lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Lehrerentlastung Strategien zur wirksamen Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht
Lehrerentlastung
Strategien zur wirksamen Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht




Heinz Klippert

Beltz Verlag
EAN: 9783407254351 (ISBN: 3-407-25435-0)
288 Seiten, kartoniert, 17 x 24cm, 2006

EUR 26,90
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Pädagogische Rezepte und Mythen von Heinz Klippert !
Heinz Klippert und Hilbert Meyer lauten die Namen zweier Pädagogen, die fast jeder Lehramtsstudent und Referendar kennt. Beide schreiben pädagogische Bestseller, die seit Jahren in mehreren Auflagen erscheinen. Während Hilbert Meyer Professor für Didaktik und Schulpädagogik an der Universität Oldenburg ist, arbeitet der Diplom Ökonom und promovierte Klippert seit 1977 als Dozent am Lehrerfortbildungsinstitut der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz in Landau und im Bereich der >pädagogischen Schulentwicklung<. Bekanntheit erlangte der pädagogische Schriftsteller durch Bücher wie >Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen<, >Teamentwicklung im Klassenraum<, >Kommunikationstraining< und >Methodentraining<. Über zu geringe öffentliche Aufmerksamkeit kann sich Klippert gegenwärtig nicht beklagen, denn er ist mittlerweile ein gefragter Mann. Sieben Bundesländer haben seine Vorstellungen von Schulentwicklung zum offiziellen Programm erhoben. Außerdem gibt es zahlreiche Lehrer, Lehrerfortbildner und an Seminaren für Lehrerbildung tätige Fachleiter, also Multiplikatoren, deren pädagogische Ansichten sich ausschließlich aus Schriften Klipperts ausrichten. Sogar Schulen bezeichnen sich stolz als >Klippert<-Schulen.
In seinem 2005 erstmals veröffentlichten Buch, das ein Jahr später bereits wieder aufgelegt wird, widmet sich Klippert einem Thema, das vielen Lehrern auf den Nägeln brennt, nämlich der Lehrerentlastung. Die Aktualität des Problems und die einzelnen Belastungsfaktoren, die jeder Lehrer tagtäglich erlebt, werden von dem Pädagogen in einem ersten Kapitel paraphrasiert. Oftmals fühlen sich Lehrer mit ihren Belastungen durch Schüler, Eltern, Rektoren, Verordnungen u.a. allein gelassen, mancher leidet an einem Burn-Out-Syndrom. Klippert behauptet, dass die Probleme der Lehrerschaft >hausgemacht< seien. Aber er verspricht den Lehrern Hilfe in ihrer prekären Lage, genauer gemäß Maria Montessoris Motto >Hilfe zur Selbsthilfe<. Anstelle sich andauernd selbst zu bemitleiden oder auf ministerielle Hilfe zu warten sollen die Lehrer die Schüler mehr eigenständig arbeiten lassen und sich die Lehrer in Teams zusammenschließen, alles Antworten, die schon in den anderen Büchern Klipperts - wenn auch ausführlicher - zu finden sind. Sollte es sich beim neuen Klippert etwa um eine Werbeschrift für seine anderen Bücher handeln?
Das alte Feindbild ist für Klippert schnell ausgemacht, nämlich der lehrerzentrierte Frontalunterricht mit fragend-entwickelndem Verfahren und Lehrervortrag. Dieser Unterricht sei so Klippert überholt, stelle für den Lehrer eine außerordentliche Belastung dar, Schüler würden nicht motiviert und auch nichts lernen. Ganz anders sei dieses, behauptet Klippert, mit den von ihm propagierten Methoden. Diese würden den Lernerfolg aufseiten der Schüler erhöhen, Motivationsdefizite beseitigen, außerdem den Lehrer entlasten. Neuere empirische Untersuchungen zur Gymnasialdidaktik, die von Klippert nicht einmal erwähnt geschweige denn von ihm kommentiert werden, belegen die Notwendigkeit einer differenzierten Sicht. So hat Hilbert Meyer offen eingestanden, dass für die von Klippert propagierte Überlegenheit eines handlungsorientierten Unterrichts gegenüber dem Frontalunterricht (S. 118) keine empirischen Belege vorliegen. Auch der Hamburger Pädagogikprofessor Herbert Gudjons wehrt sich gegen eine pauschale Verurteilung des Frontalunterrichts. Eine andere von der DFG geförderte Untersuchung zur Physikdidaktik an der Universität Osnabrück und Universität Kassel kommt zu folgendem Resultat. Komplexe Themen können durch den von Klippert perhorreszierten gelenkten Unterricht - im Volksmund auch Frontalunterricht genannt - effektiver und nachhaltiger erarbeitet werden. Eine andere empirische Untersuchung unter meiner Leitung an einem Tübinger Gymnasium zum Lernerfolg und zur Motivationskraft von Klipperts Methoden im Oberstufenunterricht zeigt ebenfalls ganz andere Resultate als die von Klippert behaupteten. Schüler empfinden seine >Spielchen< wie Kugellager, Fish-Bowl u.a. als demotivierend, ineffizient und infantilisierend. Daher darf es nicht verwundern, dass die Gymnasien Klipperts pädagogischen Vorstellungen distanziert und eher ablehnend gegenüberstehen. Ein Gymnasium ist bzw. sollte m.E. eine Bildungs- und Erziehungsinstitution sein, kein Ort zum >Klippern<.
Klippert fordert von den Lehrern eine >Metareflexion< über die von ihnen benutzten Methoden und eine problemorientierte Haltung (S. 263). Aber genau dieses unterlässt er bei seinen eigenen Methoden. Zudem begeht er den Fehler Methodologie mit Technologie zu verwechseln. Davon zeugen auch die von Klippert im Buch vorgelegten Arbeitsblätter, Fragebögen und Checklisten zur Lehrerentlastung. Das pädagogische Arbeitsfeld weist eine hermeneutische Strukturiertheit auf, deren Komplexität nicht durch banale Techniken oder pädagogische Rezepte wie Losverfahren bewältigt werden kann. Pädagogisches Handeln bewegt sich in einem Spannungsfeld von planerischen und zufälligen Momenten. Klipperts Problemnivellierung zeigt auch an seiner Behauptung, die Schulleiter müssten zum Manager mutieren (S. 258). Erstaunlicherweise benötigt der Schulleiter nach Klipperts Schulleiter-Kompetenz-Tabelle keine genuin pädagogischen Fähigkeiten mehr wie pädagogisches Reflexionswissen (vgl. S. 256). Pädagogische Qualifikationen werden dadurch von dem >pädagogischen Schulentwickler< Klippert gegenüber verwaltungstechnischen Fertigkeiten an die Wand gedrängt.
Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht handelt es bei Klipperts nun in zweiter Auflage erschienenen Buch um eine eklektizistische Ansammlung von Rezepten und von empirisch bereits widerlegten Mythen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Band zeigt Mittel und Wege auf, wie Lehrkräfte, Kollegien und Schulleitungen im eigenen Regiebereich ansetzen können, um bestehende Belastungen wirksam abzubauen. Vertieft werden die betreffenden Praxistipps und Praxiserfahrungen durch mehr als 70 ganzseitige Arbeitsblätter, Fragebogen, Checklisten und sonstige Impulsmaterialien.
Aus dem Inhalt:

· Verbesserung der Arbeitsökonomie

· Grenzen ziehen und Grenzen setzen

· Entlastung durch Schülerqualifizierung

· Die Schüler als Helfer und Miterzieher

· Die Lernspirale als Motivationshebel

· Gemeinsam lässt sich mehr erreichen

· Förderung produktiver Konferenzen

· Freistellung engagierter Lehrkräfte

· Abbau bürokratischer Hemmnisse

· Ausbau des Unterstützungssystems

· Förderung von Lehrerkooperation

· Vertrauensbildende Elternarbeit

· Offensive Öffentlichkeitsarbeit

· Arbeitsblätter zur Vertiefung


Inhaltsverzeichnis
Vorwort . 9
Einleitung . 11


I. Zur Belastungssituation von Lehrerinnen und Lehrern 15

1. Alarmierende Befragungs- und Untersuchungsbefunde 16
1.1 Was Lehrkräfte imAlltag belastet 16
1.2 Wie sich die Belastungen auswirken 20
1.3 Unterschiedliche Bewältigungsmuster . 22
1.4 Strategische Schlussfolgerungen 26

2. Der aktuelle Reformdruck als Belastungsfaktor . 28
2.1 Lehren und Lernen imUmbruch 28
2.2 Ausgeprägte Arbeitsverlagerung 31
2.3 Zermürbende Rollenvielfalt . 33
2.4 Druck von außen und oben . 35
2.5 Dürftiges Schulmanagement 37
2.6 Aufreibender »Aktionismus« . 38

3. Weitere Belastungsfaktoren im Lehreralltag . 40
3.1 Schulpolitische Restriktionen 40
3.2 Einschneidender Imageverfall 42
3.3 Störendes Schülerverhalten 44
3.4 Individueller Perfektionismus 46
3.5 Mangelnde Arbeitsökonomie . 47
3.6 Strapaziöses Helfersyndrom . 49
3.7 Unzulängliche Teamfähigkeit . 50

4. Fragwürdige Versuche zur Lehrerentlastung . 53
4.1 Widersprüchliche Bildungspolitik . 53
4.2 Die Rituale der Lehrerverbände . 56
4.3 Alltagsferne Lehrerbildung . 59
4.4 Inflationäre »Therapieangebote« . 61
4.5 Frühpensionierung als Ausweg? . 63
4.6 Plädoyer für verstärkte Selbsthilfe . 65


II. Bewährte Entlastungsansätze und -verfahren . 67

1. Entlastung durch verbessertes Selbstmanagement . 68
1.1 Grenzen ziehen und Grenzen setzen . 68
1.2 Entwicklung realistischer Ansprüche 71
1.3 Sensible Zeiteinteilung und -nutzung . 73
1.4 Verbesserung der Arbeitsökonomie . 75
1.5 Feste Rituale einführen und nutzen 77
1.6 Was kann Supervisionsarbeit leisten? 80
1.7 Materialien und Tipps zur Vertiefung . 81

2. Entlastung durch gezielte Schülerqualifizierung 96
2.1 Förderung zentraler Lernkompetenzen . 96
2.2 Die Schüler als Helfer und Miterzieher . 101
2.3 Die Lernspirale als »Selbstlernskript« 104
2.4 Die Strategie der kleinen Schritte 108
2.5 Das Auslosen als Motivationshebel 111
2.6 Konsequente Reflexionsaktivitäten 114
2.7 Motivierende Unterrichtsarrangements 116
2.8 Materialien und Tipps zur Vertiefung . 119

3. Entlastung durch verstärkte Lehrerkooperation . 132
3.1 Unterschiedliche Kooperationsebenen 132
3.2 Gemeinsam lässt sich mehr erreichen . 136
3.3 Was wirksame Teamarbeit auszeichnet . 138
3.4 Effektive Teamarbeit will gelernt sein 139
3.5 Workshops als Dreh- und Angelpunkt 142
3.6 Teamarbeit als Stütze der Schulreform 145
3.7 Materialien und Tipps zur Vertiefung . 147

4. Entlastung durch intelligentes Schulmanagement . 164
4.1 Effektivierung der Konferenzarbeit . 164
4.2 Förderung produktiver Konferenzen . 167
4.3 Freistellung engagierter Lehrkräfte 171
4.4 Unterstützung der Teamfortbildung 174
4.5 Organisation von Synergieeffekten 176
4.6 Abbau bürokratischer Hemmnisse 179
4.7 Materialien und Tipps zur Vertiefung . 182

5. Entlastung durch offensive Öffentlichkeitsarbeit . 202
5.1 Vertrauensbildende Elternseminare . 202
5.2 Hospitationsmöglichkeiten für Eltern . 205
5.3 Arbeit mit Eltern- und Schülervertretern . 207
5.4 Innovationszentrierte Pressearbeit 209
5.5 Projektspezifisches »Fundraising« . 211
5.6 Informationszone für Schulbesucher 214
5.7 Materialien und Tipps zur Vertiefung . 215


III. Politische Schlussfolgerungen und Empfehlungen 233

1. Bessere Rahmenbedingungen für Lehrer 234
2. Aufstockung der Sachmittelzuweisung 238
3. Erweiterung der Selbstverantwortung . 241
4. Ausbau des Unterstützungssystems . 244
5. Förderung systematischer Fortbildung . 248
6. Erleichterung der Lehrerkooperation 252
7. Neuorientierung der Leitungsaufgaben 255
8. Neue Akzente in der Lehrerausbildung . 261
9. Fazit: Hilfe zur Selbsthilfe tut Not! 264

IV. Anhang: Einige Stimmen aus der Schulpraxis . 267

1. Interview mit drei Schulleiter/innen . 268
2. Evaluationsbefunde zumPSE-Programm . 278
3. Statements zumNutzen des Lerntrainings . 281
Literaturverzeichnis . 285
Bildquellen . 288