lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Neue Fesseln der Jugendhilfe: Repressive Pädagogik Historische Bezüge, rechtliche Grenzen und aktuelle Diskurse
Neue Fesseln der Jugendhilfe: Repressive Pädagogik
Historische Bezüge, rechtliche Grenzen und aktuelle Diskurse




René Grummt, Peter Schruth, Titus Simon

Schneider Verlag Hohengehren
EAN: 9783834006776 (ISBN: 3-8340-0677-7)
204 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2010

EUR 18,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Nimmt man, wie die Autoren dies eingangs tun, eine Betrachtung der Geschichte öffentlicher Erziehung vor, so wird rasch deutlich, dass deren längster Teil vorrangig von den Intentionen Elitebildung, Disziplinierung und Strafe bestimmt war. Eine Erziehung zur Mündigkeit und der Verzicht auf gewaltgeprägte Erziehungspraktiken sind Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, die mit Verweis auf die „Unerziehbaren“ und „Gefährlichen“ immer wieder bedroht werden.

Es bleibt unbestritten, dass es junge Menschen gibt, die den Rahmen jeder Institution sprengen. Der Wunsch, diese schwierigen, mitunter gewalttätigen jungen Menschen wegzusperren, abzuschrecken oder durch Druck zu läutern, ist verständlich. Die Autoren weisen anhand der Befunde zu den in den letzten Jahren populär gewordenen repressiven und konfrontativen Maßnahmen nach, dass die damit intendierten Ziele nur selten erreicht werden konnten. Ausführlich werden die Praxis amerikanischer boot camps, der Glen Mills Schools und der auch in Deutschland verbreiteten konfrontativen Pädagogik vorgestellt und die hierzu zugänglichen empirischen Studien ausgewertet.

Fundiert und umfangreich wird in diesem Band auf die ethischen und rechtlichen Grenzen einer strafenden Pädagogik eingegangen. Dabei findet auch Berücksichtigung, dass mit der Einführung des SGB II eine neue, verschärfte Form des Strafens im staatlichen Auftrag eingeführt worden ist, die gegenüber jungen Menschen als Form der Erziehung begründet wird.
Rezension
Eigentlich glaubte man die "schwarze" Pädagogik überwunden, aber seit geraumer Zeit kehrt sie unter dem Label "Repressive Pädagogik" und "Boot camps" zurück: Drill und Zwangselemente in Prozessen der Pädagogik stilisieren sich zu Hoffnungsträgern in der Arbeit mit Problemgruppen - obwohl empirische Befunde diese Hoffnungen nicht belegen können. Dieser Band zeigt auf: Anpassungsleistungen von Delinquenten sind nicht "an sich" gut. Entscheidend sind gesellschaftliche, institutionelle und konzeptionelle Rahmenbedingungen sowie ein pädagogisches Grundverständnis, das der Menschenwürde, der Selbstbestimmung und der kritischen Reflexion von Machtstrukturen Beachtung schenkt.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Gliederung 4

1. Einleitung 7

2. Zum Einfluss der Sicherheitsdebatte auf die Diskurse um pädagogische Konzepte 16

3. Historische Fragmente über die Dominanz einer mit Elementen von Gewalt, Zwang und Drill durchsetzten öffentlichen Erziehung 21


3.1 Erziehung in der Antike und im Mittelalter 21
3.2 Anfänge der Jugendpflege 26
3.3 Maßnahmen gegen „Vagabondage“ und Bettelei nach 1900 30
3.4 Erlebenswünsche als Triebfeder zur Militarisierung der bündischen Jugendbewegung Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts 35
3.5 Militarisierung der Erziehung im deutschen Faschismus und zur Funktion der Hitler-Jugend 38
3.6 Der Umgang mit „auffälliger Jugend“ in den Nachkriegsjahren 44
3.7 Entwicklungen nach 1960 46
3.8 Erziehung in der DDR 50
3.9 Exkurs: Die Pädagogik Makarenkos 52
3.10 „Erziehung“ im Wehrsport der DDR 56

4. Mythos und Realität der boot camps 61

4.1 Einleitende Bemerkungen 61
4.2 Boot camps in der öffentlichen Darstellung 62
4.3 Historie und Status Quo 64
4.3.1 Vorläufer 64
4.3.2 Kriminalpolitischer Hintergrund und Entwicklung 66
4.4 Konzeptioneller Rahmen 68
4.4.1 Boot camps im Strafrechtssystem der USA 68
4.4.2 Boot camps als Sanktionskonzept 69
4.4.3 Struktur und Programmkonzeption der boot camps 70
4.5 Ziele und Zielgruppen von boot camps 74
4.5.1 Zielgruppen von boot camps 75
4.5.2 Besondere Arten von boot camps 76
4.6 Boot camps außerhalb der USA 78
4.7 Boot camps im Lichte der Wirkungsforschung 80
4.7.1 Der Einfluss von boot camps auf die Rückfälligkeit 81
4.7.2 Der Einfluss von boot camps auf die Gefängnisüberfüllung 82
4.7.3 Der Einfluss von boot camps auf die Kosten des Strafvollzugsystems 83
4.7.4 Wirkungen auf die Insassen 85
4.7.5 Besonderheiten der juvenile boot camps 86
4.7.6 Weitere Ergebnisse 87
4.8 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse und Resümee 88

5. Glen Mills Schools 92

5.1 Historie und Status Quo 93
5.2 Grundlagen der Behandlungsphilosophie Glen Mills‟ 94
5.3 Konzept, Setting und Methodik 96
5.3.1 Glen Mills und seine Schüler 96
5.3.2 Glen Mills und seine Mitarbeiter 97
5.3.3 Die Ausstattung der Glen Mills Schools 99
5.3.4 Konzept und Methodik 100
5.4 Glen Mills im Lichte der Wirkungsforschung 108
5.5 Europäische Adaptionen 111
5.5.1 Das Niederländische Pendant 111
5.5.2 Zur Frage der Übertragbarkeit auf Deutschland 113
5.6 Zusammenfassende Bemerkungen zum Konzept der Glen Mills Schools 119

6. Konfrontative Pädagogik: ein neuer Weg? 121

6.1 Zur Konjunktur konfrontativer Techniken in der Erziehung 121
6.2 Die Problematik des „Heißen Stuhls“ - dargestellt am Beispiel der Hamburger Schulkontroverse 124
6.3 Zur Kritik der unverhältnismäßigen Anwendung konfrontativer Techniken 128

7. Rechtspolitische Anlässe strafender Pädagogik 131

8. Rechtliche Rahmensetzungen in Deutschland 135


8.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine „strafende Pädagogik“ 136
8.2 Gesetzesvorbehalt und besonderes Gewaltverhältnis 141
8.3 Der Begriff der „Gewalt“ im Strafrecht 143
8.4 Züchtigungsverbot und Gewaltverzichtsgebot 144
8.5 Zwischenergebnis zur Betrachtung der rechtlichen Rahmensetzungen 147

9. Rechtliche Berührungspunkte strafender Pädagogik 149

9.1 Personensorgerecht des BGB 149
9.2 Zwischen Jugendhilfe und Justiz 150
9.2.1 U-Haftvermeidung durch Jugendhilfe 151
9.2.2 Strafhaftvermeidung durch Erziehungscamps 154
9.3 Sozialrechtliche Berührungspunkte 156
9.3.1 Die neue strafende Workfare-Pädagogik des SGB II 157
9.3.2 Die straflose Pädagogik des SGB VIII 168
9.4 Rechtsmethodische Berührungspunkte 175
9.4.1 Wertungen der Leistungskonkurrenz 175
9.4.2 Rechtsfigur „Einheit der Rechtsordnung“ 178

10. Verschließt in der Jugendhilfe die Einfallstore für repressive Pädagogik 181

Literatur 188
Zu den Autoren 204