lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Die Ära der Ökologie Eine Weltgeschichte
Die Ära der Ökologie
Eine Weltgeschichte




Joachim Radkau

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406613722 (ISBN: 3-406-61372-1)
784 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 15 x 22cm, 2011

EUR 29,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Joachim Radkau gliedert seine umfassende, farbige Darstellung der Geschichte der Umweltbewegung nach ihren großen Dramen und Spannungsfeldern. Zwar lässt er auch die fernen Ursprünge im 18. und 19. Jahrhundert nicht außer Acht, konzentriert sich im Wesentlichen jedoch auf die letzten vierzig Jahre. Das Buch berichtet über ausschlaggebende Ereignisse und Erfahrungen wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl genauso wie über den Mythos des deutschen «Waldsterbens» und beleuchtet die Zusammenhänge mit anderen politischen und kulturellen Strömungen. Es erzählt sowohl von spiritueller Suche und herausragenden Momenten als auch von Institutionalisierung und Bürokratisierung. Es porträtiert zentrale Initiativen wie Friends of the Earth oder Greenpeace und charismatische Vorkämpferinnen wie Rachel Carson, Petra Kelly und die Chinesin Dai Qing. Überhaupt zeigt Joachim Radkau, welch zentrale Rolle und beinahe mythisches Potential Frauen in der Umweltbewegung zukommt. Radkau schreibt zwar aus innerer Verbundenheit und viel eigener Erfahrung mit der Umweltbewegung, hält - wo nötig - jedoch auch kritische Distanz. So wird klar: Trotz manch bizarrer Episoden ist die Umweltbewegung die neue, wahre Aufklärung unseres Zeitalters; die fließende Vielfalt und immer neue Vernetzung der Motive unterscheidet sie von allen früheren großen Bewegungen der Geschichte. Ihre wirkliche, mitunter auch heimliche Globalität entsteht allerdings aus dem Lokalen und nicht über die spektakulären Gipfelkonferenzen. Nicht Gleichmacherei, sondern die Herausarbeitung der kulturellen Verschiedenartigkeiten führt so ins Zentrum der Dynamik der Umweltbewegung. Vor diesem Hintergrund muss sich eine Klimapolitik, die nur Klimapolitik sein will, als Sackgasse ausnehmen. Je mehr die Umweltbewegung an politischem Einfluss gewinnt, desto mehr verstrickt sie sich auch in typische Probleme, wie wir sie von der alten Aufklärung her kennen.

Joachim Radkau, geb. 1943, habilitierte sich mit einer Studie über Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft. 1981 wurde er Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Er forschte über die Geschichte des deutschen Waldes und des Naturschutzes sowie über den Zusammenhang zwischen Nervosität und Technikgeschichte im Wilhelminischen Kaiserreich. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Radkau bekannt, als er im Jahr 2000 eine Weltgeschichte der Umwelt (Natur und Macht, Verlag C.H.Beck) veröffentlichte. 2005 folgte eine viel beachtete Biographie Max Webers.
Rezension
NIMBY - Not in my backyard - könnte als Motto über der großangelegten Geschichte der Umweltbewegung 'Die Ära der Ökologie' stehen. Sie bringt eine Reihe der Probleme zum Ausdruck, die den Kampf für und um die Natur bestimmen: Man kann gut mit allem Möglichen leben, so lange es einen nicht selbst betrifft. Keiner will das Atomkraftwerk vor der Haustür, aber genau so wenig einen Park von Windrädern. Die Stärke von Radkaus Weltgeschichte ist ihre Fähigkeit, die Zusammenhänge zwischen lokalen und globalen Gegebenheiten darzustellen und so auch eindringlich bewusst zu machen, wie unterschiedlich die Probleme, die historischen Wurzeln, die nationalen Stärken und Empfindlichkeiten und die Prioritäten sind, wenn es um ökologische Fragen geht. Was den einen der Wald, ist den anderen der Walfang. Seine Darstellung macht überdeutlich, dass alles zukünftig davon abhängen wird, Schnittstellen zwischen den verschiedenen 'Welten' herzustellen und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Standpunkten zu ermöglichen: Wer die Luft rein halten will, braucht das Wissen der Techniker. Und der Techniker, der möchte, dass seine Kinder gesund aufwachsen, muss sich mit den Argumenten der Umweltschützer auseinander setzen.
Radkaus Buch ist kurz vor Fukushima erschienen. Im Licht der jüngsten Atomkatastrophe mögen einzelne seiner Darlegungen der Überarbeitung bedürfen, im Ganzen tut der erneute GAU seinen Ausführungen aber keinen Abbruch. Die Geschichte ist um ein weiteres Kapitel zu erweitern, aber die Linien in die Vergangenheit hinein haben sich darum nicht verändert. Das Buch hat auch deshalb Bestand, weil Radkau zwar zu Beginn geschichtsphilosophische Überlegungen anstellt, aber nicht versucht, mit ihrer Hilfe alles zu erklären oder eine bestimmte Entwicklung voraussagen zu wollen. Er bleibt bei den (oft ambivalenten) Tatsachen, schildert die Überfülle der unterschiedlichen Bewegungen, Strömungen und Persönlichkeiten, versucht allen Seiten gerecht zu werden (was auch heißt, dass er z.B. gute Argumente der Industrie anerkennen kann), aber lässt dennoch keinen Zweifel an seiner eigenen Position. Wenn er das Schlusskapitel 'Die Dialektik der grünen Aufklärung' überschreibt, dann bringt er eine Problematik zum Ausdruck, die alle Revolutionen und engagierten Bewegungen bestimmt und bedroht hat: Immer besteht das Risiko, das etwas richtig Begonnenes und gut Gemeintes in das Gegenteil umschlägt. Organisatorische Notwendigkeiten ufern in sich selbst beschäftigende Bürokratie aus, gute Ansätze erstarren in Dogmatismus, Offenheit und Flexibilität enden in Rechthaberei.
Die Fülle des historischen Materials, das vor dem Leser ausgebreitet wird, erhält eine hilfreiche Strukturierung durch drei so genannte 'Zeitfenster', chronologische Auflistungen von die Umweltbewegung betreffenden Ereignissen an entscheidenden Stationen ihrer Geschichte: Der Zeitraum von 1875 bis 1914, die Jahre der 'ökologischen Revolution' von 1965 bis 1972 und die Zeit der Umweltkonjunktur von Tschernobyl bis Rio, 1986 - 1992. Neben Problemen, Streitfragen und Institutionen kommen auch die Persönlichkeiten nicht zu kurz, die für die Umweltbewegung von Bedeutung waren und sind. Radkaus 'Weltgeschichte' wird so zu einem nicht nur äußerst informativen, sondern auch spannenden und farbigen Panorama, dessen Ausführungen man mit nicht nachlassender Aufmerksamkeit folgt.
Was allenfalls zu bemängeln wäre, ist das fehlende Sachregister. Bei fast 800 Seiten blättert man ein Weilchen, bis man die in Erinnerung gebliebene Passage wiederfindet. Ein Sachregister hätte den praktischen Wert des Buches noch einmal deutlich erhöht.
Verlagsinfo
Die Ökologie ist das Signum unseres Zeitalters. Joachim Radkaus grandioses Buch lässt die neue Ära zum ersten Mal in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit und globalen Bedeutung erfahrbar werden.
Das Buch berichtet über ausschlaggebende Ereignisse und Erfahrungen wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl genauso wie über den Mythos des deutschen „Waldsterbens“ und beleuchtet die Zusammenhänge mit anderen historischen Strömungen. Es erzählt sowohl von spiritueller Suche und herausragenden Momenten als auch von Institutionalisierung und Bürokratisierung. Es porträtiert zentrale Initiativen wie Friends of the Earth oder Greenpeace und charismatische Vorkämpferinnen wie Rachel Carson, Petra Kelly und die Chinesin Dai Qing.
Überhaupt zeigt Joachim Radkau, welch zentrale Rolle und beinahe mythisches Potential Frauen in der Umweltbewegung zukommt. Seine souverän erzählte und glänzend aufgebaute Darstellung macht klar: Trotz mancher bizarrer Episoden ist die Umweltbewegung die neue, wahre Aufklärung unseres Zeitalters; die fließende Vielfalt und immer neue Vernetzung der Motive unterscheidet sie von allen früheren großen Bewegungen der Geschichte.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Über die Geschichte zur ökologischen Geistesgegenwart

I. Spurensuche im Öko-Dschungel – Umweltschutz denken
Chamäleon „Umweltschutz“
Eine neue Ära der Weltgeschichte?
Statt einer einzigen Meistergeschichte ein Ensemble von Spannungsszenarien

II. Umweltbewegungen vor der Umweltbewegung
Von Rousseau bis zur Romantik: Naturkult und „Holznot“
Erstes Zeitfenster: Die lange Jahrhundertwende von Naturschutz und Lebensreform
Umweltaktivismus im „nervösen Zeitalter“
Umweltsorgen der Krisenzeit: New Deal und NS-Deutschland
Think Big! Charismatisches Zwischenspiel auf olympischer Höhe

III. Die „ökologische Revolution“ um 1970
Zweites Zeitfenster: Die Jahre der „ökologischen Revolution“
Die große Kettenreaktion

IV. Die großen Dramen der Umweltbewegung
1. Das ewige Wechselspiel zwischen vernetztem Denken und praktischer Priorität
Zur Ökologie des Ökologismus
Die Leitmotive Wasser und Atom
Ein immer neuer Szenenwechsel: Vom „Waldsterben“ bis zum Dioxin-Alarm
2. Charismatiker und Ökokraten
Spirituelle Suche und charismatische Momente
Zwölf Heroinen: Inkarnationen weltweiter Spannungsfelder der Umweltbewegung
Institutionalisierung, Routinisierung, Revitalisierung
3. Freund-Feind- oder Win-Win-Szenario?
Von der Kernkraft bis zum Fleckenkauz: Zur Frage der Kreativität von Konflikten
Das grüne Gewissen vor der Gewaltschwelle
Ökologie und Ökonomie: Die große Herausforderung
4. Die Zeitenwende um 1990 – Von der sozialen zur Generationen-Gerechtigkeit?
Drittes Zeitfenster: Die Umweltkonjunktur von Tschernobyl bis Rio, 1986–1992
Tschernobyl und der Zerfall der Sowjetunion
Die Suche nach ökologischer Gerechtigkeit
5. Umweltpolitik zwischen Globalisierung und Antiglobalisierungsbewegung

Schluss: Die Dialektik der grünen Aufklärung
Postskript: Ökologische Kommunikation konkret

Anhang
Anmerkungen
Bildnachweis
Personenregister