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Martyrium Variationen und Potenziale eines Diskurses im Zweiten Jahrhundert Zugl.: Erfurt, Univ., Diss., 2011
Martyrium
Variationen und Potenziale eines Diskurses im Zweiten Jahrhundert


Zugl.: Erfurt, Univ., Diss., 2011

Nicole Hartmann

Reihe: EARLY CHRISTIANITY IN THE CONTEXT OF ANTIQUITY


Peter Lang Publishing Group
EAN: 9783631621806 (ISBN: 3-631-62180-9)
216 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, Dezember, 2013

EUR 50,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Ausgehend von der Annahme einer stark ausdifferenzierten Jesus-Bewegung bietet diese Studie eine dekonstruktive Lektüre von Texten aus dem zweiten Jahrhundert, in denen Hinrichtungen von Jesus-Anhängern als Martyrium überhöht werden. Sie konzentriert sich dabei auf die Aushandlungsprozesse christlicher Identität: in der Zuschreibung von Märtyrerautorität oder im Ausloten der Grenzen für eine Vorstellung von Märtyrern als Opfern – heilswirksames Selbstopfer versus Opfer der barbarischen Gegner. Der durch die Gewalterfahrung und in Auseinandersetzung mit innerchristlichen Widersachern gefärbte Gegnerdiskurs und die Affirmation der Bezeichnung Christiani bezeugen die (Selbst-)Konzeptualisierung der Autoren, ersten Leser und Hörer dieser Texte innerhalb des proto-orthodoxen Christentums.
Rezension
Märtyrertum erfährt im 21. Jhdt. scheinbar ungeahnt neue Aufmerksamkeit vermittels islamistischer Selbstmordattentäter, - wobei freilich genauer zu klären wäre, ob Selbstmordattentäter und Märtyrer identisch sind ... Jedenfalls gerät dadurch auch frühchristliches Märtyrertum wird verstärkt in den Blick. Auch in der hier anzuzeigenden Erfurter Dissertation von 2011 steht das 2./3. Jhdt. n.Chr. mit seinen christlichen Märtyrerakten im Mittelpunkt, - und zwar erfreulich in der Perspektive der Religionswissenschaften - und nicht der Theologie. Der christliche Märtyrer wollte Leitbild sein und wurde als solches rezipiert. Die Wirkung der Märtyrer beschränkte sich nicht auf ihr Leben und ihren Tod, sondern entfaltete sich auch schriftlich, nämlich in den immer zahlreicher werdenden Darstellungen ihres Lebens und Sterbens, den sog. Märtyrerakten, und schließlich in der Verehrung der Märtyrer durch die Gläubigen. Die christliche Theologie des 2. Jhdts hingegen ist ganz wesentlich, vermittelt über die Passion Jesu in der Tradition des alttestamentlichen gewaltsamen Endes vieler Propheten, vom Märtyrergedanken geprägt. Daraus entsteht später die Heiligenverehrung und der Märtyrergedanke speist wesentlich den Mönchtumsgedanken. Diese Studie hebt besonders ab auf die christliche Identitätsstiftung durch Märtyrer: in der Zuschreibung von Märtyrerautorität oder im Ausloten der Grenzen für eine Vorstellung von Märtyrern als Opfern.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
EARLY CHRISTIANITY IN THE CONTEXT OF ANTIQUITY Edited by David Brakke, Anders-Christian Jacobsen, Jörg Ulrich Advisory board: Hanns Christof Brennecke, Ferdinand R. Prostmeier Einar Thomassen, Nicole Kelley Jakob Engberg, Carmen Cvetkovic Ellen Muehlberger, Tobias Georges
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1

1.1. Vorbedingungen 2
1.1.1. Die Ausdifferenzierung christlicher Gruppen 2
1.1.2. Die Perspektive der Machthaber 5
1.1.3. Die Öffentlichkeit der Hinrichtungen 8
1.1.4. Der christliche Umdeutungsprozess im „Martyrium" 10
1.2. Herangehensweisen und Fragestellungen 13
1.2.1. Herangehensweise 13
1.2.2. Fragestellungen 16

2. Ignatius von Antiochia — Der wahrhaftig verfolgt wurde? 19

2.1. Quellen und Forschung zu Ignatius 19
2.1.1. Quellen und antike Rezeption 19
2.1.2. Forschung 24
2.1.2.1. Die Diskussion um die Authentizität 25
2.1.2.2. Zum Anlass der Reise des Gefangenen Ignatius nach Rom 29
2.1.3. Ignatius Theophoros, wahrhaftig verfolgt 35
2.2. Vorgeschichte in Antiochia 35
2.2.1. Jesus-Anhänger in Antiochia 37
2.2.1.1. Wer speist mit wem? Die Tischgenossenschaft jüdischer und paganer Jesus-Anhänger 39
2.2.1.2. Der Status der Jesus-Anhänger in Antiochia 47
2.2.2. „Frieden' in Antiochia 52
2.2.2.1. Syrien vs. Antiochia — die Zerstreuung der antiochenischen Ignatius-Anhänger 54
2.2.3. Zwischenergebnis 59
2.3. Der Topos der „wilden Tiere" als Mittel der Kontingenzbewältigung 60
2.3.1. Bewusstheit des Urteils 60
2.3.2. Die „wilden Tiere" in Menschengestalt 63
2.3.2.1. Ignatius' Bewacher als Leoparden 64
2.3.2.2. Die christlichen Gegner als „wilde Tiere" 66
2.4. Die entzogene Zeit des Ignatius 70
2.4.1. ,Zeit' in den Ignatiusbriefen 71
2.4.2. Das Prinzip von Zeit als ein ,Schon und Noch nicht' 75
2.4.3. Das Paradox vom Leben als Tod 76
2.4.4. Ignatius' doppelte Unsterblichkeit 78
2.5. Ignatius' Autoritätsanspruch als „Märtyrer" in spe 80
2.5.1. Ignatius' Kommunikation seiner Autorität 82
2.5.2. Die Autorität des „Auserwählten in Fesseln" 84
2.6. Schluss 88

3. Polykarp von Smyrna — vom jungen episkopos zum alten „Märtyrer" 91

3.1. Wer war Polykarp von Smyrna? — Drei Antworten 91
3.1.1. Polykarp in den Briefen des Ignatius 91
3.1.2. Polykarp als Verfasser eines Briefes an die ekklesia von Philippi 91
3.1.3. Polykarp im Martyrium Polycarpi 95
3.2. Der Tod Polykarps und das „Evangelium" 101
3.2.1. Von der frohen Botschaft zur Biographie des Jesus — „Evangelium" im 2. Jahrhundert 102
3.2.2. Das „Evangelium" von Polykarp 105
3.3. Ein multipler „Polykarp" — mehr als drei Antworten 110
3.4. Schluss 113

4. Das Christenspektakel von Lyon — eine ,Demokratisierung' des „Martyriums" 115

4.1 Jeus-Anhänger in Gallien 115
4.2. Die Situation der Verfolgung 117
4.3. Die „Märtyrer" und ihr „Martyrium" im Brief der Gemeinden aus Lyon und Vienne 123
4.4. Der „Kleros der Märtyrer" in Lyon — ein ,Autoritätsgremium' mit Verfallsdatum 130
4.4.1. Der „Kleros der Märtyrer" 130
4.4.2. Die Autorität der „Märtyrer" in Lyon 133
4.5. Schluss 134

5. „Märtyrer" als Christianoi — zur Frage der Identität von Jesus-Anhängern im Zweiten Jahrhundert 137
5.1. Wer und wie ist ein Christianos? Die Erfindung eines Namens 140
5.2. Christianoi und Christianismos bei Ignatius 142
5.3. Christianoi bei Justin 146
5.4. Christianoi im Martyrium Polycarpi 151
5.5. Wer ist kein Christianos? — Die ,Verdammten von Lyon 156
5.6. Schluss 162

6. „Märtyrer" als „Opfer" — ein Diskurs am Rande des Vorstellbaren 165

6.1. Zivilisierte und barbarische „Opfer" — die griechisch-römische Denkvoraussetzung 165
6.2. Der Tod eines Gekreuzigten als „Opfer" für alle? 170
6.2.1. Die Deutung eines Todes als „Sterben für" 170
6.2.2. Die Deutung eines „Märtyrers" als „Opfer" 174
6.3. Wer opfert Menschen? Die Umkehrung der Diskurse im Martyrium Lugdunensium 178
6.4. Schluss 180

7. Zusammenfassung 183

8. Schlussbetrachtung 187

9. Bibliographie 191

9.1. Primärliteratur 191
9.1.1. Apostolische Väter und Märtyrerakten 191
9.1.2. Andere 191
9.2. Sekundärliteratur 192

10. Stellenregister 209