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Schul-Aufgabe Der Lehrer als Figur der Krise in der deutschen Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Schul-Aufgabe
Der Lehrer als Figur der Krise in der deutschen Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts




Kathrin Emeis

Reihe: Interkulturelle Moderne


Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826062766 (ISBN: 3-8260-6276-0)
268 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2017

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Seit jeher sind die Schule und der mit ihr verbundene Personenkreis fester thematischer Bestandteil der deutschen Literatur. Doch während beispielsweise für viele Texte um 1900 das Motiv des Schülerselbstmords kennzeichnend ist, offenbart der Schulroman zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Neugestaltung: Nun rückt die (außerschulische) Verfangenheit einer Lehrerfigur in den Fokus. Ausgehend von dieser Beobachtung analysiert die Studie fünf exemplarische Romane, in denen die Schule zunächst als institutioneller Rahmen für eine die jeweilige Lehrerfigur betreffende Umbruchsituation inszeniert ist: Norbert Niemanns Schule der Gewalt (2001), Jakob Arjounis Hausaufgaben (2004), Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe (2011), Jan Böttchers Das Lied vom Tun und Lassen (2012) und Nina Bußmanns Große Ferien (2012). Mit Hilfe eines literatursoziologischen Interpretationsvorgehens wird herausgearbeitet, inwiefern die Texte über die verhandelten individuellen Lebenskrisen zugleich kollektive Prozesse repräsentieren und gesellschaftliche Deformationen sowohl nahelegen als auch reflektieren. Von besonderem Interesse sind dabei die soziale Funktion der Texte (als Aussage über gesellschaftliche Veränderungen) sowie die Inszenierungsform des Lehrers als eine Figur der (gesellschaftlichen) Krise.

Die Autorin Kathrin Emeis studierte Germanistik und Soziologie für die gymnasiale Oberstufe an der Universität Hamburg und promovierte hier anschließend bei Frau Prof. Dr. Ortrud Gutjahr. Sie ist Lehrerin an einem Hamburger Gymnasium.
Rezension
Literatur ist immer auch Repräsentation und Reflektion von Gesellschaft. Auch Schule als wesentliche gesellschaftliche Institution bildet nicht selten den Hintergrund literarischer Fiktionen; seit jeher sind die Schule und der mit ihr verbundene Personenkreis fester thematischer Bestandteil der deutschen Literatur. Interessant sind insbesondere die dabei sich zeigenden Veränderungen in der Wahrnehmung. Und so stellt diese Hamburger Dissertation anhand der Analyse fünf exemplarischer Romane (vgl. Inhaltsverzeichnis) der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur fest, daß Schule wesentlich als Aussage über gesellschaftliche Veränderungen hervortritt und Lehrer/innen als Figuren gesellschaftlicher Krisen erscheinen. Die jeweilige Lehrerfigur repräsentiert und reflektiert eine gesellschaftliche Umbruch- und Krisensituation.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Am Anfang war die Krise 13

1.1. Anmerkungen zu Vorgehen und Methodik 22
1.2. Zum gegenwärtigen Forschungsstand des Schulromans 31
1.3. Lehr(er)stücke. Zum Textkorpus 35
1.4. Vorläufiger Ausklang 37

2. Die Lehrerfigur im Wandel: Ein (literarischer) Streifzug 39

2.1. Rollenkonflikte. Der Lehrer in der sozialen Realität 40
2.2. Literarische Lehrer 44
2.3. Exkurs ins Lehrerzimmer (2003) 56

3. Norbert Niemann: Schule der Gewalt (2001) — Kein Frühlingserwachen für Frank Beck 61

3.1. Sprachlosigkeit. Der Lehrer als Kritiker der Massenmedien 61
3.2. Weltverlust als Weltherrschaft. Zum Vorgängerroman Wie man's nimmt (1998) 69
3.3. Schachkönig. Aufbau des Romans 74
3.4. Die Schule, der Bunker. Zur Rolle der Schule 82
3.5. Schülergehirne. Die jugendliche Masse als Bedrohung 87
3.6. Gaukelspiele. Medien als meinungsmachende Maschinerie? 91
3.7. Vergrößerungsglas. Überlegungen zum textimmanenten Wertesystem 97
3.8. Abschalten. Das System Schule als Abbild beunruhigender Gegenwart 100

4. Jakob Arjouni: Hausaufgaben (2004) — Die Rückkehr des Helden 103

4.1. Deutschstunde. Der Lehrer als Träger gesellschaftlicher Verfehlungen 104
4.2. Ironische Distanz. Der Erzähler und sein Schützling 109
4.3. Meister der Selbsttäuschung. Die (schulische) Figurenkonstellation und ihre narrativen Funktionen 112
4.4. ,Kleiner antisemitischer Scheißer' vs. ,Gemeines Stück Scheiße'. Strukturgebende Handlungselemente 116
4.5. Familienspiel. Lehrer Linde als Ehemann und Vater 118
4.6. Der Frankreichurlaub. Oder: Die Umkehrung von Schuld als Mittel zur Selbsterhaltung 126
4.7. Eine Auferstehung. Das System Schule als Ort der Rehabilitation 129
4.8. Zum Schluss. Der Autor und sein Hassobjekt 133

5. Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe (2011) — Eine Art Bildungsgang 135

5.1. Ordnungsverlust. Die Lehrerin als Nachwenderoman-Heldin 135
5.2. Lehrjahre. Methoden der naturwissenschaftlichen Beschreibung als Erzählstrategie 140
5.3. Wanderjahre. Das System Schule als DDR-Kritik 149
5.4. Meisterjahre. Zerstörung der Mütterlichkeit 156
5.5. Das Ende. Oder: Nach den Systemen 163

6. Jan Böttcher: Das Lied vom Tun und Lassen (2012) — Drei Teile eines Puzzles 169

6.1. Leerstellen. Zum Aufbau des Romans 169
6.2. Zwischen-Zustand. Der Lehrer als Begleiter 174
6.3. Clarissa. Romantisches Erzählprinzip: Sehnsuchtsmotive und Stilmittel der Schwärmerei 183
6.4. Entschleunigung. Das System Schule als Zeugnis neoliberalen Wirtschaftsdenkens 188

7. Nina Bußmann: Große Ferien (2012) — Schramms Selbstvernichtung 193

7.1. Fluchtversuch. Der Lehrer als Figuration der Abwehr 194
7.2. Gegenstände und Räume. Das Haus als Verräumlichung familiärer Konstellationen 198
7.3. Lehrerrollenspiele. Maskerade professioneller ,Normalität` und das System Schule als Schauplatz gesellschaftlicher Bilder 202
7.4. Geheime Sexualität. Textstrategien der Verschleierung und des unzuverlässigen Erzählens 207
7.5. Artur Waidschmidt. Die Schüler-Spiegelfigur 214
7.6. Väterliches, Mütterliches. Die Inszenierung familiärer Dynamiken zur Erklärung des Geworden-Seins 219
7.7. Freud lässt grüßen. (Weitere) Aspekte psychoanalytischer Theorie im Roman 226
7.8. Zerfall und Erneuerung. Beschreibungen der Natur als Daseins-Metaphern 230

8. Schlussbemerkungen: (K)Ein Ende in Sicht 233

8.1. Einsam und allein 238
8.2. An der Schnittstelle. Oder: Das Ende des Lehrerdaseins 241
8.3. Berühmte letzte Worte 245
8.4. Ausblick: Lehrer, so weit das Auge reicht 246

9. Literaturverzeichnis 251