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Tot in München
Friedhofsgeschichte(n) aus acht Jahrhunderten
Michael Kubitza
Pustet
EAN: 9783791725581 (ISBN: 3-7917-2558-0)
136 Seiten, paperback, 11 x 19cm, März, 2014
EUR 12,95 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
"In München möchte man nicht tot überm Zaun hängen?" - Das muss man auch nicht: Die Stadt hat 29 Friedhöfe mit etwa 200 000 "Liegeplätzen" - und ähnlich vielen Geschichten. Wussten Sie zum Beispiel, wie der alte Südfriedhof vom Leichenacker für Pestopfer zum Schmetterlingsparadies wurde? Oder wieso der Nordfriedhof Thomas Mann an Venedig denken ließ? Und dass der Waldfriedhof der erste seiner Art in Europa war?
Michael Kubitza erzählt die Geschichte der Münchner Friedhöfe von den Anfängen der Stadt bis heute, lädt zum Friedhofsbesuch ein und nähert sich auf verschlungenen Pfaden dem sehr speziellen Verhältnis der Münchner zum Tod.
Rezension
Für gewöhnlich hält sich der Münchner, wenn es um Tod und Sterben geht, vornehm zurück. Schließlich lebt der "g’standene" Münchner im Hier und Jetzt. Doch so ganz lässt sich der Tod nun mal nicht verbannen, so dass auch in der Bayerischen Landeshauptstadt nahezu in jeder Himmelsrichtung ein großer Friedhof zu finden ist.
Mit diesem kleinen Büchlein stellt Michael Kubitza diese letzten Begräbnisstätten vor, in denen mal mehr mal weniger Prominente ihre letzte Ruhe fanden. Auch wenn es dem Autor nicht nur um die bestatteten Personen geht, so stellt er dennoch einige interessante Persönlichkeiten wie Freddie Brocksieper, einen halbjüdischen Jazzmusiker, vor. Daneben geht es ihm aber vor allem um den Ort an sich, die Architektur sowie dessen historische Entwicklung. Immer wieder finden sich zudem fast schon reiseführerartige Anmerkungen, wenn er beispielsweise beim Besuch des Alten Südfriedhofs eine spezielle Führung oder einen sehenswerten Film im Lapidarium, dem ehemaligen Leichenschauhaus, empfiehlt. Besonders anschaulich werden Kubitzas Ausführungen durch zahlreiche zeitgenössische sowie literarische Äußerungen, welche die Aura des Ortes oder bestimmte Ereignisse am selbigen eindringlich in Worte fassen.
Im Gegensatz zu den bisherigen Veröffentlichungen der Reihe "Kleine Münchner Geschichten" zeichnet sich der vorliegende Band durch eine große Sprachgewandtheit und -sensibilität des Autors aus. Grabsteine bezeichnet er nicht nur einmal als "posthume Visitenkarten" oder die illustre Gesellschaft des alten Südfriedhofs als eine "Gated Community". Hinzu kommen Interviews (zum Beispiel mit einem Totengräber) sowie kluge Gedankenspiele, die dem Buch trotz des morbiden Inhalts Lebendigkeit verleihen. Diese Feststellungen gelten vor allem für den zweiten Teil des Buches, in dem Kubitza die einzelnen Friedhöfe Münchens vorstellt. Der erste Teil, eine kurze historische Abhandlung zur "Geschichte des Münchner Todes", ist dagegen etwas sachlicher gehalten.
FAZIT: Mit diesem Buch lernen Leser München einmal ganz anders kennen – Geschichte und Geschichten rund um Tod und Bestattung in München. Mit zahlreichen interessanten Hinweisen für einen Besuch vor Ort.
Inhaltsverzeichnis
Der Münchner und der Tod: Gar net erst ignorieren! 7
Anfänge: Vom Sterben und Begraben in alter Zeit 12
Wie der Tod ins Leben kam – und wieder daraus verschwand / München, im Tode geteilt: Eine Stadt, zwei "Gotzaecker" / „Hier liegen wir und seind verwesen“; Was Grabsteine erzählen / Nicht umsonst gestorben: Eine kurze Geschichte der Bestattungskosten / Wäscheleine und blutige Händel: Der Friedhof, Ort des Friedens? / Eine Pestgeburt: Der neue Friedhof vor der Stadt
Vom alten zum neuen Tod: Grauen und Schauen im 18. du 19. Jahrhundert 26
1789: Friedhofsrevolution in München / Seelnonnen und Leichenbitter: Das Personal des Todes / „Ein gruseliger Ort“: Die städtische Leichenhalle / Und wenn sie nicht gestorben sind: Über die Furcht, lebendig begraben zu werden / Ein Knochenjob: Interview mit einem Totengräber / Im Ballkleid zur Auferstehung: München, todschick / Engel statt Knochenmann: Das neue Bild des Todes
Eine Zeit zum Sterben: Das 20. Jahrhundert 41
Boomtown sucht Geisterstadt: München braucht neue Gräber / Vier Himmelsrichtungen: Die Totenstadt München erfindet sich neu / Im Todesschatten: Der neue jüdische Friedhof / Hans Grässel – ein Architekt des Todes im Porträt / Ja mach nur einen Plan: Der Friedhof (nicht) am Perlacher Forst / Ehrentempel statt Totenruhe: Die NS-Zeit / Death is so permanent: Münchens Friedhöfe nach dem Krieg / 1977: Münchens letzter Großfriedhof entsteht
Alter Südfriedhof 56
Die münchnerischste unter Münchens Grabstätten / „Vorherr und nachher“: Ziegen raus, Ordnung rein / In Gärtners Ruhegarten: Die Meister bleiben unter sich / 450 Jahre Südfriedhof: Die Wiederbelebung eines Denkmals / Der Alte Südfriedhof im Überblick
Der neue Nordfriedhof: Thomas Mann begegnet dem Tod 65
Die Anlage: Feldherrenhügel mit Fönblick / Asche zu Asche: Münchens Kampf um die Feuerbestattung – ein Nachtrag zu Gustav von A. / Staub zu Staub: Der Nordfriedhof und der Luftkrieg / Exodus: Warum Schwabings Friedhof kein Künstlerfriedhof wurde / Isarmärchen und großes Kino: Warum Schwabings Friedhof doch ein Künstlerfriedhof ist / Der Nordfriedhof im Überblick
Ostfriedhof: Massen, Morde und Motoren 76
"Halb München in Bewegung": Kurt Eisners vorletzter Weg und andere Medienereignisse / Lagebestimmung: Der Stolz von der Au auf Giesings Höhen / "Als rieche die ganze Stadt nach Leichen": Die Revolution von 1919 endet auf dem Ostfriedhof / Wasserkunst und Partialturbine: Friedhof als Ideal und Maschine / Die Belegschaft: Bayerns letzter Henker und der stärkste Mann der Welt / Der Ostfriedhof im Überblick
Westfriedhof: Die Unterwelt ist ein Dorf 89
Friedhof vorhanden, Nachbarschaft gesucht / Dante trifft Orpheus – München grüßt Italien / Merkwürdigkeiten: Ein verdecktes Orchester und ein falscher Römer / Prominentengräber: Und der Rest ist Schweigen / Der Westfriedhof im Überblick
Waldfriedhof: Unter allen Wipfeln ist Ruh 97
Münchens größter: Annäherung an ein dunkelgrünes Phänomen / Goethe, rund und in Marmor: Ein Friedhof als Kulturereignis / Die Entstehungsgeschichte: Fichten ja, Brezeln nein / Ein charmierter Diplomat und viele tote Soldaten / Der Totenhain als Dichterdomizil: Ende, Heyse, Wedekind / Wie Lena Christ sich ihren Todestag erfand / Der Waldfriedhof im Überblick
Kleiner Rosenkranz: Weitere Friedhofsperlen 109
Alter Nordfriedhof: Komm in den totgesagten Park und schau / Die jüdischen Friedhöfe: Kaddisch in Grau und Grün / Winthirfriedhof Neuhausen. Der Wanderprediger und sein Gefolge / Friedhof Riem: Für Frauen und Designfreunde / Heilig Kreuz Fröttmaning: Erinnerung an ein versunkenes Dorf / St. Georg Bogenhausen: Münchens R.I.P-Lounge
Abgänge: Largo morendo für Münchens Grabstätten 120
Horror vacui statt Platzangst: Vom Verschwinden der Gräber / Drive in and check out: Neue Bestattungsformen / 29 Friedhöfe – ein Interview mit Münchens Friedhofschefin
Anhang 127
Zeittafel / Literatur / Bildnachweis
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