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Wir sind schon immer transkulturell gewsen Das Beispiel der Künste
Wir sind schon immer transkulturell gewsen
Das Beispiel der Künste




Wolfgang Welsch

Schwabe Basel
EAN: 9783796550546 (ISBN: 3-7965-5054-1)
245 Seiten, kartoniert, 16 x 22cm, März, 2024

EUR 38,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kulturen sind durch Mischungen gekennzeichnet. Das ist nicht erst heute so; auch in der Vergangenheit waren sie keineswegs homogen oder rein. Um diese historische Transkulturalität zu zeigen, bedient sich Wolfgang Welsch der Kunst als Sonde. Denn während Transkulturalität politisch, gesellschaftlich und psychologisch oft reserviert beäugt wurde, war sie im Bereich der Kunst weitaus weniger kontrovers, sondern wurde hier geradezu begrüßt und konnte vergleichsweise ungehindert zum Ausdruck kommen. Anhand der Kunst zeigt das Buch daher die historische Transkulturalität auf. Dies geschieht am Beispiel aller möglichen Sparten: von Malerei, Skulptur, Druckgrafik und Architektur über Literatur, Musik, Theater, Tanz, Oper und Comic sowie mit Blick auf sämtliche Kontinente und Kulturen dieser Welt.

Wolfgang Welsch ist emeritierter Professor der Philosophie und lebt in Berlin. Er lehrte u. a. an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie in Stanford und Jena. 1992 erhielt er den Max-Planck-Forschungspreis und 2016 den Premio Internazionale d’Estetica.


Rezension
Zeichnen sich Kulturen durch Homogenität aus, sind sie als monolithische Blöcke zu verstehen und als Kugeln aufzufassen? Nein, dabei handelt es sich politisch wirkungsmächtige und medial verbreitete, aber wissenschaftlich unhaltbare Mythen. Dieses hat Wolfgang Welsch (*1946) in seinen philosophischen Arbeiten aufdeckt. Der Philosophieprofessor begründete 1990 sein Konzept der Transkulturalität, das sich von dem der Multi- und Interkulturalität unterscheidet. Kulturen weisen nämlich für ihn einen Netzwerkcharakter aus, ihr Signum sind die Rezeptionen, produktive Anverwandlungen, Kombinationen von kulturellen Elementen verschiedener Ethnien.
Bekanntheit erlangte Welsch, welcher eine Philosophieprofessur an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und zuletzt bis 2012 eine für Theoretische Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne hatte, u.a. durch seine Werke „Unsere postmoderne Moderne“(1987, 7. Aufl. 2009), „Ästhetisches Denken“(1990, 8. Aufl. 2017), „Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft“(1995, 4. Aufl. 2017) und „Transkulturalität: Realität, Geschichte, Aufgabe“(2017).
In seinem jüngsten Werk belegt Welsch, der als ein Hauptvertreter zeitgenössischer Ästhetik gilt, seine Position von Transkulturalität anhand der Künste. Dieses trägt den Titel „Wir sind schon immer transkulturell gewesen. Das Beispiel der Künste“ und ist im Schwabe Verlag erschienen. In seinem mit fast 100 Abbildungen versehenen Werk zeigt Welsch auf, dass der Mischcharakter von Kulturen nicht nur ein Merkmal der Spätmoderne ist, sondern historische Transkulturalität sich in den Künsten seit der Antike nachweisen lässt. So erinnert er an den Einfluss ägyptischer Skulpturen auf die griechische Plastik. Welsch kann anschaulich anhand von Rezeptionen, Zitationen und Transformationen in den Künsten die historische Transkulturalität belegen.
Dabei berücksichtigt er berühmte Arbeiten aus der Bildenden Kunst, der Musik und der Literatur, zum Beispiel die Hagia Sophia, die Moschee von Córdoba, Werke von Albrecht Dürer, Johann Wolfgang von Goethes Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“, George Bizets Oper „Carmen“, Vincent van Goghs Gemälde „Sternennacht“ oder Gustav Mahlers „Lied von der Erde“. Anhand zeitgenössischer Arbeiten der Architektur, des Tanzes und der Musik wie des Hip-Hop demonstriert Welsch exemplarisch die Omnipräsenz von Transkulturalität in den Künsten. Ebenfalls geht er in seinem Buch auf die Debatte um die Benin-Bronzen ein. Erwähnung verdient noch, dass Welsch im Unterschied zu Vertreter:innen eines kulturellen Relativismus die Position vertritt, dass ästhetische Universalien existieren, er nennt als Beispiel das Teilungsverhältnis des Goldenen Schnitts. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik, Deutsch, Bildende Kunst und Musik werden durch das vorliegende Buch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht - anhand von Kunstwerken - mit Welschs Konzept der Transkulturalität problemorientiert auseinandersetzen.
Fazit: Wolfgang Welsch hat mit seinem neuen - auch in ästhetischer Hinsicht überzeugenden - Buch „Wir sind schon immer transkulturell gewesen“ einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über den Charakter der Künste vorgelegt sowie politisch einflussreiche und medial präsente Mythen über Kulturen widerlegt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Kulturen sind durch Mischungen gekennzeichnet. Das ist nicht erst heute so; auch in der Vergangenheit waren sie keineswegs homogen oder rein. Um diese historische Transkulturalität zu zeigen, bedient sich Wolfgang Welsch der Kunst als Sonde. Denn während Transkulturalität politisch, gesellschaftlich und psychologisch oft reserviert beäugt wurde, war sie im Bereich der Kunst weitaus weniger kontrovers, sondern wurde hier geradezu begrüßt und konnte vergleichsweise ungehindert zum Ausdruck kommen. Anhand der Kunst zeigt das Buch daher die historische Transkulturalität auf. Dies geschieht am Beispiel aller möglichen Sparten: von Malerei, Skulptur, Druckgrafik und Architektur über Literatur, Musik, Theater, Tanz, Oper und Comic sowie mit Blick auf sämtliche Kontinente und Kulturen dieser Welt.
Wolfgang Welsch ist emeritierter Professor der Philosophie und lebt in Berlin. Er lehrte u. a. an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie in Stanford und Jena. 1992 erhielt er den Max-Planck-Forschungspreis und 2016 den Premio Internazionale d’Estetica.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Einleitung 13
Transkulturalität als Standard 13
Transkulturalität versus Multi-und Interkulturalität 14
Opposition gegen den Mischcharakter der Kulturen 15
Begriffsfragen 18
Blicke in die Geschichte 19
Die gemischte Verfassung des Humanen 23
Der Vorwurf der «Appropriation» 26
Quer durch die Künste und Kontinente 27
I. Kapitel Das Eigene und das Andere 29
1. Transkulturation - das kubanische Paradigma (Fernando Ortiz) 29
2. Neue Anthropophagie (Oswald de Andrade) 32
3. Negritude (Leopold Senghor): Eigenheit nach Fremdvorgabe 34
4. Paul Gauguin: Südseeträume 35
5. Pablo Picasso: Les Demoiselles d ‘Avignon -
ein Paradigmenwechsel38
6. Antonin Dvorak: eine «amerikanische» Symphonie 40
7. Giacomo Puccinis Madama Butterfly: Scheitern im Leben,
Gelingen in der Musik 44
8. Von Li Bo zu Gustav Mahler 45
9. Simone Leigh: Eine schwarze Sphinx 51
II. Kapitel Transformationen 53
1. Die transkulturellen Wurzeln Griechenlands 53
2. Europa - ein Importgut aus Phönizien 61
3. Gandhara - ein Scharnier zwischen West und Ost 64
4. China und Japan: Das Fremde wird zum Eigenen 68
III. Kapitel Transkulturelles Fortleben der Antike 75
1. Dürer: antik modellierter Sündenfall in
neuzeitlicher Interpretation 76
2. Oper: Missverständnis und Neudeutung der Antike 78
3. Das antike Vorbild in der Architektur des 20. Jahrhunderts 81
4. Von Odysseus zu Ulysses 90
IV. Kapitel Inspirationen 93
1. Dürer - ein Venezianer 93
2. Goethe und Hafis - Zwillinge über Jahrhunderte hinweg 97
3. Manets Frühstück im Grünen - Antike und Renaissance
haben mitgemalt 102
4. Hokusai, van Gogh, Kurosawa - von Ostasien nach Europa
und zurück 106
5. Wilson und Mnouchkine: transkulturelles Theater 110
V. Kapitel Konstitutiv transkulturell 115
1. Carl Zuckmayer: zahlreiche Migrationshintergründe 115
2. Goethe: Nationalliteratur? Weltliteratur! 117
3. Ibsens Peer Gynt: ein Weltenwanderer 118
4. Belkis Ayon: transkulturell-emanzipatorische Identität 120
5. Haruki Murakami: Transkulturalität ist nichts Besonderes 123
VI. Kapitel Zusammenfinden 127
1. Hagia Sophia: religiöser Zwist, transkulturelle Einigkeit127
2. Cördoba: convivencia 130
3. Die Gotik: eine wundervolle Folge mehrerer Verwechslungen 134
4. John Cage: Ostasiatische Inspirationen 139
5. Michael Jackson: Wir sind alle miteinander verwandt 143
6. Postmoderne Architektur: patchwork oder transkulturell? 143
7. Design: transkulturelle Spiegelungen 148
8. Cloud Gate Dance Theatre: Nationalstolz transkulturell 152
9. West-Eastern Divan Orchestra: convivencia musikalisch 154
VII. Kapitel Problematische Aspekte und Scheitern 155
1. Ethnische und nationalistische Festzurrung
durch den Kunstmarkt 155
2. Kunst gegen Grenzziehungen 155
3. Monsieur Claude und seine Töchter:
Rassismus statt Transkulturalität 159
4. Bronzen der Schande 160
VIII. Kapitel Transfers 163
1. Carmen: afrikanisch 163
2. Tänzer und Läuferin 166
3. Europeras: Rücksendung in geschredderter Form 167
4. Transfers zwischen künstlerischen Gattungen 170
5. Italo-Western: von West nach Ost und zurück 173
6. Transkulturalität der Speisezettel 175
7. Überspielen der Mensch-Tier-Differenz 184
8. Ziemlich beste Freunde: über soziale Unterschiede hinweg 189
9. Death Metal und Buddhismus 190
IX. Kapitel Universales als Tiefengrundlage
der Transkulturalität 195
1. Kulturenübergreifende universale Wertschätzung 195
2. Die moderne Leugnung von Universalien -
und ihre Widerlegung 197
3. Universales Verstehen als Frucht nachhaltigen Bemühens 201
4. Universalitätsvorteile des Films und der Musik 203
5. Peter Brook: eine universale Theatersprache 209
6. Traditionelle japanische und moderne europäischeArchitektur 211
X. Kapitel Transkultureller Alltag 217
1. Jazz: «Sound der Freiheit» 217
2. Hip-Hop: hybrid par excellence 220
3. Manga: weltweite Transkulturalität 221
Nachwort 225
Literatur 227
Abbildungsnachweise 237
Namenregister 239