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Reittier oder Schiedsrichter?
Die »Willensfreiheit« im interdisziplinären Gespräch
Athina Lexutt, Volkmar Ortmann (Hrsg.)
Evangelische Verlagsanstalt
EAN: 9783374078233 (ISBN: 3-374-07823-0)
474 Seiten, paperback, 14 x 21cm, 2025
EUR 68,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
500 Jahre ist es her, dass sich Erasmus von Rotterdam und Martin Luther mit Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Willensvermögens literarisch auseinandergesetzt haben. Wie sie über dieses höchst brisante Thema debattiert haben, gehört mit zu den spannendsten und theologisch dichtesten Momenten der Reformationsgeschichte. Das Thema selbst aber gehört bei Weitem nicht nur in das 16. Jahrhundert, in die christliche Theologie und in einen religiösen Kontext. Und so bietet dieses Buch neueste Forschungsergebnisse und die ganze Breite der Frage, was der menschliche Wille vermag oder nicht: von der Antike bis in die Gegenwart, von allen Facetten der Theologie bis hin zur Philosophie, von der Religion bis zu den Rechts- und Neurowissenschaften.
Mit Beiträgen von Zakieh Azadani, Frank Thomas Brinkmann, Paul Konstantin Diehl, Alfons Fürst, Wilfried Härle, Lea Heimann, Anna Jäger, Friederike Jaekel, Melanie Köhlmoos, Robert Kolb, Ansgar Kreutzer, Athina Lexutt, Christian McMullan, Luis Möller, Peter Opitz, Volkmar Ortmann, Karl Pinggéra, Franz Reimer, Jonas Renz, Gerson Reuter, Michael Roth, Wolf-Friedrich Schäufele, Matthias Schmidt, Marie Seipel, Rüdiger Seitz, Evangelos Tses und Raphael Zager.
Athina Lexutt, Prof. Dr., Jahrgang 1966, ist Professorin für Kirchengeschichte am Evangelisch-Theologischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung und in ihren Publikationen intensiv mit der Theologie Martin Luthers. Weitere Schwerpunkte ihrer kirchen- und theologiegeschichtlichen Arbeit liegen im Spätmittelalter, in der Theologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie in ausgewählten zeitgeschichtlichen Themen. In Lehre und Forschung hat sie einen klaren theologischen Fokus, von dem aus sie u. a. an ökumenischen und gegenwärtigen Politik- und Gesellschaftsfragen sehr interessiert ist. Für die lateinisch-deutsche Studienausgabe der Werke Luthers hat sie die Übersetzung von »De servo arbitrio« angefertigt.
Volkmar Ortmann, PD Dr., ist Privatdozent für Kirchengeschichte am Evangelisch-Theologischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen und Schulpfarrer an der Gesamtschule Gießen-Ost. Ein Forschungsschwerpunkt liegt in der Reformationszeit, insbesondere in der Theologie Martin Bucers. Außerdem forscht und publiziert er zur Kirchengeschichtsschreibung des 18. und 19. Jahrhunderts. Aus diesen Forschungsschwerpunkten sowie der schulischen Tätigkeit ergibt sich ein Interesse an konfessionskundlichen Themen und dem ökumenischen Dialog, das kulturwissenschaftliche Aspekte einschließt.
Rezension
Hat der Mensch einen freien Willen oder hat er keinen? Diese Frage durchzieht die Menschheitsgeschichte nicht erst seit der großen Kontroverse am Beginn der Neuzeit zwischen dem Reformator Martin Luther (geknechteter Wille) und dem Humanisten Erasmus von Rotterdam (freier Wille). Und auch heute durchzieht die Kontroverse alle Wissenschaftsbereiche: Sind wir determiniert oder selbstbestimmt? Sind wir genetisch und neurobiologisch festgelegt und haben allenfalls eine Illusion von Freiheit oder sind wir selbstbestimmte Vernunftwesen? Neuerdings wird die klassische philosophische Frage, ob der Mensch einen freien Willen besitzt, von führenden deutschen Neurobiologen bestritten. Die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer wie auch der Kognitionspsychologe Wolfgang Prinz behaupten, Willensfreiheit sei eine Illusion. Kritisiert wurden die Willensfreiheits-Leugner u.a. von Philosophien wie Peter Bieri, Michael Pauen, Herbert Schnädelbach und Jürgen Habermas. Der hier anzuzeigende Sammelband beleuchtet die Frage, in mehrheitlich theologisch-protestantischer Perspektive, aber in interdisziplinärer Breite neu.
Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
Willensfreiheit Reformation Luther Erasmus Freiheit Verantwortung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Der Wille und unsere Vorstellungen 9
Athina Lexutt / Volkmar Ortmann
1. WILLENSFREIHEIT - EIN THEMA MIT VORGESCHICHTE
Von sauren Trauben und neuen Herzen. Der freie Wille im Alten Testament 19
Melanie Köhlmoos
Der Tadel des Töpfers. Autonomie und Vorherbestimmung bei Paulus 40
Karl Matthias Schmidt
Selbstbestimmung und Libertarismus. Das Freiheitsdenken des Origenes 67
Alfons Fürst
Augustin und die Willensfreiheit. Stationen seines Nachdenkens über die freie Willensentscheidung des Menschen 87
Raphael Zager
Ein Wille, viele Wege. Die Willensfreiheit in der mittelalterlichen Theologie 108
Wolf-Friedrich Schäufele
2. WILLENSFREIHEIT IM REFORMATORISCHEN DISKURS
Der Apfel. Erasmus' Vorstellung vom freien Willensvermögen 131
Athina Lexutt
Luthers Lehre vom unfreien Willensvermögen im Kontext seiner Theologie 158
Wilfried Härle
Philip Melanchthon (1497-1560). Human powers and the work of the Holy Spirit through the Gospel 179
J. Christian McMullan
»Der Wille bestimmt über alle Kräfte«. Seelsorge als menschlicher Ausdruck des göttlichen Heilswillens nach Martin Bucer 203
Volkmar Ortmann
Der »unfreie Wille« in den Anfängen der reformierten Theologie. Von Ulrich Zwingli zu Johannes Calvin und Heinrich Bullinger 218
Peter Opitz
Willensfreiheit in der nachlutherischen Tradition 236
Robert Kolb
3. WILLENSFREIHEIT IN DEN KONFESSIONEN UND RELIGIONEN
Eingebettet, solidarisch, verdankt. Das relationale Freiheitsverständnis der Pastoralkonstitution Gaudium et spes und seine aktuelle Relevanz 255
Ansgar Kreutzer
Die Freiheit des menschlichen Willens. Ein Thema östlich-orthodoxer Theologie? 274
Karl Pinggera
Seeking a Middle Path. A journey Through Islamic Philosophical and Theological Perspectives on Human Agency 293
Zakieh Azadani
4. WILLENSFREIHEIT IN GEGENWÄRTIGEN THEOLOGISCHEN UND NICHT-THEOLOGISCHEN HERAUSFORDERUNGEN
Warum die Unfreiheit des Willens unsere moralische Eitelkeit verletzt 315
Michael Roth
»Und der Wille Gottes, welcher höher ist als aller Vernunft ...«? Praktisch-theologische Perspektiven auf Sinn und Zukunft einer eigenwilligen Denkarchitektur 333
Frank Thomas Brinkmann
Trotz aller Einwände und Zweifel: Unser Wille ist frei! Ein Plädoyer für den Libertarismus 351
Gerson Reuter
»Willensfreiheit« - staatsnotwendige Fiktion? Zur Diskussion in den Rechtswissenschaften 373
Franz Reimer
Freier Wille als ein konzeptueller Glaube. Der Beitrag der kognitiven Neurowissenschaft 401
RüdigerJ. Seitz
5. WILLENSFREIHEIT EN MINIATURE - VERSUCHE ZUM THEMA
Von Kant zum Tempel des Sarastro. Kritik der positiven Freiheit bei Isaiah Berlin 423
Paul Constantin Diehl
Zwischen sozialem Zwang und individueller Freiheit. Der Versuch einer soziologischen Antwort auf die Frage nach dem freien Willen 427
Lea Heimann
Verdammte Freiheit! Postmoderne Paradoxie zwischen Zumutung und Zuspruch 432
Anna Sophie Jäger
Willensfreiheit zwischen Verführung und furchtloser Vernunft. Im literarischen Dialog mit Thomas Mann und Friedrich Dürrenmatt 437
Friederike Jaekel
Zwischen Motivation, Selbstbestimmung und Willensfreiheit. Die Selbstbestimmungstheorie als mögliche Antwort der Psychologie auf die Frage nach dem freien Willen 446
Luis Möller
Häretische Voraussetzung des Mönchtums? Die Erben des Pelagius in Spätantike und Frühmittelalter 451
Jonas Rena
Pädagogik und Autonomie. Die Rolle der Selbstbestimmung in Erziehungsprozessen und Bildungskontexten 456
Maria-Louise Seipel
Einsame Vögel auf dem Dache. Der unfreie Wille bei Gerhard Ebeling und Hans Joachim Iwand 463
Evangelos Tses
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 470
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