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Wenn wir heimkehren Roman
Wenn wir heimkehren
Roman




Andrea Heuser

DuMont Buchverlag
EAN: 9783832198114 (ISBN: 3-8321-9811-3)
592 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 21cm, August, 2021, Lesebändchen

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Andrea Heuser gelingt hier ein großformatiges Familienpanorama, das sich von den 30er-Jahren bis in die Gegenwart erstreckt. Die deutsche Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts seit ca. 1933 wird mit den interessanten Lebenslinien der Hauptpersonen verwoben: Die aus Luxemburg stammende Margot, die mit ihrem Sohn Fred nach dem Krieg auf Umwegen nach Köln verschlagen wird und immerfort auf der Suche nach Befreiung von der Schuld ist, ihre Tochter beim gewalttätigen Ersatz-Ehemann zurückgelassen zu haben. Die geographischen Stationen Margots in Köln, Amsterdam, Luxemburg und schließlich wieder Köln machen deutlich, dass Margot sicher auch auf der Suche nach Heimat ist. Diese Heimat findet sie bei Willi, der schwer verwundet den Krieg überlebt hat und mit seinem handwerklichem Talent und einer großen Portion Herzenswärme ein klarer Sympathieträger des ganzen Romans ist. Willi und Margot gehören zusammen, aber bis das Wirklichkeit werden kann, sind viele Hürden zu nehmen. Eine weitere zentrale Person ist Fred, der uneheliche Sohn Margots, der das mathematische Talent seines nie mehr in Erscheinung getretenen Vaters geerbt hat, zeitlebens mit emotionalen Schwierigkeiten lebt, die besonders in seiner früh zerbrochenen Ehe mit Anne zum Ausdruck kommt. Fred kann über alles nachdenken, hervorragend Schach spielen, seine Vorhaben aber nur schwer in Handlungen umsetzen - hier steht er im klaren Gegensatz zu seinem Stiefvater Willi, der als kölsche Frohnatur im Garten ackert und in sich zu ruhen scheint. Schließlich entstehen im Laufe der Zeit immer neue Verwebungen der Geschichte: Die zurückgelassene Tochter Agnes meldet sich bei ihrer Mutter - zu tief ist allerdings das Zerwürfnis für eine Versöhnung. Die Kinder von Fred und Anne, Lara und Daniel, geboren in den 70er Jahren, wachsen auf, werden erwachsen und haben ihren eigenen Umgang mit den Lebensentwürfen der Großeltern. Besonders schön, und vielleicht ergibt sich hier ein Anknüpfungspunkt für die Schule, ist die Schilderung von Daniels Anfertigung einer Hausarbeit im Geschichtsunterricht, in der er über das Leben von "Opa" Willi erzählen möchte. Hier zeigt sich das Interesse der sog. Kriegsenkelgeneration an den Ereignissen der Großelterngeneration wie unter einem Brennglas. Gleichzeitig wird zum Ende des Buchs hin deutlich, dass vieles in dieser Familiengeschichte auf Verschweigen und Vergessen beruht: So wissen z.B. die Enkelkinder Lara und Daniel nichts von ihrer im Kindesalter zurückgelassenen Tante. Erst am Grab der Großmutter kommt dieses Kapitel zur Sprache. Fred bleibt seinen Kindern lange fremd, was sich beispielsweise an einem Brief Daniels an seinen Vater deutlich zeigt.

Die literarische Technik, jedes Kapitel der Gedankenwelt eines der Protagonisten zu widmen, erzeugt hohe Spannungsmomente, gerade wenn dasselbe Erlebnis aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Immer wieder sind Songtexte oder andere literarische Flicken in den Text eingewoben. So ergibt sich ein poetisches Ganzes, in dessen Gedankensphären man sich bei der Lektüre ganz vergessen kann.

Dieser lesenswerte Roman kann sollte als eindrucksvolles Dokument mehrerer Generationen gelesen werden, die von der großen Katastrophe des zweiten Weltkriegs auf ganz unterschiedliche Weise geprägt worden sind. Deutlich erfahrbar wird in diesem Roman, dass diese Prägungen keineswegs auf die Generation beschränkt sind, die den Krieg und seine direkten Folgen persönlich erlebt haben.

Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wer sind wir – und wer wollen wir sein?
Köln 1952: Der Krieg ist noch nicht lange vorüber, als Wilhelm im Zimmer einer Wohnung steht, in das er eine Wand einziehen soll. Ein Auftrag, auf den der Handwerker sich keinen Reim machen kann, wo die Wand doch Licht wegnehmen wird. Die Bewohner aber, Margot und ihr Sohn Fred, gehen ihm danach nicht mehr aus dem Kopf. Margot ist Luxemburgerin und stammt aus großbürgerlichem Milieu, doch als sie mit siebzehn ein uneheliches Kind erwartet, steht sie vor den Trümmern ihrer Existenz. Sie muss ihre Heimat verlassen und ist mitten im Krieg auf sich allein gestellt. Als sie Jahre später nach Köln kommt, hat Margot Schuld auf sich geladen, und auch Wilhelm hat der Krieg traumatisiert. Wilhelm, Margot und Fred sind Verlorene – auf der Suche nach einem Zuhause, wie kein Ort es einem bieten kann. Also suchen sie das Zuhause beieinander, ohne zu wissen, ob dieses fragile Gebilde namens Familie halten wird.
In ihrem autobiografisch grundierten, generationenübergreifenden Roman erzählt Andrea Heuser von Schuld und Verdrängung, dem Wunsch nach Verwurzelung und einem Leben im Modus der Suche und des Weitermachens. ›Wenn wir heimkehren‹ ist gleichermaßen Gesellschaftsepos, psychologisch nuancierte Familien- und bewegende Liebesgeschichte. Ein großer, poetischer, ebenso tiefgründiger wie anrührender Roman.