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Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF, 2 Bde
Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF, 2 Bde



Steidl
EAN: 9783865211026 (ISBN: 3-86521-102-X)
710 Seiten, kartoniert, 24 x 33cm, 2005

EUR 65,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Das Thema „RAF“ ist aufgrund der umstrittenen Berliner RAF-Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors“ in die öffentliche Diskussion gerückt. Konkret wurde dieser Kunstausstellung, deren Exponate von verschiedenen Orte erstmals zusammengetragen wurden, vorgeworfen, einen Beitrag zur Verbreitung des „Mythos RAF“ zu leisten. Diese Debatte weitete sich dann zur allgemein-historischen Diskussion über die „Historisierung der RAF“ aus.
Zur Ausstellung liegen nun zwei ziegelsteindicke Bände vor. Der erste, 710 Seiten umfassende Band, enthält eine Dokumentation der Geschichte der RAF – hier angesetzt mit von der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg am 2.6.1967 bis zur Auflösungserklärung der RAF am 20. 4.1998 anhand von Zeitungs- und Illustriertenartikeln aus Bild, Stern, Spiegel, Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Süddeutscher Zeitung. Die Menge der abgedruckten Materialien unterstreicht die Bedeutung der medialen Inszenierung der RAF. Die abgedruckten Artikel bilden für den Lehrer einen guten Quellenfundus.
Der zweite, 278 umfassende Band, enthält 25 Aufsätze von Kuratoren, Historikern, Politikern, Sozial- und Medienwissenschaftler sowie Exponatabbildungen aus der Ausstellung. Klaus Biesenbach, Kurator am MoMa New York, verantwortlich für Idee und Konzept der Ausstellung formuliert als ihre Intention der jüngeren Generation „eine Art erneute, wenn auch ebenso indirekt vermittelte Zeugenschaft des Besuchers und deshalb eine differenzierte Sicht (zu) ermöglichen“. Der Begriff „Vorstellung“ anstelle von "Mythos" im Titel der beiden Bände soll den „Zwischenraum zwischen Historie und Kunst“ verdeutlichen. Damit ist zugleich die Problematik der Ausstellung benannt. Die Logik der Kunst ist eine andere als die Logik der Geschichtswissenschaft. Mit anderen Worten künstlerische Maßstäbe sind andere als zeithistorische, eine Differenz, die nur für den Vertreter eines postmodernen Geschichtsverständnisses nicht existiert. Wer daher einen Beitrag der in dem Band abgedruckten Exponate zur historischen Aufklärung erwartet, begeht einen Kategorienfehler.
Die Autonomie der Kunst, was nicht impliziert, dass Moralvorstellungen völlig ausgeblendet werden dürfen, beinhaltet keine Bindung an historische Objektivitätsansprüche. Bei der Ästhetisierung der RAF droht allerdings die Gefahr, die moralische Perspektive auf sie zu verdecken. Daniel Cohn-Bendit spricht hier Klartext:“ Die RAF mordete willkürlich Unbeteiligte, sie misshandelte faktisch und mittelbar und legitimierte all dieses mit ideologistischen Hinrgespinsten übelster Machart. Sie nahm keine Rücksicht. Nicht auf ihre Opfer, deren Angehörige, nicht auf eigene Freunde, nicht auf die Gesellschaft.“
In den einzelnen Essays spiegelt sich das Spannungsfeld zwischen latenter Tradierung des „RAF-Mythos“ und kritischer Historisierung der RAF wider. Während einige Autoren am Mythos zumindest implizit weiterstricken, decken andere in ihren Essays manches Ideologem der RAF auf: ihr inhumanes Denken, ihre private Moral, ihre nationale Ausrichtung und ihr Selbstinszenierungen. Außerdem verdeutlicht Gerd Koenen die Bedeutung von Auschwitz als „negativen Mythos“ der RAF. Für den Geschichtslehrer taugt das Thema „RAF“, um durch ein ideologiekritisches Verfahren die Mystifizierung der RAF in Film und Mode sowie Ikonisierung von RAF-Terroristen aufzudecken.
Aufgrund seiner vielfältigen Beleuchtung des Themas und des umfangreichen Materials können die beiden Bände dem Geschichtslehrer, der sich mit der Geschichte der RAF beschäftigen möchte, empfohlen werden.

Marcel Remme, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die "Rote Armee Fraktion" hat nicht nur das Land verändert, dessen 'System' sie bekämpfte, sie selbst ist in immer neuen Formen in der Öffentlichkeit präsent gewesen: durch ihre Darstellung in den Medien, aus der Sicht von Opfern, Gegnern und Sympathisanten – und aus dem Blickwinkel der Kunst. Seit über dreißig Jahren setzen sich bildende Künstler mit der "Rote Armee Fraktion", dem "Deutschen Herbst" und seinen Folgen auseinander und entwickeln ganz eigene Formen der Darstellung und Interpretation. Kunst reagiert auf den Komplex RAF anders als die Massenmedien, als Bücher, Filme und Kongresse.
Das KW Institute for Contemporary Art in Berlin hat rund 70 Arbeiten von 50 Künstlern für die erste Überblicksausstellung zur RAF in der Kunst zusammengestellt. Im Zentrum der Ausstellung stehen Arbeiten von Gerhard Richter, Joseph Beuys und Hans-Peter Feldmann. Es finden sich eine Vielfalt von formalen Zugriffen und Materialien, von frühen Videoarbeiten von Yvonne Rainer bis zu collagenhaften Bearbeitungen von Massenmedien von Sigmar Polke, von Malerei von Martin Kippenberger bis zu medialen Bildprozessen von Katharina Sieverding, von einer Neonskulptur von Peter Friedl bis zu multimedialen Installationen von Dara Birnbaum.

Band 1 versammelt im Faksimile eine umfassende Sammlung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, die die 'Mediengeschichte' der RAF dokumentieren.

Band 2 des Katalogs enthält Einführungen zu allen gezeigten Werken, zum Teil von den Künstlern selbst verfaßt. Zudem beschäftigen sich namhafte Autoren mit Themen wie der "Identifikationsfalle RAF", den "Strategien der Inszenierung" oder der "RAF in den Medien".

Künstler: Franz Ackermann, Dennis Adams, Bettina Allamoda, Eleanor Antin, Sue de Beer, Ullrich Bernhardt, Joseph Beuys, Dara Birnbaum, Klaus vom Bruch, Lutz Dammbeck, Christoph Draeger, Felix Droese, Thomas Eggerer / Jochen Klein, Hans-Peter Feldmann, Peter Friedl, Johan Grimonprez, Rudolf Herz, Jörg Immendorff, Johannes Kahrs, Scott King, Martin Kippenberger, Astrid Klein, Korpys / Löffler, Jonathan Meese, Michaela Meise, Michaela Melián, Klaus Mettig, Olaf Metzel, Rob Moonen / Olaf Arndt, Hans Niehus, Marcel Odenbach, Sigmar Polke, Yvonne Rainer, Gerhard Richter, Thomas Ruff, Katharina Sieverding, K.R.H. Sonderborg, Klaus Staeck, Wolf Vostell, Willem, Johannes Wohnseifer und viele andere.

Autoren: Gerhart Baum, Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein, Daniel Cohn-Bendit, Gerd Conradt, Felix Ensslin, Sarah Hakemi, Dorothea Hauser, Wolfgang Kraushaar, Kazue Kobota, Gerd Koenen, Manfred Rommel, Kai Kivondo und Barbara Sichtermann, Stefan Reineke, Christian Schneider, Klaus Stern, Robert Storr, Johannes Ullmaier, Jeremy Varon, Annette Vowinckel, Peter Weibel, Tobias Wunschik, Slavoj Zizek und andere.
Inhaltsverzeichnis
Bd. 1
Inhalt

9 Engel der Geschichte oder Den Schrecken anderer betrachten
oder Bilder in den Zeiten des Terrors KLAUS BIESENBACH

Liste der dokumentierten Ereignisse in Bild, Stern, Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung

2. Juni 1967 15 Der Student Benno Ohnesorg wird auf einer Demonstration erschossen
2. April 1968 34 Die Warenhaus-Brandstiftung in Frankfurt
11. April 1968 42 Das Attentat auf Rudi Dutschke löst eine Welle von Protesten gegen den Axel-Springer-Verlag aus
14. Mai 1970 71 Die Befreiungsaktion Andreas Baders mit Waffengewalt
11. Mai 1972 87 Der Sprengstoffanschlag auf das 5. US-Corps in Frankfurt
1. Juni 1972 99 Die Festnahme von Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe i n Frankfurt
5.September 1972 135 Der Anschlag der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“ auf die israelische Olympia-Mannschaft in München
9. November 1974 187 Der Tod von Holger Meins nach 50 Tagen Hungerstreik
18. November 1974 211 Die Beerdigung von Holger Meins in Hamburg
4. Dezember 1974 225 Der Besuch Jean-Paul Sartres bei Andreas Baader in Stammheim
27. Februar 1975 236 Die Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz in Berlin
24. April 1975 274 Der Anschlag auf die deutsche Botschaft in Stockholm
9. Mai 1976 307 Ulrike Meinhof wird erhängt in ihrer Zelle aufgefunden
15. Mai 1976 328 Die Beerdigung Ulrike Meinhofs in Berlin West
7. April 1977 334 Die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback
28. April 1977 357 Das Ende Stammheim-Prozesses: Die Verurteilung von Andreas Baader. Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe
30. Juli 1977 371 Die Ermordung von Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank, in Oberursel
5. September 1977 396 Die Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer in Köln
13. Oktober 1977 429 Die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach ihrem Start auf Mallorca
17. Oktober 1977 460 Die Befreiungsaktion der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch die GSG 9 in Mogadischu
18. Oktober 1977 503 Andreas Baader und Gudrun Ensslin in Stuttgart-Stammheim tot in ihren Zellen aufgefunden, Jan-Carl Raspe schwer verletzt
19. Oktober 1977 525 Der Leichnam Hanns Martin Schleyers wird in Mülhausen aufgefunden
25. Oktober 1977 531 Die Beerdigung von Hanns Martin Schleyer im Rahmen eines Staatsakts in Stuttgart
27. Oktober 1977 551 Die Beerdigung Andreas Baaders und Gudrun Ensslins in Stuttgart
10. Oktober 1986 568 Die Ermordung von Gerold von Braunmühl, Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt, in Bonn
30. November 1989 586 Die Ermordung von Alfred Herrhausen, dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, durch Sprengstoffanschlag in Bad Homburg
1. April 1991 620 Die Ermordung von Detlev Karsten Rohwedder, Präsident der Treuhand, durch einen Schaffschützen der RAF in Düsseldorf
27. Juni 1993 645 Festnahmeaktion in Bad Kleinen. Dabei sterben der GSG-9-Beamte Michael Newrzelle und RAF-Mitglied Wolfgang Grams
20. April 1998 660 Die Auflösungserklärung der RAF

678 Verzeichnis der abgebildeten Medien
689 Filmografie und Bibliografie
711 Team


Bd. 2
Inhalt
Engel der Geschichte oder
Den Schrecken anderer betrachten oder
Bilder in den Zeiten des Terrors
KLAUS BIESENBACH

Zu Vorstellungen des Terrors und Möglichkeiten der Kunst
ELLEN BLUMENSTEIN

In Memoriam: Reflexionen über zwei Experimente
partieller Erinnerung
ROBERT STORR

Die Terrorismusfrage, der Erweiterte Kunstbegriff
und Joseph Beuys
JOHANNES STÜTTGEN

„Traummaschine“ oder was kommt danach?
SHAMIN IM GESPRÄCH MIT FELIX ENSSLIN

Theorien zur Gewalt
PETER WEIBEL

„Burn, Baby, Burn!“
Die andere Vorgeschichte der RAF
SARA HAKEMI

Im Schatten der RAF
Zur Entstehungsgeschichte der „Revolutionären Zellen“ (RZ)
WOLFGANG KRAUSHAAR

Schattenboxen mit der Apokalypse
The Weather Underground und die Gewalt der Neuen Linken in den Vereinigten Staaten
JEREMY VARON

Sowohl als weder noch
JOHANNES ULLMAIER

Das Leben des Andreas Baader
Ein Roadmovie
KLAUS STERN

Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin – Vom Protestantismus
zum Terrorismus
JÖRG HERRMANN

Nicht oder Sein – Ikonen der Zeitgeschichte
GERD CONRADT

Rechte Leute von links?
Die RAF und das deutsche Volk
DOROTHEA HAUSER

Deutscher Frühling – Deutscher Herbst
DANIEL COHN-BENDIT

Skyjacking: Das Flugzeug als Waffe und Ikonen des Terrorismus
ANNETTE VOWINCKEL

Bewaffnete Unschuld
Subtexte der linksradikalen Militanz in den siebziger Jahren
der Bundesrepublik
GERD KOENEN

Kann Musik eine Waffe sein?
Ton, Steine, Scherben und die siebziger Jahre
BARBARA SICHTERMANN/KAI SICHTERMANN

Zeitleiste 1967 – 1999

Die Zeit der RAF
MANFRED ROMMEL

Das Unbehagen in der Demokratie
SLAVOJ ZIZEK

Zwischen den Toden
CHRISTIAN SCHNEIDER

Die RAF und die Politik der Zeichen
STEFAN REINECKE

Magdeburg statt Mosambique, Köthen statt Kap Verden
Die RAF-Aussteiger in der DDR
TOBIAS WUNSCHIK

Geschichtsschreibung im Feuilleton
Anmerkungen zur Debatte um „Mythos RAF“
JOACHIM BAUR

Die RAF-Ausstellung in den KW Berlin
Oder Wie geht eine freiheitliche Gesellschaft mit dem Terrorismus um?
GERHART BAUM

Künstlerbiografien
Verzeichnis der ausgestellten Werke
Autorenbiografien
Dank/Leihgeber
Bildnachweis
Team

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GERHARD RICHTER
JOSEPH BEUYS
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THOMAS SCHÜTTE
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DENNIS ADAMS
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ASTRID KLEIN
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JOHANNES KAHRS
LUTZ DAMMBECK
KORPSY/LÖFFLER
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MARTIN KIPPENBERGER
ERIN COSGROVE
KLAUS STAECK
JOHAN GRIMONPREZ
ELEANOR ANTIN
BRUCE LABRUCE
WOLF VOSTELL
BETTINA ALLAMODA
RUDOLF HERZ
ULRICH BERNHARDT
JOHANNES WOHNSEIFER
KLAUS METTIG
THOMAS RUFF
SUE DE BEER
DARA BIRNBAUM
CHRISTOPH DRAEGER
K.R.H. SONDERBORG
SCOTT KING
CLAUDE LEVEQUE
FEIIX DROESE
RAINER KIRBERG
MARCEL ODENBACH
KLAUS VOM BRUCH
SITH & SCHNOCK
PETER WEIBEL
JÖRG IMMENDORFF