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Jesus von Nazareth und die Anfänge des Christentums Ein SPIEGEL-Buch
Jesus von Nazareth
und die Anfänge des Christentums


Ein SPIEGEL-Buch

Annette Großbongardt, Dietmar Pieper (Hrsg.)

Random House , DVA
EAN: 9783421045997 (ISBN: 3-421-04599-2)
288 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 22cm, November, 2012, mit Abbildungen

EUR 19,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Um das Leben Jesu ranken sich viele Geschichten - doch was wissen wir wirklich über ihn? Fest steht, dass Jesus von Nazareth, ein Wanderprediger aus Galiläa, um das Jahr 30 in Jerusalem am Kreuz starb und dass die kleine Schar seiner Anhänger bald zu einer mächtigen Weltreligion heranwuchs. In vielen spannenden Beiträgen zeigt das vorliegende Buch/ was wir heute über den historischen Jesus, sein Leben und seine Welt wissen. Dabei schildern die Autoren den Alltag der Menschen am See Genezareth, in Bethlehem und Jerusalem und blicken bis weit über die damligen Grenzen des Römischen Imperiums hinaus.

Man muss kein frommer Mensch sein, um das, was vor 2000 Jahren passiert ist, außerordentlich interessant zu finden. Ein Handwerkersohn aus dem Dorf Nazareth schart als Wanderprediger eine kleine Gruppe von Gläubigen um sich, wird zum Tode verurteilt, stirbt am Kreuz und verändert dadurch die Welt.

Was wir heute über diese Geschehnisse wissen, zeichnen SPIEGEL-Autoren in diesem Buch nach. Sie tragen zusammen, was Archäologen, Theologen und Kirchenhistoriker über das Leben Jesu herausgefunden haben. Seine Gefährten, Anhänger und Zeitgenossen — wie Maria Magdalena, Johannes der Täufer, Pontius Pilatus oder der Apostel Paulus - werden dabei ebenso betrachtet wie die Welt, in der sie sich bewegten. Auf den Spuren der neuen Religion, die sich rasant verbreitet, eröffnen die Autoren ein weit gespanntes Panorama der Welt am Beginn unserer Zeitrechnung.
Rezension
Die Quellenlage zum Historischen Jesus ist so dünn, dass Rudolf Augstein, der Herausgeber des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL noch in der Nachkriegszeit - nicht gänzlich unbegründet - behaupten konnte, Jesus habe es historisch gar nicht gegeben ... Außer den (tendenziösen) christlichen Quellen, die sich aber z.T. widersprechen, z.B. in der Evangelientradition, haben wir nur 2-3 Seiten unabhängiger, römischer oder jüdischer Quellen, die (mehr oder minder klar) auf einen Historischen Jesus verweisen. - Das hier anzuzeigende SPIEGEL-Buch fasst in auch für Laien verständlicher Weise die Problematik der Suche nach dem Historischen Jesus, die im 19. und 20. Jhdt. wesentlich die theologische Bibelwissenschaft beschäftigt hat, zusammen und beschreibt, was wir über den Historischen Jesus wissen können (Teil 1), bevor Teil 2 und 3 auf die antike Welt und den Alltag in Palästina eingehen. Der abschließende Teil 4 beschreibt dann den Glauben des Christentums, der aus dem Glauben an Jesus als den Christus heraus entsteht.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wer war Jesus wirklich?
Ein Wanderprediger aus Galiläa, der Sohn eines Zimmermanns, stirbt um das Jahr 30 in Jerusalem am Kreuz – und eine neue Religion, das Christentum, wird geboren, eine neue Zeitrechnung beginnt. Um das Leben Jesu ranken sich viele Geschichten, doch was wissen wir wirklich über ihn und seine Welt?
SPIEGEL-Autoren, Kirchenhistoriker und Theologen machen sich in diesem Buch auf die Suche nach dem historischen Jesus und zeichnen das Leben des Gottessohnes nach. Seine Gefährten, Anhänger und Zeitgenossen – wie Maria Magdalena, Johannes der Täufer, Pontius Pilatus oder der Apostel Paulus – werden dabei ebenso betrachtet wie die Welt, in der sie sich bewegten. Auf den Spuren der neuen Religion, die sich rasant verbreitet, eröffnen die Autoren ein weit gespanntes Zeitpanorama, das vom Alltag der Menschen am See Genezareth, in Jerusalem und Bethlehem bis weit über die damaligen Grenzen des Römischen Imperiums reicht.

Annette Großbongardt, geboren 1961, ist stellvertretende Ressortleiterin für Sonderthemen beim SPIEGEL. Seit 1993 arbeitet sie für das Nachrichtenmagazin, zunächst als Redakteurin im Deutschlandressort, dann von 1998 bis 2005 als Korrespondentin in Jerusalem und bis Ende 2007 in Istanbul. Bei DVA hat sie u.a. die SPIEGEL-Bücher „Jerusalem” (2009), „Die Deutschen im Osten Europas” und „Die neue arabische Welt” (beide 2011) herausgegeben.

Dietmar Pieper, geboren 1963, arbeitet seit 1989 beim SPIEGEL. Er leitet das Ressort Sonderthemen und ist verantwortlich für die Heftreihen SPIEGEL GESCHICHTE und SPIEGEL WISSEN. Er hat u. a. die SPIEGEL/DVA-Bücher „Der Islam“ (2011) und „Der Dreißigjährige Krieg“ (2012) herausgegeben.
Inhaltsverzeichnis
11 Vorwort

TEIL I
DAS LEBEN JESU


17 Anfang einer neuen Zeit
Das Leben und Sterben des jüdischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth markiert eines der wichtigsten Daten der Weltgeschichte
Von Dietmar Pieper

26 König der Wahrheit
Was wissen wir über den historischen Jesus und seine Welt? Eine Spurensuche
Von Christian Schüle

45 Geheimnisvolle Geschichten
Die Verfasser der Evangelien waren keine Historiker, sondern Gläubige
Von Claudia Keller

62 »Ein unglaublicher Machtanspruch«
Gespräch mit dem Kirchenhistoriker Christoph Markschies über die Sehnsucht nach einem neuen Glauben im antiken Palästina
Von Annette Großbongardt und Dietmar Pieper

77 Wiedergeburt und Ewigkeit
Als die ersten Christen getauft wurden, hatten andere Weltreligionen wie Judentum, Hinduismus und Buddhismus schon viele Anhänger
Von Rainer Traub

TEIL II
DIE ANTIKE WELT


89 Schimmernde Pracht
Das Jerusalem der Jesuszeit war eine Pilgerstadt, beherrscht vom jüdischen Tempel
Von Gil Yaron

103 Unter den Augen des Kaisers
Die Römer hatten Mühe, sich als Besatzungsmacht in Judäa zu behaupten
Von Uwe Klußmann

114 Aufstand der Barbaren
Weit von der Heimat Jesu entfernt lebten die Germanen in primitiven Stämmen – sie brachten den Römern eine historische Niederlage bei
Von Joachim Mohr

122 Prunkvoller Hafen
Die antike Metropole Cäsarea

123 Das Urteil
Durch seinen Richterspruch ist Pontius Pilatus in die Geschichte eingegangen. Der Statthalter Roms
war ein treuer Diener seines Kaisers
Von Angela Gatterburg

130 Mordsache Jesus Christus
Das berühmteste Kreuzigungsopfer der Antike starb unter mysteriösen Umständen
Von Frank Thadeusz

TEIL III
ALLTAG IN PALÄSTINA


137 Die Trümmer von Galiläa
Die Archäologie zeigt uns, was Jesus sah, wenn er durch die Lande zog
Von Angelika Franz

148 Zu schön, um wahr zu sein
Irrtümer und Fälschungen der Christus-Ausgräber
Von Angelika Franz

151 Das Handwerk der Bibel
Welche Berufe hatten die Menschen zu Jesu Lebzeiten?
Manches aus der damaligen Arbeitswelt hat sich bis heute gehalten
Von Stefan Berg

156 Kalter Fisch gegen Fieber
Jesu Zeitgenossen setzten auf Wunderheilungen, auch wenn die Medizin langsam zur Wissenschaft wurde
Von Christoph Seidler

163 Der heilige Trank
Mehr als jedes andere Getränk ist der Wein mit religiöser Symbolik aufgeladen, beim platonischen
Symposion ebenso wie beim Abendmahl
Von Mathias Schreiber

170 Der Fluch des Täufers
Bis zum Ende versuchte Jesus aus dem Schatten des Asketen Johannes zu kommen, der ihn getauft hatte
Von Christoph Türcke

179 Riesenpuzzle aus der Wüste
Die Qumran-Rollen zählen zu den wertvollsten Dokumenten der biblischen Zeit. Waren ihre Verfasser
die geheimnisvollen Essener?
Von Renate Nimtz-Köster

TEIL IV
EIN NEUER GLAUBE


189 Schwache, treue Seelen
Die zwölf Jünger, die den engsten Kreis um Jesus bildeten, waren für die frühen Christen Vorbilder und Leitfiguren
Von Sebastian Borger

202 Heilige Nägel und Knochen
Reliquien des Heilands werden bis heute in Kirchen verehrt: Dornen, Tücher oder Holzsplitter vom Kreuz – ihre Echtheit ist umstritten
Von Mathias Schreiber

214 Die Jüngerinnen des Nazareners
Zur Jesusbewegung gehörten von Anfang an auch Frauen – unter ihnen Maria Magdalena
Von Sabine Bieberstein

224 Beseelt und verfolgt
Nach Jesu Tod bildete sich in Jerusalem die erste christliche Gemeinde. Bald konnten sich auch Heiden taufen lassen
Von Michael Sontheimer

232 Rebell und Überläufer
Josephus Flavius war ein jüdischer Aufrührer, dann wechselte er die Seiten und wurde Geschichtsschreiber Roms
Von Johannes Saltzwedel

236 Der Getriebene
Paulus brachte den neuen Glauben zu Griechen und Römern – sein Leben widmete er der Verbreitung
des Evangeliums
Von Jürgen Gottschlich

249 Am Tisch des Herrn
Wer auf den Spuren des Heilands durch Palästina pilgert, wird eines nicht finden: historische Beweise
Von Annette Großbongardt

ANHANG

261 Glossar
270 Chronik
275 Buchhinweise
277 Autorenverzeichnis
279 Dank
281 Personenregister


Leseprobe:

Vorwort
Hat eine Stoffbahn, gut einen Meter breit und fast viereinhalb
Meter lang, für alle Zeiten festgehalten, wie Jesus einmal aussah?
Ein von Qualen gezeichnetes Gesicht, die Nase scharf geschnitten,
auf dem mageren Körper sind Spuren von Verletzungen
erkennbar, vielleicht von einer Kreuzigung: Das ist die Gestalt,
die wie ein Schatten aus dem Leinengewebe hervortritt.
Seit mehr als 400 Jahren wird das »heilige Grabtuch« im
Turiner Dom aufbewahrt. Als es dort im Frühjahr 2010 öffentlich
ausgestellt wurde, erst zum zehnten Mal in all der Zeit, war
der Andrang gewaltig. Über zwei Millionen Menschen wollten
sehen und spüren, was es mit diesem Stück Stoff auf sich hat.
Sie kamen als gläubige Pilger, als Zweifelnde, als Neugierige, um
zu erleben, welche Gefühle das geheimnisvolle Abbild in ihnen
auslöst. Dass es sich beim Turiner Grabtuch wahrscheinlich
um eine Fälschung handelt, schmälerte nicht seine ungeheure
Anziehungskraft.
Denn auch wenn in Turin nur ein mittelalterliches Artefakt zu
sehen war, bleibt eine faszinierende Wahrheit, die für Christen
genauso gilt wie für Andersgläubige oder Atheisten: Es gab ihn
wirklich, den historischen Jesus aus dem Dorf Nazareth, einen
Handwerkersohn, der die Welt veränderte.
Man muss also kein frommer Mensch sein, um das, was vor
2000 Jahren passiert ist, außerordentlich interessant zu finden.
Das damalige Geschehen lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen:
In Galiläa und Judäa lebte ein Mann, der als Wanderprediger
einen Kreis von Anhängern um sich scharte und
einiges Aufsehen erregte. Mit Anfang 30 starb er in Jerusalem
am Kreuz. Die vielen Geschichten, die man von ihm kannte,
wurden wieder und wieder erzählt und in unterschiedlichen Versionen
aufgeschrieben. Aus einer kleinen Glaubensgemeinschaft
entstand eine mächtige Weltreligion.
Wie es dazu kommen konnte, auch davon handelt dieses Buch,
in dessen Mittelpunkt Jesus von Nazareth steht. Warum spalteten
sich seine Anhänger schon früh vom Judentum ab? Wie
konnte sich der neue Glaube im Römischen Reich über große
Entfernungen weiterverbreiten? Wer waren die Männer und
Frauen, die mit ihrer Begeisterung und ihrem Bekennermut zu
den ersten Botschaftern dieser Religion wurden?
Die schriftliche Überlieferung, wie sie zum Beispiel im Neuen
Testament, aber auch in einigen nichtchristlichen Quellen vorliegt,
bietet den größten Fundus bei der Suche nach der historischen
Wirklichkeit. Die kritische Lektüre der alten Texte
ermöglicht erstaunlich tiefe Einblicke in die damalige Welt –
auch wenn manches in diesem Bild unscharf oder dunkel bleibt.
Erhellend sind außerdem die archäologischen Funde. In
Jerusalem, am See Genezareth oder in den alten Städten am
Mittelmeer sind zahlreiche Überreste aus biblischer Zeit ausgegraben
worden, und die Wissenschaftler arbeiten weiter, suchen
und prüfen. Ihre Zwischenbilanz nach jahrzehntelanger, gründlicher
Forschung fällt allerdings gemischt aus: Ja, die Archäologen
haben eine recht gute Vorstellung vom Leben in Palästina
zu Beginn unserer Zeitrechnung. Aber handfeste Zeugnisse, die
sich eindeutig Jesus oder seinen frühen Gefolgsleuten zuordnen
lassen, gibt es nicht.
Mag sein, dass sie eines Tages entdeckt werden. Alle sensationell
klingenden Meldungen über authentische Fundstücke
haben sich aber bisher als Übertreibungen herausgestellt.
Schlagzeilen hat zuletzt etwa die Behauptung gemacht, unter
einem Haus in Jerusalem sei die Grabstelle einiger Jesusjünger,
vielleicht sogar die letzte Ruhestätte von Jesus selbst aufgespürt
worden – von »revolutionären Folgen« für das Verständnis des
frühen Christentums war sogleich die Rede. Für Aufsehen sorgte
jüngst auch ein neu aufgetauchter Papyrusschnipsel aus dem
4. Jahrhundert. Die koptischen Worte darauf beflügelten die
alte Spekulation, Jesus sei mit seiner Jüngerin Maria Magdalena
liiert gewesen. An ähnlichen Meldungen dürfte es auch in
Zukunft nicht fehlen. Wer aber eine Vorstellung davon hat, was
historisch-kritische Forschung bedeutet, wird zu einem eigenen
Urteil gelangen. Die Analysen, Essays und Reportagen in diesem
Band können dabei helfen.
Zu den renommierten Experten, die ausführlich zu Wort kommen,
zählt etwa die Theologin Sabine Bieberstein, die an der
Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt unterrichtet. In
ihrem Beitrag über die Jüngerinnen des Nazareners zeichnet sie
nach, welche bedeutsame – und lange Zeit unterschätzte – Rolle
die Frauen um Jesus in der frühchristlichen Gemeinde spielten.
Sie hatten Leitungsämter inne und traten als Prophetinnen auf.
Christoph Türcke, evangelischer Theologe und Philosophieprofessor
in Leipzig, beleuchtet das besondere Verhältnis Jesu
zu Johannes dem Täufer. Zwischen dem populären Prediger, der
möglicherweise in Verbindung zur Gemeinde von Qumran stand,
und seinem Täufling sei es zu einem Bruch gekommen, hebt
Türcke hervor. Der Schatten des Johannes habe Jesus bis an sein
Lebensende verfolgt.
Wie sich Jesus selbst sah und was er für seine Zeitgenossen
bedeutete, das analysiert Christoph Markschies, der an der Berliner
Humboldt-Universität Ältere Kirchengeschichte lehrt.
In einem ausführlichen Gespräch beschreibt er den Mann aus
Nazareth als frommen Juden, der als charismatischer und äußerst
selbstbewusster Reformer auftrat. Damit habe er den Nerv seiner
Zeit getroffen, in der viele Menschen für einen neuen Glauben
offen waren. Den Erfolg der Jesus-Bewegung nach dem Tod ihres
Meisters erklärt Markschies auch dadurch, dass die frühen Christen
engagierte Sozialarbeit betrieben.
Die Frage bleibt, ob der charismatische Prediger ganz bewusst
einen neuen Glauben begründen, eine Religion stiften wollte.
Aus den Quellen lässt sich das nicht herauslesen, auch wenn
viele Christen das gern anders sehen möchten. Nach allem, was
über ihn bekannt ist, war Jesus ein Revolutionär wider Willen,
vielleicht der wirkungsmächtigste der Weltgeschichte.

Annette Großbongardt, Dietmar Pieper im September 2012