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Sound der Revolte Studien zur Kulturrevolution um 1968
Sound der Revolte
Studien zur Kulturrevolution um 1968




Dietrich Siegfried

Juventa Verlag
EAN: 9783779911371 (ISBN: 3-7799-1137-X)
272 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, November, 2008

EUR 26,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Umbruch der späten 1960er Jahre war mehr als eine politische Revolte oder die Vorgeschichte der Rote Armee Fraktion. Vielmehr ist er eingebettet in einen langen Zeitraum des Wandels, der sich von etwa 1958 bis 1973 erstreckte und die ganze Gesellschaft erfasste.

"1968" war ein besonders spektakulärer Teil eines länger andauernden internationalen Umbruchs, der eine spezifisch westdeutsche Ausprägung erhielt und gleichzeitig von der Bundesrepublik aus auf andere europäische Länder ausstrahlte.

Die in diesem Buch versammelten Aufsätze nehmen die Sphären der Kultur und der Politik gleichermaßen in den Blick und beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven "1968" als Kulturrevolution.

Die Kernthese lautet: Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil bewirkte der Massenkonsum in den 1960er Jahren nicht eine Entpolitisierung der Gesellschaft, sondern er flankierte und unterstützte das wachsende Interesse an Politik und die Bereitschaft zu politischem Engagement auf den Ebenen der Lebensweise und des Alltags.


Rezension
Zum Jahr 1968 erschienen vierzig Jahre später zahlreichen Monographien und Bildbände. Dazu zählt auch das Buch „Sound der Revolte. Studien zur Kulturrevolution um 1968“ von Detlef Siegried, Associate Professor für Neuere Deutsche Geschichte und Kulturgeschichte an der Universität Kopenhagen. Der Wissenschaftler beginnt seine im Verlag Juventa erschienenes Sammlung von Aufsätzen mit der Behauptung: „“1968“ ist nicht etikettierbar.“(S. 5)
Dieses Jahr erschließt er „in vier Zugriffen“. Zunächst werden von ihm die Konzepte 1968 umfassend zu analysieren diskutiert. Im zweiten Kapitel stehen die „Sounds und Visions der 60er Jahre […] – die Spezifik der Bilder, die Entstehung von Images und die Bedeutung von Musik für das Selbstverständnis jugendlicher Subkulturen“(S. 6) im Fokus wissenschaftlicher Beleuchtung. Des Weiteren setzt sich Siegfried mit dem an die 1968er gerichteten Vorwurf, sie frönten primär einem Hedonismus, auseinander. In dem abschließenden Kapitel geht der Historiker auf die Rezeption und die Fortführung der 68er Bewegung in der Gegenkultur und im alternativen Milieu der 1970er Jahre ein.
Siegfried begreift in Anlehnung an Arthur Marwick Werk „The Sixties“(1998) das Jahr 1968 als „Kulturrevolution“, die einzubetten ist in die soziale Transformationsperiode in der BRD von 1958-1973. Unter Kultur versteht der Kopenhagener Wissenschaftler dabei „die individuellen und kollektiven symbolischen (Selbst-)Verständigungs- und Orientierungsweisen […], die in den Verkehrsformen, im gemeinschaftlichen Habitus oder in Institutionen wie beispielsweise in den Medien, der Kirche, den Parteien usw. manifest werden“(S. 28). Die Akteure der kulturellen Revolution verfolgten zwei Ziele, nämlich „sich selbst zu verändern“ und „die Welt zu verändern“(S. 19). Gegenüber einem verbreiteten Topos belegt Siegfried anhand der 1968er, dass Massenkonsum und Politisierung sehr wohl kompatibel sein können: „Der Massenkonsum erweiterte die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe für alle Bürger. Auch die Entstehung eines alternativen Milieus ist nicht zu denken ohne Kommunikationsmittel und Waren wie Zeitschriften, Fernsehen, elektrisch verstärkte Musik, Drogen und Automobile.“(S. 69) Der Historiker spricht in dem Zusammenhang von einem kritischen bzw. politischen Konsum. Daran wird schon deutlich, dass das Buch „Sound der Revolte“ mit bisher in der Geschichtswissenschaft marginalisierten Einsichten aufwartet. Erwähnenswert sind auch die manchen Mythos widerlegenden Ausführungen zur Musik oder zum Drogenkonsum der 1968er. Für den Unterricht bedeutsam sind zudem die aufschlussreichen Abbildungen, statistische Angaben und prägnante Statements des Buches. Siegfried ist in seinen Studien, die erstmals als Buch gesammelt vorliegen, ein differenziertes Panorama der Kulturrevolution 1968 gelungen.
Fazit: Das verständlich geschriebene Buch kann allen Geschichts- und Politiklehrern, die sich im Unterricht oder in einem Projekt fundiert mit dem Jahr 1968 auseinandersetzen möchten, zur Lektüre empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Inhaltsverzeichnis
"1968"
"1968" - eine Kulturrevolution? 13
Was war "1968"? Globale JUgendrebellion, generationeller Wandel und postindustrielle Gesellschaft 31
Sound der Revolte. Konsumkultur und alternativer Alltag 57

Klänge, Bilder
Starschnitt. Die Bildersprache der Bravo 73
Stars der Revolte. Die Kommune 1 86
Authentisch schwarz. Blues um 1970 103

Linker Hedonismus
Counterculture, Kulturinsustrie und linke Szene 1958-1973 123
Ästhetik des Andersseins. Subkulturen zwischen Hedonismus und Militanz 1965-1970 161
Der Wärmestrom im Marxismus und die hedonistische Linke. Gesellschaftskritik und Lebensgenuss bei Diethart Krebs 1969-1981 182

Gegenkultur und alternatives Milieu
"Einstürzende Neubauten". Wohngemeinschaften, Jugendzentren und private Präferenzen kommunistischer "Kader" 215
Urbane Revolten, befreite Zonen. Über die Wiederbelebung der Stadt und die Neuaneignung der Provinz durch die Gegenkultur der 1970er Jahre 252

Bildnachweis 269
Kommentierte Bibliografie 271