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Kindermuseen Strategien und Methoden eines aktuellen Museumstyps
Kindermuseen
Strategien und Methoden eines aktuellen Museumstyps




Yvonne Leonard (Hrsg.)

Transcript
EAN: 9783837620788 (ISBN: 3-8376-2078-6)
272 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, Oktober, 2012, zahlr. z.T. farb. Abb.

EUR 27,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Mittlerweile haben sich auch in Deutschland Kinder- und Jugendmuseen etabliert, deren Arbeit von unterschiedlichen Strategien und Methoden geprägt ist. Die Besonderheiten der kulturellen Handlungsräume werden in diesem Band im Hinblick auf ihre Methoden und Ausstellungspraxis vorgestellt und in Bezug auf die Anforderungen der Wissensgesellschaft kritisch reflektiert. Die Beiträge beleuchten erstmals das Arbeitsfeld »Kindermuseum« aus kulturwissenschaftlicher, lerntheoretischer, gestalterischer und raumtheoretischer Perspektive und gewähren Einblicke in die jeweiligen kuratorischen Ansätze und Profile.

Das Buch ist für die Aus- und Fortbildung im Bereich Kulturmanagement und Museumspädagogik sowie zur Konzeption von interaktiven Ausstellungen geeignet.
Rezension
Für Lehrkräfte an den Schulen bietet sich über die mehr und mehr entstehenden Kindermuseen eine zusätzliche unterrichtliche Option an außerschulischen Lernorten, die Kindern oftmals viel Freude bereiten und damit das Lernen fördern, denn hier wird mit viel Kreativität gearbeitet: Learning by Doing, Erfahrungslernen, interaktives Mitmachen, Partizipation, Kombination von Unterhaltung und Bildung ... Der hier anzuzeigende Band führt unfassend in Konzeptionen und Methoden unterschiedlichster Kindermuseen ein und gibt im zweiten Teil zahlreiche Beispiele aus der Praxis an verschiedenen Kindermuseums-Orten in Deutschland. Hier finden sich zahlreiche Anregungen für außerschulische Unterrichtsgänge.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Editorial zur Reihe

Seit den 1990er Jahren unterliegt die Kulturlandschaft im deutschsprachigen Raum einem tiefgreifenden Wandel. Die nachhaltige Kürzung oder Stagnation öffentlicher Mittel ist für die betroffenen Institutionen Bedrohung und Herausforderung zugleich. Um weiterhin erfolgreich arbeiten zu können, müssen neue Positionsbestimmungen vorgenommen und die internen Strukturen der einzelnen Einrichtung den veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Die Reihe Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement bereichert die Praxis mit zeitgemäßen Konzepten.

Interview
... mit Yvonne Leonhard

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Das Buch fragt nach den Potenzialen kindermusealer Räume und ihren spezifischen Lernarrangements. In der gerade erst entfachten Diskussion wird eine neue Perspektive aufgerissen, deren Intention auch ein Plädoyer für mehr Kindheit heute ist. Die kindermusealen Lernwelten bergen Möglichkeiten des Agierens, die nicht unmittelbar an Effekte und Techniken gebunden sind und gewinnt so jene Freiräume des intelligenten Zeitvertreibs zurück, die ihre Besonderheit auszeichnen.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Die Ausstellungspraktiken der Kindermuseen werden der Analyse unterzogen und in ihrer Verschiedenheit exemplarisch belegt. Damit gewinnt die Diskussion, die sich gegenwärtig eher auf Deskription konzentriert, eine erste theoretische Ausrichtung. Vorschläge und Hintergrundmaterial für die beginnende Theoriediskussion des Kuratierens von Kinderausstellungen fließen in museale Vermittlungspraktiken ein, wie die Fragen nach der Konjunktur des Kreativen oder nach einer Architektur des Unvorhersehbaren.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
In der gegenwärtigen Diskussion über Qualitätsstandards der kulturellen Bildung werden Perspektiven aufgezeigt, um die Bedeutung von Wissen und dessen Arrangements in musealen Räumen für Kinder neu auszurichten. Interaktionsmuster werden hinterfragt, um Methoden des Kuratierens zur Diskussion zu stellen. Dabei geraten Transformationsmodelle ebenso in das Blickfeld der Diskussion wie Lernarrangements. Beide weisen eine wissenschaftliche Lücke auf, deren Potenziale oftmals ungenutzt bleiben.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Natascha Adamowsky und Gottfried Korff.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Das erste Buch über Methoden des Kuratierens in Kindermuseen, das die ganze Bandbreite, die Visionen und Potenziale dieses Museumstyps abbildet.

Autoreninfo
Yvonne Leonard ist 1. Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Kinder- und Jugendmuseen. Sie arbeitet als Ausstellungskuratorin für das Neue Universum Kindermuseum Berlin e.V. und für verschiedene Kulturinstitutionen und Museen, zuletzt für die Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Physik). Sie plant, entwickelt und realisiert vor allem interaktive Ausstellung mit naturwissenschaftlichen und wissenschaftsgeschichtlichem Schwerpunkt für Kinder und Jugendliche, die in Deutschland und im Ausland gezeigt werden. Darüber hinaus hat sie zum Thema »Transformation von Wissen in Ausstellungen« auch immer wieder theoretisch gearbeitet.
WWW: www.bv-kindermuseum.de

Schlagworte
Kindermuseum, Museologie, Museumspädagogik, Interaktive Ausstellung, Ausstellungspraxis, Wissenstransfer von Objekten und Räumen

Adressaten
Kulturwissenschaften, Kulturmanagement, Museologie, Museumswissenschaften, Kunstgeschichte sowie die museumspädagogische Praxis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung | 9

METHODEN

Den Blick verändern
Kuratorische Methoden in Kindermuseen
Yvonne Leonard | 25

Rhetorik des Kreativen
Beobachtungen zum Kindermuseum
Karen van den Berg und Markus Rieger-Ladich | 39

Kreativität — Erläuterungen zu einem unscharfen Anforderungsprofil
der Gegenwartskultur
Ein Gespräch mit Andreas Reckwitz | 51

Learning by Doing
Ein pragmatischer Blick auf Lernen, Erfahrung und Identität
Jürgen Oelkers | 57

Sehen, Lernen, Wissen — TO SEE IS TO KNOW?
Ausstellungen als Wissens- und Erfahrungsräume
Gisela Staupe | 69

Reflexionen zur Entwicklung partizipativer Ausstellungen zum Thema Spiel
Gretchen Jennings | 79

Partizipation in Ausstellungen für Kinder und Jugendliche
Georg Frangenberg | 93

Sieben Fragen zur Gestaltung
Beantwortet von Ursula Gillmann
Gestellt von Cornelia Brüninghaus-Knubel und Yvonne Leonard | 103

Zwischen Wolkenkuckucksheim und Raumlabor
Von Kindern und Räumen zum Lernen
Helga Schmidt-Thomsen | 113

BEISPIELE AUS DER PRAXIS

Der Kleinkinderbereich »Licht und Luft«
im KL!CK Kindermuseum in Hamburg
Margot Reinig | 129

Kindermuseum auch für Erwachsene?
Kulturelle Vielfalt und Identität im Kindermuseum mondo mio!
Elisabeth Limmer | 137

Nicht ohne einander
Das kinder museum frankfurt und sein historisches museum frankfurt
Susanne Gesser | 143

Erwachsenwerden ist nicht schwer …
Das JuniorMuseum im Rautenstrauch-Joest-Museum —
Kulturen der Welt, Köln
Peter Mesenhöller | 153

Themen wagen im Kindermuseum — Sag, was war die DDR?
Eine Ausstellung zur Zeitgeschichte für junge Menschen
im Kindermuseum des FEZ-Berlin
Stefan Ostermeyer und Claudia Lorenz | 161

Kinder- und Jugendmuseen — Orte für nachhaltige Bildungsarbeit?
Praxisbeispiel: EnergieStadt in Leverkusen
Ute Pfeiffer-Frohnert und Bert Gigas | 167

Wenn die Besucher ins Zentrum treten
Kindermuseen in der gegenwärtigen Museumslandschaft
Sabine Radl | 177

Neues Universum Berlin: Kinder willkommen!
Maren Ziese | 187

Sammlungen im Kindermuseum
Weshalb, was und wie
Annette Beyer und Yvonne Richter | 195

miraculum — das kleine Wunder in Ostfriesland
Entwicklung und Wirkung des Kindermuseums Aurich
Rainer Strauß | 201

Zwischen Bildungsanspruch, Unterhaltungserwartung
und der Suche nach einer besseren Welt
Gedanken zum Selbstverständnis eines Kindermuseums
Urs Rietmann | 209

GESCHICHTE

Kindermuseen in Deutschland
Eine Geschichte mit vielen Wurzeln
Wolfger Pöhlmann | 223

Initiative Kindermuseum
Ein neuer Kulturort im Trend der Zeit?
Wolfgang Zacharias | 231

Kinder und Museum
Gabriele König | 243

ANHANG

Autoren | 255
Kinder- und Jugendmuseen in Deutschland, Österreich und der Schweiz
(Auswahl) | 263



Einleitung
Die Frage nach den Bildungsgehalten und Vermittlungspotenzialen, die Kindermuseen
bieten, hat in den letzten Jahren, besonders aufgrund der intensiven
Diskussion um die Wirkung kultureller Bildung für die Zukunftsgewinne von
Kinder- und Jugendbiografien, zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit
diesem Museumsmodell geführt. Dennoch fallen die Kindermuseen aus museologischen
Diskursen bis heute weitgehend raus. Methoden und Praxis werden
in Deutschland, wenn überhaupt, nur am Rande beforscht, anders als in
den USA und England. Noch immer werden Kindermuseen als Zweig pädagogischer
Lernveranstaltungen verstanden, für die kuratorische Fragen scheinbar
nicht weiter von Bedeutung sind wie etwa die nach dem Erkenntnisgehalt von
Objekten und der Visualisierung von Wissen, das ganz stark mit Handlungen
verknüpft ist, oder nach deren Verräumlichung in Ausstellungsräumen. Auch
wenn das junge Publikum heute weit mehr als je zuvor in den großen Museen
mit eigenen Führungen, Audioguides, Kinderstrecken usw. berücksichtigt wird,
hat der kindermuseale Raum ganz eigene Qualitäten, die sich in seinen Raum-,
Zeit- und Rezeptionsstrukturen abbilden. Das Kindermuseum ist eben nicht nur
ein Bildungs- und Lernort, sondern es ist als Museum ein Plädoyer für die Kindheit
und für den Eigensinn der Kinder, die anders sind als die Erwachsenen.
Mit der Aufsatzsammlung dieser Publikation soll zum ersten Mal dieser
Museumstyp aus der Perspektive kuratorischer Methoden und Absichten befragt
und anhand von Beispielen aus der Praxis dargestellt werden. Dass diese
nicht ohne Probleme und Widersprüche sind, versteht sich fast von selbst. Im
Hinblick auf die Qualifizierung kindermusealer Strategien und Modelle leistet
die Publikation einen ersten Schritt zu einer methodischen Diskussion. Um
jene Praktiken der Wissensvermittlung befragen zu können, liefert der erste
Teil des vorliegenden Bandes Hintergrundmaterialien, die die Begriffsraster,
mit denen die kuratorische Praxis vielfach begründet wird, ordnen und konturieren.
Sie zielen auch darauf, Denkanstöße zu liefern, um verfestigte Kriterien,
die zum Affirmativen neigen, neu zu denken und die Konstruktion Kind und
Museum, die die Grundlage kindermusealer Selbstdefinition bilden, selbst zu
überprüfen.
Im Rückblick auf die Entwicklung der Kindermuseen in Deutschland seit
ihren Gründungsjahren wird deutlich, wodurch sich dieser Museumstyp von
anderen unterscheidet, wie verschieden Methoden und Arbeitsweisen sind und
wieso die Koppelung von Museum und Lernort beim Rekurs auf das Interaktive
durchaus ihre Tücken hat.
Als vor 20 Jahren die ersten Kindermuseen in Deutschland gegründet wurden,
orientierten sie sich noch an den nordamerikanischen Vorbildern, obwohl
diese für ein deutsches Publikum schon damals eher ungewöhnlich anmuteten.
Die Unbekümmertheit, mit der man in den USA künstliche Welten auf
Kinderformat zuschnitt und ein Museum mit Feuerwehr, Zahnarztstuhl und
bunten Plastikimitaten ausstattete, befremdete die museal geübten europäischen
Seh- und Rezeptionsgewohnheiten doch. Und so übernahmen die deutschen
Versionen vornehmlich die Interaktivität und das Lernmodell »Learning
by Doing«. Allerdings sah sich das amerikanische Erfolgsmodell in seiner deutschen
Ausführung sehr schnell mit einer Diskussion konfrontiert, die die Intention,
ein Museum ausschließlich auf die Bedarfsstrukturen der Besucher hin zu
öffnen, für lange Zeit immer wieder infrage stellen sollte. Die Zielpublikumsorientierung
ging einher mit dem Ausschluss des Sammelns und Forschens
aus dem tradierten musealen Kanon, und die Frage »Was ist ein Museum?«
konnte mit der Zielgruppenfestlegung eigentlich nicht hinreichend beantwortet
werden. Auch mit den möglichen epistemischen Ordnungen der Dinge, die
eine Vielzahl von Anordnungen des Wissens, der Klassifikationen und ihrer
Vermittlung repräsentieren, konnte das Kindermuseum schließlich nicht dienen.
Diese musealen Dingwelten und Ordnungsstrukturen wurden hier durch
populäre Hands-on-Formate ersetzt, die sich an ein breites, zumal besonders
junges Publikum wendeten. So wurde der festgelegte museale Raum, in dem
sich ein ausgewähltes Klientel wohl, sicher und aufgenommen fühlte, für marginalisierte
Gruppen geöffnet: Kinder jeden Alters und jeder kulturellen und
sozialen Herkunft und ihre Familien. Die Kindermuseen sammelten Ideen des
Unkonventionellen und Inhalte des Banalen und schufen mit ihren räumlichen
Anordnungen eine museale Handlungsplattform für heterogene soziale Gruppen.
Darüber hinaus verlangten sie weder Kennerschaft noch setzten sie besonderes
Wissen voraus ...