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Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!
Die wahre Macht der Datensammler
Markus Morgenroth
Verlagsgruppe Droemer Weltbild GmbH & Co. KG
EAN: 9783426276464 (ISBN: 3-426-27646-1)
272 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 22cm, August, 2014
EUR 19,99 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Datenspionage gegen Angestellte ist tägliche Praxis in deutschen Unternehmen.
Backgroundchecks bestimmen über Wohnung, Kredit, Job, Liebe.
Ein deutscher Datenanalytiker deckt das ganze Ausmaß der Überwachung und des Datenmissbrauchs auf.
Markus Morgenroth, geboren 1977 in Frankfurt am Main, ging nach seiner Ausbildung zum Informatiker in die USA. Dort arbeitete er im Silicon Valley knapp zwei Jahre lang als Software Engineer bei einem der führenden Unternehmen im Bereich der verhaltensbasierten Datenanalyse. 2007 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete fortan als Managing Director of European Operations. Seit seinem Ausstieg aus dem Geschäft 2013 ist Markus Morgenroth als Consultant tätig und berät Firmen zu Fragen rund um den Datenschutz sowie die Chancen und Risiken von Big Data.
Rezension
Alles, was Datenschützer befürchten, ist längst Realität: Wir werden total überwacht, wir werden ausspioniert, unsere Handys werden überwacht, - nicht nur das der Kanzlerin! -, jede von uns hinterlassene Spur im Internet, jede Bewegung mit dem PKW, jede Handy-Bewegung, alles wird irgendwo gespeichert, erfasst, analysiert - und Amazon wirbt damt, uns demnächst schon etwas zu versenden, bevor wir es überhaupt bestellt haben ... Das ist erschreckender als Orwells "1984" je vermuten ließ und viel schneller Wirklichkeit geworden als erwartet! Und deshalb sind Bücher wie dieses so wichtig! Es ist an der Zeit, dass wir uns für ein digitales Menschenrecht stark machen und uns gegen die totale Überwachung und die Macht der Datensammler zur Wehr setzen. Insbesondere "die heutigen Mädchen und Jungen bilden die erste Generation, die von Beginn an flächendeckend
ausspioniert und von den Internetgiganten dazu erzogen wird, alles von sich preiszugeben ... Kameras, die in Einkaufspassagen bisher Diebstähle aufklärten, analysieren neuerdings Kleider und Schmuck ihrer Kunden und informieren die Ladenbesitzer über deren sozioökonomischen Status. Spielekonsolen zählen, wie viele Kinder vor dem Bildschirm sitzen, und erkennen, ob sie Spaß haben", so der Autor Markus Morgenroth in seinem Vorwort.
Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Man braucht keinen Facebook-Account, kein Amazon-Konto, ja nicht einmal einen Internet-Anschluss, um im Netz der Datenhaie zu zappeln. Internationale und nationale Unternehmen schließen aus Adresse, Alter, Geschlecht auf Person und Charakter und vergeben Kredite, Verträge, Arbeitsplätze – oder eben all dies nicht. Wer möchte, dass seine »Klickspur« vom Arbeitgeber analysiert wird? Wer ist sicher, dass dies nicht geschieht? Und was bedeutet diese Spur bei der nächsten Kündigungswelle? Datenschützer sind sich sicher: Alles, was befürchtet wird, ist bereits Realität. Das, was früher einmal »Schicksal« genannt wurde, ist heute allzu oft das diskrete Ergebnis eines illegalen, aber dreist praktizierten Backgroundchecks. Markus Morgenroth macht auf erschreckende Weise klar, was längst an der Tagesordnung ist, und zeigt auf, wie wir uns – halbwegs – schützen können.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
1. Die Datensammler sind überall 15
1.1 Der Feind in Ihrem Haus 17
1.2 Lückenlose Persönlichkeitsprofile 21
1.3 Wie wir diskriminiert werden 25
1.4 Wie wertvoll sind Sie? 29
1.5 Die Macht der Schufa 32
1.6 Sippenhaft 35
2. Stalking 39
2.1 Der gläserne Konsument 41
2.2 Warum Ihr Bierkonsum relevant ist 45
3. Totale Überwachung 48
3.1 Die allwissende Schaufensterpuppe 55
3.2 Das Smartphone 57
3.3 Die Mär der Anonymität 61
3.4 Installieren Sie nicht alle Apps 65
3.5 Dynamische Preisgestaltung 67
4. »Big Brother« auf dem Beifahrersitz 76
5. Angriff auf den Körper 82
5.1 Vertrauen Sie weder Ihrem Arzt noch Ihrem Apotheker 94
6. Der durchleuchtete Angestellte 99
6.1 Der Algorithmus wird Personalchef 104
6.2 Bewerberscreenings sind an der Tagesordnung 109
6.3 Sind Sie vorbestraft? 112
6.4 Das war’s mit dem Traumjob 116
6.5 Der Totalzugriff auf den Arbeitnehmer 128
6.6 Absolute Kontrolle 138
6.7 Eroberungsfeldzug der Maschinen 140
6.8 Bitte bleiben Sie gesund 147
7. Aus dem Leben eines Datenanalysten 157
7.1 Metadaten sind die Botschaft 162
7.2 Was Ihre E-Mails über Sie verraten 166
7.3 Wer hat was zu vertuschen? 170
7.4 Technologie und Wirklichkeit 177
7.5 Verhaltensanalysen 180
7.6 Wer liebt wen? 182
7.7 Schwarz und Weiß 185
7.8 Hall of Shame 189
8. Facebook & Co. 191
8.1 Singlefrauen, die sich gerne betrinken 194
8.2 Facebook liest mit 198
8.3 Leichtes Spiel für Stalker 201
9. Warum Ihr Wohnzimmer nicht mehr sicher ist 206
10. Das Namensschild auf der Stirn 214
11. Cyberkriminalität 220
Schluss 226
Rat 230
Dank 253
Quellenverzeichnis 255
Vorwort
Sie bewerben sich für einen neuen Job. Sie wollen diesen Job
unbedingt, Sie brauchen ihn, denn Ihr alter Arbeitgeber hat
Ihre Stelle wegrationalisiert. Die Chancen, dass Sie den Job
bekommen, stehen hervorragend. Sie sind ausgezeichnet dafür
qualifiziert und wurden zudem persönlich empfohlen.
Jemand hat für Sie die Hand ins Feuer gelegt und bürgt mit
seinem guten Namen für Sie.
Aber Sie bekommen den Job nicht. Den wahren Grund erfahren
Sie nie. Das Unternehmen verrät ihn nicht. Es hat etwas
Entscheidendes über Sie herausgefunden: Sie sollen
Asthmatiker sein. Das hat Ihr »Background Check« ergeben,
die detaillierte Durchleuchtung Ihres Lebens – eine Methode,
die von der Öffentlichkeit vollkommen unbemerkt gerade
bei Einstellungsprozessen immer populärer wird.
In Wahrheit sind Sie aber kerngesund. Ihr einziger Fehler:
Sie haben aus Nettigkeit hin und wieder Asthmamedikamente
für Ihren kranken Nachbarn besorgt – und, um Punkte zu
sammeln, mit Ihrer eigenen Kundenkarte bezahlt. Die Algorithmen,
die Sie als krank und damit ökonomisch unbrauchbar
eingestuft haben, interessiert die Wahrheit aber nicht,
denn sie kreieren ihre eigene Wirklichkeit. Dieser Irrtum ist
irreparabel. Für Sie ist er fatal. Und wer weiß, wie viele Irrtümer
noch über Sie kursieren, wie viele Irrtümer über uns alle
kursieren.
Denken Sie jetzt nicht, dass das Ausspähen aufhöre, wenn Sie
erst einmal den Vertrag unterschrieben haben und an Ihrem
Büroschreibtisch sitzen. Theoretisch gibt es strenge Grenzen,
die die Mitarbeiterüberwachung verbieten, aber Sie können
sich sicher sein, dass auch die Arbeitswelt ein »See voller Untiefen« ist.
Das sagt nicht irgendjemand, sondern Niedersachsens
Landesdatenschutzbeauftragter Joachim Wahlbrink.
Was genau er meint, werden wir später sehen.
Wir sind ins Visier unsichtbarer Machenschaften geraten.
An unseren Biografien schreiben hinter unserem Rücken
längst andere mit. Die meisten von uns bemerken noch nicht
einmal, dass etwas Grundlegendes schiefläuft, dass es in ihrem
Leben immer ungerechter zugeht und sie diskriminiert
werden. Sie tappen im Dunkeln. Und selbst die, die etwas
spüren, können die Warnsignale in der Regel nicht richtig
deuten.
Dieses Mal war es die Jobabsage. Das nächste Mal ist es
vielleicht ein negativer Bescheid Ihrer Bank oder Lebensversicherung,
die Recherchen über Sie angestellt und herausgefunden
hat, dass Sie Fallschirmspringen oder Paragliding betreiben.
Damit sind Sie, ohne es zu wissen, ein unkalkulierbares
Risiko. Dass Sie Ihre Hobbys mit großer Vorsicht
ausüben, fällt nicht ins Gewicht. Es hat Sie ja nie jemand danach
gefragt.
Womöglich trifft es aber auch Ihr Internet- und Facebook-
begeistertes Kind. Die heutigen Mädchen und Jungen
bilden die erste Generation, die von Beginn an flächendeckend
ausspioniert und von den Internetgiganten dazu erzogen
wird, alles von sich preiszugeben. Vielleicht wird Ihr
Kind nicht zum Austauschjahr oder zum Studium in Amerika
zugelassen, weil es vor Jahren mal ein paar dumme Bemerkungen
über den Kurznachrichtendienst Twitter versendet
hat – wie jene zwei ganz normalen jungen Erwachsenen aus
Großbritannien, die ihren Urlaub in den USA verbringen
wollten und deren Geschichte um die Welt ging. Sie durften
nicht einreisen, stattdessen wurden sie wie Schwerverbrecher
von Sicherheitskräften abgeführt, verhört, zwölf Stunden
lang in eine Zelle gesperrt und schließlich zurück in ihre Heimat
geschickt ...
Unser komplettes Leben wird überwacht. Dass die Geheimdienste
das tun, wissen wir inzwischen. Was viele nicht wissen,
ist, dass auch zahllose Unternehmen ein System der Intransparenz
erschaffen haben, in dem sie uns permanent
überwachen und vermessen. Der Zugriff geschieht unbemerkt,
dabei findet er nicht einmal im Geheimen statt. Er
wird nur perfekt getarnt. Für den Einzelnen spielt er sich im
Verborgenen ab. Ein einfaches Beispiel ist das aktuelle Urteil
des Bundesgerichtshofs zur Schufa, der Schutzgemeinschaft
für allgemeine Kreditsicherung. Das Gericht hat entschieden,
dass die Algorithmen, die die Kreditwürdigkeit festlegen und
unser Schicksal massiv in eine negative Richtung lenken können,
ein »Geschäftsgeheimnis« sind.
»Die Überwachung ist subtil und verdeckt, sie ist eingebettet
in Dinge, auf die wir tagein, tagaus angewiesen sind.« Ausgeschlossen,
ihr zu entkommen. Unablässig werden Daten von
uns allen erhoben, gespeichert, verknüpft, bewertet und verkauft:
In welchem Viertel wir wohnen, wie viel wir verdienen,
ob wir Schulden haben, wohin wir reisen, ob wir an einem
Burn-out leiden oder an einer Blasenschwäche, welches Auto
wir fahren, was unsere Konsumgewohnheiten, wer unsere
Nachbarn sind, mit wem wir kommunizieren. Das datenzentrierte
Modell des Silicon-Valley-Kapitalismus beherrscht
unsere Gesellschaft und versucht, jeden Aspekt unseres alltäglichen
Lebens in produktives Kapital zu verwandeln.
Unsere Identität setzt sich nicht länger aus unserer Vergangenheit,
unseren Erfahrungen und vielleicht noch aus unserer
Rentenversicherungsnummer zusammen. Nein, wer wir
sind, entscheiden hochkomplexe Algorithmen, die sich durch
Gespräche nicht mehr überzeugen lassen. Und die leistungsfähigen
Maschinen erschaffen nicht nur unser digitales Abbild,
unser zweites Ich, sie gehen, das ist das Bedrohliche an
ihnen, noch viel weiter: Sie treffen Vorhersagen über unsere
Zukunft.
Gehen Sie davon aus, dass sehr viele Menschen sehr viele
brennende Fragen an Sie haben, die sie Ihnen niemals offen
ins Gesicht sagen würden. Schließlich will Sie niemand schockieren.
Diese Fragen lauten zum Beispiel: Werden Sie ein
guter Arbeitnehmer sein? Sind Sie derzeit ein guter Arbeitnehmer?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihr
Auto zu Schrott fahren? Ist Ihr Girokonto häufig überzogen?
Sind Sie gesund? Werden Sie bei der Abzahlung Ihrer
Hypotheken in Rückstand geraten? Neigen Sie dazu, Ware,
die Sie im Internet bestellen, wieder zurückzuschicken? Werden
Sie das Apartment runterwohnen oder ausziehen, obwohl
Sie mehrere Mieten nicht beglichen haben? Sind Sie
psychisch krank? Kurz: Wie viel sind Sie auf dem Markt
wert?
An den massenhaften Informationsbausteinen, die Datenhändler
wie die Deutsche Post, das Einwohnermeldeamt,
Versicherungen, der Arzt unseres Vertrauens, Apotheken
und die Firma mit dem unscheinbaren Namen Schober über
unser Leben erbeuten und skrupellos weiterverkaufen, verdient
die Branche Milliarden. Das Geschäft mit unseren Daten
und ergo mit unserem Schicksal boomt. Es ist einer der
profitabelsten Wachstumsmärkte des 21. Jahrhunderts. Den
Preis dafür bezahlen am Ende wir, doch wie hoch er tatsächlich
ist, kann heute noch niemand absehen.
Selbst wer sich keinen Deut um seine Privatsphäre schert,
wem es vollkommen egal ist, dass er in unserer totalvernetzten
Welt unablässig beobachtet, analysiert und in sozioökonomische
Raster eingeordnet wird, muss spätestens dann
hellhörig werden, wenn die Angriffsfläche sein Körper ist.
Niemand zuckt mehr desinteressiert mit den Schultern, wenn
seine intimsten Daten, seine Erektions- oder Blasenschwäche,
seine manische Depression, sein Lungenkrebs als Ware
gelabelt, bewertet und verkauft werden.
Dass den Datenjägern kein einziger Schritt verborgen bleibt,
ist wortwörtlich zu verstehen, schließlich werden wir jederzeit
und überall geortet, selbst bei ganz gewöhnlichen Ausflügen
– dank Navigationsgeräten und Smartphones, die
ständig mit dem Internet verbunden sein müssen, damit sie
uns etwas nützen. Falls Sie jetzt einwenden, dass Sie weder
Handy noch Smartphone oder einen Computer besitzen, seien
Sie gewiss, auch das rettet Sie nicht. Auch Sie bewegen sich
auf gefährlichem Terrain, auch Sie hinterlassen Spuren: bei
Ihrer Arbeit, beim Arzt, bei der Krankenkasse, beim Finanzamt,
bei Ihrer Bank, beim Einkaufen, Autofahren, Reisen
oder Ausfüllen eines Gewinnspiels. Und diese Spuren des
Alltags sind nur die evidentesten Beispiele. Sie verwischen
nie.
Kameras, die in Einkaufspassagen bisher Diebstähle aufklärten,
analysieren neuerdings Kleider und Schmuck ihrer
Kunden und informieren die Ladenbesitzer über deren sozioökonomischen
Status. Spielekonsolen zählen, wie viele
Kinder vor dem Bildschirm sitzen, und erkennen, ob sie Spaß
haben. E-Book-Reader zählen, welche Stellen häufig gelesen,
welche überblättert werden und wo sich die Pupillen weiten.
Wer glaubt, es handele sich hier um Nebensächlichkeiten,
täuscht sich gewaltig. In der Ära des Informationskapitalismus
existieren keine Nebensächlichkeiten. Für Statistikprogramme
sind potenziell alle Informationen wichtig, und weil
das Speichern von riesigen Datenmengen spottbillig geworden
ist, wird auch alles gespeichert. Jede Information lässt
sich zu Geld machen.
Nach und nach ist auf diese Weise ein Paralleluniversum
entstanden, in dem eine kühl kalkulierende Maschinerie unser
Schicksal anhand unserer Daten permanent neu verhandelt.
Ihre schiere Datenverarbeitungskapazität sprengt jedes
bisher gekannte Maß. Ihr Gedächtnis ist absolut. Alles, wirklich
alles, was wir, was unsere Kinder heute tun, kann irgendwann
einmal gegen uns oder gegen sie verwendet werden und
sei es nur der Kauf eines Asthmamedikaments oder eine
harmlose Twitter-Nachricht.
Es ist höchste Zeit, Angst zu bekommen, rät uns der Wissenschaftshistoriker
George Dyson. Er hat recht. Daten sind
das neue Gold ...
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