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Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdogan 2. Druckaufl. 2016
Türkei verstehen
Von Atatürk bis Erdogan


2. Druckaufl. 2016





Gerhard Schweizer

Klett-Cotta
EAN: 9783608962017 (ISBN: 3-608-96201-8)
547 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 2016

EUR 9,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Türkei im 21. Jahrhundert:

Gesellschaft, Geschichte und Politik

Jahrelang haben sich die AKP und Präsident Erdogan zurückgehalten und religiöse sowie ideologische Distanz gewahrt. Der Islam erhält als Religion und Kultur in der Türkei mehr und mehr Einfluss. Die Trennung von Religion und Staat, das Kennzeichen des einzigen säkularen Staates im islamischen Kulturkreis, scheint nicht mehr strikt zu gelten.

Dass die Türkei vielfach ganz anders und ungewöhnlich vielschichtig ist, ahnen viele, aber kaum jemand weiß es. Doch gerade die Entwicklungen der letzten Jahre belegen, wie dramatisch Erdoğans Präsidialdemokratie den lebendigen türkischen Pluralismus verengt. Die Situation zwischen Erdoğan und seinen Gegnern spitzt sich gefährlich zu. Kurden, Anhänger des IS, die Konflikte mit Europa, der fast schon militärische Dissens zu Russland, das gescheiterte Verhältnis zu seinen nächsten Nachbarn haben die politische Stimmung am Bosporus auf einen Siedepunkt getrieben.

Der türkische Islam befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Umbruch. Gerhard Schweizer betrachtet anhand zahlreicher persönlicher Erfahrungen und Begegnungen in der Türkei, weshalb es zu einem derartigen, für europäische Betrachter so irritierenden Wandel gekommen ist. Zugleich greift er im historischen Rückblick bis auf die osmanische Zeit zurück, um die politischen und kulturellen Ursachen der heutigen Probleme deutlich zu machen.

Gerhard Schweizer, 1940 in Stuttgart geboren, promovierte an der Universität Tübingen in Empirischer Kulturwissenschaft.

Heute lebt er als freier Schriftsteller in Wien, wenn er nicht gerade auf Reisen recherchiert und Material für neue Reportagen und Bücher sammelt.

Er ist einer der führenden Experten für die Analyse der Kulturkonflikte zwischen Abendland und Orient und gilt als ausgewiesener Kenner der islamischen Welt. Gerhard Schweizer hat dazu mehrere Bücher veröffentlicht, die als Standardwerke gelten. Einem breiten Publikum wurde er vor allem durch seine Bücher über den asiatischen und arabischen Raum bekannt.
Rezension
Das vorliegende Buch ist die völlig überarbeitete und ergänzte Neuausgabe des Titels von Gerhard Schweizer: »Die Türkei – Zerreißprobe zwischen Islam und Nationalismus«, Stuttgart, Klett-Cotta 2008. Die Türkei war im islamischen Kulturraum das, was Frankreich im christlichen Kulturraum ist: ein laizistischer Staat, der eine konsequente Trennung von Religion und Staat praktiziert, - und so konnte es das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten geben, während in Deutschland darüber diskutiert wurde. Dieser Laizismus geht zurück auf Kemal Atatürk, den Gründer der säkularen Türkei, daher stammt der Kemalismus, gegen den der politische Islam in Opposition steht. Gerade der türkische Islam befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Umbruch. Jahrelang haben sich die AKP und Präsident Erdogan zurückgehalten und religiöse sowie ideologische Distanz gewahrt. Der Islam erhält als Religion und Kultur in der Türkei mehr und mehr Einfluss. Die Trennung von Religion und Staat, das Kennzeichen des einzigen säkularen Staates im islamischen Kulturkreis, scheint nicht mehr zu gelten.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Pressestimmen:

»Schweizers Buch macht deutlich, dass es nicht der Islam ist, der die Türkei vorerst ›europauntauglich‹ macht, sondern der fehlende politische Pluralismus und der mangelnde soziale Ausgleich zwischen Arm und Reich. Das informative Buch ist politisch interessierten Lesern nur zu empfehlen.«
Rudolf Walther, Tages-Anzeiger

»Gerhard Schweizers Portrait der Türkei überzeugt. Seine Intention ist es, festgefügte Stereotypen über den Islam aufzubrechen.«
Wolfgang Günter Lerch, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Schweizer liefert eine spannende Bestandsaufnahme der maßgeblichen gesellschaftlichen und innenpolitischen Triebkräfte der Türkei.«
Zeitschrift für Politikwissenschaft
Inhaltsverzeichnis
WIE FERN IST UNS DIE TÜRKEI? 13
Probleme und Missverständnisse


Der Türke in unseren Köpfen – und die Wirklichkeit 15

Atatürk, Erdoğan – und ein neuer Blick auf die Türkei 15
Islam und Verwestlichung 18
Die »Türkengefahr« – das historische Trauma 23
»Aggressiver Islam« – alte Ängste, neue Vorurteile 27
Die Angst vor den sozialen Problemen eines
»unterentwickelten« Landes 30

Eine gespaltene Türkei 34

Allgegenwärtiger Islam 34
»Ich bin nicht religiös« 36

»AUF NACH EUROPA!« 41
Die verordnete Revolution und ihre Widersprüche


Atatürk und die »Türkische Moderne« 43

Weshalb Atatürk zum Nationalhelden wurde 43
Gegen den »rückständigen Islam« – für die »moderne Zivilisation« 51
Eine westlich orientierte Oberschicht schon unter den Osmanen 58
Identitätskrise und blutige Aufstände 65
Die Rolle des Militärs als »Hüter der Verfassung« 70
Macht und Machtmissbrauch des Militärs 78

Der türkische Nationalismus und seine historischen Wurzeln 84

Der Vielvölkerstaat der Osmanen 84
Extremer Nationalismus – mit Vorbildern in Europa 87
Massaker an den Armeniern – erste radikal-nationalistische Konsequenz 90
Die Verdrängung des »Armenierproblems« 96
Türkischer und griechischer Nationalismus 103
»Türkisierte« Dörfer, in denen einst Griechen wohnten 109
Die »Grauen Wölfe« – neue Radikalisierung des türkischen Nationalismus 116

Der »Kurdenkonflikt« als Hypothek 125

Noch immer Schwierigkeiten mit ethnischer Vielfalt 125
»Fremd im eigenen Land« – Gespräch mit einem Kurden 130
Radikalisierung des kurdischen Nationalismus 132
Kulturelle Autonomie für die Kurden? 137
Kurden im Irak und Syrien – eine Verschärfung des Problems 141

»ZURÜCK ZUM ISLAM!« 147
Tradition und Verwestlichung unter neuen Vorzeichen


Türkischer Islam und die Christen 149

Muslime und Christen – die Gemeinsamkeiten 149
Muslime und Christen – eine schwierige Beziehung 153
Erschwerte Bedingungen für Christen in der »säkularen« Türkei 159
Viele Kirchen – aber wo sind die Christen? 164
Offene Fragen. Audienz beim Ökumenischen
Patriarchen von Konstantinopel 168
Der Konflikt um eine christliche Hochschule 175
»Islam-Faschisten« gegen Christen 177
Wie tolerant sind Christen im Nachbarstaat Griechenland? 180

Türkischer Islam – innere Spannungen 186

Konflikte zwischen Sunniten und Aleviten 186
Der Koran in arabischer oder in türkischer Sprache? 196
Widerstand gegen die historisch-kritische Interpretation des Koran 202
Kritik an »verfälschtem Islam« – der Erfolg des Reformtheologen Öztürk 204
Theologie und Sufismus – Öztürks Annäherung an Dschelaleddin Rumi 212
Ömer Özsoy und der »Euro-Islam« 216
Der moderne Ansatz bei Ednan Aslan 223

»Islamisierung« der Politik 226

Adnan Menderes, der erste »islamische« Politiker 226
Necmettin Erbakan, der erste erfolgreiche Ideologe des Islamismus 238
Turgut Özal, der religiöse Wirtschaftsfachmann 243
Neue Stärke des Islamismus 254
Dörflicher Islam in Großstadtslums: Folgen für die Politik 256
Religiöse und soziale Defizite als Nährboden des Islamismus 264
Der Streit um die Hagia Sophia und andere religiöse Symbole 268
Wie säkular und laizistisch ist die Türkei?
Der sunnitische Islam als »Staatsreligion« 273
Die Kulturvereine der Derwischbruderschaft Naqschbandiya 280

Eine weitere »Islamisierung«? 291
Von Erbakan zu Erdoğan

Erbakan: Aufstieg und Krise des politischen Islam 291
Der »islamische« Politiker Recep Tayyip Erdoğan 297
Der Erdrutschsieg der AKP – und die Ursachen 303
Erdoğan, der »Hoffnungsträger«: Überraschungen in der Innen- und Außenpolitik 306
Erste Fragezeichen 313
Die wachsende Bedeutung der Imam-Hatip-Schulen 315
»Das Tal der Wölfe«. Der große Filmerfolg 320

Frauenrechte und Religion 328

Islamische Tradition und Reformen 328
Die noch immer mühsame Frauenemanzipation 334
Weibliche Imame, Frauen im Aufbruch – und der Islam der AKP 339
Wie »islamisch« ist die Unterdrückung der Frau? Ein Kulturvergleich 344
Das Kopftuch in seiner religiös-politischen Dimension 350

Erdoğan und die »Islamisch-Türkische Moderne« 358

Die Entmachtung des Militärs – und andere markante Änderungen 358
Säkulare Sympathisanten der »islamischen« AKP 367
Erstmals ein »konservativ-islamischer« Staatspräsident 372
Erste Anzeichen für einen stockenden Reformprozess der AKP 374
»Europäische« und »asiatische« Türken – der verschärfte Konflikt 380
Die Verfassungsreform von 2010 – mehr Demokratie? 389
Die Proteste im Gezi-Park und der Beginn einer Dauerkrise 394
Fethullah Gülen und sein Verständnis einer »Islamisch-Türkischen Moderne« 398
Erdoğan und Fethullah Gülen. Vom Bündnis zur Feindschaft 409
»Neo-osmanische« Außenpolitik – und die wachsende Distanz zur Europäischen Union 413
Die Türkei im Sog des syrischen Bürgerkriegs 423
Erdoğan und der radikale Islam 435
Erdoğans Zweifrontenkrieg gegen den »Islamischen Staat« und die Kurden 442
Erdoğan als Staatspräsident – und die Folgen 446
Das »Kurdenproblem« kehrt in die türkische Politik zurück 452
Der Militärputsch vom 15. Juli 2016 – und Erdoğans ziviler Gegenputsch 461
Wohin steuert die Türkei? 470
Welche Barrieren weiterhin zu Europa bestehen 473

Anhang 485

Anmerkungen 487
Zeittafel 501
Ausgewählte Literatur 533
Personenregister 537
Landkarte: Die Republik Türkei 542
Landkarte: Das Osmanische Reich 544
Über den Autor 547