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Kinder des Koran
Was muslimische Schüler lernen
Constantin Schreiber
Econ Verlag
EAN: 9783430202503 (ISBN: 3-430-20250-7)
298 Seiten, paperback, 13 x 20cm, Mai, 2019
EUR 18,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Wer muslimische Gesellschaften besser verstehen will, muss sich ansehen, welche Werte deren Schulbücher vermitteln. Welches Verhältnis zu anderen Religionen, beispielsweise zum Judentum, wird dort gelehrt? Welches Frauenbild herrscht vor? Spielt die Religion wirklich nur im Religionsunterricht eine Rolle, oder zieht sie sich vielleicht sogar durch fast jedes andere Fach?
Constantin Schreiber, Fernsehjournalist und Kenner der Region, hat Schulbücher aus fünf islamischen Ländern unter die Lupe genommen. Er stieß auf Geschichtsklitterung und Antisemitismus, auf eine Überhöhung des Islam und eine -zum Teil hasserfüllte- Ablehnung des Westens. Sein Buch vermittelt einen anderen Blick auf die Welt.
Rezension
Schulische Bildung ist ein Meilenstein für den Weg des Einzelnen auf seinem Weg vom Kind zum Erwachsenen. Neben reiner Wissensvermittlung soll Schule auch Erziehungsarbeit leisten, also u.a. Werte und Normen vermitteln.
Insbesondere um den letztgenannten Punkt geht es im vorliegenden Buch von Constantin Schreiber. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Journalist und Moderator ist er ein ausgewiesener Kenner der arabischen Welt. In diesen Ländern folgen die mit Abstand meisten Menschen dem Islam. In einigen Ländern herrscht Krieg und Elend; viele Menschen kehren ihrer Heimat den Rücken und fliehen nach Europa und suchen dort ein sicheres, besseres Leben.
Er stellt sich die Frage: was lernen muslimische Schüler in ihren Heimatländern und könnte in den unterschiedlichen Sichtweisen ein Grund liegen, dass Integration immer wieder auch an Grenzen gerät?
Grundlage der Betrachtungen sind diverse Schulbücher, unterschiedlicher Fächer und vom Lerninhalt für verschiedene Altersstufen geschrieben. Beispielhaft nimmt er fünf Schulbücher aus Afghanistan, dem Iran, Ägypten, Palästina und der Türkei genauer unter die Lupe. Es handelt sich um Bücher für die Fächer Religion (Afghanistan, 10. Klasse), Ethik (Iran, 9. Klasse), Geschichte (Ägypten 6. Klasse), Arabisch (Palästina, 10. Klasse) und Sozialkunde (Türkei, 6. Klasse), also sprachlich und gesellschaftswissenschaftlich orientierte Fächer. Hier lässt sich besonders gut ergründen, wie es die staatlichen Bildungsorganisationen mit einer freiheitlich-demokratischen Erziehung zu mündigen Bürgern halten.
Constantin Schreiber führt zunächst kurz in die schulische Erziehung der ausgewählten Länder ein und begründet, warum er unter einer Vielzahl zur Verfügung stehender Literatur sich für das zu betrachtende Lehrwerk entschieden hat. Erste Hinweise auf einzelne Passagen des Buches ergänzen die Einführung zum jeweiligen Buch. Danach erfolgt die Wiedergabe längerer Passagen aus dem jeweiligen Schulbuch in deutscher Übersetzung aus der jeweiligen Landessprache. Diese Übersetzungen wurden zumeist durch zertifizierte Übersetzer erstellt. Der Leser ist somit in der Lage, originalgetreuen Text nachzuvollziehen.
Nach der Darstellung des jeweiligen Originaltextes, werden die Lerninhalte kommentiert. Hierbei wirkten mit Juliane Schwanewedel und Susanne Lin-Klitzing zwei erfahrene Bildungsexpertinnen mit. Das Buch wird überprüft und bewertet im Hinblick auf Objektivität des Inhalts bzw. auf den Grad der Manipulation, der Schüler*innen in den jeweiligen Ländern ausgesetzt werden.
Das Resümée fällt indes ernüchternd aus, denn keines der Bücher genügt den Ansprüchen hinsichtlich säkularer, politisch neutraler und auf das Ziel einer Erziehung zu mündigen Bürgern hin ausgerichteten schulischen Unterrichts.
Mein Fazit:
Das Ergebnis der Betrachtungen von Schulbüchern aus islamisch geprägten Staaten fällt nicht überraschend aus. In allen Büchern wird manipuliert, indoktriniert, Politik gemacht. Soweit das Urteil der Expertenrunde. Es ist natürlich gut nachvollziehbar, wenn Integration in das Wertesystem der westlichen Demokratien einem Paradigmenwechsel gleichkommt und sich schwierig gestaltet. Insofern leistet das Buch einen guten Dienst zum Verständnis dessen, was junge Menschen in ihren Heimatländern gelernt haben (bzw. lernen mussten). Das wiederum kann und muss Berücksichtigung finden, wenn es darum geht erfolgreiche Integrationsarbeit zu leisten - Geduld ist auf jeden Fall gefragt!
Dennoch: manche Kritik an den Schulbüchern ist sachlich ohne weiteres nachvollziehbar und wirkt dennoch "bemüht". Der Iran trägt als Staatsbezeichnung den Titel "Islamische Republik Iran". Ist es da wirklich verwunderlich, wenn in einem werteorientierten Fach wie Ethik die Nähe zum Koran immer wieder das Credo darstellt?
Im Sozialkundebuch aus der Türkei wird bemängelt, dass es sachlich richtig Demokratie als freiheitliches System mit seinen Prinzipien darstellt und die Schüler*innen gar zum selbstständigen Nachdenken anregt. Aber das System der Türkei unter der Führung seines derzeitigen Staatspräsidenten läuft tatsächlich in eine andere, eher autorkratisch ausgerichtete Richtung. Das wird im Schulbuch nicht angesprochen.
Ich schließe mich vollinhaltlich der Kritik am "demokratischen" Weg unter Präsident Erdogan an - aber: kann ein Schulbuch leisten, dass es inhaltlich ein System "ordentlich" darstellt und sofort wieder anhand konkreter Beispiele des "eigenen" Staates in Frage stellt? Nicht nur, dass staatliche Bildungsstellen und deren Gutachter hier wohl ihr Veto einlegen würden, auch würde es eine/n Sechstklässer*in kognitiv überfordern.
Auch kann ich mir beim Ägyptischen Geschichtsbuch für die 6. Klasse nur schwerlich vorstellen, dass ein/e 11/12-jährige/r Schüler*in dem sprachlichen Darstellungen gewachsen ist. Verständnis zu entwickeln bedeutet Verstehen. Alleine hier dürfte es schon haken und alle weiteren Betrachtungen würde ich eher theoretischer Natur zuordnen.
Trotz dieser Einwände: die Ziele des Buches sind für die Praxis relevant. Die Kritik an der Verwendung erheblicher finanzieller Zuwendungen im Rahmen der Entwicklungshilfe für Zwecke, die den hiermit verbundenen Vorstellungen zuwider laufen, sind aus meiner Sicht gerechtfertigt. Auch die inhaltliche Kritik an der Darstellung und Ausgestaltung des Lerninhalte.
"Da steh ich nun ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor." (Goethe).
Das Problem ist aufgezeigt und erkannt - aber wie umgehen in der alltäglichen Praxis - welche Konsequenzen bedeuten die Erkenntnisse für die Praxis? Sicher dürfte nur eines sein - einfache Lösungen gibt es nicht. Überzeugen durch Überzeugung - leicht gesagt, in der aktuellen Situation sind gangbare praktische Lösungen um so wichtiger!
Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Was muslimische Schüler lernen
Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen, mangelnde Vorstellungen von Gleichberechtigung, ein anderes Verständnis von Demokratie und Religionsfreiheit – manche Muslime geben nichts auf die liberalen Werte des Westens. Doch woher kommt das? Eine mögliche Antwort: weil junge Muslime es so lernen.
Constantin Schreiber nimmt Schulbücher in der islamischen Welt unter die Lupe, unter anderem aus dem Iran, der Türkei, Afghanistan, Saudi-Arabien. Was wird dort im Religions- oder Geschichtsunterricht gelehrt? Was lernen Schüler über Philosophie? Schreiber spricht mit Lehrern, Eltern und Schülern und stellt fest: In einigen Ländern sind Schulen kein Ort der Bildung, sondern Orte der Ideologisierung. Junge Menschen lernen dort, die Welt mit anderen Augen zu sehen, als wir es im Westen tun. Und das hat auch Auswirkungen auf Deutschland und Europa.
Constantin Schreiber (*1979) moderiert die »Tagesschau« und das ARD-»Nachtmagazin« sowie das NDR-Medienmagazin »zapp« und berichtet vertretungsweise als ARD-Korrespondent aus dem Studio Kairo. Er spricht fließend Arabisch. Einen Namen gemacht hat er sich als Moderator von arabischen TV-Sendungen, zum Beispiel in Ägypten. Für die deutsch-arabische Talkshow »Marhaba – Ankommen in Deutschland«, in der er Flüchtlingen das Leben in unserem Land erklärt, wurde er 2016 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Schreiber arbeitete nach Abschluss seines Jura-Studiums mehrere Jahre als Reporter in Beirut und Dubai. Er ist Herausgeber der Schriften des saudischen Bloggers und Sacharow-Preisträgers Raif Badawi, der wegen freier Meinungsäußerung inhaftiert ist. Mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung setzt er sich für unterkulturellen Austausch im In- und Ausland ein.
Inhaltsverzeichnis
Einführung 7
Kinder Afghanistans 13
Kinder des Iran 51
Kinder Ägyptens 119
Kinder Palästinas 177
Kinder der Türkei 219
Resümee 267
Danksagung 285
Anmerkungen 287
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