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Kants ethische Didaktik
Lutz Koch
Ergon Verlag Online
EAN: 9783899132724 (ISBN: 3-89913-272-6)
441 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, 2003
EUR 49,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“, so lautet Immanuel Kants berühmte Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung?“ aus dem Jahre 1784. Der Beitrag des Denkers zur Philosophie ist vielfach gewürdigt wurden. Seine allgemein pädagogischen Positionen sind von Vertretern einer transzendentalkritischen Pädagogik in den 1970er Jahren elaboriert worden. Kants didaktischen Vorstellungen wurden dagegen bisher nicht systematisch analysiert. Diese Lücke in der erziehungswissenschaftlichen Kant-Forschung wird mit dem umfassenden Werk „Kants ethische Didaktik“ (2003) von Lutz Koch geschlossen. Der Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Bayreuth, welcher bereits seit den 1960er Jahren zu Kants Pädagogik publiziert, gehört zu den wenigen Wissenschaftlern im deutschsprachigen Raum, die sich angesichts einer zunehmenden Empirisierung der Erziehungswissenschaft noch einem kantischen und damit erziehungsphilosophischen Ansatz in der Pädagogik verpflichtet sehen.
Koch verfolgt in seiner Abhandlung die Intention, Kants „ethische Didaktik“, seine „Methodik der moralischen Bildung nach ihren Grundlagen, Hauptschritten und systematischen Zusammenhängen dar[zu]legen" (S. 11). Der Begriff „ethische Didaktik“ soll nach Koch „Kants gesamte Moralpädagogik“ bezeichnen (S. 13). Dabei wird von dem Erziehungswissenschaftler ein „weiter Lernbegriff“ zugrunde gelegt, der „neben der Aneignung begrifflicher Einsichten auch die Übung der für die konkrete Handlung erforderliche Urteilskraft, der Energie und Widerstandskräfte umfaßt“ (S. 13). Ausdrücklich kritisiert Koch die „positivistische“ Werteerziehung; eine Auffassung von Werten als „statische Entitäten“ lehnt er unter Verweis auf die ‚klassische‘ Wert-Kritik Martin Heideggers in dem „Brief über den Humanismus“ (1946) ab (S. 31f.).
Zu Recht weist Koch darauf hin, dass sich die Kantische Moralpädagogik in keinster Weise durch die alleinige Auswertung seiner „halbauthentischen“ Pädagogikvorlesung, welche von seinem Schüler Theodor Rinks überliefert wurde, gewinnen lässt. Voraussetzung für eine fundierte Analyse Kantischer Moralpädagogik ist die Heranziehung seiner moralphilosophischen, ästhetischen, religionsphilosophischen und staatstheoretischen Schriften, also de facto des gesamten Oeuvres Kants. Koch Ausführungen zeugen von exzellenter Kenntnis der Kantischen Schriften und der Kant-Philologie. So interpretiert der Bildungsphilosoph beispielsweise Kants Zwei-Welten-Lehre nicht als einen metaphysischen Dualismus. Zum besseren Verständnis Kantischer Moralpädagogik gibt Koch zudem in seinem Werk ein Kapitel über die „Grundlagen“ Kantischer Ethik, das sich meines Erachtens auch als Einführung in die Kantische Moralphilosophie eignet. Dabei räumt Koch mit manchem in der Literatur verbreiteten Missverständnis über Kant auf, zum Beispiel mit dem Intellektualismusvorwurf. Die oft betriebene Reduktion Kantischer Ethik auf ihr deontologisches Moment wird von dem Erziehungswissenschaftler als einseitig zurückgewiesen. Koch kann belegen, dass auch Gefühlen und Tugenden ein wichtiger Stellenwert in Kants Moralpädagogik zukommt.
Die Frage nach der Aktualität Kantischer Moralpädagogik für die gegenwärtige Philosophiedidaktik lässt sich aber nur beantworten durch die Klärung des Problems, ob eine „Pädagogik innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (S. 399) möglich ist. Mit anderen Worten geht es um die Frage, ob Pädagogik, wie es der Neukantianer Paul Natorp schrieb, „konkrete Philosophie“ ist. Daran schließt sich nämlich die Frage an, ob Gesetze menschlicher Bildung, wie Kant und seine neukantianischen Protagonisten es anstrebten, philosophisch bestimmt werden können. Schon von den ersten Protagonisten Geisteswissenschaftlicher Pädagogik Rudolf Lehmann und Max Frischeisen-Köhler wurde dieses durch Verweis auf die empirisch-philosophische Doppelstruktur der Pädagogik zurückgewiesen. Auch wer Kochs erziehungsphilosophischen Ansatz nicht teilt, wird zugestehen müssen, dass seine Ausführungen zu Kant die Komplexität moralischer Bildung sehr gut demonstrieren.
Fazit: Jedem Philosophie- und Ethiklehrer, der sich wissenschaftlich fundiertes Wissen zu Kants Ethik und zu seiner Moralpädagogik aneignen möchte, sei das Buch von Koch „Kants ethische Didaktik“ aus dem „Ergon Verlag“ zur Lektüre empfohlen.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Zitierweise, Abkürzungen 7
Vorbemerkung 9
I. Einleitung 11
1. Kants Provokationen 11
2. Kants Aktualität 26
II. Grundlagen 37
3. Praktische Gesetze 37
4. Der ethische Formalismus 53
5. Freiheit 63
6. Das Vernunftfaktum 69
7. Autonomie 75
8. Gut und Böse 81
9. Person und Würde 86
10. Moral und Metaphysik 94
11. Die didaktischen Formeln des kategorischen Imperativs 98
III. Die Aufgabe 107
12. Moralität und Tugend 107
13. Die Lehrbarkeit der Tugend 114
IV. Ethische Dogmatik 121
14. Ethische Pflichtenlehre: Tugend und Laster 121
15. Ethische Pflichtenlehre: Rechts- und Tugendpflichten 125
16. Die Pflichten gegen sich selbst 129
17. Die Pflichten gegen andere 145
18. Katechetik 163
19. Kasuistik 173
20. Exemplarik 181
V. Moralische Motivation 189
21. Der Archimedische Punkt 189
22. Das moralische Interesse 217
23. Die Achtung 226
24. Das Gewissen und seine Bildung 244
25. Negative Darstellung 250
26. Die exemplarische Methode 260
27. Kants Explosionstheorie (Revolution und Reform) 272
VI. Moralische Asketik 299
28. Einleitung 299
29. Ertragen und Entsagen 303
30. Das fröhliche Herz 309
VII. Übergänge 315
31. Einleitung 315
32. Die ästhetische Tugendpforte 316
33. Exkurs zum sensus communis 324
34. Erhebung und Ermutigung 331
35. Die Religion des guten Lebenswandels 339
36. Moralische Politik 357
VIII. Zusammenfassung 375
Literatur 401
Personenregister 417
Sachregister 423
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