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Studienbuch Hermeneutik
Bibelauslegung durch die Jahrhunderte als Lernfeld der Textinterpretation. Portraits - Modelle - Quellentexte. Mit Quellentexten-CD-ROM
Susanne Luther, Ruben Zimmermann (Hrsg.)
Gütersloher Verlagshaus
, Random House
EAN: 9783579081373 (ISBN: 3-579-08137-3)
392 Seiten, paperback, 15 x 23cm, August, 2014
EUR 34,99 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Ein einzigartiges Arbeitsbuch
Das Studienbuch Hermeneutik gibt einen Überblick über 2000 Jahre Schrifthermeneutik von der Patristik bis zur Postmoderne.
Nach einer umfangreichen Einführung in die gegenwärtige Hermeneutik-Diskussion zeichnen ausgewiesene Experten in 28 Kapiteln Portraits von Theologen, die wesentliche Beiträge zur Bibelauslegung geliefert haben.
Darunter finden sich Klassiker wie Augustinus, Luther, Schleiermacher und Bultmann, aber ebenso Gestalten, die in der Rezeptionsgeschichte vernachlässigt wurden wie Hildegard von Bingen, Thomas Müntzer oder Johann Martin Chladenius. Von jeder dieser Gestalten wird auf der beigefügten CD-ROM ein Quellentext nach neuen Editionen (ältere zweisprachig, z.B. lat.-deutsch) wiedergegeben. Besonders wertvoll sind hierbei auch Texte, die bisher noch nie in deutscher Sprache zugänglich waren, wie z.B. von Viktorin von Pettau oder Johann Conrad Dannhauer.
Das Buch eignet sich zum autodidaktischen Vertiefungsstudium und selektiven Rezipieren einzelner hermeneutischer Konzepte. Es kann aber auch direkt für den Hochschulunterricht eingesetzt werden, da der Einführung in die Texte Arbeitsaufgaben (samt Lösungen) angefügt sind.
Das Studienbuch zeigt, wie Bibelauslegung in der Geschichte auch heute noch zum elementaren Lernfeld für die Hermeneutik werden kann, für Theologen aber ebenso auch Philosophen, Literaturwissenschaftler und Historiker.
Mit Beiträgen von Martin Bauspieß, Kestutis Daugirdas, Gregor Etzelmüller, Konrad Huber, Christof Landmesser, Torsten Leistikow, Susanne Luther, Dominik Mahr, Christi M. Maier, Eckart D. Schmidt, Stefan Scholz, Walter Sparn, Blossom Stefaniw, Johann Anselm Steiger, Jutta Tloka, Anna Tzvetkova-Glaser, Ben Vedder, Maura Zatonyi OSB, Mirjam Zimmermann und Ruben Zimmermann.
Rezension
Wie ist die Bibel über die Jahrhunderte hin ausgelegt worden und wie wird sie heute ausgelegt - und warum so und nicht anders? Danach fragt die Hermeneutik als "Verstehens- und Übersetzungswissenschaft" vergangener Texte in die Gegenwart, - insofern hat Bibel-Hermeneutik immer auch Relevanz für andere Disziplinen wie Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Theologen und insbesondere Religionspädagogen müssen sich Rechenschaft ablegen über ihre Hermeneutik der Bibel in die Gegenwart. Dazu bietet dieses ganz neue "Studienbuch Hermeneutik" grundlegende und überzeugende Hilfestellung. Es gliedert sich in zwei Teile: Der 1. Teil bietet auf mehr als 70 S. eine umfangreiche Einführung in die gegenwärtige Hermeneutik-Diskussion mit Schwerpunkt auf Bibelhermeneutik, der 2. Teil gibt einen Überblick über 2000 Jahre Schrifthermeneutik von der Patristik bis zur Postmoderne. In 28 Kapiteln finden sich Portraits von Theologen, die wesentliche Beiträge zur Bibelauslegung geliefert haben, u.a. Augustinus, Luther, Schleiermacher und Bultmann, incl. je ein Quellentext auf der beigefügten CD-ROM.
Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Susanne Luther, geboren 1979, M.A., ist seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Neutestamentlichen Seminar der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Ruben Zimmermann, geboren 1968, Dr. theol. habil., Dipl. Diakoniewissenschaftler und ordinierter Pfarrer, seit 2009 Professor für Neues Testament an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Ruben Zimmermann
Bibelauslegung als Verstehenslehre.
Die Geschichte der Hermeneutik im Horizont gegenwärtiger Debatten 13
1. Das Ende der Hermeneutik? – Anti- und posthermeneutische Infragestellungen 17
2. Es lebe die Hermeneutik! – Neuere Tendenzen in der philosophischen und literaturwissenschaftlichen Diskussion 24
2.1. Fortschreibungen der hermeneutischen Seinsphilosophie 25
2.2. Literaturwissenschaftliche Neuansätze 28
2.3. Sprachphilosophische Untersuchungen und Kognitionswissenschaft 31
3. Bibelauslegung als Lernfeld der Hermeneutik – eine elementarisierte Hermeneutik anhand der Wurzeln 35
4. Neuere Tendenzen in der Bibelhermeneutik 40
4.1. Historische Bibelhermeneutiken 42
4.2. Theologisch-philosophische Metahermeneutiken 44
4.3. Methodenorientierte und pluralistische Hermeneutiken 53
5. Das hermeneutische Dreieck: Multiperspektivische Circumambulatio einer Schriftauslegung 59
6. Zum Aufbau und Gebrauch des Buches 64
6.1. Geschichtliche Haftpunkte der Bibelhermeneutik – jenseits des Entwicklungsparadigmas 64
6.2. Die Auswahl der Quellentexte 65
6.3. Die Vielfalt und Form der Quellentexte 66
6.4. Die Grundstruktur der Hinführungstexte 67
6.5. Zum Gebrauch des Buches, Aufgabenteil 67
7. Literaturauswahl 69
7.1. Quellen-/Textsammlungen zur Hermeneutik 69
7.2. Allgemeine, historische und theologische Hermeneutik (nicht primär auf die Bibel bezogen) 69
7.3. Bibelhermeneutik 70
Susanne Luther/Ruben Zimmermann
Origenes (183–253) 73
Körper, Seele und Geist der Heiligen Schrift verstehen
Anna Tzvetkova-Glaser
Viktorin von Pettau (†304) 82
An den Anfängen lateinischer Bibelexegese
Konrad Huber
Didymos der Blinde (313–398) 89
Noetische Exegese als asketische Praxis
Blossom Stefaniw
Johannes Chrysostomos (349–407) 101
Bibelauslegung im Dienst goldmundiger Predigt
Jutta Tloka
Augustinus (354–430) 110
Vom rechten Verständnis der Heiligen Schrift
Susanne Luther
Hugo von Saint-Victor (†1141) 120
Ordnung und Methode der Schriftauslegung
Maura Zátonyi OSB
Hildegard von Bingen (1098–1179) 127
Prophetie als Schriftauslegung
Maura Zátonyi OSB
Martin Luther (1483–1546) 136
Die Klarheit der Schrift
Susanne Luther
Thomas Müntzer (1489–1525) 145
Toter Buchstabe oder lebendiges Wort Gottes?
Ruben Zimmermann
Matthias Flacius Illyricus (1520–1575) 158
Eine erste Theorie der Hermeneutik im Zeitalter der Reformation
Dominik Mahr
Johann Arndt (1555–1621) 166
Von der »äußerlichen Schrift« zum Evangelium »in uns«
Torsten Leistikow/Dominik Mahr
Johann Gerhard (1582–1637) 175
Exegese der Heiligen Schrift zwischen Gelehrsamkeit, Anfechtung und Frömmigkeit
Johann Anselm Steiger
Johann Conrad Dannhauer (1603–1666) 187
Allgemeine und Biblische Hermeneutik
Walter Sparn
Baruch de Spinoza (1632–1677) 198
Von der Einbildung zur allgemeinen Erkenntnis
Ben Vedder
August Hermann Francke (1663–1727) 208
Die Verknüpfung philologisch-historischer Exegese mit geistlicher Erfahrung
Susanne Luther
Johann Martin Chladenius (1710–1759) 217
Die allgemeine Hermeneutik und ihre Anwendung auf Geschichte
Kęstutis Daugirdas
Johann Salomo Semler (1725–1791) 223
Philologisch-historische Kritik und Hermeneutik
Susanne Luther
Johann Georg Hamann (1730–1788) 230
Kritiker der Aufklärung – Individualist im Sturm und Drang
Eckart D. Schmidt
Friedrich D. E. Schleiermacher (1768–1834) 239
Zwischen Grammatik und Psychologie
Gregor Etzelmüller
Ferdinand Christian Baur (1792–1860) 252
Der Zusammenhang der Geschichte und die »Tendenz« der neutestamentlichen Autoren
Martin Bauspieß
David Friedrich Strauß (1808–1874) 259
Mythos im Zeitalter des romantischen Idealismus
Eckart D. Schmidt
Rudolf Bultmann (1884–1976) 267
»Glauben und Verstehen«. Existentiale Interpretation als Vollzug der Theologie
Christof Landmesser
Gerhard Ebeling (1912–2001) 272
Die Geschichtlichkeit des Verstehens. Historisch-kritische Textauslegung und ›hermeneutische Theologie‹
Susanne Luther/Ruben Zimmermann
Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. (*1927) 289
Gottes Offenbarung in Schrift und Kirche
Eckart D. Schmidt
Carlos Mesters (*1931) 296
Das Leben »hinter den Wörtern« – Befreiungstheologische Bibelhermeneutik
Mirjam Zimmermann/Ruben Zimmermann
Elisabeth Schüssler Fiorenza (*1938) 308
Der Weisheitstanz – »Hermeneutische Bewegungen und Drehungen«
Christl M. Maier
Hans Weder (*1946 ) versus Klaus Berger (*1940) 316
Das Ringen um die Neutestamentliche Hermeneutik
Stefan Scholz
Pierre Bühler (*1950) 322
Dekonstruktion der Hermeneutik und Hermeneutik der Dekonstruktion.
Zum Verstehen angesichts postmoderner Herausforderungen
Stefan Scholz
Lösungen zu den Aufgaben 331
Die Autorinnen und Autoren 389
Quellen- und Abbildungsnachweis 392
Leseprobe:
Vorwort
Wer redet, redet zu jemandem und er antwortet nur, wenn er hat hören können.
Die Dimension der Hermeneutik bleibt das Gespräch.
Hans-Georg Gadamer
Gespräche prägen. Sie hinterlassen Spuren. Sie wirken fort. So mag es auch bei
meiner Begegnung mit dem hochbetagten Hans-Georg Gadamer im Jahr 1998
gewesen sein, den ich als junger Heidelberger Promovend zu einem Kongress
neugieriger, aber namenloser Studienstiftler zur Hermeneutik der Bildersprache
einlud. Zu meiner Freude und Überraschung nahm Gadamer die Einladung
an. Noch beeindruckender war es für uns, dass er nicht nur kam, um
sich feiern zu lassen, sondern vielmehr, um ins Gespräch zu kommen, um sich
bei jungen Nachwuchswissenschaftlern nach ihren Fragen zu erkundigen, um
zu hören und zu verstehen. So wurde diese Begegnung zu einem Abend des
Gesprächs, der Verstehensreflexion, ja zu einem Abend der Hermeneutik.
Gadamer war es auch, der mich gewissermaßen von außen auf den besonderen
Schatz biblischer Hermeneutik angesprochen hat: »Warum seid ihr
Theologen so skeptisch gegenüber eurer eigenen Disziplin und Tradition?«
Indem Gadamer der Geschichtlichkeit des Verstehens neue Aufmerksamkeit
schenkte, war es für ihn ganz selbstverständlich, dass die Hermeneutik ohne
die Jahrhunderte langen Verstehensbemühungen um biblische Texte nicht
vorstellbar ist. Die ganze wissenschaftliche Disziplin der Hermeneutik hat sich
vielmehr aus Reflexionen über die Interpretation der Bibel heraus entwickelt.
Das Arbeitsbuch von Gadamer/Boehm zur »philosophischen Hermeneutik«
führt dann auch gut zur Hälfte Theologen auf, die nicht nur als Wegbereiter,
sondern als Teil der allgemeinen Hermeneutik betrachtet werden. Mit Gottfried
Boehm, der im Jahr 2011 die Gutenberg-Professur der Johannes Gutenberg-Universität Mainz innehatte, schließt sich zugleich der Kreis der biographischen Reminiszenzen zwischen Heidelberg und Mainz.
Die Bedeutung der Theologie und besonders der Bibelwissenschaft für die
Hermeneutik ist jedoch in Philosophie, Literaturwissenschaft oder gar Rechtswissenschaft
zunehmend in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt deshalb, weil
die Zugänge zu den Quellentexten kein Allgemeingut mehr sind. Stärker noch
schmerzt die Einsicht, dass selbst Theologen die Kritik an der Hermeneutik
übernehmen und sich von ihren eigenen Wurzeln abschneiden.
Der vorliegende Band möchte deshalb prominente, aber auch einige unbekanntere
Texte zur biblischen Hermeneutik leicht zugänglich machen. So hofft
er, im inter- und intradisziplinären Dialog die Stimme der Theologie wieder
neu zu Gehör zu bringen. Zugleich möchte er im innertheologischen bzw.
spezifisch bibelwissenschaftlichen Diskurs Impulse liefern, die die gegenwärtige
Suche nach Methoden und Ausrichtungen der Bibelauslegung befruchten
können. Die Beschäftigung mit Meta-Texten der Bibelauslegung
macht dabei sichtbar, dass die Vielfalt der Perspektiven von Anfang an gegeben
war. Es war folglich z.B. keine Neuentdeckung, wenn man in den 1970er Jahren
den Leser bzw. die Rezipientin als konstitutiv im Verstehensprozess biblischer
Texte gewürdigt hat oder in den 1990er Jahren Methodenpluralismus
in der Schriftauslegung propagierte. Die Rückbesinnung auf die Formen und
Wege der Bibelauslegung über die Jahrhunderte hinweg macht vielmehr deutlich,
wie einsam und verengt bestimmte Ausprägungen der Exegese in der
Mitte des 20. Jahrhunderts geworden waren. Die Geschichte der Bibelhermeneutik
erhebt die Stimme gegen den Absolutheitsanspruch sowohl historischursprungsorientierter6
als auch engagiert-diesseitsorientierter Lesarten des Textes. Sie schärft zugleich den Blick für die Weite der Fragen, die die Bibelhermeneutik nach wie vor mit einer allgemeinen Verstehenslehre und Interpretationsphilosophie verbindet.
Der postmoderne Verzicht auf eine Wahrheit und einen einzigen Textsinn
muss nicht mit dem Ende der Hermeneutik gleich gesetzt werden. Vielmehr
ist die Suche nach Textsinn in die Freiheit und zugleich Verbindlichkeit eines
Spielfeldes entlassen, auf dem umso intensiver um Sinn und Wahrheit gekämpft
werden soll. Anders gesagt: Die gegenwärtige Pluralität der Textinterpretationen
undWirklichkeitsdeutungen erfordert umso mehr eine begründete
Verstehenslehre, die Offenheit vor Beliebigkeit und Willkür bewahrt. Der
Blick in die Geschichte der Hermeneutik kann in diesem Diskussionsraum
eine äußerst hilfreiche Orientierung sein. Er ersetzt freilich nicht die lebendige
Diskussion über die Bedingungen und Möglichkeiten des Verstehens. Das
hermeneutische Gespräch soll vielmehr durch das vorliegende Studienbuch
gerade angeregt und in Gang gebracht werden.
Und Gadamer würde sich vermutlich freuen, wie viele Gespräche über hermeneutische
Texte bereits im Entstehungsprozess der Veröffentlichung dieses
Buches vorausgegangen sind. Die erste Idee zu einem Quellen-Studienbuch
geht auf das Jahr 2006 zurück. Gemeinsam mit Axel Stockmeier und Dr. Dominik
Mahr wurden Seminare an der Fakultät für Geschichtswissenschaft,
Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld durchgeführt, in denen
erstmals Quellentexte ausgewählt und diskutiert wurden. Schnell zeigte sich,
dass die jeweiligen Kontexte der Quellen so komplex sind, dass auch die knappen
Hinführungen von Experten im jeweiligen Feld sachgemäßer formuliert
werden können, was den Kreis der Mitwirkenden entscheidend ausweitete.
Erst nach dem Wechsel an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz im
Jahr 2009 und dem Beginn der Zusammenarbeit mit Dr. Susanne Luther wurde
dann der Faden wieder aufgenommen und die Textauswahl samt Hinführungen
und Aufgaben in vielen Hermeneutik-Übungen gemeinsam mit den
Studierenden erprobt und verbessert. Ohne die beharrliche, präzise und zielführende
Mitarbeit von Susanne Luther wäre das Buch nicht zur Veröffentlichung
gelangt. Ihr gebührt deshalb nicht nur mein herzlicher Dank, sie hat
sich immer mehr zur eigenständigen Mitarbeiterin an diesem Projekt entwickelt,
so dass die gemeinsame Herausgeberschaft nur angemessen ist.
Wir hoffen, dass der interdisziplinäre Dialog über Hermeneutik nun über
Mainz hinaus fortgeführt wird und reichlich Spuren hinterlässt. So mag die
Verschriftlichung gerade im Sinne Gadamers das hermeneutische Gespräch
anregen und nicht behindern. Denn trotz seiner Vorliebe für das Gespräch,
war der Wert schriftlicher Texte und besonders auch der Quellentexte für
den großen Hermeneutiker nie fraglich:
»Die Rede verhallt, der Text besteht.«
Mainz, den 11. Februar 2014
Ruben Zimmermann
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