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Die Pharisäer
Geschichte und Bedeutung
Titel der Originalausgabe:
The Pharisees edited by Joseph Sievers & Amy-Jill Levine
ISBN: 978-0-8028-7929-5
© Wm. B. Eerdmans Publishing Co., Grand Rapids MI, 2021
All Rights Reserved
Für die deutsche Ausgabe wurde der Text angepasst.
Aus dem Englischen übersetzt von Claus-Jürgen Thornton
Joseph Sievers, Amy-Jill Levine, Jens Schröter (Hrsg.)
Herder Verlag
EAN: 9783451394591 (ISBN: 3-451-39459-6)
488 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Februar, 2024
EUR 42,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Die Pharisäer waren jahrhundertelang gut bekannt, wurden aber wenig verstanden - was u.a. auf ihre übergroße Rolle in der christlichen Vorstellung zurückzuführen ist, die sich aus ausgewählten negativen Stereotypen ergibt. Viele Historiker sehen die Pharisäer jedoch als angesehene Lehrer und vorausschauende Erneuerer, die dazu beitrugen, dass sich die jüdische Tradition besser an veränderte Umstände anpassen ließ und in der Praxis egalitärer wurde. Um diese Kluft zu überbrücken, liefern die Autoren dieses Bandes eine multidisziplinäre Einschätzung dessen, wer die Pharisäer tatsächlich waren, was sie glaubten und lehrten und wie sie im Laufe der Geschichte dargestellt wurden.
Joseph Sievers (geb. Recklinghausen, NRW; Ph.D. Columbia University, New York; Lic. Theol. Päpstliche Universität Gregoriana) ist Professor Emeritus für jüdische Geschichte und Literatur der hellenistischen Zeit am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. Darüber hinaus war er von 2003 bis 2009 Direktor des Kardinal-Bea-Zentrums für Jüdische Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Er hat mehrere Bücher und zahlreiche Artikel veröffentlicht, vor allem in den Bereichen der Geschichte des Zweiten Tempels (insbesondere Flavius Josephus) und der christlich-jüdischen Beziehungen. Er war der Hauptorganisator der internationalen Tagung, die diesem Band zugrunde liegt.
Amy-Jill Levine ist Professorin für Neues Testament und Jüdische Studien an der Hartford International University for Religion and Peace in Hartford, Connecticut, und Professorin für Neues Testament und Jüdische Studien Emerita an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Zu ihren Veröffentlichungen gehören The Misunderstood Jew: The Church and the Scandal of the Jewish Jesus; Short Stories by Jesus: The Enigmatic Parables of a Controversial Rabbi; The Jewish Annotated New Testament/ Das Neue Testament - jüdisch erklärt (gemeinsam mit Marc Brettler); The Bible With and Without Jesus: How Jews and Christians Read the Same Stories Differently (mit Marc Brettler).
Jens Schröter ist Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments und die antiken christlichen Apokryphen an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen neueren Publikationen gehören: Jesus Handbuch (hg., mit Christine Jacobi); Die Entstehung der Bibel. Von den ersten Texten zu den heiligen Schriften (mit Konrad Schmid); Jesus: Person und Wirkung; Jews and Christians: Parting Ways in the First Two Centuries CE? (Hg., mit Joseph Verheyden und Benjamin A. Edsall).
Rezension
Die jüdische Gruppierung der Pharisäer sind uns aus der Zeit Jesu vor allem aus der christlichen Perspektive des Neuen Testaments, insbesondere der (synoptischen) Evangelien bekannt. Diese christliche gefärbte Darstellung der Pharisäer ist keineswegs objektiv und wertneutral, sondern von ausgewählten negativen Stereotypen durchprägt und ist als solche negativ konnotiert bis in den deutschen Alltags-Wortschatz eingedrungen: Der Pharisäer als Angehöriger einer altjüdischen, die religiösen Gesetze streng einhaltenden Bewegung gilt abwertend als Heuchler, Scheinheiliger, selbstgerechter und unangenehmer Zeitgenosse, ein scheinheiliger Mensch, der hohe ethische Ansprüche an das Handeln anderer stellt, aber selbst nicht einhält. Nach dem gängigen christlichen Vorurteil waren die Pharisäer starrsinnige Heuchler, die sich zwar den Anschein gaben, nach Gottes Gesetz zu leben, in Wahrheit aber nur einem formalen Buchstabengehorsam das Wort redeten und vor allem auf ihr eigenes Ansehen bedacht waren. Sie waren unbarmherzig und geldgierig, wandten sich gegen die Lehre Jesu, der die Liebe und Zuwendung Gottes zu allen Menschen verkündete, und trugen schließlich sogar dazu bei, dass er ans Kreuz geschlagen wurde. Ein solches Bild – das ein Klischee ist und mit der historischen Wirklichkeit wenig bis nichts zu tun hat – speist sich aus den Darstellungen der Pharisäer in den Evangelien. Eine negative Sicht auf die Pharisäer prägt nach wie vor christliche Predigten und Bibelstudien ebenso wie ihre Wahrnehmung in der Alltagskultur – bis hin zur, vermutlich aus Nordfriesland stammenden und vor allem in Norddeutschland anzutreffenden, Bezeichnung eines Getränks aus Kaffee, Rum und Sahne als „Pharisäer“: Man kann Alkohol genießen, ohne es offen zeigen zu müssen, eben heuchlerisch. Diese Zuschreibungen trugen zu antijüdischen Vorurteilen und Ressentiments maßgeblich bei. Die (neutestamentliche) historisch-kritische Geschichts-Wissenschaft, die judaistik und weitere Disziplinen bemühen sich seit Jahrzehnten um ein angemessenes historisches Begreifen der Pharisäer jenseits der christlichen Ressentiments und abwertenden Stereotype. Die Pharisäer werden als angesehene Lehrer und vorausschauende Erneuerer verstanden, die dazu beitrugen, dass sich die jüdische Tradition besser an veränderte Umstände anpassen ließ und in der Praxis egalitärer wurde. In diese Richtung zielt auch dieses aus dem Englischen übersetzte Buch; es bietet eine multidisziplinäre Einschätzung dessen, wer die Pharisäer tatsächlich waren, was sie glaubten und lehrten und wie sie im Laufe der Geschichte dargestellt wurden.
Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Differenziertes Bild der bedeutenden jüdischen Gruppierung jenseits der Stereotype
Mit einem Grußwort von Papst Franziskus
Inhaltsverzeichnis
Technische Hinweise 9
Abkürzungen 10
Einleitung 14
Joseph Sievers, Amy-Jill Levine, Jens Schröter
Ansprache von Papst Franziskus 27
Erster Teil: Historische Rekonstruktion
Was ist ein Name? Zur Interpretation der Bezeichnung „Pharisäer“ 33
Craig E. Morrison
Auf der Suche nach den pharisäischen Wurzeln 45
Vasile Babota
Die pharisäische Halacha im Licht von 4QMMT 61
Vered Noam
Die Pharisäer bei Josephus 88
Steve Mason
Paulus, der vollkommen gerechte Pharisäer 121
Paula Fredriksen
Der Pharisäer Paulus und der nomos 146
Kathy Ehrensperger
Pharisäerpolemik in Matthäus 23 168
Adela Yarbro Collins
Das lukanische Doppelwerk als Quelle für die Geschichte der Pharisäer 191
Hermut Löhr
Pharisäer im Johannesevangelium und ein ganz bestimmter Pharisäer 214
Harold W. Attridge
Das Bild vom pharisäischen Gesetz. Gemeinsamkeiten zwischen den Evangelien und der rabbinischen Tradition 230
Yair Furstenberg
Jesus und die Pharisäer. Was wissen wir über ihre gegenseitigen Beziehungen? 245
Jens Schröter
Pharisäer und Rabbinen 273
Günter Stemberger
Zweiter Teil: Rezeptionsgeschichte
Die vergessenen Pharisäer 293
Shaye J. D. Cohen
Die Pharisäer in der Theologie Martin Luthers und Johannes Calvins 309
Randall C. Zachman
Die Pharisäer in der Malerei 329
Angela La Delfa
Eine kurze, persönliche Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele 346
Christian Stückl
Die Pharisäer im Film 355
Adele Reinhartz
Die Pharisäer in der neueren Forschung 371
Susannah Heschel und Deborah Forger
Aspekte der Forschungsgeschichte. Die deutschsprachige Pharisäerforschung seit 1973 394
Roland Deines
Dritter Teil: Der Blick nach vorn
Über Pharisäer predigen – gegen Vorurteile 429
Amy-Jill Levine
Welche Zukunft haben die Pharisäer? 452
Massimo Grilli und Joseph Sievers
Danksagung 466
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 467
Abbildungsnachweis 468
Namen, Orte, Sachen 469
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