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     Männer im Rausch 
    Konstruktionen und Krisen von Männlichkeiten im Kontext von Rausch und Sucht 
		
  
		
  Jutta Jacob, Heino Stöver (Hrsg.)
    
     Transcript
 
EAN: 9783899429336 (ISBN: 3-89942-933-8)
 192 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2009,  zahlr. Abb.
EUR 22,80 alle Angaben ohne Gewähr
     
    
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Umschlagtext 
"Rausch" und "Sucht" sind neben Gewalt ein zentraler Bezugsrahmen für Männlichkeitskonstruktionen und Männlichkeitsinszenierungen. Welche Risiken sind damit für die Männer und ihr Umfeld verbunden, welche Unterstützungsformen gibt es zur Entwicklung einer männlichen Identität und Alltagspraxis ohne gesundheitsriskante Zuhilfenahme von psychotropen Substanzen? In diesem Buch entwickeln Expertinnen und Experten genderbezogene Analysen und stellen männerspezifische ebenso wie übergreifend geschlechtersensible Hilfestrategien vor. 
  Rezension 
Sucht ist neben Gewalt ein wesentlicher Bezugsrahmen für Männlichkeitskonstruktionen und Männlichkeitsinszenierungen, - das ist eine Grundthese dieses Buches. Drogen demonstrieren Stärke - in Form von Anabolica, Drogen demonstrieren Macht - in Form von Geld und Glücksspielsucht, Drogen demonstrieren Vitalität und Gefahren-Bereitschaft - in Form von Stimulanzien ... Der Konsum psychotroper Substanzen, ob gelegentlich oder dauerhaft, moderat oder exzessiv, scheint für viele Jungen und (junge) Männer ein probates Mittel grundsätzliche Probleme wie Sprachlosigkeit, Ohnmacht, Isolation, Bedeutungsverlust, Armut oder Identitätskrise für einige Zeit zu lösen. Auf Dauer genommen verschärfen sich jedoch viele Probleme. Drogen sind oft ein spezifisches Männerproblem; insofern brauchen wir eine männerspezifische Sucht- und Drogenarbeit.  
 
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de 
Verlagsinfo 
Jutta Jacob (Dr.) lehrt und forscht im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. 
Heino Stöver (Prof. Dr.) lehrt und forscht im Bereich Sucht- und Drogenforschung an der Fachhochschule Frankfurt a.M.  
WWW: www.archido.de  
 
Schlagworte: 
Männeridentität, Drogen, Rausch, Sucht, männerspezifische Suchtarbeit 
Adressaten: 
Soziologie, Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialarbeit, Psychologie, Medizin 
 
 
»Studien interdisziplinäre Geschlechterforschung« 
Editorial 
 
Die weltweiten Transformationen der Geschlechterverhältnisse und Bedeutungszuschreibungen an »Geschlecht« zeigen widersprüchliche Entwicklungen, Kontinuitäten und Wandlungen. Die Veränderung alter und die Konturierung neuer Segmentationslinien stehen in einem komplexen Spannungsverhältnis zueinander. 
Die Reihe Studien interdisziplinäre Geschlechterforschung stellt regelmäßig neuere Untersuchungen in diesem Themenbereich vor. Dabei wird der Breite möglicher Zugangsweisen Rechnung getragen: Natur-, technik-, sozial- und kulturwissenschaftliche Sichtweisen werden miteinander verknüpft und die Ansätze verbinden die strukturierende Bedeutung der Kategorie »Geschlecht« systematisch mit der Wirkung anderer sozialer Differenzlinien wie »Klasse«, »Ethnizität«, »Rasse« und »Generation«. 
Die Schriftenreihe gibt Perspektiven Raum, in denen die radikale Infragestellung der heterosexuellen und auf Zweigeschlechtlichkeit basierenden gesellschaftlichen Ordnung im Zentrum steht und zugrunde liegende Machtverhältnisse reflektiert werden. 
Ziel der Reihe ist es, wissenschaftliche Beiträge zu publizieren, die Fragen nach Geschlechterkonstruktionen und Geschlechterverhältnissen in Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft aufgreifen und Impulse für weitere Auseinandersetzungen geben. 
Angesprochen werden sollen alle an Themen der Frauen- und Geschlechterforschung Interessierten aus dem universitären und weiteren wissenschaftlichen Umfeld – Studierende, Lehrende und Forschende. Zugleich sind die Publikationen auch für jene Praxiskontexte interessant, die sich kritisch mit der geschlechterbezogenen Verfasstheit von Kultur, Technik, Wissenschaft und Gesellschaft auseinandersetzen. 
Die Reihe wird herausgegeben von den Forschungseinrichtungen »Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung« der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (ZFG) und »Zentrum Gender Studies« der Universität Bremen (ZGS). 
Inhaltsverzeichnis 
I. Grundlagen 
 
Einleitung 9 
JUTTA JACOB / HEINO STÖVER 
 
Die Entwicklung der männerspezifischen Suchtarbeit in Deutschland – Eine Zwischenbilanz 13 
HEINO STÖVER 
 
Männliche Adoleszenz und Sucht 23 
KARIN FLAAKE 
 
Sucht, Männergesundheit und Männlichkeit – ein neu entdecktes Thema 33 
HARALD KLINGEMANN 
 
Männer, Körper, Doping 77 
IRMGARD VOGT 
 
Rein risikoorientierte Sichtweisen auf Männergesundheit enden in präventiven Sackgassen – 
Neue Männergesundheitsdiskurse und geschlechtsspezifische Gesundheitsförderungsstrategien sind notwendig 99 
THOMAS ALTGELD 
 
Ältere Männer, Drogenkonsum und Sucht: Probleme und Versorgungsstrukturen 117 
HEINO STÖVER 
 
Sinn und Funktion exzessiven Drogengebrauchs bei männlichen Jugendlichen – zwischen Risikolust und Kontrolle 129 
ANDREAS HAASE / HEINO STÖVER 
 
II. Praxis 
 
Genderkompetenz als Bestandteil von männerspezifischer Suchtarbeit 141 
ANDREAS HAASE 
 
Männerspezifische Suchtarbeit – wie anfangen? 151 
HERBERT MÜLLER 
 
Gendergerechte Suchtarbeit in der Schweiz 157 
MARIE-LUISE ERNST 
 
10 Jahre Gender-Arbeit in der Prävention mit und für Jungen und Männer – Ein Erfahrungsbericht aus 
der Arbeit der DROBS Hannover 169 
CARSTEN THEILE / LENNART WESTERMANN 
 
Autorinnen und Autoren 189 
 
 
Leseprobe: 
Einleitung 
HEINO STÖVER UND JUTTA JACOB 
Sucht ist neben Gewalt ein wesentlicher Bezugsrahmen für Männlichkeitskonstruktionen 
und Männlichkeitsinszenierungen. Einfluss von und 
Mythen über Drogen bedienen bzw. kompensieren Vorstellungen tradierter 
Männlichkeitsbilder von Vitalität, Tatendrang und Wertvorstellungen 
von Erfolg, Geld und Status. 
Drogen spielen in männlichen Lebenskonzepten eine herausragende 
Rolle als Demonstrationsmittel von Stärke, als Anti-Stressmittel, als 
Symbol von Grenzüberschreitung und Gefährlichkeitssuche, als Kommunikations- 
oder Rückzugsmittel oder als soziales Schmiermittel überhaupt. 
Aber über psychotrope Substanzen hinausgehend gerät auch der 
männliche Körper (wieder) in den Fokus von Männlichkeitsdemonstration: 
Gestählte Körper drücken als Muskelpanzer Immunität gegenüber 
zunehmend geforderter Sensibilität und fürsorglicher Verantwortungsübernahme 
in der Partnerschaft, Kinderversorgung, Familie und im 
Haushalt aus. Die Auswirkungen und die Funktion der Einnahme anaboler- 
androgener Steroide und Stimulanzien bei Männern sind zwar augenfällig 
aber weitgehend unerforscht. Auch pathologisches Glücksspiel ist 
vor allem eine Männderdomäne. Damit verbindet sich der große männliche 
Traum von Größe durch Geld. 
Der Konsum psychotroper Substanzen, ob gelegentlich oder dauerhaft, 
moderat oder exzessiv, scheint für viele Jungen und (junge) Männer ein 
probates Mittel grundsätzliche Probleme wie Sprachlosigkeit, Ohnmacht, 
Isolation, Bedeutungsverlust, Armut oder Identitätskrise für einige 
Zeit zu lösen. Auf Dauer genommen verschärfen sich jedoch viele 
Probleme durch nicht mehr zu ignorierende gesundheitliche, soziale 
oder familiäre Folgen. Jungen und Männer sind bei Problemen resultierend 
aus Alkohol- und Drogenabhängigkeit besonders stark betroffen. 
Gleichzeitig sind ihre Fähigkeiten, Ressourcen und Aussichten diese 
Problematik zu bewältigen unterentwickelt – angefangen bei der geringeren 
und oft sehr späten Inanspruchnahme von Hilfeangeboten, bis hin 
zu der gefühlten und gefürchteten Erosion des eigenen Männlichkeitskonzeptes, 
nicht zu sprechen von geringeren Kommunikations- und Kooperationskompetenzen: 
„Lonesome Cowboy“ bedeutet immer noch für 
viele Männer, alles mit sich abzumachen und Hilfe anderer als Stärkeeinbruch 
zu erleben. 
Brauchen wir überhaupt eine männerspezifische Sucht- und Drogenarbeit? 
Wir könnten ebenso fragen: Warum werden besondere Angebote 
für Jugendliche, Migrant/innen oder Menschen aus sozial benachteiligten 
Schichten, oder Frauen gemacht? Wir stellen diese Fragen nicht 
mehr: Zu deutlich ist geworden, dass Menschen mit unterschiedlichen 
kulturellen, sozialen Hintergründen, individuellen Ressourcen, in verschiedenen 
biographischen Stadien aus ganz unterschiedlichen Motiven 
Drogen konsumieren. Vor allem unterscheiden sich Männer und Frau 
en in ihren Konsummotiven, -gründen, -anlässen, in Suchtverlauf, 
-bewältigung und -beendigung ganz erheblich voneinander. 
Nach allgemeiner Einschätzung ist die Suchtkranken-/gefährdetenhilfe 
aber nicht entsprechend auf die Überrepräsentanz männlicher Abhängigkeitsproblematiken 
vorbereitet. Diskussionen über männerspezifische 
Hilfeansätze werden in Therapieeinrichtungen, in Publikationen und auf 
Fachtagungen erst seit einigen Jahren geführt, die Erkenntnis, dass ein 
solcher Arbeitsansatz zur Qualitätssteigerung, zum größeren Erfolg der 
Hilfestrategien beitragen kann, hat sich noch nicht ausreichend durchgesetzt 
– auch nicht bei den Kostenträgern oder in einer allgemeineren Debatte 
über die zukünftige Ausgestaltung der Suchtkrankenhilfe. Deshalb 
verwundert es nicht, dass männerspezifische Arbeitsansätze und Konzeptionen 
für die Beratung und Behandlung von Drogenabhängigen 
/-gefährdeten rar sind. Es fehlen damit Modelle in vielen Regionen, die 
Anstöße geben können, den eigenen Blick in der Einrichtung für männerspezifische 
Ursachen, Verläufe und Beendigungsmuster von Abhängigkeit 
zu schärfen. 
Die Sucht- und Drogenhilfe hat sich einerseits in den letzten Jahren stark 
ausdifferenziert, um Menschen dort zu unterstützen, wo sie den Wunsch 
entwickeln und ihre Ressourcen mobilisieren können, um aus der Sucht 
oder dem problematischen Drogenkonsum heraus zu kommen. Denn: 
ebenso vielfältig wie die Wege in die Sucht, sind die Wege wieder  
heraus und ebenso vielfältig müssen die Unterstützungen auf den einzelnen 
Gebieten der Suchthilfe sein. Der Erfolg und die Wirksamkeit der 
Suchtarbeit hängt maßgeblich davon ab, wie zielgruppengenau, bedarfsorientiert 
und lebensweltnah sie ihre Angebote ausrichtet, um den unterschiedlichen 
Erfahrungen und Bedürfnissen der Hilfesuchenden besser 
gerecht zu werden. Wissenschaftliche Zugänge zur Erklärung von Drogenkonsum, 
Projekte zur zielgenauen Prävention, lebensweltnahen Beratung, 
bedarfsgerechten Therapie und Nachsorge von Drogenkonsument/ 
innen sind dringend indiziert. 
Trotz aller gelungenen Ausdifferenzierung in wichtigen Arbeitssegmenten 
wird eine geschlechterspezifische Suchtarbeit jedoch noch immer 
mit „frauengerechten Angeboten“ gleichgesetzt, in der stillschweigenden 
Übereinkunft: „Sucht-/Drogenarbeit minus frauenspezifischer Ar 
beit muss gleich männerspezifisch sein.“ Diese geschlechtsnegierende 
Sicht auf das Phänomen Sucht in allen Facetten wird jedoch kontrastiert 
durch Erkenntnisse, dass auch männlicher Drogenkonsum besondere Ursachen 
hat, dass die Inanspruchnahme von Vorsorge-/Hilfe- und Beratungsangeboten 
von Männern begrenzt ist, dass der individuelle Suchtverlauf 
und -ausstieg, die Kontrolle über Drogen sowie die soziale Auffälligkeit 
geschlechtsspezifische Besonderheiten aufweist. 
Diese Gedanken sind in der frauenspezifischen Suchtarbeit – zumeist 
von Frauen für Frauen – in den letzen 25 Jahren bereits umgesetzt worden 
– wenn auch nicht flächendeckend und immer noch nicht differenziert 
genug. Angebote wurden erkämpft, Standards und Leitlinien erarbeitet, 
wissenschaftliche Theorien entwickelt und empirisch überprüft. 
Für suchtkranke/-gefährdete Männer hingegen fehlen solche Angebote 
oder selbst Konzepte nahezu völlig. Scheinbar haben Männer bislang 
keinen Bedarf gesehen, männerspezifisch zu arbeiten. Haben Professionelle 
und Betroffene geglaubt, in all den Angeboten, in denen keine oder 
kaum Frauen waren, würde bereits ihr soziales Geschlecht und der Zusammenhang 
der Konstruktion ihrer Männlichkeit mit Drogenkonsum 
reflektiert? War Geschlechtsspezifik nur etwas für (frauenbewegte) 
Frauen? Glaubte man(n), die besonderen gesundheitlichen Belastungen 
für Männer und ihre Auswirkungen auf den Drogenkonsum wären bereits 
hinreichend erkannt und therapeutisch bearbeitet? 
Betrachtet man die Verbreitung und Verteilung der von psychoaktiven 
Substanzen abhängigen oder gefährdeten Menschen in Deutschland, 
fällt deutlich die vermehrte Betroffenheit bei Männern auf. Gleichzeitig 
bestehen jedoch auffällig wenig Versorgungsangebote mit männerspezifischen 
Ansätzen. 
Diese Diskrepanz wird zunehmend in der (Fach-)Öffentlichkeit deutlich, 
und in einer Reihe von Seminaren, Fachtagungen und Publikationen 
ist in den letzten Jahren auf die Notwendigkeit einer Ausweitung 
männerspezifischer Angebote hingewiesen worden. Immer augenfälliger 
wird die Notwendigkeit, männerspezifische Ursachen und Ausprägungen 
von Sucht(-gefährdung) zu erforschen, therapeutische Antworten 
auf den spezifisch männlichen Umgang mit Krisen, Süchten, Hilfeangeboten, 
eigenen Ressourcen und Lebensentwürfen zu suchen. Männer 
machen es dabei sich und anderen nicht leicht, strukturelle Bedingungen 
wie sozialisations- bzw. rollentypische Erwartungen an Männer (z.B. 
keine Ängste zulassen), Stummheit, das mangelhafte Erkennen und Benennen 
eigener Bedürfnisse, die Ignoranz gegenüber Körpersignalen 
wahrzunehmen. Aber auch ausgeprägtes Desinteresse an Reflexion, 
theoretischer Aufarbeitung von sich verändernder Männeridentität und 
Mannsein erschweren sowohl eine Männergesundheitsbewegung, als 
auch eine männerspezifische Sucht- und Drogenarbeit. Eher existieren 
Überlegungen, was man(n) von der Frauenbewegung übernehmen könnte, 
eher bequeme, fast selbstgefällige, aber auf jeden Fall holprige (erste) 
Gedanken zur eigenen kulturell-sozialen Geschlechtlichkeit und deren 
Auswirkungen auf Gesundheit und Drogenkonsum/-sucht. 
Die Beiträge des vorliegenden Bandes beleuchten die beschriebenen 
Zusammenhänge aus unterschiedlichen Perspektiven. Einige von ihnen 
stehen im Zusammenhang mit der Konferenz „[rau] m Konstruktionen 
und Krisen von Männlichkeiten im Kontext von Sucht“ (5.-6..2007) 
in Bremen, veranstaltet von dem „Zentrum für interdisziplinäre Frauenund 
Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg“ 
und dem Bremer Institut für Drogenforschung und dem ARCHIDO 
an der Universität Bremen. 
Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre aktive fachliche Beteiligung 
an einem lebendigen Prozess der Auseinandersetzung um die 
Verwobenheit von Männlichkeiten mit dem Phänomen Sucht sowie die 
Gestaltung von praxistauglichen Ansätzen männerbezogener Sucht- und 
Drogenarbeit. 
 
Oldenburg / Bremen, Dezember 2008 
Jutta Jacob / Heino Stöver 
        
        
        
        
        
         
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