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Märtyrerverehrung im frühen Christentum Zeugnisse und kulturelle Wirkungsweisen
Märtyrerverehrung im frühen Christentum
Zeugnisse und kulturelle Wirkungsweisen




Silke-Petra Bergjan, Beat Näf

Reihe: Wege zur Geschichtswissenschaft


Kohlhammer
EAN: 9783170241428 (ISBN: 3-17-024142-7)
208 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2014, 26 Abb.

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Märtyrerverehrung kann als Form des Totenkultes verstanden werden. Ihre Wirkungskraft reicht freilich weit darüber hinaus: Sie ist ein Faktor mancher geschichtlicher Prozesse. Welche Strukturen und Charakteristika lassen sich für ihre Ausprägungen im frühen Christentum herausarbeiten? Was sagen die Quellen? Und wie lassen diese sich heute verstehen?

Silke-Petra Bergjan (Professorin für Kirchen- und Theologiegeschichte) und Beat Näf (Professor für Alte Geschichte) forschen und lehren an Universität Zürich.
Rezension
Märtyrerverehrung ist uns einigermaßen fremd geworden - und verdächtig: assoziieren wir damit doch eher den radikalen Islamismus, die Anschläge islamistischer Märtyrer (oder Terroristen?) auf das World Trade Center in New York (11. September 2001), die IS-Selbstmordattentäter von Paris im November 2015 etc. An islamistischen Märtyrern kann man allerdings deutlich sehen, welche ideologische Kraft derlei Leitbilder auch in unserer Zeit noch wecken können ... Die frühchristliche Märtyrerliteratur ist heute leider auch vielen Theolog/inn/en und Religionspädagog/inn/en weitgehend unbekannt. Gesellschaftlich wird mit Märtyrertum heute mehrheitlich fundamentalistischer Islam assoziiert ... Die christliche Theologie des 2. Jhdts hingegen ist ganz wesentlich, vermittelt über die Passion Jesu in der Tradition des alttestamentlichen gewaltsamen Endes vieler Propheten, vom Märtyrergedanken geprägt. Daraus entsteht später die Heiligenverehrung und der Märtyrergedanke speist wesentlich den Mönchtumsgedanken. Auch der christliche Märtyrer wollte Leitbild sein und wurde als solches rezipiert. Ein Märtyrer wollte sein Leben als Opfer für die Einheit der Kirche darbringen, wollte aber gleichzeitig auch die Menge der Ungläubigen durch sein standhaftes und für den Glauben werbendes Auftreten überzeugen. Und die Märtyrerliteratur war wesentlich christlich-ideologischer Natur ... Dieser Band wendet sich der im heutigen Christentum zu Unrecht weitgehend vergessenen Märtyrerverehrung, ihren Zeugnissen und ihren kulturellen Wirkungsweisen zu.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9

Lektüre und Zeiterfahrungen 12

Martyrien – Wirkungen von fundamentalistischem Fanatismus? 13
Martyrien – Heldentum – Opfer: Umstrittene Beurteilungen 14
Selbstverschuldeter Tod? 15
Irrglauben und Wahnsinn 16
Rechtfertigungen von Töten und Tod in der reformatorischen Kritik – Ablehnung von Heiligen- und Reliquienkult – Wiederbelebungen 16

Martyriums- und Opfervorstellungen in der modernen Welt 17

1 Märtyrerverehrung in antiken und modernen Gesellschaften: Grundstrukturen – Ausprägungen – Deutungen 23

Märtyrerverehrung und Totenkult 24
Sinn- und Protestpotential 26
Wirkungen des Märtyrerkultes 28
Die Frage nach der Weiterwirkung alter Opfer-Rituale und die Konstantinische Wende 31
Moderne Sichtweisen – moderne Widerprüche 36

2 Die freie Rede vom Wahren – Verchristlichung traditioneller Modelle? 41

Christen und Heiden – der Streit über die wahre Einsicht in Tugenden der Lebensführung 41
Jüdisch-hellenistische Wurzeln von Martyriumsvorstellungen 46

3 Behauptungskampf religiöser Minderheiten 55

Philon zur Eskalation der religiösen Konflikte zwischen Juden und Römern unter Kaiser Caligula 57
Flavius Josephus und die Widerstands- und Überlebenskraft jüdischen Glaubens 60
Römische Historiker zum Unruhe- und Widerstandspotential der Christen im ersten Jahrhundert 62
Plinius und der „wüste Aberglauben“ der Christen 64
Verschärfung der Konflikte – Hartnäckigkeit von Heiden und Christen 67
Apologeten 71
Verfolgungen und Berichte von Martyrien: Märtyrerakten und Passionen 73
Martyrien – Einzel- oder Massenschicksale? Die Kanonisierung der Erinnerung 76

4 Städte und ihre Märtyrer 85

Ein Blick auf das Land 85
Veränderungen der Vorstellungen vom Martyrium und von der Märtyrerverehrung 87
Wirkungen der Christianisierung 91
Jerusalem 97
Märtyrerverehrung in Städten des Ostens: Smyrna und Antiochia 101
Vom Osten in den Westen: Lyon 106
Karthago 108
Rom 112
Mailand und Bischof Ambrosius 120
Justinian und der Kirchenbau 126
Rezeption und Entwicklung der Märtyrer- und Heiligenkulte in den frühmittelalterlichen Städten des Westens 128

5 Martyrien, Heiligkeit und die Frage nach ihrer Interpretation 133

Patrocinium – Schutz und Hilfe der Heiligen? 133
Gemeinden, Volk und Eliten – Rezeptionen römischer Ordnungskonzepte 134
Christusnachfolge und Martyriumssehnsucht als soziale Kraft 135
Konkurrenz der Martyriumsinterpretationen 140
Umdeutung von Geschichte im Ringen um die „rechtgläubige“ Märtyrerverehrung 144
Macht der Ohnmacht – Theologie und Siegesbewusstsein 146
Öffentliche Inszenierungen von Gewalt und ihre Infragestellung – Martyrien als Ersatz und neue Spektakel? 152
Einfluss und Unvermögen der Heiligen – Kritik des Märtyrerkultes 154

6 Märtyrerkult und christliche Lebensweisen 159

Zur Anziehungskraft christlicher Kultur 159
Die Leiden der Zeit aushalten 160
Askese und caritas – neue Werte als Zeugnis des Glaubens leben 163
Leben in der Erinnerung an die Märtyrer 167
Märtyrerverehrung und Rechtsbegründung 172

7 Frühchristliche Märtyrer und Martyrien: ein Ausblick auf die Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte 177

Bibliographie 185

1 Quellen und Abkürzungen 185
2 Literatur 20
3 Abbildungsnachweise 208