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Kafkas Werkstatt
Der Schriftsteller bei der Arbeit
Andreas Kilcher
Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406815058 (ISBN: 3-406-81505-7)
302 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Mai, 2024
EUR 28,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Franz Kafka hat Erzählungen und Romane geschrieben, die zu den rätselhaftesten Texten der Weltliteratur gehören. Doch wie muss man sich den Schriftsteller bei der Arbeit vorstellen? Keinesfalls als weltabgewandten Autor, der in einsamen Nächten chiffrierte Traumbotschaften niederschrieb, sondern als "gierigen" Leser, der die großen Diskurse seiner Zeit unauflösbar in seine Texte verwob. Der Literaturwissenschaftler Andreas Kilcher gewinnt aus dem Blick in Kafkas Werkstatt einen Schlüssel dazu, wie seine so vieldeutigen Texte zu verstehen sind.
Rezension
Franz Kafka (1883-1924) zählt zu den weltweit bekanntesten Autoren, die im schulischen Deutschunterricht zu Recht intensiv behandelt werden und Gegenstand der Abiturprüfung sind. Im Fach Deutsch werden vielfach seine Erzählungen „Das Urteil“, „Die Verwandlung“, „In der Strafkolonie“, „Ein Landarzt“, „Ein Hungerkünstler“, der Roman „Der Prozess“ oder der berühmte „Brief an den Vater“ gelesen und interpretiert. Kafka selbst deckt in seinem Œuvre analytisch scharf die Isolation des modernen Menschen auf, seine Entfremdung von sich, seinen Mitmenschen und der Welt. In glasklarer Sprache beschreibt er dessen Versuche der Existenzbewältigung. Auf Seiten der Schüler:innen erfreuen sich Kafkas Werke einer großen Beliebtheit, weil sie sich von seinen Arbeiten angesprochen fühlen.
Am 3.6.2024 jährte sich der 100. Todestag des Weltliteraten. Anlässlich dieses Jubiläums wurde und wird Kafka mit Neu-Editionen seiner Werke und anderen Büchern gewürdigt. Dazu zählt auch das Fachsachbuch „Kafkas Werkstatt. Der Schriftsteller bei der Arbeit“, erschienen bei C.H. Beck. Autor der Monographie ist Andreas Kilcher (*1963), Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der ETH Zürich. Bekanntheit erlangte der Wissenschaftler u.a. durch seine Werke „Franz Kafka“(2008), „Max Frisch“(2011) und durch den von ihm herausgegebenen Band „Franz Kafka. Die Zeichnungen“(2021). Sein neuestes Buch zeugt wieder von exzellenter Kenntnis des Kafkaeschen Œuvres sowie seines literarischen und kulturhistorischen Kontextes. Im Mittelpunkt von Kilchers Band steht die Interpretation des kurzen, rätselhaften Kafka-Textes „Die Sorge des Hausvaters“(1917). Den Einfluss der Psychoanalyse Freuds, des Marxismus, des Zionismus und des Okkultismus auf diese Arbeit Kafkas kann Kilcher fundiert aufzeigen. Dabei gewinnt er die These: „Kafka liest, indem er schreibt.“(S. 10). Dementsprechend zeigt der Literaturwissenschaftler präzise auf, welche Werke der Literatur, welche Sachbücher und welche Zeitschriften Kafka in seinen Schriften rezipiert und verarbeitet hat. Lehrkräfte des Faches Deutsch werden durch das vorliegende Buch motiviert, sich in ihrem Unterricht mit dem Leben und Werk des Schriftstellers auseinanderzusetzen.
Fazit: Andreas Kilcher schaut in seinem Fachsachbuch „Kafkas Werkstatt“ dem Schriftsteller beim Verfassen seiner Schriften quasi über die Schulter. Zugleich ist die Darstellung ein Beleg dafür, wie aufschlussreich germanistische Forschungen für das Verständnis der Praxeologie literarischer Arbeiten sein können.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Kilcher, Andreas
Kafkas Werkstatt
Der Schriftsteller bei der Arbeit.
Franz Kafka hat Erzählungen und Romane geschrieben, die zu den rätselhaftesten Texten der Weltliteratur gehören. Doch wie muss man sich den Schriftsteller bei der Arbeit vorstellen? Keinesfalls als weltabgewandten Autor, der in einsamen Nächten chiffrierte Traumbotschaften niederschrieb, sondern als "gierigen" Leser, der die großen Diskurse seiner Zeit unauflösbar in seine Texte verwob. Der Literaturwissenschaftler Andreas Kilcher gewinnt aus dem Blick in Kafkas Werkstatt einen Schlüssel dazu, wie seine so vieldeutigen Texte zu verstehen sind.
Lesen und Schreiben griffen in Kafkas Werkstatt unmittelbar ineinander. Er nahm intensiv an den großen Gesprächen der Moderne wie der Psychoanalyse und dem Marxismus, dem Zionismus oder dem Okkultismus teil. Was er las, ist teils sichtbar, teils unsichtbar in seine Texte verwoben. Andreas Kilcher führt dies auf bestehende Weise an Kafkas vielleicht mysteriösestem Text vor, Die Sorge des Hausvaters. Die kurze Erzählung über die höchst merkwürdige Gestalt mit dem ebenso merkwürdigen Namen Odradek thematisiert das Unheimliche der Moderne: das Unbewusste der Psychoanalyse ebenso wie die marxistische Ware, die jüdische Diaspora und das Gespenst des Okkultismus. Kafkas Texte können nicht enträtselt werden, indem man ihnen eine einfache Botschaft unterstellt. Sie wollen stattdessen in ihrer so irritierenden wie faszinierenden Vielgestalt wahrgenommen werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Fragen und Hypothesen 9
1. Lesen und Schreiben 13
Ein gutes Buch ist der beste Freund 14 • Kunst des Lesens 17 •
Kafkas Werkstatt 20 • Bücherschau 23 • Kafkas Schreibtisch 27 •
Gier nach Zeitschriften 31 • Aussaugen von Verlagskatalogen 34 •
Psychologische Textverarbeitung 42 • Kafka – [Brod] – Meyrink 43 •
Lesen (und Schreiben) im Halbschlaf 48 • Buddhistischer Halb-
traum 49 • Kabbalistische Seelenschwängerung 52 • Die (nächt-
liche) Geburt des Schreibens aus dem Lesen 58 • Analytik des
Lesens 61 • Manifeste und latente Transformation 63 • Kafkas
(reale, virtuelle und potentielle) Bibliothek 64 • Krypto-Kafka-
Philologie 69
2. Text und Kontext: Odradek 71
Vorkehrungen gegen die Auslegung 71 • Literarische Öko-
systeme 75 • Die Odradek-Enzyklopädie 81 • Textile Textur 82 •
Allegorien des Textes 85 • Kaleidoskopische Lektüren 89
3. Der Rebus des Unbewussten: Psychoanalyse 92
Herr im Haus? 92 • «Von Freud kann man Unerhörtes lesen» 95 •
Aufregende Lektüren (Freuds Schüler) 99 • Odradek, der Rebus des
Unbewussten 103 • Sprachspiele des Unbewussten 108 • Traum-
symbolik des Treppensteigens 111 • Textarbeit = Traumarbeit 2 114
4. Das Geheimnis der Ware: Marxismus 119
Immer nur von Waren reden 121 • Commis voyageur 124 • Kafkas
Raben 130 • Marxistische Werttheorie 134 • Odradek oder das
Geheimnis der Ware 141 • Ware und Kunst 146
5. Die Mumie der Diaspora: Zionismus 151
Modern-jüdisches Desorientiertheitsgefühl 153 • Herzl – [Freud] –
Kafka 160 • Der kleine Kohn 163 • Der Affen-Cohn 166 • Das
Galuth-Problem 169 • Mauschel Odradek 171 • Das Gestaltlose
(Ehrenfels – Buber – Kafka) 176 • Das Gespenst des Golus 180 •
Odradeks Anti-Ökonomie 185
6. Das Gespenst der Literatur: Okkultismus 195
Spiritistische Schreibtechnologie 200 • Boheme des Jenseits 206 •
Totenschrift: Kafkas Gespenster 209 • Theosophie und Literatur 213 •
Golem – Odradek 221 • Chidher – Odradek 234
7. Axiome über Kafkas Arbeit 244
Axiome 244 • «Litterarisches Arbeiten» 245 • Verfahren (Lesen-
und-Schreiben) 246 • Diskurs (Kraftfeld) 246 • Grammatik,
Stilistik 247 • «Fetzen und Bruchstücke» 248 • Erscheinung des
Sinnlosen 249 • Verteilung und Zerstreuung 250 • Abstraktion
und Polyvalenz 251 • Simultaneität, Zeitgenossenschaft 251 •
Kontextur 253 • Enzyklopädie der Moderne 254 • Gegen-
Enzyklopädie der Moderne 255
Abkürzungen 259
Anmerkungen 261
Bildnachweis 295
Register von Kafkas Werken 297
Personenregister 298
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