie zur Praxis der Bilder“. Er untersucht
die Konsequenzen, die sich dadurch ergeben, dass wir in einer Zeit leben, in
der die Generierung und Manipulierung bildlicher Prozesse scheinbar keine
Grenzen mehr kennt. Mit dem Aufkommen der digitalen Visualisierung von
Daten in den neunziger Jahren sind Bilder an kein bestimmtes Bildformat gebunden.
Was hat sich dadurch bezogen auf tradierte Verbreitungs-, Archivierungsund
Wahrnehmungsformen verändert?
Wir gehen davon aus, dass sich im Gebrauch optischer Informationen Hinweise
finden lassen, wie die unterschiedlichsten Bildereignisse in den verschiedensten
Bildmedien in einem offenem Bildersystem miteinander verbunden
sind. Zwar können wir deren dynamische Strukturen nicht völlig durchschauen,
aber es ist möglich, anhand von Bildbeispielen herauszufinden, nach welchen
Gesichtspunkten typologische und topologische Unterscheidungen von
Bildern, und nicht nur diese, festgemacht werden können. Hatte die Kunstgeschichte
durch die Stilgeschichte, Ikonographie und Ikonologie Instrumente
und Kriterien zum Verständnis der Bilder geliefert, so verlangt eine interdisziplinäre,
schwerpunktmäßig medienwissenschaftliche Auseinandersetzung
mit allen möglichen Bildformaten und Visualisierungsprozessen heutzutage
ebenfalls Kriterien für die Praxis der vielen Bildarten und Bildbezüge. Diese
fassen wir unter dem Titel der „Global Images“ zusammen. Global Images sind
vornehmlich technische Bilder. Seit der Erfindung der Fotografie vor bald 200
Jahren gibt es technische Bilder, die sich besonders durch die technologische
Entwicklung von Visualisierungsprozessen in den letzten zwanzig Jahren stark
verändert haben. Ging es anfangs noch um eine Abgrenzung von analogen und
digitalen Bildern, von Bilderwelten offline und online, so steht gegenwärtig ein
Wandel der computergenerierten und –manipulierten Bilder an, der durch diverse
Formen technischer und nicht technischer Nutzung der Bilder geprägt
ist. Vor diesem Hintergrund eines gravierenden Wandels im Verständnis von
dem, was Bilder einmal waren und zukünftig sein werden, haben wir unseren
Akzent in der Auseinandersetzung hinsichtlich der Einwicklung der Global
Global Images: Eine Studie zur Praxis der Bilder
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Images auf die Fotografie gelegt. Dadurch soll eine Hauptlinie in den visuellen
Argumentationen durchgängig gewahrt bleiben, auch wenn optische Referenzen
zu anderen Bildformaten hergestellt werden. Da viele Bilder sehr einfach
über das Internet aufgerufen werden können, haben wir die Auswahl der Beispiele
auf das Notwendigste beschränkt.
Unser Interesse an den technischen Bildern hat ein ganzes Bündel von Beweggründen,
die wir in einem ersten Schritt in Anlehnung an die tradierte
Bildwissenschaft schematisch umreißen wollen. Im Mittelpunkt unserer Studie
steht nicht nur die Frage, wie Bilder generiert und manipuliert werden, sondern
nach welchen Modellen sie konstruiert werden. Hierbei gehen wir davon
aus, dass in der Konstruktion von Bildern auch Realitätskonstruktionen zu finden
sind, zumal dann, wenn wir den Gebrauch visueller Informationen kritisch
hinterfragen und wenn wir uns Oberflächenphänomene, die wir wahrnehmen,
bewusst bzw. anhand von Bildern sichtbar machen.
In einem globalen Medienereignis wie 9/11 kulminieren Visualisierungsformate,
auf deren Praxis sich jeder Zeitgenosse mehr oder weniger einlässt,
sich dessen aber nicht immer bewusst ist. Aus dem praktischen Bildergebrauch
ergeben sich viele Fragen. Eine davon lautet: Erwächst aus Sichtbarkeitsmanipulation
auch eine neue Sichtbarkeitsordnung? Wir werden dieser Frage in
allen Verästelungen nachgehen. Wir möchten herausfinden, was es bedeutet,
wenn an aufbrechenden Oberflächen der Bilder – hervorgerufen durch den
Gebrauch, durch visuelle Techniken der Nutzung – eine Befähigung zu kultureller,
medialer und politischer Manipulation erkennbar ist. Angenommen, wir
können das im weiteren Verlauf plausibel machen, dann verweist der technische
Umgang mit Bildern auf eine kulturelle Praxis und diese hat gesellschaftliche
Implikationen: Im Gebrauch der globalen Bilder erhält die Gegenwart
‚eine optische Erkenntnisformel‘ für komplexe Zusammenhänge, ähnlich wie
die Kubisten in den zehner Jahren des letzten Jahrhunderts einen Wahrnehmungswandel
der westlichen Gesellschaften angezeigt hatten. Solche visuellen
Erkenntnisse müssen allerdings ‚erarbeitet‘ werden; sie sind den Bildern selbst
nicht (mehr) anzusehen. Dies erklärt auch, warum wir in dem Buch den linearen
Verlauf immer dann verlassen, wenn wir durch einen Perspektivwechsel,
d.h. durch ein Umschalten auf andere Diskurse die Argumentation bereichern
können. Alle methodisch inhaltlichen Manöver werden dem Leser rechtzeitig
angezeigt, damit er das analytische Potential optimal einschätzen kann. Dass
wir hierbei technischen Paradigmen, wie dem der (Ver-)Schaltung oder wie
dem des Ebenenwechsels durch Zapping und Clicks, folgen, liegt auf der Hand.
Aufgrund der inhaltlichen Dynamik ist es jedoch ausgeschlossen, dass wir
beim Sampling, dem fragmentarischen Stückwerk, stehen bleiben. Vielmehr
interessiert uns gleich am Anfang in der Beschäftigung mit den Bildern zu 9/11,
wie in der Verkettung der Argumente und der visuellen Fragmente sinnvolle
Rahmungen, Protokolle und Bezüge entstehen.
Der zweite Teil des Buches ist eine Vertiefung zum Schwerpunkt Fotografie.
Er versteht sich als ein Versuch zur Wahrnehmung der Fotografie heute und
widmet sich der Doppelrolle der Fotografie als ein Schlüssel- und Leitmedium.
Da die Fotografie auf eine umfassende und zugleich verdichtende Weise über
die Veränderungen informiert, die seit dem Ende des Kalten Krieges im GlobaEinleitung
9
lisierungsprozess ihren Verlauf genommen haben, hat sie als ein sichtbar machendes
Medium eine Schlüsselfunktion. Zwar verzeichnet die Fotografie vor
allem durch computergenerierte Bilder einen zunehmenden Bedeutungsverlust,
den sie als ein Leitmedium für andere Bildmedien seit Ende der achtziger
Jahre inne hatte, jedoch ‚dokumentiert‘ sie noch immer auf vielfältige Weise,
was im Globalisierungsprozess politisch und ökonomisch geschieht, wenn sich
im ständigen Anwachsen und in der weltweiten Ausbreitung die Kontexte und
Formate der Bilder mischen.
So wie die Bilderrahmen in der Geschichte des westlichen Gemäldes eine
Abgrenzung vom Ort ihrer Wahrnehmung schmü ckend anzeigten, so fehlen
gegenwärtig die Bezugs-Rahmen für dynamische Visualisierungsformen,
wenn Kontexte der Bilder erschlossen, vermischt, Bildebenen kombiniert oder
Verschaltungen protokolliert werden. Anhand von ausgewählten Beispielen
werden die Grenzen der Fotografie als ein Schlüsselmedium eines Übergangs
bzw. eines globalen Orientierungsprozesses aufgezeigt. Die Bewusstwerdung
visueller Konstruktionen ist an die Praxis der Bilder gebunden und damit mit
der Realität verknüpft, die sie repräsentiert und symbolisiert, aber auch mit der
Realität, die sie praktisch ermöglicht.
Im dritten Teil des Buches werden Ergänzungen angeboten, die vor allem
im ersten Teil ausgeklammert werden mussten. Der Anhang „mit einem umfangreichen
Glossar zu Bildbegriffen und einer systematischen Bibliographie
zu Bildertheorien“ soll die Lücken schließen, die sich beim Lesen des Hauptteils
immer wieder ergeben werden, wenn die vorgeschlagene Diskussionslinie
verlassen wird und der Leser weitere Informationen wünscht. Durch das Glossar
erhält der Leser einen Apparat mit Hinweisen zu wichtigen Quellen aus
der Begriffsgeschichte des Bildes. So sollen diese vor allem dazu anregen, die
methodisch und inhaltlich notwendigen Eingrenzungen, die in der Studie zu
den Global Images gemacht werden mussten, zu erweitern und die Vielfältigkeit
der visuellen Modelle und Theorien nicht aus dem Auge zu verlieren. Wir
haben eine Auswahl von Bildbegriffen getroffen. Sie ist nicht vollständig. Sie ist
auch problematisch – weil wir noch so viele Begriffe ins Glossar hätten hinein
nehmen müssen; das ist uns bewusst.
Es war unser Bestreben, Begriffe der alten Bildmedien einzubeziehen. Möglicherweise
haben wir dadurch einige neuere Tendenzen zu kurz kommen lassen.
Dies ist von vornherein einzugestehen.
Das Augenmerk dieses Buches gilt der kritischen Bewusstwerdung einer
kulturellen Praxis der Bilder. Wir gehen von einem allgemeinen Bildbegriff aus,
wenn wir mit der Analyse der visuellen Wahrnehmung von medialen Ereignissen
ansetzen. Es sind viele Disziplinen, die zu Wort kommen bzw. ihr Bildrecht
beanspruchen. Das muss man konstatieren. Die fragmentarische Praxis
der Bilder spiegelt sich in den sprunghaften Bezügen, die dem Leser durch die
Einbeziehung anderer Sichtweisen angeboten werden.
Jeder Teil des Buches wird eigens noch einmal eingeleitet, damit Voraussetzungen
geklärt und die Ziele der Fragestellungen deutlich werden. Die Mannigfaltigkeit
der Global Images ist durchschau- und bewertbar: In den visuellen
Prozessen sind Vermittlungsformen und Strukturen zu erkennen, die individuell
beobacht- und aneigbar sind.