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Kant - Pädagogik und Politik
Lutz Koch
Ergon Verlag Online
EAN: 9783899134377 (ISBN: 3-89913-437-0)
143 Seiten, kartoniert, 16 x 22cm, Oktober, 2005
EUR 22,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Gegenwärtig erfährt die moderne Erziehungswissenschaft eine Empirisierung ihrer Forschungsgebiete. „Empirische Bildungsforschung und Schulentwicklung“ lauten neuerdings viele Stellenausschreibungen. Bildungstheoretische Fragestellungen werden sowohl in der Allgemeinen als auch an der Schulpädagogik an den Rand gedrängt. „Die Verabschiedung vom philosophischen Denken führt direkt in die Instrumentalisierung der Vernunft“(S. 139), kritisiert der Nestor transzendentalkritischer Pädagogik, der emeritierter Pädagogikprofessor Marian Heitger. Die moderne empiristische Erziehungswissenschaft fördert, so sein Vorwurf, die „schleichende Funktionalisierung des Menschen“(S. 142) und wird damit dem von Immanuel Kant geforderten Projekt „Aufklärung“ nicht gerecht.
Anlässlich des 200. Todestages des Königsberger Philosophen fand im Jahre 2004 eine Tagung mit dem Titel „Kant – Pädagogik und Politik“ statt, deren Beiträge im sechsten Band der Reihe „Systematische Pädagogik“ im „Ergon Verlag“ erschienen. In den einzelnen Aufsätzen beleuchten die Erziehungswissenschaftler die Aktualität Kantischer Einsichten. So gibt der Bayreuther Pädagogikprofessor Lutz Koch einen hervorragenden Überblick über „Kants Revolutionen“. Kants (erkenntnis)theoretische Revolution ist u.a. für die Didaktik bedeutsam. Wenn Erkennen kein Abbilden mehr ist, sondern ein aktives Generieren von Gegenständen, dann kann Lernen kein Übertragen sein, sondern ein „Erzeugen des zu Lernenden und Lehren die Anregung zur Selbsterzeugung der Erkenntnis durch den Lernenden“(S. 13). Diese Erkenntnis schreiben sich neuerdings Vertreter einer Konstruktivistischen Didaktik auf die Fahnen. Sie wurde aber bereits von den neukantianischen Erziehungsphilosophen Paul Natorp um 1900 formuliert und in der educativ-konstruktiven Didaktik Fritz Losers in den 1960er Jahre aktualisiert. Auch die praktischen Revolution Kants besitzt nach Koch Bedeutung für pädagogisches Handeln, genauer für die moralische Bildung. Ausdrücklich wendet er sich gegen eine „Führungspädagogik“, die dem Modell der „Wertübernahme“ folgt (S. 16). Demgegenüber verweist Koch auf die von ihm so bezeichnete „ethische Didaktik“ Kants (vgl. meine Rezension unter lehrerbibliothek.de): „Die ethische Didaktik hat [...] darauf zu setzen, daß der Einzelne über sich nachdenkt und den Kompaß seines Lebens in sich findet.“ (S. 16) Neben der theoretischen, der praktischen und der ästhetischen Revolution lässt sich Kant, so Lutz, deshalb eine „pädagogischer Revolution“ ausmachen. „Die Pädagogik wird beides zu berücksichtigen haben und sich nicht nur mit didaktischer Anpassungstechnik an gesellschaftliche Erwartungen und politische Vorgaben zu frieden geben dürfen, sondern sich zugleich als Befreiungskunst ausbilden müssen“(S. 21).
Hilfestellung dazu könnte eine „transzendentalkritische Medienpädagogik“ leisten, wie sich der Bonner Pädagogikprofessor Volker Ladenthin vorstellt. Der Erziehungswissenschaftler versteht unter Medienpädagogik nicht Theorie und Praxis von Unterrichtsmedien, sondern im Anschluss an Kant eine „Theorie der Öffentlichkeit [...] unter pädagogischen Gesichtspunkten“(S. 98). Im Zentrum dieses Ansatz rückt Ladenthin das Prinzip der Narrativität, denn das Erzählen zum Beispiel von Märchen ermöglicht kulturelle Differenzen und Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen.
Fazit: Der Band „Kant – Pädagogik und Politik“(2005), herausgegeben von Lutz Koch und Christian Schönherr, unterstreicht sowohl die Aktualität einer der Aufklärung verpflichteten Pädagogik als auch die Notwendigkeit, philosophische Reflexionen in der Allgemeinen Pädagogik, in der Didaktik und in der Schulpädagogik nicht zu marginalisieren.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
KURZTEXT
Aus Anlass des 200. Todestages von Immanuel Kant fand im Juni 2004 ein mehrtägiges Symposion zum Thema Kant - Pädagogik und Politik statt. Der Band versammelt die im Kloster Banz (Bad Staffelstein) gehaltenen und ausführlich diskutierten Vorträge. Sie zeugen von der dauerhaften Wirksamkeit und von der Aktualität Kants über die Grenzen der Fachphilosophie hinaus.
Inhaltsverzeichnis
INHALT
Vorwort 7
Lutz Koch
Kants Revolutionen 9
Jörg Ruhloff
Auch Moralisierung? Bemerkungen zur Aktualität von Kants Gliederung der Erziehungsaufgabe 23
Jürgen-Eckardt Pleines
Moralphilosophie als Handlungsorientierung?
Kants praktische Philosophie im Licht ihrer Kritik 33
Christian Schönherr
Über Kant, das Böse und die Frage nach der
ethischen Bildung des Menschen 45
Georg Cavallar
Sphären und Grenzen der Freiheit:
Dimensionen des Politischen in der Pädagogik 61
Sabine Meyer
Der Rechtsfrieden als Prinzip moderner Friedenserziehung 81
Volker Ladenthin
Öffentlichkeit und Erzählung.
Überlegungen zu einem Problem der Bildung in
pluralen Gesellschaften und zugleich ein Plädoyer
für eine transzendentalkritische Medienpädagogik 97
Andreas Dörpinghaus
Erneuerte Frage: Was ist Aufklärung? 117
Marian Heitger
Aufkärung als pädagogisches Programm 133
Autorenspiegel 145
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