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System der Philosophie Zweiter Band Erster Teil Der Leib
System der Philosophie
Zweiter Band Erster Teil Der Leib




Hermann Schmitz

Verlag Karl Alber
EAN: 9783495490822 (ISBN: 3-495-49082-5)
672 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Dezember, 2019

EUR 59,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
I Die Gegenwart

II,1 Der Leib

II,2 Der Leib im Spiegel der Kunst

III,1 Der leibliche Raum

III,2 Der Gefühlsraum

III,3 Der Rechtsraum. Praktische Philosophie

III,4 Das Göttliche und der Raum

III,5 Die Wahrnehmung

IV Die Person

V Die Aufhebung der Gegenwart
Rezension
Was verbindet Angst, Schmerz, Hunger, Durst, Ekel, sexuelle Begierde, Müdigkeit und Freude an Wasserspielen miteinander? Es handelt sich um Phänomene, die der Mensch am eigenen Leib spürt. In der Philosophiegeschichte, angefangen von Platon über Descartes bis hin zur Analytischen Philosophie, wurde und wird der Leib des Menschen vielfach verdrängt. Hermann Schmitz (*1928) kommt mit der von ihm begründeten „Neuen Phänomenologie“ das Verdienst einer Rehabilitierung der Leiblichkeit in der deutschsprachigen Philosophie zu. Mit dieser Philosophierichtung verfolgt der 1993 emeritierte Kieler Professor für Philosophie das Ziel, „den Menschen ihr wirkliches Leben begreiflich zu machen“. Dazu sei eine phänomenologische Analyse des Leibes notwendig. Durch seine Fokussierung leiblich situierter Subjektivität erhebt Schmitz den Anspruch, den klassischen Leib-Seele-Dualismus oder, wie er ihn nennt, den „anthropologischen Dualismus“ zu überwinden. Psychologistische Konzeptionen von Subjektivität und naturalistische Menschenbilder werden in seiner Leibphilosophie mit guten Argumenten als reduktionistisch entlarvt.
In seinem zwischen 1964 bis 1980 verfassten, zehn Bände umfassenden, „System der Philosophie“ bildet der Band II, Teil 1 mit dem Titel „Der Leib“ quasi das theoretische Zentrum, auf dessen Erkenntnisse in den anderen Büchern aufgebaut wird. In diesem Band liefert Schmitz nach einer begrifflichen Analyse des Leiblichen erstmals ein zu ihm passendes Kategoriensystem. Zu den Kategorien des Leiblichen zählt der Philosoph zum Beispiel Enge, Weite, Spannung, Schwellung. Die Fruchtbarkeit eines solchen „Alphabets der Leiblichkeit“ zeigt er in seinen Analysen verschiedenster leiblicher Regungen überzeugend auf. Außerdem enthält Schmitz` Buch eine ausführliche philosophiehistorische Darstellung zur Entdeckung und primär Verdeckung des Leibes von Homer über Platon, Aristoteles, die Stoa, das Christentum, Jakob Böhme, Immanuel Kant bis zur Philosophie und Psychologie des 20. Jahrhunderts.
Eine Neuausgabe des vollständigen Schmitz`schen Hauptwerks erschien 2019 im Verlag Karl Alber. Erwähnenswert ist zudem Schmitz` „Kritische Revision“ seines „System der Philosophie“ im Anhang der jeweiligen Bände, in denen er begriffliche Differenzierungen und Präzisierungen zu den einzelnen Paragraphen vornimmt. Ethik- und Philosophie-Lehrkräfte, die in ihrem Unterricht mit Schülerinnen und Schülern über den Unterschied zwischen Körper und Leib, über das psychophysische Problem, über Träume, über Müdigkeit, über Grausamkeit, über Macht oder über Drogen fundiert philosophieren möchten, finden in dem vorliegenden Band zum Leib zahlreiche produktive Einsichten.
Fazit: Hermann Schmitz` Buch „Der Leib“, der Band II,1 seines „Systems der Philosophie“, ist ein Klassiker unorthodoxer Phänomenologie, der eine Relektüre und eine verstärkte Rezeption in der philosophischen Zunft verdient.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Leib (Gebundene Ausgabe)
System der Philosophie, Band II,1
von Hermann Schmitz (Autor/in)
Verlag Karl Alber
1. Auflage 2019
Gebunden
672 Seiten
ISBN: 978-3-495-49082-2
Bestellnummer: P490821
Dieses Buch beschäftigt sich mit dem, was Menschen am eigenen Leibe spüren. Der große Phänomenbezirk des leiblichen Befindens ist bisher vernachlässigt gewesen, weil er sich nicht dem dualistischen Denkschema fügt, das die menschliche Natur auf Körper und Seele verteilt. Weder gibt es schon eine genügende Definition des Leiblichen (im Unterschied vom Körperlichen und Seelischen) noch eine Kategorialanalyse des leiblichen Befindens. Dieses Buch will solche Lücken zu füllen versuchen. Mithilfe eines Kategoriensystems der Leiblichkeit wird eine Fülle leiblicher Regungen begrifflich rekonstruiert; dazugehörige Analysen betreffen u. a. Schreck, Angst und Schmerz, Traum und Erwachen, Ein- und Ausatmen, Wollust, Hunger, Durst, Ekel, Frische, Müdigkeit. Auch die Techniken der Leibbemeisterung in östlicher Mystik (Zen, Yoga, Hesychasmus u. a.) werden erörtert. Die Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse wird wahrgenommen. Medizinische Fragen und der Problemkreis der Grausamkeit werden behandelt. Die Methode ist phänomenologisch mit beständiger Beobachtung der Psychologie, Psychotherapie und Religionsgeschichte. Einen großen Teil des Buches füllt der Rückblick auf die Geschichte der Verdeckung und Entdeckung des Leibes. Es wird gezeigt, dass Homer menschliches Erleben primär als leibliches Betroffensein versteht. Die Ausbildung des psychosomatischen Dualismus bis zu Platon und Aristoteles verstellt die leiblichen Phänomene; die Motive dieser Entwicklung werden aufgedeckt. Erstmals wird die stoische Tonoslehre mit ihren Erneuerungen bis zu Kant und zur Romantik als verkapptes Hineindeuten eigenleiblicher Erfahrungen in die Natur gewürdigt. Die christliche Auseinandersetzung mit den leiblichen Phänomenen wird berührt; dabei rückt die Anthropologie des Apostels Paulus als prädualistischer Archaismus in die Nähe der homerischen. Aus der Neuzeit werden u. a. die Kabbala, J. Boehme, Oetinger, Kant, die Romantiker, Maine de Biran und aus dem 20. Jahrhundert u. a. Scheler und Sartre besprochen. Die Anwendung der Phänomenologie der Leiblichkeit auf Fragen der Ästhetik und Kunstwissenschaft bleibt dem unter dem Titel „Der Leib im Spiegel der Kunst“ erschienen 2. Teil dieses Bandes vorbehalten.
Inhaltsverzeichnis
INHALT

Vorrede XIII
§ 42: Die Gegenwart in leiblich-räumlicher Weite 1
KAPITEL: DER BEGRIFF DES LEIBES 5
§ 43: Definition des Leiblichen 5
§ 44: Die Tragweite der vorstehenden Definition des Leiblichen 12
§ 45: Ein anderes Verfahren zur Definition des Leiblichen 40
§ 46: Die Überwindung des anthropologischen Dualismus 55
§ 47: Das psychophysische Problem 63
2. KAPITEL: DIE STRUKTUR DES LEIBES 73
§ 48: Enge und Weite 73
§ 49: Spannung und Schwellung 89
§ 50: Die Richtung 98
§ 51: Die Intensität und der Rhythmus 111
§ 52: Privative Weitung 126
§ 53: Protopathische und epikritische Tendenz 143
§ 54: Leibinselbildung und Leibinselschwund 151
§ 55: Rückblick: Das Alphabet der Leiblichkeit 169
3. KAPITEL: EINZELNE LEIBLICHE REGUNGEN 173
§ 56: Der Schreck 173
§ 57: Mystische Techniken der Leibbemeisterung 178
§ 58: Traum und Erwachen 194
§ 59: Die Wollust 217
§ 60: Der Hunger 230
§ 61: Der Durst 236
§ 62: Der Ekel 240
§ 63: Die Frische 245
§ 64: Die Müdigkeit 248
4. KAPITEL: MEDIZINISCHE FOLGERUNGEN 255
§ 65: Allgemeine Bemerkungen zur Diagnostik 255
§ 66: Die Hypochondrie 261
§ 67: Die Anorexie 263
§ 68: Die Depersonalisation 269
§ 69: Therapeutischer Teil 274
5. KAPITEL: ZUR TOPOGRAPHIE DES LEIBES 283
§ 70: Die Idee einer Topographie des Leibes 283
§ 71: Grundzüge einer Topographie des körperlichen Leibes 285
§ 72: Der Mund 305
§ 73: Die anale Zone 316
6. KAPITEL: DIE GRAUSAMKEIT 325
§ 74: Die Grausamkeit als Einheit des Leibes 325
§ 75: Wollust im Verhältnis zu Angst und Schmerz 328
§ 76: Der Sadismus 340
§ 77: Die Macht 359
7. KAPITEL: ZUR GESCHICHTE DER VERDECKUNG UND ENTDECKUNG DES LEIBES 365
§ 78: Aufgabe und Gang der Untersuchung 365
§ 79: Die Ilias 373
§ 80: Die Odyssee 445
§ 81: Von Homer zu Platon
§ 82: Platon 462
§ 83: Aristoteles 485
§ 84: Die Stoa 497
§ 85: Christliches 505
§ 86: Die Kabbala 534
§ 87: Jacob Böhme 541
§ 88: Oetinger 546
§ 89: Kant 554
§ 90: Die romantische Entdeckung des Leibes 567
§ 91: Maine de Biran 591
§ 92: Der Leib in der Philosophie und medizinischen Psychologie des 20. Jahrhunderts 596
Personenregister
Sachregister
Stellenregister