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Günter Grass liest Die Blechtommel
Steidl
EAN: 9783865215079 (ISBN: 3-86521-507-6)
CD-Box, 13 x 13cm, Oktober, 2007
EUR 75,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
„Ich war ein schönes Kind. Die Aufnahmen wurden zu Pfingsten fünfundzwanzig gemacht. Keine Wurstfinger, die selbstvergessen, einem noch dunklen haptischen Trieb gehorchend, mit den Zotteln des Eisbärfelles spielen. Ernst gesammelt schweben die kleine Giraffe zu seiten des Kopfes, immer bereit, niederzufallen, den Ton anzugeben. Welchen Ton? Den Trommelton!“
Rezension
1959 erschien der Roman „Die Blechtrommel“ von Günter Grass, der nicht nur in den 1970er und 1980er zur Schullektüre avancierte, sondern mittlerweile auch zu den Klassikern der Weltliteratur zählt. Während in der Regierungszeit Adenauers Kirchenvertreter und die konservative Öffentlichkeit Grass Pornographie und Blasphemie vorwarfen, erkannte Hans Magnus Enzensberger in seiner Rezension „Wilhelm Meister, auf Blech getrommelt“ die literarische Bedeutung des Buches. Zu Recht wird das Werk des Literaturnobelpreisträgers als Bildungs- und Entwicklungsroman charakterisiert. Oskar Matzerath, der Protagonist des Romans, beschließt an seinem dritten Geburtstag, an dem er eine Blechtrommel zum Geschenk erhält, durch einen vorsätzlich herbeigeführten Sturz nicht mehr zu wachsen, also bei einer Größe von 94 cm zu verharren. In seinem dreißigzigsten Lebensjahr schreibt Oskar, mittlerweile Insasse eines Irrenhauses, seine Memoiren von 1924 bis 1954. Der Roman spielt also auf zwei Ebenen, der Zeit der Niederschrift der persönlichen Erinnerungen Oskars 1952-1954 und der erzählten Zeit 1899-1964.
Das international erfolgreichste Werk von Grass lässt sich auf verschiedenen Ebenen lesen, auf literarischer, zeithistorischer und autobiographischer. Zunächst einmal fungiert Oskar in dem Roman als „Naziallegorie“(Hanspeter Brode). Hitler selbst bezeichnete sich als „Trommler“ und wandte sich pseudokünstlerischen Aktivitäten zu. Grass kritisiert in seinem Werk ausdrücklich die Geschichtsverdrängung der deutschen Bevölkerung in der Adenauer-Zeit, insbesondere den Versuch mittels der Kollektivschuld-These die eigene Vergangenheit zu verdrängen. Daher kann das Buch als ein wichtiger literarischer Beitrag zur deutschen Vergangenheitsbewältigung angesehen werden. Literarisch zeichnet dieser Klassiker der deutschen Nachkriegsliteratur durch seine Verbindung von realistischer Detailschilderung und Phantasmen aus. Grass hat zudem mit der Figur des Oskar einen Beitrag zur deutschen Mythologie des 20. Jahrhundert geleistet. Des Weiteren darf auch die poetologische Bedeutung des Buches nicht außer Acht gelassen werden. So grenzt sich Grass explizit von der in den 1950er Jahre vertretenen vom Existenzialismus inspirierten Romantheorie, die den Verlust der Individualität behauptet, ab. Auch als autobiographisches Dokument ist das Buch von Grass nicht zu vernachlässigen. So finden sich zahlreiche Anspielungen auf den biographischen Werdegang von Grass, insbesondere wenn man den ersten Teil seiner Autobiographie „Beim Häuten der Zwiebel“ daneben legt. Grass selbst suchte erstmals 1958 seine Heimatstadt Danzig zur Recherche für sein Werk wieder auf und wurde von ihr zum Ehrenbürger ernannt wurde.
Der Schriftsteller hat sein Buch im Studio des Deutschen Theaters Göttingen vom 24.7. bis 11.8.1989 vorgelesen. Die Aufnahme des Hessischen Rundfunk liegt dem 1997/2007 im Verlag „Steidl“ erschienenen Hörbuch zugrunde. Die 23 CDs sind zugleich ein Beleg für die exzellente Vortragskunst des Literaten und Künstlers Grass.
Fazit: Das Hörbuch zu dem Roman „Die Blechtrommel“ in der Autorenlesung aus dem „Verlag Steidl“ sei Deutsch- und Geschichtslehrern, die sich literarisch und historisch differenziert mit der Zeit des Nationalsozialismus und der Adenauer-Zeit auseinandersetzen möchten, zum Hören empfohlen.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
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