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Lessing-Handbuch Leben - Werk - Wirkung 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage
Lessing-Handbuch
Leben - Werk - Wirkung


3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage







Monika Fick

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476022486 (ISBN: 3-476-02248-X)
624 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2010

EUR 19,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die völlig neu bearbeitete und erweiterte dritte Auflage dieses Standardwerkes vermittelt das Lessing-Bild, wie es sich in den Tendenzen der Forschung seit Erscheinen der Erstauflage abzeichnet. Sie bietet zu jedem Werk und zu jeder Werkgruppe neue Forschungsreferate und Analysen auf aktuellem Stand. Zentrale Fragestellungen der Aufklärung werden vom Werk Lessings her erläutert. Mit Zeittafel, ausführlicher Bibliographie und Werk-, Sach- und Namenregister.



»Das neue Handbuch zu Lessing ist in vieler Hinsicht ein Maßstäbe setzender Idealfall ... ein Opus maximum, von dem auf längere Zeit alle Lessing-Forschung ihren Ausgang nehmen wird.« (FAZ)
Rezension
Wiederum neu bearbeitet und erweitert in 3. Aufl. ist seit der 2. Aufl. als Paperback dieses Lessing-Handbuch wahrlich erschwinglich und führt gediegen ein in das Werk des großen deutschen aufklärerischen Dramatikers Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), dessen „dramatisches Gedicht“ Nathan der Weise heute zum Lektürekanon im Deutschunterricht gehört, zum festen Inventar der Theaterspielpläne und das mit seiner „Ringparabel“ auch zum religiösen Lehrstück von Emanzipation und Aufklärung geworden ist und mithin für die heutige Religionspädagogik und ihre multikulturellen Bemühungen bedeutsam ist. Aber auch die Herrschaftskritik des Trauerspiels Emilia Galotti ist regelmäßig auf deutschen Bühnen zu sehen und begegnet im Deutschunterricht. – Gründe genug, sich Lessing zuzuwenden – was mit diesem Handbuch gelingen wird, zumal es das Lessingsche Werk im zweiten Teil sehr übersichtlich darstellt und dort dann auch Minna von Barnhelm u.a. begegnet.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Standardwerk neu aufgelegt
Wichtiger Autor in Schule, Studium und an deutschsprachigen Bühnen
Inklusive Zeittafel, Bibliografie, Werk-, Sach- und Namenregister
Bedeutender Dichter und großer Geist der Aufklärung. Das Handbuch vermittelt einen Zugang zum Gesamtwerk Gotthold Ephraim Lessings und ergänzt mit einer Fülle von Interpretationen das aktuelle Lessingbild. Die 3. Auflage bietet zu jedem Werk und jeder Werkgruppe neue Forschungsreferate und Analysen auf aktuellem Stand. Neben neuen Einblicken in die Verflechtung von Lessings Werk mit den anthropologischen und religionsphilosophischen Fragestellungen der Aufklärung wird auch der Bezug zu zeitgeschichtlichen Ereignissen verdeutlicht.
Autorin
Monika Fick, geb. 1958; Professorin für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der RWTH Aachen, seit 2008 Präsidentin der amerikanischen Lessing Society.

Pressestimmen
Das neue Handbuch zu Lessing ist in vieler Hinsicht ein Maßstäbe setzender Idealfall ... ein Opus maximum, von dem auf längere Zeit alle Lessing-Forschung ihren Ausgang nehmen wird. FAZ
Die Verfasserin wird auf glänzende Weise einem doppelten Anspruch gerecht: Ihr Buch ist zum einen "Handbuch" im besten Sinne des Wortes - in jedem Kapitel folgt auf "Quellen und Entstehung" ein klar durchgegliederter Forschungsbericht, der den Diskussionsstand bestimmt und auf die Streitpunkte und ungelösten Probleme hinweist - und zum anderen liefert sie einen Beitrag zur Interpretation, indem sie für jedes Werk eine eigene Analyse vorlegt. Das 18. Jahrhundert
Ebenso detailreich wie philologisch präzise werden Person, Werk, Zeit und Wirkungsgeschichte in Einzelartikeln analysiert und interpretiert. Das Handbuch bietet in einer Zeit, in der die Vielzahl der Fragestellungen und Ansätze längst unübersichtlich geworden sind, einen zuverlässigen und für die Zukunft unerläßlichen Begleiter durch die Lessing-Forschung. IASL online
Ein Buch für alle, die Lessing besser verstehen wollen - und gründlicher lieben. Die ZEIT
Gründe genug, sich Lessing zuzuwenden - was mit diesem Handbuch gelingen wird. lehrerbibliothek.de
Gerade in dieser Frage nach der Rezeption Lessings für die Postmoderne behaupten die Darstellungen und Analysen des Lessing-Handbuchs ihre Aktualität und Dichte. Sie beleuchten die Stelle, an der Modelle der Sinnstiftung zusammenprallen mit dem Individuellen, dem Emotionalen und Irrationalen, den unbefriedigten Wünschen und Sehnen. Dabei steht vor allem die Kontextualisierung und Intertextualität der Texte Lessings im Zentrum, ihr "Zusammenhang mit den zeitgenössischen Denkmuster und Sprechweisen". literaturkritik.de
Alle Werke Lessings werden mit Forschungsberichten und durchgängig neuen Interpretationen vorgestellt. Zentrale Fragestellungen der Aufklärungsepoche werden vom Werk Lessings her erläutert. Literatur-Report
Die Qualität der Metzler´schen Handbuch-Reihe ist gerade daran zu messen, inwieweit es gelingt, aus der Masse an Gedrucktem jene Hauptlinien herauszufiltern, die das Bild repräsentativ zeichnen und auch Nichtspezialisten mit der komplexen Lage rasch vertraut machen. Das ist der Herausgeberin voll gelungen. WALTHARI
Inhaltsverzeichnis
Einleitung XIII
Einleitung zur zweiten Aufl age XVI
Einleitung zur dritten Aufl age XVIII
Siglen, Abkürzungen und praktische Hinweise XXI

Erster Teil: Zeit und Person

Lessing-Bilder 2

Nachruf 1781 2
Kontext Theologie 2 – Kontext Theater 3 – Kontext »Gelehrsamkeit« 3 – Kontext Kritik. Friedrich Schlegel 4

Lessing der Kämpfer – 19. Jahrhundert 4

Herold des Irrationalismus – Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts 5
Das Lessingjahr 1929 5 – Nationalsozialismus 7

Das Lessing-Bild nach 1945 7
Deutsche Demokratische Republik 7 – Bundesrepublik 8 – Lessing-Forschung 2000–2010 10

Lessing im Kontext der Aufklärung: Philosophie und Gesellschaft 14

Die Prägekraft der Wolffschen Schulphilosophie 14
Verbreitung der Wolffschen Philosophie. Die »Schulphilosophie« 15 – Vernunft – »Übung der Seele« 16 – Rationalismus 17 – »Vorstellen« 17 – Erkennen und Wollen 18 – Bezug zur Gesellschaft:
Naturrechtliches Denken 19

Emanzipation von theologischen Vorgaben – ein neues Menschenbild 21

Sensualismus und Materialismus 22

David Hume und der Angriff auf das Kausalitätsprinzip 23 – Mendelssohn, Sulzer, Lessing: Frage nach dem Regulativ für die sinnlichen Empfindungen 25 – Materialismus 26

Sinnlichkeit und Vernunft: Modelle der Synthese 27
Ästhetik 28 – Moral sense und Mitleid 30

Die Ständegesellschaft und das Bündnis zwischen Aufklärern und dem Absolutismus 31
Ständegesellschaft 31 – Absolutismus und Aufklärung; Reformabsolutismus 33 – Öffentlichkeit und öffentliche Debatten, bürgerliche Kultur und die Idee des Allgemein-Menschlichen 35

Lessing als Aufklärer 37
Gelehrtentum und neue, am Menschen orientierte Bildung 37 – Bruchstücke einer großen Debatte 40 – Perspektivismus 41 – Menschenbild und Gottesbild 42

Zur Biographie 43
Grundzüge 43 – Deutungsmuster für Lessings Leben in den Biographien des 18., 19. und 20. Jahrhunderts 50 – Hugh Barr Nisbets Lessing-Biographie (2008) 51

Lessing und die Literatur im 18. Jahrhundert 56

Gottsched und die Neubegründung der deutschsprachigen Literatur 56

Die »Empfindsamkeit« 58

Zweiter Teil: Das Werk

Ausgaben 62

Ausgaben des 18. Jahrhunderts 62

Die wichtigsten Ausgaben des 19. und frühen 20. Jahrhunderts 63

Ausgaben nach 1945 64

Jugendkomödien und Komödientheorie 68

Entstehung und Kontext 68
Komödienformen: Commedia dell’arte, satirische Komödie, sächsische Typenkomödie, rührendes Lustspiel 69

Lessings Konzept der »wahren Komödie«. Plautus-Abhandlungen und Abhandlungen
zum »rührenden Lustspiel«. Verhältnis zur Commedia dell’arte 71

Forschung zu den Jugendkomödien 75

Experimente: Damon, oder die wahre Freundschaft 76
Forschung 76 – Analyse 76

Selbstportrait als ›faustische‹ Monade: Der junge Gelehrte 78
Forschung 78 – Analyse 79

Gellert rechts, La Mettrie links, Lessing in der Mitten: Der Freigeist 81
Kontext, Quellen und Einflüsse 81 – Forschung 85 – Analyse 86

Die Juden 90
Entstehung und Kontext 90 – Forschung 91 – Analyse 91

Aufnahme und Wirkung der Jugendkomödien 93

Samuel Henzi (Fragment) 95

Entstehung, Quellen und Kontext 95
Der Stoff: Henzis Verschwörung in Bern 95 – Das republikanische Trauerspiel 96

Forschung: Politik vs. Tugend 97

Analyse 98
Politik als Funktion der Moral: Christian Wolff 98 – Lessings Kritik an der »Schulphilo sophie« 99 –
Samuel Henzi und Montesquieu 100

Aufnahme und Wirkung 102

Lyrik 104

Entstehung und Kontext 104
Anakreontik in Deutschland um 1750 104 – Geistes geschichtliche Hintergründe 106

Analyse 108
Die anakreontischen Lieder 108 – Rettungen des Horaz (1754) 109 – Lehrgedichte 111 – Das Lehrgedicht: Die Religion 112

Aufnahme und Wirkung 114

Frühe Literaturkritik (1748–1756) 118

Entstehung, Textmaterial und Kontext 118
Gottsched und die Schweizer oder die Frage nach der Vernunft in der Poesie 120

Forschung 124

Analyse 125
Lessings Standpunkt über den Polen 125 – Der dramatische Plan als Träger des Werkganzen: »Von den lateinischen Trauerspielen welche unter dem Namen des Seneca bekannt sind« 129

Aufnahme und Wirkung 131

Gedanken über die Herrnhuter 134

Entstehung, Quellen und Kontext 134
Pietismus 134 – Biographischer Hintergrund. Die Herrnhuter Brüdergemeinde 135

Analyse: Kultur- und Wissenschaftskritik zwischen Rousseau und Haller 135

Rettungen 139

Entstehung, Quellen und Kontext 139
Die Verteidigten 139 – Zur Gattungsfrage. Bayles »Dictionnaire« 141

Forschung 142

Analyse 143
Geschichte und Geschichtsdeutung (Lemnius, Cochlaeus) 143 – Wettstreit der Religionen – Rhetorik und Wahrheit (Cardanus) 145

Aufnahme und Wirkung 145

Miß Sara Sampson 148

Entstehung, Quellen und Kontext 148

Forschung 150
Literatursoziologische Deutungsansätze 150 – Ideen geschichtliche Analysen 152

Analyse 154
Tugend-Laster-Opposition 155 – Lessing als Psychologe 155 – Der Gott der Liebe und die ›Entsündigung‹ der Natur 156 – Fügungen des Himmels – natürlicher Zusammenhang 158

Aufnahme und Wirkung 159

Briefwechsel über das Trauerspiel 165

Entstehung und Kontext 165
Zeitgenössische Theorie des bürgerlichen Trauerspiels 165

Forschung 167
Theorie des bürgerlichen Trauerspiels 167 – Ideengeschichtliche Analysen. Lessings Mitleids konzeption und deren historische Quellen 168 – Diskursanalytische Gegenposition 170

Analyse: Der Trialog der Freunde 171
Nicolai 171 – Mendelssohn 172 – Lessing 173

Philotas 178

Entstehung und Kontext 178
Publizistik im Siebenjährigen Krieg. Thomas Abbt: »Vom Tode für das Vaterland«. Gleims
»Preussische Kriegslieder« 178

Forschung 180

Analyse 184
Die Logik der Handlung: Strategien der Konflikt lösung 184 – Antimachiavell 185 – Anthropologie und Vorsehungsglaube 187 – Heroische Tragödie, bürgerliches Trauerspiel, antike Tragödie 189

Aufnahme und Wirkung 190

Briefe, die neueste Litteratur betreffend 192

Entstehung und Kontext 192

Forschung 193
Kontext: Ästhetik und Poetik 193 – Kontext: Rhetorik und Polemik 195 – Das Problem: Polemik und Sachbezug in Lessings Literaturkritik 196

Analyse: Die wichtigsten Themen und Kontroversen 198
Theater 199 – Die Auseinandersetzung mit dem »Gefühlschristentum« (Kritik an Wieland, Cramer und Klopstock) 201 – Anschauende Erkenntnis und beschreibende Poesie (Polemik gegen Johann Jakob Dusch) 205

Aufnahme und Wirkung 206

Faust-Fragmente 212

Entstehung, Quellen und Kontext 212
Das Textmaterial: Lessings Faust-Fragmente und zeitgenössische Zeugnisse 213

Forschung 214

Analyse 215

Das Fabelbuch 217

Entstehung, Quellen und Kontext 217
Der Rückgriff auf Aesop. Lessings Quellen 218 – Fabeltheorie im 18. Jahrhundert am Leitfaden der ersten Abhandlung 219

Forschung 221
Lessings Fabeltheorie 221 – Interpretationen zu Lessings Fabeln 223

Analyse I: Die Fabelabhandlungen 224
Das »Exempel der practischen Sittenlehre« (B 4, 372): Die Wolffschen Begriffsstützen 225 – Lessing contra Breitinger 226 – Anschauende und lebendige Erkenntnis 227 – Ambivalenz der »anschauenden Erkenntnis« 229 – Resümee 229

Analyse II: Die Fabeln 229
Der kompositionelle Rahmen 229 – Göttliche Welt regierung 230 – Psychologische Motivation: Entlarvung des Egoismus 232 – Ständethematik: »Rangordnung der Tiere« 233 – Fabeln auf die Literaturszene 233

Aufnahme und Wirkung 234

Das Theater des Herrn Diderot 237

Entstehung und Kontext 237
Übersetzung im 18. Jahrhundert. Lessing als Übersetzer 238 – Theaterpolitik 240

Forschung 240

Analyse 241
Das »genre serieux« 241 – Die »andere Seite« des bürgerlichen Theaters: Die neue Konzeption des Erhabenen 242 – Erneuerung der Schauspielkunst. Begriff des »tableau« 245 – Lessings Auseinandersetzung mit Diderot 246

Aufnahme und Wirkung 247

Sophokles. Erstes Buch. Von dem Leben des Dichters 250

Entstehung und Kontext 250
Das antike Drama und Theater in der Literaturkritik des 18. Jahrhunderts 250

Analyse 253
Von dem Leben des Dichters 253 – Projekte der Modernisierung: Aias, Ödipus, Philoktet 255

Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie 257

Entstehung, Quellen und Kontext 257
Winckelmann 259 – Altertumskunde 261 – Collectaneen 264 – Ut-pictura-poesis- Tradition und Beschreibungsliteratur 266 – Gegenreaktion gegen die Ut-pictura-poesis-Tradition. Unterscheidung der Medien (Zeichen). Lessings Quellen 267 – Der Kontext der zeitgenössischen Ästhetik 269

Forschung 271
Gegenläufige Zeichenlektüren: »Laokoon« und die »episteme« der Aufklärung 271 – Archäologie der Schönheit 272 – Problemgeschichtliche Perspektiven: Autonomie der Einbildungskraft, Rehabilitation
der Sinnlichkeit 273 – Semiotische Ansätze 275

Analyse 276
Weltbildwandel 276 – Kunsttheorie: Schönheit ohne Raum 277 – Poetik: Von der Perspektive zum pluralistischen Perspektivismus 280 – »unordentliche Collectanea«? Der performative Aspekt der Laokoon-Schrift 283

Aufnahme und Wirkung 284

Minna von Barnhelm 289

Entstehung, Quellen und Kontext 289
Der »temporäre Gehalt« des Stücks – zeit- und kultur geschichtlicher Kontext 290

Forschung 296
Sozialgeschichtliche Deutung – Zeitkritik in »Minna von Barnhelm« 296 – Feministischer
Ansatz 298 – Literarische Traditionen – Produktive Rezeption 299 – Theodizee-Probleme 301

Analyse 302
Von den zeitgeschichtlichen Referenzen zum Zusammenhang der Ereignisse: Die Struktur der Handlung 302 – »Die Ehre ist – die Ehre«. Perspektiven der Komödie 305 – Tellheims Stolz 305 – Minnas Stolz oder die Komödie der Paar beziehung 308 – Individuum und Gesellschaft 309

Aufnahme und Wirkung 310

Bühnenpraxis und Schauspielkunst 312

Gottscheds Theaterreform 312
Das Theater der Wanderbühnen 312 – Gottscheds Begegnung mit der Neuberin. Der neue Spielplan 316 – Gottscheds Intentionen. Konsequenzen für die »Schauspielkunst« 317 – Forschung 319

Lessings Bemühungen um Theater und Schauspielkunst 321
Die »Schule der Franzosen« (Golawski- Braungart): Riccoboni, Rémond de Sainte- Albine, Dubos und Diderot 322 – Ausdruck der Leidenschaften – Grammatik der Schauspielkunst 322 – Gradation der Leidenschaften und Psychologisierung 324 – Das »Gesetz der Schönheit« 325 – Koordination der Zeichensysteme 326

Fragmente: Tragische Süjets 328

Hamburgische Dramaturgie 333


Entstehung und Kontext 333
Das Hamburger Nationaltheater 333 – Der Spielplan des Hamburger Nationaltheaters 335

Forschung 338
Vergleich mit der aristotelischen Tragödienkonzeption 338 – Gesellschaftliche Programmatik: Literatursoziologische Deutungen 340

Analyse 342
Psychologische Motivation und Theodizee 342 – Furcht und Mitleid. Die Aristoteles- Rezeption (St. 74–83) 347 – Die Komödie 350 – Genie und Regel 351 – Der gesellschaftliche Bezug 353

Aufnahme und Wirkung 356

Zerstreute Anmerkungen über das Epigramm. Sinngedichte 361

Entstehung, Quellen und Kontext 361
Zur Geschichte des Epigramms 362

Forschung 363

Analyse 363
Probleme der Gattungsdefi nition 363 – Die Zweiteiligkeit des Epigramms. Tradition der Gattungstheorie 364 – »Quellen des Sinnreichen«. Die Pointe bei Lessing 366 – Denkmal und Inschrift. Die »sinnliche Erkenntnis« 367 – Das Epigrammatische und Lessings »Denkstil« 367 – Die Epigramme 368

Aufnahme und Wirkung 372

Die Matrone von Ephesus 374

Entstehung, Quellen und Kontext 374
Der Stoff 374

Forschung 374

Analyse 375
Lessings Analyse des Stoffs in der Hamburgischen Dramaturgie 375 – Der Rahmen: ein lustspielhafter ›Schattenriß‹ der Weltordnung 376 – Die geheimen »Ränke, durch die sich die Liebe in unsere Seele einschleicht« (HD, 15. St.) 376

Aufnahme und Wirkung 377

Emilia Galotti 378

Entstehung, Quellen und Kontext 378
Der Stoff 379

Forschung 380
Die politische Deutung – und ihre Schwierigkeiten 381 – Literatursoziologische Deutungsrichtung 385 – Geistesgeschichtliche Hermeneutik und philologischer Kommentar 386 – Psychoanalytische und feministische Interpretationsansätze; Ausblick auf aktuelle Tendenzen 391 – Literarische Traditionen. Zur Form des Dramas 393

Analyse 395
Das psychologische Dilemma 395 – Religionskritik 397 – Das Theodizeemodell 399 – Vom ›Gottesstaat‹ zum irdischen Rechtsstaat. Die politische Dimension des Stücks 400

Aufnahme und Wirkung 402

Fragmente eines Ungenannten und Fragmentenstreit 408

Entstehung und Kontext 408
Übersicht über die wichtigsten Texte 410 – Die lutherische Orthodoxie – Das Begriffsgerüst der theologischen Diskussion 412 – Zum Wahrheits begriff 415 – Die Provokation: Reimarus und der Deismus. Die »Fragmente« aus der Apologie 415 – Das Problem: »Vernunft« und »Offenbarung« in der Neologie 418

Forschung 420
Lessings inhaltliche Position 420 – Forschung zu Lessings Rhetorik 425

Analyse I: Die Gegensätze des Herausgebers 427
Lessings Einspruch gegen Deismus und Neologie 427

Analyse II: Die Kontroverse mit Goeze 430
Die Sachfragen 430 – Der ›Kampf‹ um das Bild vom Menschen. Emotionalisierung
und Moralisierung des Streits 432 – Lessings Rhetorik 436

Aufnahme und Wirkung 438

Ernst und Falk 442

Entstehung, Quellen und Kontext 442
Ursprung und Ausbreitung der Freimaurerei 444 – Gedankengut der Aufklärung in der Freimaurerei: Toleranz, Gleichheit, Freundschaft 445 – Geheimgesellschaft und Geheimwissenschaft: Der Doppelaspekt der Maurerei 447 – Aufklärung und Geheimnis. Die politische Relevanz der Freimaurerei 448 – Begriffe aus der Staatsphilosophie. – Naturzustand, Naturrecht und Staatsverfassung 449

Forschung 452
Geistesgeschichtliche Deutung im Kontext des Spätwerks 452 – Politische und sozialhistorische Deutungsrichtung 453

Analyse 457
Mensch und Staat 457 – Tempelritter und »Masoneien«. Die Geschichte der ›wahren‹ Freimaurerei 460 – Das freimaurerische Geheimnis 462 – Sprachliche Struktur 463

Aufnahme und Wirkung 464
Schriften zur Freimaurerei 464

Die Erziehung des Menschengeschlechts 468

Entstehung, Quellen und Kontext 468

Forschung 471
Theologische, religiöse oder säkulare Erkenntnis? 471 – Vernunft und Offenbarung: Paragraph 4 – Paragraph 77 473 – Geschichte und Geschichtsphilosophie 476 – Uneigentliches Sprechen: Zur Form der Erziehungsschrift 476

Analyse 479
Religion der Vernunft: Spinozas Tractatus Theologico-Politicus als Folie 479 – Das triadische Modell und die Vereinigung von Diesseits und Jenseits 482 – Das Motto und die offenen Grenzen der Vernunft 483

Aufnahme und Wirkung 484
Wirkung als geschichtsphilosophisches Werk 485

Nathan der Weise 488

Entstehung, Quellen und Kontext 488
Die Stoffkreise: Judentum, Islam, Christentum und die »Natürliche Religion« 490

Forschung 492
Deutungsrahmen 492 – Die religiöse Dimension 493 – Poetizität des Dramas 495 – Postmoderne Perspektiven 498 – Psychologische Motivation, Anthropologie und Figurenkonzeption 499 – Sozialgeschichtlicher und politischer Deutungsansatz 501

Analyse 502
Monadologische Figurenkonzeption und prästabilierte Harmonie 502 – Gemischte Charaktere 504 – Von Offenbarungswahrheiten zu Vernunftwahrheiten 505 – Liebesweisen 506 – Nathan der Weise: Ergebenheit in Gott 508 – Aufklärung und Ästhetik 510

Aufnahme und Wirkung 511

Spinoza-Gespräche 516

Entstehung, Quellen und Kontext 516
Wichtige Texte mit metaphysischer Thematik vor den Spinoza-Gesprächen 517

Forschung 525
Lessing als Leibnizianer 525 – Lessing als Spinozist 527 – Neuansätze 529

Analyse 530

Aufnahme und Wirkung 532

Anhang und Register

Zeittafel 538

Bibliographie 547

Forschungsstellen 547
Bibliographien 547
Forschungsberichte 547
Biographien und biographische Studien 547
Dokumentationen zu Leben und Werk; Einführungen und allgemeine Hilfsmittel 548
Bildbände 548
Sammlungen und Reihen 548
Literaturdidaktische Ausgaben; Modellanalysen 549
Einzelausgaben von Lessings Werken, auf die in den Analysen zurückgegriffen wurde 549
Quellen 550
Dokumentationen zur Wirkung Lessings und seiner Werke 550 – Textsammlungen 551– Einzelwerke 551
Sekundärliteratur 557

Werkregister 588
Sachregister 592
Namenregister 596


Leseprobe:
Einleitung
Lessing konnte sich von der Zeit seines Wirkens
an bis heute einer unbestrittenen und kontinuierlichen
Wertschätzung erfreuen. Signifi kant sowohl
für den Autor als auch für die Rezeption
erscheint es, dass gerade die Hochachtung zum
Problem geworden ist. Sie will nicht so recht zu
dem Bild vom kritischen Schriftsteller, kompromisslosen
»Selbstdenker« und Einzelgänger passen.
Man empfi ndet ein Unbehagen so viel Übereinstimmung
gegenüber und möchte Lessing,
den Mutigen mit der Bereitschaft zum Dissens,
für die »Streitkultur« retten. Der Zwiespalt zeichnet
sich bereits zu Lessings Lebzeiten ab. Einerseits
ist er ein berühmter Autor, der, wo er auch
hinkommt, ausgezeichnet und geehrt wird, andererseits
hat er Schwierigkeiten, eine angemessene
Stellung zu fi nden, Geldsorgen überschatten
sein Leben. Seit den sechziger Jahren löst man
das Dilemma, indem man die Rezeption als doppelbödig
zu enthüllen sucht. In Deutschland sei
Lessing als undeutscher Dichter verdächtigt worden,
der Respekt vor seiner Leistung sei Lippenbekenntnis
geblieben, hinter dem sich die Ablehnung
seiner spezifi schen intellektuellen Qualitäten
verberge. Man habe unangemessene ästhetische
Normen an ihn herangetragen, um ihn
als »Dichter« zu desavouieren und sein kritisches
Potential zu verdecken. Hierbei ist man allerdings
der Gefahr nicht entgangen, dass das Wort vom
»engagierten Kritiker« selbst zur gängigen Münze
wurde, die, einmal geprägt, den Blick auf die Inhalte
verstellte. Heute scheint ein gelassenerer
Standpunkt gefunden. Die Forschungslage ist
zum einen durch den Pluralismus der Ansätze gekennzeichnet,
zum anderen entdeckt man mehr
und mehr die Vielfalt im Gegenstand. Dahinter
steht die Tendenz zur Historisierung. Lessing
wird eingeordnet in die Diskussionen und geistigen
Auseinandersetzungen seiner eigenen Zeit,
wodurch der »Pluralismus« der Themen und Gebiete,
mit denen er sich beschäftigte, hervortritt.
Den Rahmen für diesen Willen zur Konkretisierung
bildet die Revision der Aufklärungsforschung,
die unter dem Stichwort »anthropologische
Fragerichtung« stattgefunden hat. Ein Weg
zeigt sich hier, in der Vergangenheit betretene
Sackgassen zu vermeiden: die Unterwerfung des
Autors unter einen ihm fremden ästhetischen Anspruch
oder die Festlegung auf eine nur vordergründige
soziale und politische Relevanz. Das
Bild vom Menschen in seiner Vielschichtigkeit
rückt in den Mittelpunkt.
Es scheint an der Zeit, das Wissen über Lessing
vor dem Hintergrund dieser Tendenzen zusammenzufassen
und neu zu ordnen, das neue
Instrumentarium auf die Erschließung seines
Werks anzuwenden, zumal da Lessing als eine
Schlüsselfi gur der Aufklärung in Deutschland anzusehen
ist. Hier hat das Handbuch seinen Platz.
Es bietet zunächst umfassende Informationen
zum Kontext, die Darstellung ist auf breiter Quellenbasis
angelegt. Der Einbezug vielfältiger Quellen
dient der Verlebendigung der historischen
Zusammenhänge, in denen das jeweilige Werk
steht. Die Inhalte, um die Lessing stritt, die Probleme,
mit denen er rang, sollen anschaulich
werden, zugleich soll die Dialektik von Kritik und
Zeitgebundenheit hervortreten. Die Schärfe von
Lessings Kritik hängt unlöslich mit ihrer Präzision
zusammen, sie ist auf die Streitfragen des
18. Jahrhunderts bezogen und steht in den – philosophischen
wie literarischen – Traditionen dieses
Jahrhunderts. Wenn somit umfassende Information
und dabei Veranschaulichung historischer
Problemstellungen intendiert sind, so fußt die
Darstellung zugleich auf dem Bewusstsein, dass
jede Rekonstruktion zugleich Konstruktion ist,
dass das Anschaulich-Machen zugleich Perspektivierung
bedeutet. Unmittelbar schlägt sich dieses
Bewusstsein darin nieder, dass der Weg, auf dem
das Wissen zustande gekommen ist, immer nachgewiesen
und festgehalten wird – auch auf die
Gefahr hin, dass die Quellenbelege manchmal
den Lesefl uss unterbrechen. Darüber hinaus liegt
allen Einzelkapiteln ein perspektivierender gedanklicher
Leitfaden zugrunde. Ausgangspunkt
ist die These von der Aufwertung der sinnlichen
Natur des Menschen in der Epoche der Aufklärung.
Dabei kristallisiert sich als die entscheidende
Frage die mögliche Durchdringung von
Sinnlichkeit und Vernunft, Gefühl und Refl exion
heraus. Hinter den Synthese-Entwürfen, so der
Leitgedanke weiter, steht eine tiefgreifende Erschütterung,
nämlich der Umbruch im Bereich
XIV Einleitung
des Religiösen, der Prozess der Säkularisation.
Denn Affekte und sinnliche Regungen erhielten
im Rahmen der überlieferten religiösen Überzeugungen
eine eindeutige Orientierung, sie galten
als die treibenden Kräfte zum Guten wie zum Bösen.
Noch Lessings Vater legte ihre Wirkung so
fest: Die Affekte können den Menschen zur
höchsten religiösen Liebe entfl ammen oder zur
niedrigsten Begierde verführen (Disputation: De
affectibus, 1712). Wo sich jedoch die Verankerung
in den einzelnen religiösen Überlieferungen und
Glaubenslehren löst, werden die Affekte im Guten
wie im Schlimmen zum Problem. Das Telos
der Lenkung und Kultivierung des Gefühls muss
neu gefunden werden. – Wenn die Akzentuierung
der sinnlichen Natur des Menschen, seiner
Erlebnisfähigkeit und Emotionalität von einem
sehr gegenwärtigen Erkenntnisinteresse gelenkt
ist, so setzt die Betonung der rationalen Sinnstiftungs-
Modelle der Aufklärungszeit der Aktualisierbarkeit
Grenzen. Lessing bezieht den Einzelnen
auf ein Ganzes, in dem Zusammenhang und
Ordnung herrschen, wie unergründlich auch immer.
Moralische Normen werden kaum angetastet,
ein Konsens herrscht über das, was im zwischenmenschlichen
Bereich (nicht in der Beziehung
zum Göttlichen) gut und böse ist, wie Altruismus
sich bewährt und Egoismus sich auswirkt.
Gestritten wird darüber, auf welchem Weg der
Mensch jeweils dazu gelangen kann und welchen
Anteil sein psychisches Innenleben daran hat.
»Gott« ist für Lessing, auch wenn er den christlichen
Glauben aufgibt, keine leere Metapher, der
Tod nicht die letzte Grenze für das Individuum.
Die Ständegesellschaft wird als etwas Gegebenes
akzeptiert, Kritik übt Lessing innerhalb seiner
Lebenswelt an konkreten Entwicklungen.
Perspektivierung: Hinter den Analysen steht
ein Bild von Lessings kritischem Potential, das
sich mittels einer von Alexander Daveson überlieferten
Anekdote am besten skizzieren lässt: »In
Braunschweig war ein Stallmeister, der ein wüstes
ausschweifendes Leben führte. Er trank,
spielte und –. Er […] gerieth in Schulden, und
brachte sich endlich durch einen Pistolenschuss
selbst ums Leben. In seiner Tasche fand man einen
Brief, voll der zärtlichsten Ausdrücke, an ein
– Freudenmädchen. Sie allein war es, um derenwillen
er die Welt ungerne verließ. – Als man von
diesem Manne sprach, seine Lebensweise tadelte,
und besonders den Umstand rügte, dass er
seine letzten Augenblicke dem Andenken einer
feilen Dirne widmen konnte, nahm Lessing die
Partei des unglücklichen Stallmeisters. ›Gerade
dieser Zug, sagte er, gerade dieser Brief, gereicht
dem Stallmeister zur Ehre. Er ist ein Beweis, daß
sein Herz noch einer aufrichtigen Anhänglichkeit
fähig war. Sie nennen dies Mädchen eine feile
Dirne. Dazu hat sie die Noth Fremden gemacht.
Wissen Sie, was die Liebe sie lehrte, dem Stallmeister
seyn?‹« (Daunicht 1971, 339 f.). Grenzüberschreitende
Radikalität in der Hinwendung
zum Einzelnen verbindet sich mit der Affi rmation
bestehender Normen. Lessing verteidigt die Ausgestoßenen,
indem er Quellen des allgemein anerkannten
»Guten« in ihnen aufdeckt.
Um die Vielseitigkeit Lessings hervortreten zu
lassen und zugleich Zusammenhänge zwischen
dem scheinbar Disparaten transparent zu machen,
werden die Werke in chronologischer Reihenfolge
besprochen. Lediglich da, wo die Befolgung
der Chronologie eine nicht mehr sinnvolle
Aufsplitterung bedeutet hätte, werden Werkgruppen
zusammengefasst: die Lyrik, die frühe Literaturkritik,
die Rettungen, die theoretischen Äußerungen
zur Schauspielkunst, die dramatischen
Fragmente. Die intendierte Nähe zum Gegenstand
forderte eine möglichst umfassende Berücksichtigung
des Oeuvres; seit den enzyklopädischen
Monographien vom Beginn des 20. Jahrhunderts
(Oehlke, E. Schmidt) werden hier viele
Werke erstmals wieder im Rahmen einer Gesamtschau
vorgestellt. Dennoch ist Vollständigkeit
nicht erreicht und nicht beabsichtigt. Viele
Jugendkomödien und die Komödienentwürfe,
philologische und kunsthistorische Studien,
das Notizbuch der italienischen Reise, der Komplex
der Collectaneen, (religions-)philosophische
Schriften vor der Veröffentlichung der Reimarus-
Fragmente, die Herausgeber- und Übersetzertätigkeit
Lessings fi nden nur insoweit Beachtung,
als sie zum Kontext eines repräsentativen Werks
gehören und zu ihm hinführen (Ausnahmen: Sophokles,
Diderot-Übersetzung). Es wird dann jeweils
vorab ein Überblick über die wichtigsten
Texte gegeben, darüber hinaus wird der Zugang
zu den herangezogenen Werken, insbesondere
den Übersetzungen, durch das Register erschlossen
(Einträge unter »Übersetzungen« und »Theatralische
Bibliothek: Auszüge«; die Stichworte
»Italienreise« und »Notizbuch der italienischen
Reise« leiten zu weiterführenden Literaturanga-
XV
ben). Der Briefwechsel diente als Grundlage für
das biographische Portrait, ist aber nicht zum Gegenstand
einer Untersuchung gemacht worden.
Die Werkanalysen sind nach einem fünfteiligen
Schema aufgebaut. Den Auftakt (1) bildet die
chronologische Orientierung, jedes Kapitel eröffnen
Angaben zum Erstdruck und zur Druckgeschichte,
die sich allerdings auf das Notwendigste
beschränken. Zur Ergänzung wird auf die Bände
des Deutschen Klassikerverlags verwiesen (Werke
und Briefe in 12 Bänden, hg. von Wilfried Barner
zusammen mit Klaus Bohnen u. a., Frankfurt
a. M. 1985 ff. = Sigle B), die zur Textgrundlage
dienen und in denen die Editionsgeschichte genau
aufgerollt wird. Es folgt (2) die Darstellung
der Entstehung, des Kontextes und der Quellen,
welcher Teil wiederum in sich untergliedert ist.
Hier werden, zugeschnitten auf das jeweilige
Werk, die für ein historisches Verständnis notwendigen
Informationen gegeben, Informationen
zur Gattungstheorie, zu literarischen Traditionen
und Formen, zu den Bedingungen des Literaturbetriebs,
zur ästhetischen Theorie, zur
Zeitgeschichte, Theatergeschichte und Kunstgeschichte,
zu Philosophie und Theologie, zur politischen
Theorie, zu gesellschaftlichen Formationen
(wie den Freimaurer-Bünden). Den Werkinterpretationen
geht (3) ein Forschungsbericht
voraus; dieser fehlt lediglich dann, wenn sich
keine Deutungstradition gebildet hat. Die Integration
von Forschungsberichten ist eine Konsequenz
aus der eingeschlagenen Perspektivierung.
Der vornehmste Zweck dieser Übersichten ist es,
auch andere Perspektiven aufzuzeigen, die Divergenz
der möglichen Ansätze und die Verschiedenheit
der Ergebnisse bewusst zu halten. Sodann
dienen sie dazu, das erreichte Diskussionsniveau
zu bestimmen und die (noch ungelösten
oder unlösbaren) Probleme herauszupräparieren,
denen sich die Analyse zu stellen hat. Die Analysen
selbst (4) wachsen aus der Auffächerung des
Kontextes hervor. In immer neuen Variationen
werden die Pole umkreist: »Anschauung« und
»Erkenntnis«, Gefühlsimpuls und rationales Ziel,
das Individuum in seiner kreatürlichen Bedingtheit
und die Ordnung des Ganzen, Sinnlichkeit
und Moralität, Natur und (göttlicher) Geist. Als
vornehmste Felder, auf denen diese Fragen aufgeworfen
werden, zeichnen sich ab: Theater und
Drama (Dramen; Schauspielkunst); theoretische
Refl exion über Möglichkeiten der Dichtung (Fabelbuch;
Abhandlungen zum Epigramm), speziell
der Tragödie (Poetik des Mitleids; Hamburgische
Dramaturgie); Literaturkritik (z. B. »Literaturbriefe
«); Philosophie (Spinoza-Gespräche)
und Theologiekritik (Fragmentenstreit; Erziehungsschrift).
Wenn die Frage nach der Koordination
von »Denken« und »Empfi nden« auf den
Inhalt der besprochenen Werke zielt, so tritt bei
den Dramenanalysen die Frage nach der Form
als ein weiterer Leitgedanke hinzu, »Form« in einem
weiten Sinn verstanden (als dramatischer
Plan, Konstruktion der Handlung). In der formalen
Organisation, so die Prämisse, prägen sich die
philosophischen Postulate (Ordnung, Zusammenhang,
Theodizee-Gedanke) mittelbar aus,
die Verdeutlichung der Handlungskonstruktion
ist deshalb ein wesentlicher Schritt der Interpretation
(z. B. Miß Sara Sampson, Minna von Barnhelm,
Nathan der Weise). Den Schluss der Werk-
Präsentationen (5) bildet die Darstellung der zeitgenössischen
Rezeption, die in der Regel bis zu
Goethe hin verfolgt wird. – Die Kapitel sind so
angelegt, dass jedes in sich geschlossen und für
sich lesbar ist, weshalb Wiederholungen nicht
ganz zu vermeiden waren. Zugleich werden
grundsätzliche epochale Zusammenhänge und
Voraussetzungen an derjenigen Stelle erörtert, an
der sich der unmittelbarste Bezug zum Werk ergibt
(z. B. die religionsphilosophischen Strömungen
im Kapitel zum Fragmentenstreit, die politischen
Theorien in den Kapiteln zu Samuel Henzi
und Ernst und Falk).
Lücken sind gleichwohl zu verzeichnen. Gerade
was die Rezeptionsgeschichte anbelangt,
fi ndet das Prinzip der Quellenorientierung Grenzen.
Ausgewertet wurde im Wesentlichen das
Material, das in neueren Editionen und Dokumentsammlungen
zugänglich ist. Damit bleibt
ein wesentliches Forschungsdesiderat bestehen:
die systematische Auswertung der in Wolfenbüttel
gesammelten Materialien zur zeitgenössischen
Rezeption. Die Lessing-Akademie beherbergt
eine Dokumentation aller Lessing-Bezüge in einem
umfänglichen Spektrum von Zeitschriften
zwischen 1749 und 1789; die Erwähnungen sind
in Kopien, die 54 Ordner füllen, festgehalten.
Auch die Wirkung im Ausland, insbesondere in
Frankreich, ist noch nicht aufgearbeitet. – Ebenfalls
verzichtet wurde auf eine Darstellung der
Editionsgeschichte, auf eine wissenschaftsgeschichtlich
orientierte Beschreibung der Werk-
Einleitung
XVI Einleitung zur zweiten Auflage
ausgaben. Hier kann wiederum auf die Arbeit der
Lessing-Akademie verwiesen werden, wo eine
Werkkonkordanz im Entstehen ist. – Schließlich:
Obgleich dem Thema »Theater im 18. Jahrhundert
und Lessings Theaterkonzeption« ein Kapitel
gewidmet ist, ist das andere Thema, nämlich
»Lessing auf dem Theater«, nicht behandelt worden.
Eine angemessene Darstellung hätte einen
Zusatzband notwendig gemacht.
Danken möchte ich insbesondere Oliver
Schütze, Metzler-Verlag, der die einzelgängerische
Arbeit immer wieder in den Dialog überführte,
sodann Edeltraud Schnappauf, Lessing-
Museum in Kamenz, die mir seltenes Quellenmaterial
zugänglich machte. Klaus Bohnen und
Arno Schilson danke ich dafür, dass sie mir großzügig
Einsichtnahme in das Manuskript ihrer
Editionen gewährten (B 7, B 10). Last not least
gilt mein Dank Meike Adam und Carola Dahmen,
die das Namenregister erstellten.
Einleitung zur zweiten Aufl age
Vier Jahre, die seit dem Erscheinen des Lessing-
Handbuchs verstrichen sind, sind eine zu kurze
Zeit, um die damaligen Ergebnisse schon wieder
zur Disposition zu stellen, zumal das Buch durchaus
seine Funktion erfüllt und sich bewährt zu
haben scheint. Deshalb bleibt es in der zweiten
Aufl age im Wesentlichen unverändert. Fehler
wurden verbessert, darüber hinaus konnten nunmehr
Lessings Werke alle nach der Ausgabe des
Deutschen Klassiker-Verlags (hg. von Wilfried
Barner), die inzwischen komplett vorliegt, zitiert
werden. Die dortigen Kommentare zu Entstehung,
Kontext und Wirkung wurden berücksichtigt
und eingearbeitet (vgl. ergänzend Kap.: Praktische
Hinweise). Die neu erschienene und gesichtete
Literatur wird am Ende jedes Kapitels in
einem eigenen Block (Ergänzungen zur zweiten
Aufl age) angeführt, meistens mit knappen Hinweisen
auf den Inhalt. Dabei sind für die Auswahl
nicht nur die (repräsentative) Bedeutung der Beiträge,
sondern auch die Grenzen der Verfasserin
bestimmend gewesen. So fehlt die Literatur zu
den nicht bearbeiteten Bereichen: zu Lessings
Briefwechsel, zur Rezeption im 19. Jahrhundert,
zur Geschichte der Lessing-Inszenierungen. –
Fortgeschritten sind mit der Zeit die Projekte der
Forschungsstellen. So ist die Werkkonkordanz
der Lessing-Akademie, die den Fundort sämtlicher
Lessing-Titel in einer Reihe umfangreicherer
Ausgaben nachweist und dabei auch die bei
Reclam erschienenen Texte berücksichtigt, inzwischen
abgeschlossen. Mit der Werkkonkordanz
verbinden sich ein Titelverzeichnis zur Ausgabe
von Lachmann/Muncker und weitere Hilfsmittel
zur editorischen Erschließung von Lessings
Werk. Informationen darüber können unter der
Internet-Adresse abgerufen werden: www.les
sing-akademie.de. Ein Schwerpunkt der Arbeitsstelle
für Lessing-Rezeption am Lessing-Museum
Kamenz (www.lessingmuseum.de) ist die Erfassung
und Dokumentation der Bestände; das
Sammlungsverzeichnis (hg. von Wolfgang Albrecht
und Dieter Fratzke) bietet eine Grundlage
für Studien im Lessing-Museum. Die von Wolfgang
Albrecht bearbeiteten Begleitbücher zur
Dauerausstellung (abgeschlossen: 2006) erheben
den Anspruch, auf einer wesentlich erweiterten
Materialbasis die von Biedermann (1924) und
Daunicht (1971) herausgegebenen Bände »Lessing
im Gespräch« abzulösen bzw. zu ergänzen
(s. Literaturhinweise: Quellen zur Wirkung Lessings).
Keine revidierte Aufl age also – gleichwohl ein
Beitrag zum Lessing-Jahr 2004. Dessen Ertrag
wird erst später feststehen, doch lassen sich die
Tendenzen der gegenwärtigen Forschung überblicken
und bündeln. Drei Richtungen bzw.
Schwerpunkte zeichnen sich ab.
1. »Lessings Grenzen« lautete das Thema einer
Tagung zu Lessings 275. Geburtstag (Wolfenbüttel;
Leitung: Ulrike Zeuch). Grenzen werden
sichtbar im Blick auf das konkrete Detail. Nach
wie vor gehen von der philologischen Detailforschung
wichtige Impulse für die Konturierung
des Lessing-Bildes aus. Dass die Erschließung
des Details so fruchtbar ist, hängt mit der Eigenart
vor allem des jungen Lessing zusammen, auf
das, was er am eigenen Leib erfährt, mittels des
XVII
Rückgriffs auf Traditionen zu reagieren. Erforscht
und konkretisiert man sowohl die biographischen
als auch die intertextuellen Bezüge, so kann im
scheinbaren Stereotyp der »Puls des Lebens«
spürbar gemacht werden. Ein Paradebeispiel ist
die Komödie Der junge Gelehrte. Fortwährend
entwerfen die Interpreten das Bild vom »gelehrten
Narren« (Košenina 2003) neu, indem sie die
Titelfi gur auf wechselnde Typen beziehen (den
Polyhistor, den eitlen Studenten, den Pedanten…).
Gleichzeitig erläutern sie die Figur und
ihren Typus von Lessings Lebenswelt in Leipzig
her, füllen die Umrisse mit den Farben seiner individuellen
Erfahrung. Nicht weniger spannend
ist der Major von Tellheim. Man hat den Typus
des Melancholikers in der Figur entdeckt und beschrieben
(Busch 2002); die Profi lierung wirft
nicht nur auf das Orientierungsmodell der Vorsehung
ein neues Licht, sondern auch auf die Nähe
des Stücks zur persönlichen Umwelt, sollen doch
sowohl der Freund Ewald von Kleist sowie Lessing
selbst nicht frei von depressiven Zügen gewesen
sein.
2. »Grenzen«: Der Blick »von außen«, aus der
Dis tanz, sieht Lessings Einbindung in zeitgenössische
Diskussionen, sieht die Begrenzung, die
zum Beispiel allein die Bindung an das damalige
philosophische Vokabular mit sich bringt. Daneben
gibt es jedoch einen anderen Blick, der,
gleichsam auf Augenhöhe mit Lessing, in dessen
eigenen Grenzziehungen den Zugriff auf ein Entgrenzendes
wahrnimmt. Immer noch, immer
wieder lässt sich die Forschung von der Diskrepanz
zwischen den fi xierbaren Inhalten der Lessingschen
Schriften und seiner knappen, andeutungs-
und anspielungsreichen Sprache inspirieren.
Es gibt kaum einen Gedanken Lessings, für
den man keine historischen oder zeitgenössischen
Parallelen fi nden kann, er greift teils anerkannte,
teils gewagte Ideen seiner Epoche auf
oder knüpft an alte, vergessene Traditionen an.
Auf der anderen Seite suggeriert seine Sprache
eine Energie, einen Impuls, der über die einzelnen
Inhalte hinausschießt und ihnen eine neue
Zielrichtung verleiht. Doch welche? In der gegenwärtigen
Forschung zeichnen sich drei Wege
ab, eine Antwort zu fi nden. Erstens arbeitet man
weiter an dem Bild von Lessing als dem Polemiker,
der gegen verschiedene Fronten kämpft und
dabei seine Argumente strategisch platziert (s.
S. 160–167). »Lessings Skandale« wird das Thema
einer zweiten Wolfenbütteler Tagung im Lessing-
Jahr sein (Leitung: Jürgen Stenzel). Einen Einblick
in das Problem vermag Peter J. Brenners
pointiertes Lessingbuch zu geben (2000). Brenner
kehrt das bisher geltende Urteil geradezu um.
Nehmen wir zum Beispiel die Goeze-Kontroverse.
Er setzt Lessing ins Unrecht gegenüber der
Regierung (272 f.); Lessing erscheint als Experimentator
und Spieler, sogar als Lügner Goeze
gegenüber (263); Goeze habe die Bedürfnisse des
bürgerlichen 18. Jahrhunderts vertreten, nicht
Lessing, der ewig Unruhige und Unruhestifter
(275); aus der Lust am Widerspruch heraus habe
er gestritten, unverbindlich, ja, beliebig seien jedoch
die bezogenen Positionen geblieben, oft beruhe
seine Rhetorik auf Blendwerk (258), ein
Beispiel für eine beispiellose »Ästhetik der Frechheit
« (259). Eine solche Kritik lässt den Religionsdisput
buchstäblich ins Leere laufen. Einen Fingerzeig
auf einen Ansatz, der dem gegenüber eine
Profi lierung der Streitgegenstände verspricht, gibt
Conrad Wiedemann (in Band 3 der Barnerschen
Ausgabe, 2003), der Lessings Widersprüche auf
epochale Zusammenhänge bezieht und das Polemische
als einen Grundzug des Zeitalters der
Aufklärung fasst, der aus der »Aufwertung der
Sinnlichkeit« resultiert.
Zweitens erkennt man in dem Gegensatz zwischen
der Begrenztheit der Standpunkte und
Lessings Sprachduktus, der ständig neue Horizonte
zu öffnen scheint, ein Verhalten gegenüber
dem Religiösen. Natürlich steht hier Lessings
Spätwerk im Zentrum, und nach wie vor ist die
Deutungsperspektive relevant, die Lessings Sprache,
verschweigend und verhüllend wie sie sei,
mit der Unerkennbarkeit des Göttlichen in Verbindung
bringt (Strohschneider-Kohrs). Einen
besonderen Akzent setzt seit dem 11. September
2001 das Drama Nathan der Weise und die Aufwertung
des Islam (Kuschel 2004). Drittens
schließlich transponieren dekonstruktivistische
und posthermeneutische Ansätze Lessing in die
Postmoderne (z. B. Müller Nielabas Nathan-Analyse,
2000). Sie überbieten gleichsam die in der
theologisch-ästhetisch orientierten Forschung angelegte
Tendenz, das Wesentliche der Texte jenseits
aller bestimmbaren Inhalte nur in den
sprachlichen Bildern zu fassen, die eine thematische
Fixierung verweigern. Entfällt die Referenz
des »Religiösen«, so bleibt das unbegrenzte
Sprachspiel, bleiben die semantischen Verschie-
Einleitung zur zweiten Auflage
XVIII Einleitung zur dritten Auflage
bungen mit ihren nicht abschließbaren Sinnproduktionen
– eine Deutungsvariante, die besonders
an der Ringparabel, die den »wahren« Ursprung
der Religionen im Dunkeln lässt, erprobt
wird.
Lessing für die Postmoderne? Lässt er sich
bruchlos in heutige Vorstellungsweisen übersetzen?
Hier behaupten die Darstellungen und Analysen
des Lessing-Handbuchs ihre Aktualität. Sie
beleuchten – in vielfältigen, von der Sache bestimmten
Variationen – die Stelle, an der Modelle
der Sinnstiftung zusammenprallen mit dem Individuellen,
dem Emotionalen und Irrationalen,
dem unbefriedigten Wünschen und Sehnen. Dabei
liegt ein starker Akzent darauf, den Zusammenhang
mit den zeitgenössischen Denkmustern
und Sprechweisen zu zeigen. Denn Lessing entfaltet
seine eigene Dynamik nur da, wo der Weg,
die inhaltlichen Referenzen auf das zeitgenössische
(rhetorische, ästhetische, philosophische,
theologische) Denken und Wissen aufzudecken,
möglichst weit beschritten wurde; auf diesen
Weg möchte das Buch führen. Dies gilt auch gegenüber
der theologischen Lessing-Interpretation
und den Ansätzen, der Ästhetik seiner Schriften
und Dramen einen religiösen Gehalt zu verleihen.
Diese Analysen müssen sich reiben an der
Spreng- und Stoßkraft, die Lessings Argumente
erhalten, wenn man sie von der philosophischen
Tradition her erschließt – ausgehend von der Spinoza-
Rezeption bis hin zum Rückgriff auf okkulte
Überlieferungen. Wo Lessings Sprache in Andeutungen
abzubrechen scheint, sieht die andere
Deutungsrichtung das psychologische Konzept
der »dunklen Perzeptionen«. Jede theologische
Deutung des Spätwerks hat bislang ihre »antitheologische
« Gegen-Deutung gefunden, ohne
dass eine die andere falsifi zieren kann – welcher
Fingerzeig könnte darin liegen? Lässt sich dieses
Phänomen für das Verständnis Lessings fruchtbar
machen?
3. Grenzerweiterungen sind schließlich in einem
spezifi schen Bereich zu verbuchen: in der Erforschung
von Lessings Wirkung, wobei vor allem
die internationale Rezeption zunehmend Aufmerksamkeit
erfährt. Einen Überblick über den
Forschungsstand gibt der Tagungsband Lessing
International – Lessing Reception Abroad (hg. von
John A. McCarthy, Herbert Rowland und Richard
E. Schade, 2001). Einen weiteren aufschlussreichen
Beitrag lässt die Dokumentation
der Tagung im Jubiläumsjahr 2004 erwarten: Mit
Lessing zur Moderne. Soziokulturelle Wirkungen
des Aufklärers um 1900 (Kamenz; Leitung: Wolfgang
Albrecht).
Besonderer Dank gebührt an dieser Stelle
Herrn Marco Schüller, ohne dessen schnelle, zuverlässige
und fi ndige Literaturrecherche und
-beschaffung die Neuaufl age nicht zu rechter Zeit
hätte erscheinen können.
Aachen, im Mai 2004
Monika Fick
Einleitung zur dritten Aufl age
Die dritte Aufl age ist eine vollständige Neubearbeitung
des Handbuchs. Leitender Gesichtspunkt
der Überarbeitung war, ergänzend zu den anthropologischen,
(religions-)philosophischen und
ästhetischen Fragestellungen, den Bezug von
Lessings Werk zu zeitgeschichtlichen Ereignissen
aufzuzeigen und so den gesellschaftlichen Wirkungswillen
des Aufklärers sichtbar zu machen.
Anlass dazu gab vor allem Hugh Barr Nisbets inspirierendes
Buch Lessing. Eine Biographie (2008)
mit seinen genauen Einblicken in die zeit- und
kulturgeschichtlichen Konstellationen, aus denen
Lessings Dichtungen und Schriften erwuchsen:
Einblicke, die nicht von der Konkretion des Textes
weg-, sondern zu ihr hinführen, da sie jenseits
ideologischer Schematisierungen und obsoleter
Konfrontationen (z. B. ›des‹ Adels mit ›dem‹ Bürgertum)
erarbeitet sind. In der Einführung zur
Aufklärung und in den Kapiteln zu dem Lustspiel
Die Juden, zur Hamburgischen Dramaturgie, zu
Philotas, Minna von Barnhelm und Emilia Galotti
treten nunmehr die (gesellschafts-)politischen
Implikationen und Intentionen deutlich
hervor; zugleich soll der Zusammenhang mit
XIX
dem neuen Menschenbild und mit Lessings religionsphilosophischem
Denken erkennbar werden.
Zu den Themen Anthropologie und Religionsphilosophie:
Der Grundgedanke der ›Aufwertung
der Sinnlichkeit‹ (Kondylis) wurde zum einen ergänzt
durch das Denkmodell des ›Perspektivismus‹
(Nisbet), zum anderen durch das der ›anthropozentrischen
Wende‹, mittels dessen Charles
Taylor den Prozess der Säkularisation neu zu
konturieren suchte (2007/09). Lessing nimmt
Profi l an als ein Aufklärer, der die anthropozentrische
Wende zwar massgeblich mitgestaltet hat,
ohne jedoch eine ihrer wesentlichen Prämissen,
den anthropologischen Optimismus, völlig zu
übernehmen (vgl. die Abschnitte zu dem Lehrgedicht
Die Religion und zu dem Herrnhuter-Fragment).
Diese Spannung teilt sich der Theodizeestruktur
seiner Dramen mit: Dem Blick auf das
›Ganze‹, in dem das ›Gute‹ zur Geltung kommen
soll, wohnt ein Moment des Glaubens, der kontrafaktischen
Entscheidung, poetologisch: des
Schöpferischen inne. Daran knüpfen wir an in
den (neu gefassten) Analysen zur Hamburgischen
Dramaturgie, zu Miß Sara Sampson, Emilia Galotti
und Nathan dem Weisen sowie zu den Spinoza-
Gesprächen. In dem Kapitel zu Laokoon
wiederum geht es darum, in dem Konzept des
Schönen und des schönen Menschen das Gegenmotiv
zu einer rationalistischen Wirklichkeitskonstitution
zu entdecken.
In einigen derjenigen Kapitel, die keine grundlegend
neue Tendenz aufweisen, wurde gleichwohl
der Anschluss an den neuen Forschungsstand
dadurch hergestellt, dass die Erschließung
der intertextuellen Bezüge, die den dialogischen
Charakter von Lessings Schriften begründen,
durch eigene Beiträge weitergeführt wurde (z. B.
Lessings Dialog mit Haller im Herrnhuter-Fragment,
seine Debatte mit Breitinger in der ersten
Abhandlung zur Fabeltheorie oder seine Positionierung
gegenüber Gellert und La Mettrie in der
Komödie Der Freigeist etc.). Weitgehend unverändert
blieben lediglich die literaturgeschichtliche
Einführung (im ersten Teil) sowie die Kapitel
zum Trauerspiel-Briefwechsel, zu dem Faust-
Projekt und den Dramenfragmenten, zu den Zerstreuten
Anmerkungen über das Epigramm und
zum Fragmentenstreit, schließlich die Darstellung
von Diderots Dramenkonzeption. Unverändert
blieben darüber hinaus fast alle Abschnitte
zu »Aufnahme und Wirkung«; nur in wenigen
Fällen (z. B. zu Philotas oder den Gesprächen
über Spinoza) machten einschlägige Publikationen
eine Revision oder Ergänzung nötig. Die
Lessing-Akademie überführt ihre umfangreiche
Dokumentensammlung zur zeitgenössischen Rezeption
Lessings (ca. 1750 bis 1800) in einen elektronischen
Katalog; Teilergebnisse sind bereits
online zugänglich (http://www.lessing-akade
mie.de; s. dort unter »Lessingtexte« im Hauptmenü).
Alle Forschungsübersichten wurden aktualisiert,
wobei selbstredend nur die wichtigsten
Tendenzen berücksichtigt und anhand repräsentativer
Beispiele vorgestellt werden konnten; soweit
möglich, sollten Argumentationszusammenhänge
transparent gemacht werden. Vollständigkeit
war kein Ziel; stichwortartige Informationen
zu Beiträgen, die nicht ausführlich referiert werden
konnten, in den Literaturverzeichnissen am
Ende der Kapitel geben zusätzliche Fingerzeige
auf die Fülle der in der Forschung thematisierten
Aspekte. Der grundsätzlichen Revision entsprechend,
wurde auch retrospektiv Literatur aufgenommen.
Das Handbuch sollte in dem Rahmen, in dem
es angelegt war, verbessert und auf den neuesten
Stand gebracht werden; darin bestand das Kerngeschäft
der Überarbeitung. Jedoch sind auch
zwei Erweiterungen anzuzeigen: Erstens werden
Lessings Jugendkomödien nunmehr ausführlich
gewürdigt (wobei wir zugleich zum Freigeist eine
neue Sichtweise vorschlagen); dazu kommt ein
Abschnitt über die Komödie im Kapitel über die
Hamburgische Dramaturgie. Zweitens haben wir,
wenngleich nur in untergeordneter Funktion, die
Collectaneen thematisiert, Lessings »Schreib- und
Denkwerkstatt« (Axel Schmitt), wobei dieser Abschnitt
(innerhalb des Laokoon-Kapitels) eher als
Anregung denn als vertiefende Darstellung gedacht
ist.
Die anderen Lücken sind geblieben. In verstärktem
Maße haben wir zwar den Briefwechsel
für die Neufassung des Kapitels zur Biographie
herangezogen, ihn jedoch nicht zum Gegenstand
einer spezifi schen Untersuchung gemacht; ein
Verzeichnis der einschlägigen Literatur fi ndet
sich am Ende des biographischen Abschnitts
(S. 54 f.). Dem Philologen Lessing wurde kein eigenes
Kapitel gewidmet (vgl. dazu Schönert
2011); neben einer Darstellung Lessings auf der
Einleitung zur dritten Auflage
XX Einleitung zur dritten Auflage
Bühne, der Rezeption im 19. Jahrhundert (vgl.
den Tagungsband Mit Lessing zur Moderne. Soziokulturelle
Wirkungen des Aufklärers um 1900,
hg. von Wolfgang Albrecht und Richard E.
Schade, 2004) und der Rezeption im Ausland
(vgl. Lessing International – Lessing Reception
Abroad, hg. von John A. McCarthy, Herbert
Rowland und Richard E. Schade, 2001) wird man
insbesondere das Thema »Lessing und die Juden
« bzw. »Lessing und das Judentum« vermissen
(vgl. dazu Willi Goetschel im Companion to
the Works of Gotthold Ephraim Lessing, hg. von
Barbara Fischer und Thomas Fox, 2005, 185–208).
Einige Hinweise gibt der Abschnitt über das Lustspiel
Die Juden; in den Kapiteln über Nathan den
Weisen und die Gespräche mit Jacobi über Spinoza
fi nden sich weiterführende Literaturangaben.
Vielen und vielfach habe ich zu danken: an erster
Stelle Oliver Schütze und dem Metzler-Verlag dafür,
dass sie die Neubearbeitung, die viel umfassender
wurde als ursprünglich geplant, ermöglichten.
Der Fritz Thyssen-Stiftung gilt mein
Dank für die gewährte fi nanzielle Unterstützung,
Magdalena Cullmann und Aneta Jalocha für zuverlässige
Hilfe bei der Literaturrecherche, beim
Korrekturlesen und der Schlussredaktion. Helmut
Berthold danke ich für die immer sachkundige
Beantwortung all meiner Fragen, die ich an
die Lessing-Akademie richtete, und den Mitarbeitern
in der Geschäftsstelle der Lessing-Akademie
für die Kooperation während meiner Bibliotheksaufenthalte
in Wolfenbüttel. Mein besonderer
Dank gilt des Weiteren den Kollegen und
Lessing-Forschern, die mir in großzügiger Weise,
zumeist noch vor der Drucklegung, Einblick in
ihre Manuskripte gewährten: Helmut Berthold,
Christoph Bultmann, Karl S. Guthke, Thomas
Martinec, Hugh Barr Nisbet, Richard E. Schade,
Wilhelm Schmidt-Biggemann, Gisbert Ter-Nedden
und ganz besonders Friedrich Vollhardt. Mit
Gisbert Ter-Nedden hat sich über den wechselseitigen
Austausch unserer Manuskripte ein jahrelanger
Dialog entwickelt; für die vielen wertvollen
Anregungen und Hinweise möchte ich an
dieser Stelle sehr herzlich danken: insbesondere
auch dafür, dass ich nicht nur Arbeiten, die sich
im Prozess der Drucklegung befanden, vorab lesen
durfte, sondern auch das wahrhaft inspirierende
Kapitel zu Minna von Barnhelm aus dem
geplanten Lessing-Buch.
Mein größter Dank richtet sich jedoch an Hugh
Barr Nisbet, der alle Kapitel mit seiner kritischkonstruktiven
Lektüre begleitete, Fragen beantwortete,
mich auf Fehler und Unstimmigkeiten
aufmerksam machte und auch auf manchen Wegen
bestärkte. Vieles konnte ich aufgrund seiner
Anregungen und Anmerkungen verbessern; was
nicht gelungen ist, habe nur ich zu verantworten.

Aachen, im April 2010
Monika Fick
(RWTH Aachen)