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Kunstgeschichte und Kirchenpädagogik Ungelöste Spannungen
Kunstgeschichte und Kirchenpädagogik
Ungelöste Spannungen




Erika Grünewald

Reihe: Kirche in der Stadt


EB-Verlag
EAN: 9783868930214 (ISBN: 3-86893-021-3)
361 Seiten, paperback, 15 x 20cm, 2010

EUR 19,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die heutige Kirchenpädagogik befindet sich in einem Konflikt. Unter dem Einfluss der Symboldidaktik und dem Bedürfnis der Kirchen, außergottesdienstlichen Besuchern eine affektiv-spirituelle Heimat zu bieten, hat sie sich von ihren kultur- und kunsthistorischen Wurzeln entfernt. Eine im Rahmen dieser Dissertation durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass über 50% der Kirchenpädagogen die Kunstgeschichte für ihre Arbeit als irrelevant erachten. Andere Umfragen belegen, dass 90% der Kirchenbesucher eben dieses Wissen suchen. Die Vernachlässigung der Kunstgeschichte in der Kirchenpädagogik wird weder dem Bildungsanspruch des heutigen Besuchers noch dem Bildungsauftrag der Kirchen gerecht.

Kunstwerk und Architektur müssen bei Führungen wieder größere Gewichtung erfahren. Weder die subjektiv-emotionale Erschließung noch die „klassische Führung" kann alleine sowohl das Objekt als auch den Besucher würdigen. Die Wirkung auf den Betrachter muss mit gestalterischen Prinzipien im Zusammenhang gebracht werden, um „die Predigt der Steine" zu verstehen. Grundlegende Instrumente der kunsthistorischen Analyse und der Raumtheorie sind in der Lage, diese Verknüpfung herzustellen. Die Aufdeckung der Wurzeln der Kirchenpädagogik verdeutlicht, dass ihr diese Verknüpfung ursprünglich zu Grunde lag. Das vorliegende Buch untersucht die Anfänge und die Wandlung in der Kirchenpädagogik und stellt geeignete Grundlagen der Kunstgeschichte für ihre Bereicherung vor.

Erika Grünewald ist Kunsthistorikerin und seit über 20 Jahren als Kirchenpädagogin und Ausbilderin von Kirchenführern tätig. Sie entwickelte die Gründungsidee für den Bundesverband Kirchenpädagogik e.V. und gab sieben Jahre lang die Mitgliederzeitschrift KirchenPädagogik heraus. Gegenwärtig leitet sie an der St. Marienkirche in Berlin-Mitte die Ausbildung zum Kirchenführer in touristisch stark besuchten Kirchen. Sie ist mitverantwortlich für die Ausbildung der Kinderkirchenführer der Evangelischen Schule Berlin-Mitte.
Rezension
Kirchen(raum)pädagogik hat Konjunktur - auch in der gegenwärtigen Religionspädagogik. Kirchenerkundungen sollen nicht länger monologische Kirchenführungen sein, die Kinder schnell unaufmerksam werden lassen, sondern Erkundungen, die interessiert entdecken lassen und Kindern einen selbstständigen und eigenverantwortlichen Zugang zum Kirchenraum ermöglichen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite thematisiert zu Recht diese umfangreiche Dissertation: Unter dem Einfluss der Symboldidaktik und dem Bedürfnis der Kirchen, außergottesdienstlichen Besuchern eine affektiv-spirituelle Heimat zu bieten, hat sie sich von ihren kultur- und kunsthistorischen Wurzeln entfernt. Eine im Rahmen dieser Dissertation durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass über 50% der Kirchenpädagogen die Kunstgeschichte für ihre Arbeit als irrelevant erachten. Andere Umfragen belegen, dass 90% der Kirchenbesucher eben dieses Wissen suchen. Die Vernachlässigung der Kunstgeschichte in der Kirchenpädagogik wird weder dem Bildungsanspruch des heutigen Besuchers noch dem Bildungsauftrag der Kirchen gerecht. Man wird also zwischen beiden Konzepten vermitteln müssen oder verschiedene Konzepte nebeneinander betreiben müssen in der Kirchen(raum)pädagogik.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Zunächst durch ihre Wurzel in der DDR geprägt, erfuhr die Kirchenpädagogik einen inhaltlichen Wandel durch die Symboldidaktik. Wie findet sie zu einem angemessenen Umgang mit Kunstwerk und Kirchenraum?
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 15

I. Inflation und Definition

A. Kirchenpädagogik zwischen Kunstgeschichte und Theologie 17

1. Kirchenpädagogik als junges interdisziplinäres Phänomen 17
2. Inflationärer Gebrauch des Wortes „Kirchenpädagogik" deutet auf fehlende Eingrenzung hin 19
3. Kirchenpädagogik belegt die Schnittmenge zwischen Kunstgeschichte, Theologie und Pädagogik 22

B. Kunstgeschichte und Kirchenpädagogen 23

1. Eine Kunstgeschichte für die Kirchenpädagogik 23
2. Erhebung zur Kunstgeschichte unter Kirchenpädagogen 25

C. Inhalt dieser Arbeit 27

1. Die Erforschung der Ansgar-Kirche in Hamburg-Langenhorn als kirchenpädagogisches Beispiel 28
2. Die Entstehung der Kirchenpädagogik 29
3. Symboldidaktik und der zunehmend katechetische Charakter der Kirchenpädagogik verdrängen die kunst- und kulturhistorische Zuwendung zum Kunstwerk 29
4. Welche Kunstgeschichte braucht die Kirchenpädagogik? 32

II. Die Erschließung der Ansgar-Kirche in Hamburg-Langenhorn: Ein kirchenpädagogisches Beispiel

A. Entstehung und Analyse der Ansgar-Kirche 34

1. Ausschreibung 35
2. Formanalyse - Stilgeschichte 38
a. Aufriss - Außenansicht der Kirche 38
b. Beschreibung des Innenraumes 42
c. Prinzipalstücke 51
3. Die verschollenen Gemälde der Anita Ree 54
4. Räumlicher Kontext 58
5. Legenden um die Ansgar-Kirche 59

B. Der Kontext der sakralen Architektur der Weimarer Republik 61

1. Architektur-historische Situation in Deutschland 61
a. Kirchenbauten halten an traditionelle Bauformen fest 62
b. Die Liturgiereform prägte 1925 bis 1933 die Grundform der Kirchen 64
c. Neue Materialien und profane Bauformen erregten Widerstand 67
d. Experimentieren mit neuen Formen 69
e. Wettbewerb mit Industriebauten wird aufgegeben 71
f. 1928-die Pressa-Kirche in Köln 72
g. 1930-die Längsbinder der Ratingener Herz-Jesu-Kirche 73
2. Die Ansgar-Kirche im Kontext der bis 1928 gebauten Kirchen Deutschlands 73
3. Die Ansgar-Kirche im Kontext der Hamburger Kirchen 1920-1931 77
a. Im Kontext der gebauten Kirchen 77
b. Die Ansgar-Kirche im Kontext der eingereichten Entwürfe 80
c. Mögliche Quellen für die Formen der Ansgar-Kirche 82
d. Materialästhetik 84
e. Kirchlicher Baustil als Ausdruck städtebaulichen Bewusstseins und räumlichen Wandels 87
f. Sozial-politischer Kontext und die Sehnsucht nach neuem Bewusstsein 91

C. Eine theologische Erschließung der Ansgar-Kirche 95

1. Absichten einer theologischen Führung 95
2. Eine theologische Erschließung der Ansgar-Kirche 97
a. Karl Barth 97
b. Das Magdeburger Kirchbauprogramm von 1928 99
c. Reduktion: Bilderlosigkeit und Bildhaftigkeit 102
d. Phänomenologischer Zugang zur Ansgar-Kirche 104

D. Die Pädagogik einer Führung 107

1. Suchen ist Sehen 107
2. Werkzeug vermitteln 109
3. Beispiele des geleiteten Sehens anhand der Ansgar-Kirche 110
4. Der religiöse Gehalt der Kirche 112

III. Entstehung und Entwicklung der Kirchenpädagogik

A. Quellen 115

B. Bildungsführungen in den Kirchen der DDR - die haptisch-räumliche Führung entsteht 116

1. Hoffmann setzte Kunst, Raum, Körper und Bewegung in Beziehung zueinander 117
2. „mit allen Sinnen" 120
3. Kirchen mit großen Besucherzahlen gerieten in den Mittelpunkt internationaler Aufmerksamkeit 124
4. Die Übertragung der Impulse aus England auf den deutschsprachigen Raum 130
5. Instrumentalisierung der Kunstwerke 133
6. Verlangsamung und Orientierung am Besucher: Bildung im Dialog 135
7. Rostock, 1982 - Die Kirchenführung als Instrument 137
8. Ganzheitlichkeit: Kirchliche Kunst in gottesdienstlicher Funktion 140
9. Arbeit an der St. Marienkirche in Berlin 144
10. Der „kirchenpädagogische Ertrag" aus der ehemaligen DDR 149

C. Beitrag der Museumspädagogik 151

1. Die Entstehung der Museumspädagogik in England 152
2. Die Übertragung der Museumspädagogik nach Deutschland 156
3. Museumspädagogik im Schnütgen-Museum in Köln 160

D. Entvölkerte Kirchen in der BRD der achtziger Jahre 162

1. Kirchbautage und der Bauboom verdrängen den Blick für sich leerende Kirchen 162
2. City-Kirchen entstehen auch in der BRD: Beispiel Hamburg 164
3. Die missionarische Doppelstrategie - Sprache finden 166
4. 1986-der Aufruf zur „Öffnung der Kirchen" 172

E. Heilsbronn 1986: Eine neuartige Kirchenführung 173

F. In Nürnberg verbinden sich Museumspädagogik und Religionspädagogik 178

G. Kirchenführungen für Schulklassen an der Marktkirche, Hannover 181

H. Die Kirchenpädagogik in Hamburg sichert religiöse Neutralität 184

I. Kirchenpädagogik etabliert sich Mitte der neunziger Jahre 189

J. Resümee 191

IV. Symboldidaktik und der zunehmend katechetische Charakter der Kirchenpädagogik verdrängen die
Orientierung am Kunstwerk


A. Ein neuer Mystizismus und das Interesse der Theologen an der Kirchenpädagogik verursachen ihren inhaltlichen Wandel 195

B. Hubertus Halbfas und die Symboldidaktik 198

1. Mircea Eliade: die kosmischen Sakralitäten Himmel, Erde, Wasser und Stein 198
2. Halbfas: Das Dritte Auge 199
3. Die vierfache Einsicht 203
4. Das Labyrinth - ein Beispiel 207
5. Die Erläuterung der Gotik durch Halbfas 208
6. Die Rezeption von Halbfas in der Kirchenpädagogik 213

C. Der liturgie-didaktische Ansatz 219

1. Vom Raum der Betrachtung zum Raum der Erfahrung 219
2. Thomas Klie - Der Religion Raum geben 221
3. Die liturgisch-didaktische Führung und die „objective correlative" 225
4. Echt stark hier! - der Ansatz von Roland Degen 229

D. Die „spirituelle Führung" gewinnt Bedeutung in der Kirchenpädagogik 233

1. Der Raum predigt 233
2. Der Ort der Kunstgegenstände wird zum Ort der spirituellen Begegnung 235
3. Die Ausbildung zum Kirchenführer festigt die „spirituelle" Führung 239
4. Die spirituelle Führung begünstigt die Vernachlässigung des Kunstwerks 241

E. Kirchenpädagogik, die Gotik und Kirchen des 20. Jahrhunderts 242

1. Die Gotik als Heimat der Kirchenpädagogik 242
2. Die Symboldidaktik erschwert den Zugang zur Moderne 246
3. „Raum" wird zur Bewegung zwischen den Gegenständen 247
4. Mangelndes kunsthistorisches Bewusstsein 249

F. Die Verwendung des Kunstwerks und der Kirchenpädagogik zur Missionierung 253

G. Die Symboldidaktische Führung agiert am Besucher vorbei 257

1. Die Studie „Kirche und Kultur" der Evangelischen Kirche von Westfalen (2001) 257
2. Bildtheologie - Forderung nach neuerlicher Bestandsaufnahme der Beziehungen zwischen Theologie und Kunstgeschichte 260
3. Evaluation der Kirchenführerausbildung der Landeskirche Hannovers 261

V. Eine Kunstgeschichte für die Kirchenpädagogik

A. Der Ansatz und die Absicht 267

1. Welche Kunstgeschichte ist erforderlich? 267
2. Von der Zweidimensionalität zur Dreidimensionalität 269
3. Theologische Komponente berücksichtigen 271
4. Eine wiederholbare und übertragbare Methodik bilden 272

B. Kirchenpädagogisch relevante Raumtheorien 272

1. Der Mensch im Raum - August Schmarsow 272
a. Die Ästhetik des Innenraums - der Kern des Organismus 273
b. Das genießende Subjekt als Ausgangspunkt der ästhetischen Betrachtung 274
c. Das körperliche Koordinatensystem ist die Grundlage aller Architektur 276
d. Phänomene im Umfeld der Kirche 279
2. Wechselnde Perspektiven im Raum - Fritz Schumacher 280
3. Der phänomenologische Raum nach Gaudenz Domenig 281
4. Der politische Raum 284
5. Perspektivischer Raum - Erwin Panofsky 286
6. Spätere Architekturtheorie weniger geeignet 288

C. Wahrnehmung am Kunstwerk 289

1. Formanalyse 289
2. Ikonographie und Ikonologie 290

D. Kulturhistorischer Kontext 292

1. Materialästhetik 292
2. Sozial-historischer Kontext und das Archiv 293
3. Gender Studies 293

E. Rezeptionsästhetik und Rezeptionsgeschichte 297

1. Rezeptionsästhetik 297
a. Die „Interaktion von Werk und Betrachter" 297
b. äußere Rezeptionsvorgaben 299
c. innere Rezeptionsvorgaben 300
d. Erzähltechnik 301
c. Dolff-Bonekämper - verkannte Vorläuferin 304
2. Rezeptionsgeschichte 305
3. Museum kontra Kult-Urort 307

F. Perspektiven auf die Theologie des Raumes 316

G. In einem Wort: Kirchenpädagogik oder Kirchenraumpädagogik? 318

VI. Kunstgeschichte für die Kirchenpädagogik: Thesen 321

VII. Zusammenfassung 325

VIII. Anhang 329


A. Forschungsstand 329
B. Wortlaut der Stellennahmen zum Wettbewerb 335
C. Achim Giering: Thesen zur „Kirchlichen Kunst als gottesdienstliche Funktion" 343

IX. Abbildungen

Abb. 1: Westansicht der Ansgar-Kirche in Hamburg-Langenhorn 39
Abb. 2: Portikus der Ansgar-Kirche 41
Abb. 3: Winteraufnahme der Ansgar-Kirche mit dekorativem Band 41
Abb. 4: Südschiff der Ansgar-Kirche 47
Abb. 5: Ansgar-Kirche, Innenansicht nach Osten 48
Abb. 6: Ansgar-Kirche, Blick nach Westen 49
Abb. 7: Ausschnitt aus dem „Lukas-Fenster" 50
Abb. 8: Ausschnitt aus dem „Markus-Fenster" 50
Abb. 9: Kreuz am Mariendom 52
Abb. 10: Kanzel der Ansgar-Kirche 53
Abb. 11: Taufbecken der Ansgar-Kirche 54
Abb. 12: Der Altarschrein von Anita Ree 56
Abb. 13: Abschlussring im Sitzungssaal 83
Abb. 14: Portikus am Seiteneingang der Kapelle 13 85
Abb. 15: Portikus am Serviceausgang der Bugenhagenkirche 86

X. Literatur 345