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Im Paradies wie immer Eine poetische Philosophie Franz Kafkas
Im Paradies wie immer
Eine poetische Philosophie Franz Kafkas




Axel Grube

Onomato Verlag
EAN: 9783949899157 (ISBN: 3-949899-15-4)
232 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, April, 2023

EUR 27,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„Es ist schwer die Wahrheit zu sagen. Denn es gibt zwar nur eine. Aber sie ist lebendig und hat daher ein ständig wechselndes Gesicht.“ Franz Kafka (In einem Brief an Milena Jesenská)

Als Philosoph ist Kafka bisher nicht in Erscheinung getreten; er selbst hätte sich wohl kaum als ein solcher verstanden. Kann man trotzdem von einer Philosophie, d. h. vom Zusammenhang eines Denkens sprechen, das auch Kafka selbst – spätestens nach Zürau – klar vor Augen stand?

Unter Berücksichtigung meist ausgeblendeter Motive erscheint bereits bei einer unkommentierten Sortierung der Zürauer Texte, der Zusammenhang eines Denkens in schöner Sinnfälligkeit. In den Anklängen zur Prosa, nach Hinweisen im Tagebuch und vor allem im Licht der Selbstaussagen über den persönlichen Grund seines Denkens, erscheint eine ungemein hoffnungsvolle Philosophie in poetischer Plausibilität.

Um das Paradox von Unabschließbarkeit und Gewissheit kreist das Denken Kafkas. Wahrheit ist ihm dabei kein unmöglicher Begriff, vom Glauben zu sprechen nicht fremd. Die Entdeckung des „Zweifellose[n] in sich, zu dem er gar nicht viel an [sich] verändern, sondern nur die alten, engen Umrisse [seines] Wesens nachziehen“ musste, scheint dabei das Agens einer praktischen Philosophie zu sein, bei der es Kafka letzthin um die nächsten Bedürfnisse des Lebens geht, vor allem in der Frage zur Bildung eines Verantwortungsgefühls, einer ethischen Musikalität.



Bibliothek kepos

Mit Audio-Volltextlesung
Rezension
Franz Kafka (1883-1924) zählt zu den weltweit bekanntesten Autoren, die im schulischen Deutschunterricht zu Recht intensiv behandelt werden und Gegenstand der Abiturprüfung sind. Im Fach Deutsch werden vielfach seine Erzählungen „Das Urteil“, „Die Verwandlung“, „In der Strafkolonie“, „Ein Landarzt“, „Ein Hungerkünstler“, der Roman „Der Prozess“ oder der berühmte „Brief an den Vater“ gelesen und interpretiert. Kafka selbst deckt in seinem Œuvre analytisch scharf die Isolation des modernen Menschen auf, seine Entfremdung von sich, seinen Mitmenschen und der Welt. In glasklarer Sprache beschreibt er dessen Versuche der Existenzbewältigung. Auf Seiten der Schüler:innen erfreuen sich Kafkas Werke einer großen Beliebtheit, weil sie sich von diesen angesprochen fühlen.
Am 3.6.2024 jährte sich der 100. Todestag des Weltliteraten. Anlässlich dieses Jubiläums wurde und wird Kafka mit Neu-Editionen seiner Werke und anderen Büchern gewürdigt. Bereits 2023 erschien von Axel Grube die Monographie „Im Paradies wie immer. Eine poietische Philosophie Franz Kafkas“. Der Verfasser ist Verlagsleiter des onomato Verlags, in dem auch seine Kafka-Interpretation publiziert wurde. Der Verlag für Bücher und Hörbücher, der einen Schwerpunkt auf die Edition von und zu Werken Kafkas legt, erlangte Bekanntheit durch seine Volltextlesungen von literarischen und philosophischen Klassikern. So kann man mittels eines im vorliegenden Buch aufgeführten Codes eine Audio-Volltextlesung der Monographie downloaden.
Kafka, welcher sich selbst nicht als Philosoph verstanden hat, als einen solchen, genauer als Vertreter einer „poetische[n] Form der Philosophie“, zu deuten, ist innovativ. Grube konzentriert sich im ersten Teil seiner Ausführungen auf Kafkas Selbstaussagen, aus dessen Oktavheften, Tagebuch und Briefen. Dabei kann er anhand textnaher Interpretationen existenzphilosophische, anthropologische, ethische und religionsphilosophische Aspekte von Kafkas Denkkosmos identifizieren. Kafkas philosophische Reflexionen gelten u.a. dem Individuum, der Angst, der Hoffnung, der Transzendenz und der Verantwortlichkeit. Grube bündelt seine Erkenntnisse in dem Interpretament einer „Musikalität des Zweifellosen“. Im abschließenden Kapitel fragt er nach der Existenz eines „Weltethos nach Kafka“, ohne allerdings den Weltethos-Begriff, wie er von Hans Küng in seinem Projekt Weltethos entwickelt wurde, begrifflich genauer zu fassen. M.E. hätte es sich angeboten, Kafkas „poetische Philosophie“ als Beitrag zu einer „kritischen Lebenskunst“(Günter Gödde/Jörg Zirfas) zu deuten.
Im zweiten Teil seines Buches zeigt Grube überzeugend anhand ausgewählter Zitate auf, wie sich Kafkas philosophische Reflexionen in seinem Prosawerk widerspiegeln, zum Beispiel in seinen Klassikern: dem Roman „Der Process“, der Erzählung „Die Verwandlung“ und den Parabeln „Vor dem Gesetz“ und „Auf der Galerie“. Der dritte Teil des Buches hat „Quellen, Überlieferungen und Analogien“ zu und von Kafkas „ethischer Musikalität“ zum Gegenstand. Dabei berücksichtigt Grube u.a. die Vorsokratiker, Sören Kierkegaard, Simone Weil und zurecht ausführlich die jüdische Mystik. Anzumerken ist noch, dass Grube bei seinen Interpretationen manche der von ihm benutzen Begrifflichkeiten hätte genauer explizieren können, was philosophischen Lai:innen den Zugang zu seinen Interpretationen erleichtern würde. Lehrkräfte der Fächer Deutsch und Philosophie werden durch das vorliegende Werk jedenfalls motiviert, sich in ihrem Unterricht mit den Reflexionen Kafkas über das Leben und die Welt problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Axel Grubes „Im Paradies wie immer“ ist eine aufschlussreiche Monographie zu Kafkas Werk, welche die philosophischen Dimensionen seines vielschichtigen Œuvres gekonnt erschließt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
„Es ist schwer die Wahrheit zu sagen. Denn es gibt zwar nur eine. Aber sie ist lebendig und hat daher ein ständig wechselndes Gesicht.“ Franz Kafka (In einem Brief an Milena Jesenská)
Als Philosoph ist Kafka bisher nicht in Erscheinung getreten; er selbst hätte sich wohl kaum als ein solcher verstanden. Kann man trotzdem von einer Philosophie, d. h. vom Zusammenhang eines Denkens sprechen, das auch Kafka selbst – spätestens nach Zürau – klar vor Augen stand?
Unter Berücksichtigung meist ausgeblendeter Motive erscheint bereits bei einer unkommentierten Sortierung der Zürauer Texte, der Zusammenhang eines Denkens in schöner Sinnfälligkeit. In den Anklängen zur Prosa, nach Hinweisen im Tagebuch und vor allem im Licht der Selbstaussagen über den persönlichen Grund seines Denkens, erscheint eine ungemein hoffnungsvolle Philosophie in poetischer Plausibilität.

Um das Paradox von Unabschließbarkeit und Gewissheit kreist das Denken Kafkas. Wahrheit ist ihm dabei kein unmöglicher Begriff, vom Glauben zu sprechen nicht fremd. Die Entdeckung des Zweifellose[n] in sich, zu dem er gar nicht viel an [sich] verändern, sondern nur die alten, engen Umrisse [seines] Wesens nachziehen musste, scheint dabei das Agens einer praktischen Philosophie zu sein, bei der es Kafka letzthin um die nächsten Bedürfnisse des Lebens geht, vor allem in der Frage zur Bildung eines Verantwortungsgefühls, einer ethischen Musikalität.
Die Entwicklung einer ethischen Musikalität, die sich, anders als Moral und Tugend, in der Unmittelbarkeit des Handelns äußert, ist das Grundanliegen Kafkas bei dem Gehe hinüber , dem Hinweis auf das Unfassbare. Der Eros seiner diesseitigen Mystik liegt im Hinweis auf die Eudämonie im Zusammenfallen von unermesslicher Verantwortung und Teilhabe. Es ist Befreiung in die Verantwortung, die Soteriologie eines zügellosesten Individualismus, in welchem die Angst, als Intuition einer ewigen Verantwortung, im Denken und Auf-sich-nehmen, umschlägt – in jedem Augenblick umschlägt, ja eins wird, im Fühlen einer unendlichen, unverbrüchlichen Teilnahme.
Wird dir alle Verantwortung auferlegt, so kannst du den Augenblick benützen und der Verantwortung erliegen wollen, versuche es aber dann merkst Du, daß dir nichts auferlegt wurde, sondern daß du diese Verantwortung selbst bist. (Franz Kafka, Oktavheft G)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9 /
Zürau 15 2
Musikalität des Zweifellosen 18 3
Eine poetische Philosophie Kafkas 21
Grenze und Küste 21 4
Somatische Transzendenz 24 5
Man muss nicht in die Hände spucken, ehe man sie faltet 28 6
Im Paradies wie immer 34 7
Angst als bildende Kraft 41 8
Das Böse kann nicht (...) Mensch werden 43 9
Das Eine und seine Informationalität 48 10
Du bist die Aufgabe 50 1 /
Standrecht 52 12
Ausgleich und Verantwortlichkeit 53 13
Eupathie 60 14
Jüdischer Messianismus und christliche Lehre 65 15
Tradition und Tradierbarkeit 70 16
Dividuum und Individuum 75 17
Ein Weltethos nach Kafka? 76 18
Resonanzen in der Prosa 79 19
Von den Gleichnissen 80 20
Eine Gemeinschaft von Schurken 82 21
Vor der Auslage von Casinelli 83 22
Der Process 83 23
Vor dem Gesetz 114 24
Auf der Galerie 117 25
Der plötzliche Spaziergang 119 26
Die Verwandlung 120 27
Das Gassenfenster 132 28
Eine Kreuzung 132 29
Der neue Advokat 134 30
Quellen, Überlieferungen und Analogien 137
Ethische Musikalität 137 31
Simone Weil 142 32
Vorsokratik 143 33
Sören Kierkegaard 150 34
Jüdische Mystik 155 35
Erfüllte Zeit 176 36
»Das Recht ströme wie Wasser« 180 37
Persönliche Philosophie 193 38
Mütterlicher Boden 195 39
Tradition und Tradierbarkeit (2) 201 40
Zur Wiederholung 209 41
Abwehrzauber 217 42
Editorische Notiz 222
Endnoten 223