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Santiago, 11. September Erinnerungen an Chile
Santiago, 11. September
Erinnerungen an Chile




Peter Overbeck

Edition Nautilus
EAN: 9783894015817 (ISBN: 3-89401-581-0)
256 Seiten, kartoniert, 12 x 21cm, Juli, 2008

EUR 19,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Am 11. September 1973 putschte General Pinochet gegen das demokratische Chile. Peter Overbeck, Kameramann und Aktivist, erinnert sich an die drei Jahre währende Zeit der Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus sowie an ihr gewaltsames Ende und die anschließende Militärdiktatur, vor der Overbeck schließlich nach Deutschland fliehen musste.

"Eine gut erzählte, vielleicht auch exemplarische linke Lebensgeschichte, die über das rein Biografische hinausreicht." ekz-Informationsdienst über Gott ist Brasilianer


Rezension
Der 11. September erinnert an den terroristischen Anschlag auf das World-Trade-Center im Jahr 2001. Das chilenische Volk hatte ebenfalls einen traumatischen 11. September, der das Leben der Bevölkerung grundlegend veränderte. 1969 gewann Salvador Allende mit seiner Unidad Popular die Präsidentschaftswahlen. Er bekannte sich zur marxistischen Idee und war der erste sozialistische Präsident, der auf demokratischem Weg an die Macht kam. Allendes Reformpolitik verbesserte nicht nur die Lebens- und Arbeitsbedingungen der chilenischen Unterschicht, sondern ermöglichte auch ein gesamtgesellschaftliches Wirtschaftswachstum. Die Löhne stiegen, Mieten und Grundbedarfsmittel wurden eingefroren, Schulbildung sowie Gesundheitsversorgung waren von nun an kostenfrei. Die sozialistische Regierung verstaatlichte den Abbau von Bodenschätzen, enteignete ausländische Großunternehmen und Banken und führte eine allgemeine Bodenreform durch. Am 11. September 1973 wurde Allendes Regierungszeit abrupt beendet. Das chilenische Militär um General Augusto Pinochet putschte und errichtete eine repressive Militärjunta. Mit Unterstützung der US-Regierung und des amerikanischen CIA wurde die frei gewählte sozialistische Allende-Regierung blutig gestürzt. Mit diesem militärischen Sieg zerstörten die Putschisten ein international beachtetes Experiment. Viele Menschen mussten das Land verlassen, um sich dem Zugriff der brutalen Militärjunta zu entziehen. So auch der deutsche Fotograf, Kameramann und Dokumentarfilmer Peter Overbeck aus Mannheim. Er war in den 50er Jahren nach Brasilien ausgewandert, nach einem Militärputsch unterstützte er den dortigen Widerstand und musste das Land verlassen. Chile gewährte ihm politisches Asyl, er beteiligte sich aktiv an der sozialistischen Bewegung und unterstützte Allendes Unidad Popular. Nach dem Militärputsch ging er wie viele Chilenen in den Untergrund und flüchtete dann nach Deutschland. Heute lebt er in einem Kibbuz in Israel.
In einer verständlichen Sprache beschreibt Peter Overbeck in seinem biografischen Buch "Santiago, 11. September. Erinnerungen an Chile" den gesellschaftlichen Umbruch unter Allende sowie über die Tage nach dem Militärputsch am 11. September 1973. Als Kameramann der „staatlichen Gesellschaft Chile Filmes“ richtet er die Perspektive auf den chilenischen Alltag und dokumentiert anschaulich die gesellschaftliche Veränderung. Er erzählt von seinen Erfahrungen und Hoffnungen während einer demokratisch gewählten sozialistischen Regierung. Dabei hebt er nicht nur auf die Erfolge ab, sondern benennt auch Schwierigkeiten, die ein Reformkurs für den Einzelnen und die Gesellschaft mit sich bringt. Der Autor lässt in seiner Lebensgeschichte die Jahre der Allende-Regierung wieder lebendig werden. Sein Augenmerk richtet vor allem auf erreichbare demokratische Verbesserungen, die auch in der Gegenwart von Bedeutung sein könnten. In einem Nachtrag schaut er skeptisch auf das gegenwärtige Chile. Der rigide Neoliberalismus prägt zunehmend das Denken vieler Chilenen, obwohl Chile ein entwicklungsfähiges Land ist. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, das konnte bis heute auch keine sozialistische Präsidentin abwehren. Die Linke hat beim Übergang zur Wiederherstellung der Demokratie in Chile schmerzliche Zugeständnisse machen müssen. So gilt noch heute die von den Putschisten geschriebene Verfassung. Dass es dabei bleibt, garantiert ein Wahlrecht, das die Etablierung einer dritten Kraft im Parlament verhindert.
Ein Glossar am Ende des Buches gibt einen ausführlichen Überblick über Personen, Fachausdrücke, Organisationen und Abkürzungen, die zur besseren Orientierung überaus hilfreich sind. Peter Overbecks lebendiges Buch über Chile zur Zeit Allendes, kann durchaus das Interesse von SchülerInnen eines Leistungskurses Geschichte/ Erdkunde/ PW wecken. Es zeigt recht anschaulich den schwierigen Verlauf emanzipatorischer Bewegungen.

G. Maschke, www.lbib.de
Verlagsinfo
Peter Overbeck kam 1971 voller Hoffnung aus dem Brasilien der Militärdiktatur nach Chile. Als Mitglied der chilenischen Bewegung der Revolutionären Linken (MIR) und Kameramann drehte er Dokumentarfilme über die Durchführung der Reformen Allendes und die Veränderungen in der chilenischen Gesellschaft. Als aufmerksamer Zeitzeuge und gewissenhafter Chronist erinnert er sich heute an diese kurze Zeit der Hoffnung. Drei Jahre lang betrieb Allende sein verfassungstreues Reformprogramm gegen den wachsenden Widerstand des in- und ausländischen Großkapitals und der USA - bis die reaktionären Kräfte schließlich, unterstützt von der CIA, am 11. September 1973 putschten und die Militärdiktatur unter Pinochet begann.
Overbeck wurde, wie viele andere Linke, selbst verfolgt und konnte im letzten Moment über die kolumbianische Botschaft nach Deutschland fliehen. Diese Erinnerungen an Chile sind ein beeindruckendes Zeugnis einer hoffnungsvollen Zeit, als Eine Andere Welt zum Greifen nahe schien.

Zum Autor
vera broido
Peter Overbeck, geboren 1927 in Duisburg, aufgewachsen in Mannheim, nach russischer Kriegsgefangenschaft Studium der Malerei. 1951 Auswanderung nach Brasilien, Arbeit als Kameramann und Regisseur von Werbe-, Dokumentar- und Spielfilmen. 1971 Übersiedlung nach Chile, Mitglied der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), 1973, nach dem Sturz Allendes, Leben im Untergrund. 1974 Flucht und Rückkehr nach Deutschland. 1977 erneuter Umzug nach Brasilien. 1994 Übersiedlung mit seiner Frau Ruth nach Israel in einen Kibbuz. Engagement in der Friedensbewegung. Bei Edition Nautilus erschien von Peter Overbeck Gott ist Brasilianer. Erlebnisse eines Kameramanns (2005).

Leseprobe
Um 11 Uhr 40 begann der Luftangriff. Ich sah, wie sich, vom Gebirge herkommend, zuerst als Punkt nur sichtbar, bald aber deutlich zu erkennen, das erste Kampfflugzeug dem Stadtzentrum näherte, wie es sich dann, wie ein Raubvogel auf seine Beute, auf den Gebäudekomplex der Moneda stürzte, wie die Rakete sich vom Flugzeug löste, wie beide schon getrennt voneinander fliegend auf uns zukamen, wie erstere dann in einer perfekten Kurve nach unten abbog und einschlug. Ein helles Licht. Der Boden unter unseren Füßen erzitterte. Das Klirren vieler zersplitterter Fensterscheiben. Das Geräusch berstenden, zerbröckelnden, zusammenbrechenden Mauerwerks und unmittelbar danach das obszön grölende Aufjaulen des Flugzeugs, das über unsere Köpfe hinweg in einer steilen Kurve jäh in den Himmel stieß. Schwarzer Qualm schoss aus den Fenstern. Weißgrauer Staub und Rauch quollen aus dem Eingangstor. Nach dem zweiten Einschlag in einen der uns näher liegenden Flügel der Moneda wurden wir von zersplittertem Glas und zerborstenem Mauerwerk überrieselt. Wir flüchteten in den Hof der zwei Häuserblocks entfernten Universidad de Chile. Im Abstand von ein bis zwei Minuten folgte Detonation auf Detonation, und jedes Mal danach das ohrenbetäubende Kreischen der hochziehenden Kampfflugzeuge.
Es sollen vier Hawker Hunter Jagdbomber gewesen sein, die in mehrmals wiederholtem Anflug insgesamt 18 Raketen auf die Moneda abgeschossen hatten. Alle trafen ins Ziel.
Dann war der Luftangriff zu Ende. Es war ganz still geworden.

»Overbeck berichtet sachlich-nüchtern über den kurzen Aufbruch und das abrupte Ende des Versuchs einer legalen und gewaltfreien Revolution und bringt Ereignisse wieder in Erinnerung, die nicht vergessen werden sollen.«
Rudolf Walther, Süddeutsche Zeitung, 8. September 2008

»Overbeck erzählt szenisch, seine Sprache ist einfach und klar. Eindrücke und Erlebnisse verdichtet er zu farbigen Episoden, die mitunter fast literarische Qualität erreichen. Zuweilen ergänzt er prägnante politische Betrachtungen oder dokumentiert auszugsweise zeitgenössische Texte. Overbeck schildert diese Jahre nicht aus Sicht der politischen Strömungen, sondern beschreibt den sozialen Wandel aus einer stärkeren alltäglichen Perspektive. Salvador Allende ist einer der wenigen Politiker, die überhaupt mit Namen genannt werden. Ihm widmet Overbeck einige Passagen, ohne den politischen Prozess auf die Figur des Präsidenten zu reduzieren. (...) Peter Overbecks Buch lässt die Jahre der Unidad Popular lebendig vor Augen treten. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf wirkliche demokratische Reformen, die och heute als Anregung dienen können, wenn über gesellschaftliche Alternativen diskutiert wird.«
Steffen Vogel, Freitag, 12. September 2008

»Einer, der am 11. September 1973 vor dem Amtssitz Allendes stand und die Bomben fallen sah, war der Deutsche Peter Overbeck. Er war kein unbeteiligter Zuschauer: Schon einige Jahre im Lande, gehörte der Kameramann und Dokumentarfilmer aus Mannheim, der zuvor in Brasilien gelebt hatte, zu den Anhängern Allendes und geriet mach dem Coup d’Etat der Generäle selber in Lebensgefahr. (...) Es sind – neben interessanten Einblicken in die Regierungsjahre von Allende – bedrückende Szenen, die das Buch, in sparsamer, schnörkelloser Prosa verfasst, zu einem Augenzeugenbericht machen, der unter die Haut geht.«
Norbert Rehrmann, DIE ZEIT, 18. September 2008
Inhaltsverzeichnis
Einführung 7
Aus der Rede Allendes am 1. Mai 1971 14
Ein Spaziergang am Strand 19
August 1971 21
Die ersten Wochen in Chile 38
Anfang Oktober 1971 46
Der Besuch Fidel Castros 50
Der Mord an Ren Schneider 53
Der Marsch der leeren Töpfe 55
Silvester 1971 61
Januar 1972 63
Abschied von Anneliese 66
Reforma Agraria 71
El Quisco 82
,,EI Paro Patronal“ 87
Eine Reise durch die Wüste 89
Unser Alltag 109
Die Wahlen im März 1973 114
Juni 1973 - Am Ufer des Bio Bio 117
Ein missglückter Staatsstreich 127
Die letzten Wochen der "Unidad Popular" 138
Juli bis August l973 146
"Radio Nacional" - Ende August 1973 155
4. September 1973 161
Frühling in Chile 179
Vom Widerstand - 1973/74 186
Unsere Flucht 199
Epilog 215
11. Dezember 2006 219
Nachtrag. Einige Worte über das heutige Chile 221
Glossar 248