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Lexikon der Bautypen Funktionen und Formen der Architektur
Lexikon der Bautypen
Funktionen und Formen der Architektur




Ernst Seidl (Hrsg.)

Reclam Stuttgart
EAN: 9783150105726 (ISBN: 3-15-010572-2)
599 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 10 x 16cm, 2006, Mit 30 Abbildungen

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Klar erkennbare Bauten wie Rathaus, Kirche, Oper oder Schloss geben Städten ein Gesicht. Vor allem über ihre Funktion, aber auch über ihren historischen Kontext haben diese Bauten einen eigenen Typus entwickelt. Knapp 350 solcher Bautypen der abendländischen Kultur seit der Antike stellt dieses Lexikon in Funktion und Form wie auch in der Entwicklungsgeschichte dar und benennt signifikante Beispiele. Ein Essay zum "Bautypus als architekturwissenschaftliche Kategorie" bietet das wissenschaftshistorische Fundament.
Rezension
350 abendländische Bautypen vom Aussichtsturm über Autobahnkirche, Garage, Museum, Talsperre bis hin zum Zwinger sind hier lexikalisch vereint: etymologisch hergeleitet, historisch aufgearbeitet und mit wichtigen Beispielen erläutert. Es geht mithin nicht nur um Hochkunst oder um Sakralarchitektur etc., sondern um alle begegnende Architektur, vor allem auch Alltagsarchitektur schlechthin. Auch dem Kiosk wird ein Artikel gewidmet, bevor der Artikel Kirche folgt. Ein Lexikon nicht nur für die Architekten-, Ingenieurs- oder Kunstgeschichtler-Hand, sondern auch zur Allgemeinbildung. Denn die hier verhandelten Bautypen begegnen uns allüberall, sie prägen unsere Kultur. Dieses Lexikon schließt in seiner breiten Anlage eine Lücke, - zugleich aber kann es eben deswegen nur eine geringe Tiefe vermitteln, die aber durch angegebene weiterführende Literatur kompensiert wird.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Pressestimmen:

350 Typen der europäischen Geschichte bis zur Antike zurück sind in diesem Nachschlagewerk charakterisiert und bilden erstmals einen umfassenden Katalog der abendländischen Bautypen, allesamt etymologisch hergeleitet, historisch aufgearbeitet und mit wichtigen Beispielen erläutert. Studierende an der Universität Tübingen haben ein längst fälliges Standardwerk von der Bogenbrücke, Festung, Mietshaus bis zum Zentralbau gründlich recherchiert und im besten Sinne eines guten Lexikons versammelt und verdichtet. Im Zeitalter der Zeichen sind Definitionen typischer, stilbildender und klar lesbarer Symbole wieder wichtig geworden. Sie bringen Klärung und Orientierung und legen die Basis für nachhaltige Innovationen aus dem Selbstverständnis unserer gewachsenen Kultur heraus.
www.kunst & bücher.at
Inhaltsverzeichnis
Einführung 7

Der Bautypus als Ordnungsprinzip der Architekturgeschichte 11

Abkürzungsverzeichnis 19

Bautypen von A bis Z 21

Literaturhinweise und Nachschlagewerke 595

Autorenverzeichnis 598

Zum Herausgeber 599


Leseprobe

Backhaus, n (ahd. bahhan, backan >durch heiße Luft garen<), gemeinschaftlich genutzter, freistehender Ofen als eigenständiges Bauwerk. Das B. tritt meist in ländlichen Gegenden auf und dient als Hof- oder Gemeindebackofen.
Eine Übergangsform vom Stubenbackofen zum B. bildeten zunächst kuppelförmige Öfen, die an die Außenwand eines Wohngebäudes angebaut waren und von der Küche aus bestückt wurden. Erst mit der Loslösung des Backofens vom Wohnhaus spricht man vom B.; davon zu unterscheiden ist das freistehende Backgewölbe. Eine Vergil-Illustration des frühen 16. Jh. von Joh. Grüninger belegt eine Frühform dieses Bautyps. Bevorzugt wurden B. aufgrund ihrer Feuergefahr in der Nähe von Gewässern errichtet.
Eine polizeiliche Verordnung aus dem 17. Jh. zur Eindämmung von häufig auftretenden Bränden führte offiziell zur Ablösung des häuslichen Backofens durch das B. Vor allem in dörflichen Siedlungen Mittel- und Süddtld. wurde es als selbständiger Bau errichtet, teilw. war es in andere gemeinschaftliche Zweckbauten, wie z. B. das Gemeindehaus, integriert.
In seiner endgültigen Gestalt wies das B. ein kuppel- oder tonnenförmiges Backgewölbe auf, das an allen Seiten von einer Mauer umschlossen war. Vorgezogene Seitenwände ließen einen Vorraum entstehen, der als Windschutz sowie als Abstellraum von Backgerät diente. Der Backraum enthielt neben der Ofenanlage ein Wandgestell zum Ablegen der Brote. Der Eingang war meist bogenförmig und besaß keine Tür, während die Backöffnung mit einer Eisenvorrichtung verschlossen wurde. Ein Satteldach aus Ziegeln mit kleinem Schornstein schloss den Bau ab. In Mitteldtld. sind B. oft in Form von Fachwerkhäuschen anzutreffen. Heute findet das alltägliche Backen weitestgehend in industrialisierten oder handwerklichen Bäckereien, aber auch wieder im häuslichen Back-ofen statt, was zur Aufgabe und zum Abbruch vieler B. führte. Daher kommt dem Bautypus B. meist nur noch kulturhist. Bedeutung zu. Vereinzelt sind B. auch heute noch in Dörfern zu finden.
Lit: P. GEIGER / R. WEISS, Atlas der Schweizerischen Volkskunde, Basel 1953. - F. BLÜMEL / W. BOOG, 5000 Jahre Backofen, Ulm 1977.

Freibad, n (ahd./rf, mhd. vri >frei<; Bad), institutionalisierte Badestelle im Freien als Freizeit- und Sporteinrichtung, meist mit einfach gestalteten Umkleide- und Sanitäranlagen.
Das erste große Schwimmbecken unter freiem Himmel existierte in Olympia im 5. Jh. v. Chr. Auch die natatio (Freibecken) bei röm. Thermen war nicht überdacht. Kennzeichnend für das ma. Badewesen waren Becken im Freien außerhalb von Städten (Wildbad), häufig von Herbergen umgeben. (Baden/Aargau, Wiesbaden, Bagno Vignoni bei Pienza). Im 15. Jh. wurde das F. oft durch eine Badstube ersetzt. Nach dem Erlöschen der ma. Badetradition im 16. und 17. Jh. entwickelte sich im 18. Jh. mit der Hinwendung zur Natur das F.-Wesen rasch, und durch die Turnbewegung im 19. Jh. verbreitete sich das Schwimmen, auch durch (Militär-)Schwimmschulen (Paris, 1801; Wien, 1813; Berlin, 1817).
Zunächst ausschließlich zu Therapiezwecken bestimmt, entstand baulich der Typus der Flussbadeanstalt als Badeschiff (Paris, 1760; Wien, 1781; Frankfurt a. M., 1800) und als Anlage mit umlaufendem Steg auf Pontons (Mannheim, 1777) oder Pfahlwerk (Hamburg, 1888) im Fluss. Im 20. Jh. entwickelte sich der Typus des massiven Baus am Ufer (Berlin, 1929). Der Typus der Seebadeanstalt findet seinen Vorgänger in den Badekarren. Seebadeanlagen lassen sich in Anlagen auf Pontons, auf Pfahlwerk im Meer und in feste (Holz-)Bauten am Ufer unterscheiden. Charakteristisch für den festen Bau ist ein Pfahlunterbau und eine symmetrische Gruppierung der Anlage mit oft hervorgehobenem Mittel- und Eckbau. Typisch ist der provisorische, sehr einfache Charakter. Mit zunehmender Freizeit und Verbreitung schwimmsportlicher Aktivitäten entstand ab E. d. 19. Jh. das F. mit meist gekachelten Bassins und Liegewiesen. Anf. d. 20. Jh. wurden die fest angelegten Seebadeanstalten massiv fundamentiert (Strandbad Wannsee, Berlin, 1930, M. Wagner: Klinkerverkleideter Stahlskelettbau). Seit den 1920er-Jahren werden F. auch mit Hallenbädern verbunden (Pirmasens, 1926). Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Dtld. zahlreiche F. mit künstlichen Becken und massiven Flachdachgebäuden für technische Funktionen zur Wasseraufbereitung, für Umkleideräume und sanitäre Nutzung. Wesentlichste Änderungen in den 1970er-Jahren waren die deutliche Vergrößerung der Wasserflächen für Nichtschwimmer sowie des Liegewiesenareals, die Ausstattung mit Anlagen für Sport und Spiel sowie Restaurationsbereiche. Seit den 1980er-Jahren werden Erlebnisbecken mit Wasserattraktionen und Sauna hinzugefügt. Beim wandelbaren Bad wird die Wasserfläche je nach Wetterlage kurzfristig durch eine Leicht- oder Massivkonstruktion überdacht und mechanisch wieder geöffnet (Westbad, Regensburg, 1987).
Lit: W. SCHLEYER, Bäder und Badeanstalten, Leipzig 1909.- D. FABIAN, Handbuch für Bäderbau und Badewesen, München 1960. - H. ENGEL, Das Strandbad am Großen Wannsee, Berlin 2003.

Zoo, m (griech. zoon >Lebewesen<, nlat. zoologia >Tierkunde<; auch Zoologischer Garten), eine publikumsorientierte Gartenanlage mit Gehegen und Tierhäusern zur Präsentation und Haltung lebendiger, meist exotischer Wildtiere.
Unter dem Einfluss der naturphilosophischen Diskussion des 18. Jh., der Entfaltung der Histoire Naturelle sowie den Eindrücken exotischer Welten, entstand vor allem für die bürgerliche Gesellschaft auch der Z. Zum Prototyp in formaler und funktionaler Hinsicht wurde das Muséum National d'Histoire Naturelle (1793, Paris), das sich im Zuge der Reorganisation des Jardin du Roy und aus dem Tierbestand der kgl. Menagerie entwickelte. Es war museal organisiert und verbreitete sich im 19. Jh. als urbane Institution in ganz Europa. Ausgestellt wurde das lebende Tier. Zeitgenössische Beschreibungen des Muséum charakterisieren es als Park, in dem Tiere nach ästhetischen Gesichtspunkten in Gehegen und Käfigen unterschiedlichster Form und Größe präsentiert wurden. Nach seinem Vorbild entstanden in Europa und den USA zwischen 1794 und 1910 in zahlreichen Großstädten Z. (London, 1828; Antwerpen, 1843; Berlin, 1844; Hamburg, Moskau und Wien, 1863; Hannover, 1864; Central Park, New York und Lincoln Park, Chicago, 1868; S. Francisco, 1889-92; München und Rom, 1910).
Für die neue Bauaufgabe des Z. wurde meist das "demokratisch-freiheitliche" Konzept des Engl. Gartens adaptiert. Kennzeichnend ist die organische Verbindung der zahlreichen Kompartimente, die über ein entsprechend konzipiertes Wegesystem erschlossen werden können. Die Form der Tierhäuser und die Bepflanzung der Gehege sollten im Rahmen der klimatischen Möglichkeiten die Herkunftsländer der Tierarten nachempfinden, was zu einem bemerkenswerten Formund Stilpluralismus der Tierhausarchitektur führte. Charakteristisch ist seit dem frühen 19. Jh. die Adaption exotischer Bauelemente, die ihren monumentalen Höhepunkt während des imperialistischen Wettbewerbs der Nationen fand (Antilopenhaus als Moschee, Z. Antwerpen; Orientalisches Portal des Z. Berlin). Seit dem letzten Drittel des 19. Jh. vervollständigten "Eingeborene" aus den entsprechenden Ländern, die in traditioneller Landeskleidung scheinbar ihren alltäglichen Arbeiten nachgingen, diesen Eindruck (C. Hagenbecks "Völkerschauen" in den 1870er-Jahren). Mit der technischen Entwicklung der industriellen Revolution werden die Z. um neue Baumaterialien, aufwändige Belüftungs- und Temperierungsanlagen und damit auch um neue Tierhäuser (Aquarium, Terrarium) bereichert und nach modernen, verstärkt publikumsorientierten Kriterien gestaltet. Durch die Einrichtung von Restaurants, Cafés und Festveranstaltungen wurde der Z. zu einem gesellschaftlichen Ort. Damit verlor aber auch die urspr. angestrebte Einheit von Wissenschaft, Kunst und Natur kontinuierlich an Bedeutung. Mit dem Hagenbeckschen Tierpark entstand in der 2. H. d. 19. Jh. ein bis dahin neuartiges Konzept, dessen zum Publikum durch einen Graben abgesicherte, unvergitterte Gehegeform in Gestalt künstlicher Felslandschaften zum normativen Vorbild wurde.
Der Z. von heute lässt sich mit dem des 19. Jh. nur bedingt vergleichen. Im Idealfall werden die Tiere heute im Rahmen einer geographischen Ordnung als Sozialverbände in artgerechten Großgehegen und Bauten gehalten. Die Architektur ist in dieser Hinsicht viel mehr funktionalen Aspekten unterworfen und hat nur in sekundärer Bedeutung ästhetischen Präsentationsvorstellungen zu folgen. Die Aufgaben moderner Z. liegen heute auch in der Erhaltung bedrohter Tierarten, um Zuchttiere gegebenenfalls wieder auszuwildern.
Lit: G. LOISEL, Histoire des Ménageries de l'Antiquité à Nos ]ours, 3 Bd., Paris 1912. - A. HOFMANN, Der Zoologische Garten als Bauaufgabe des 19. Jh., Frankfurt a. M. 1999. - E. BARATAY: Z., London 2002.