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Germanen Eine archäologische Bestandsaufnahme 40€ für Mitglieder
Germanen
Eine archäologische Bestandsaufnahme


40€ für Mitglieder

Gabriele Uelsberg, Matthias Wemhoff (Hrsg.)

Wissenschaftliche Buchgesellschaft
EAN: 9783806242614 (ISBN: 3-8062-4261-5)
640 Seiten, hardcover, 22 x 28cm, September, 2020

EUR 50,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
‚Die Germanen, natürlich unsere direkten Vorfahren, lebten als naturnahes, unzivilisiertes Volk in finsteren Urwäldern, verfügten über eine primitive Wirtschaftsform, waren vom Fernhandel abgeschnitten und besaßen noch nicht einmal eigene Tempel.‘ Dieses Germanenbild beherrscht nicht nur historische Filme, sondern ist auch in der Öffentlichkeit verbreitet. Es entspricht nicht den historischen Fakten, insbesondere denen, welche archäologische Forschungen in den letzten Jahrzehnten zutage gefördert haben. Weder gibt es Belege für ein Kollektiv namens Germanen, sondern nur verschiedene germanische Stämme, noch waren diese, die in der Region rechts des Rheins und nördlich der Donau siedelten, die direkten Vorfahren der in der Bundesrepublik lebenden Deutschen. Die von den Römern stammende Bezeichnung „Germania“ bezieht sich auf einen Siedlungsraum Mittel- und Osteuropas des ersten bis zum vierten Jahrhundert nach Christus. Die so genannten „Germanen“ lebten in Dörfern mit eigenen Häusern und befestigten Wegen, verfügten über das Metallhandwerk, vollzogen Prunkbestattungen, hatte eigene Kultstätten und standen in einem regen Kulturaustausch mit anderen Ethnien, auch den Römern.
Dieses demonstriert überzeugend anhand gekonnt ausgewählter Artefakte und fachlich fundierter Informationstexte die Ausstellung „Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme“. Zu sehen ist sie vom 17.9.2020 bis zum 21.3.2021 in der James-Simon-Galerie in Berlin und dann vom 6.5.2021 bis zum 24.10.2021 im LVR-LandesMuseum Bonn. Die Kuratorinnen und Kuratoren verfolgen mit der Schau vier Ziele: den Germanenbegriff zu problematisieren, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Alltag der Germanen kaleidoskopartig zu beleuchten, die Beziehungen zwischen Germanien und dem Römischen Reich aufzuzeigen sowie die Rezeption und den politischen Missbrauch der Germanen in der Geschichte zu analysieren - man denke nur an den Germanenkult der Nationalsozialisten.
Zu dieser sehenswerten Ausstellung, die einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufklärung über die Germanen leistet, ist bei wbgTheiss, einem Imprint der wissenschaftlichen Buchgesellschaft, ein gleichnamiger, voluminöser Begleitband erschienen. Herausgegeben wird er von Gabriele Uelsberg, Direktorin des Bonner LVR-Museums, und von Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin. Das mit sehr guten Fotografien, Abbildungen und Karten illustrierte Werk gibt einen exzellenten Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu den Germanen. Dabei widerlegen die ausgewiesenen Expertinnen und Experten in ihren wissenschaftlichen Beiträgen überzeugend Germanen-Mythen und Vorurteile von antiken und modernen Historikern. Zugleich unterstreicht die vorliegende Begleitpublikation eindrücklich die Relevanz archäologischer Forschungsergebnisse für die Generierung differenzierter historischer Urteile. Durch das fast 3 Kilogramm schwere Buch werden Geschichtslehrkräfte motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt mit den Germanen und ihrer historischen Instrumentalisierung problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Alle an Archäologie und Kulturgeschichte Europas Interessierten werden ihre Freude an dem Prachtband „Germanen“ haben, dessen Anschaffung sich aufgrund seiner ästhetischen Gestaltung und der Qualität seiner fachwissenschaftlichen Aufsätze empfiehlt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wer waren "die" Germanen? Kann von "den Germanen" überhaupt die Rede sein? Wie lebten sie? Was wissen wir darüber? Wie war das Verhältnis zwischen Germanen und Römischem Reich? War das tatsächlich eine in erster Linie von Konflikt geprägte Beziehung?

Im reich bebilderten Begleitband zur Ausstellung „Germanen - eine archäologische Bestandsaufnahme“ bieten renommierte deutsche und internationale Archäologen und Historiker auf dem aktuellen Stand der Forschung Einblicke in das Leben und Wirtschaften, in die Strukturen der germanischen Gesellschaften in dem von den Römern als "Germania magna" bezeichneten Raum zwischen Rhein, Weichsel und Donau vom 1.-4. Jahrhundert n. Chr. Anhand archäologischer Funde - darunter viele Neufunde - und Befunde eröffnet der Band ein eigenes, ein neues Bild von Germanen, das sich von der "römischen Brille" freizumachen sucht, durch die unsere Wahrnehmung von Germanen geprägt ist. Ein eigenes Kapitel reflektiert zudem Germanenbegriff und Germanenrezeption.
Herausgegeben von Gabriele Uelsberg und Matthias Wemhoff. 2020. 640 S. mit etwa 420 farb. Abb. und Karten, Bibliogr., 22 x 28 cm, geb. wbg Theiss, Darmstadt.
Inhaltsverzeichnis
14 Vorwort
Michael Schmauder und Matthias Wemhoff
18 Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme
Michael Schmauder
Von Wohnstallhäusern und dunkeln Wäldern
42 Zehn Vorurteile antiker und moderner Historiker
Heiko Steuer
66 Zwischen Tradition und Innovation
Hans-Jörg Karlsen
84 Vom Pfosten zum Haus zum Gehöft
Jan Schuster
102 Klein Köris
Sven Gustavs
110 Silvis horrida aut paludibusfoeda
Susanne Jahns
Zwischen Selbstversorgung und
Spezialistentum
118 Frühgermanische Landwirtschaft und Ernährung
Angela Kreuz
146 Eisen - Keramik - Kalk
Michael Meyer
158 „Polytechniker" - Spezialistentum - Künstler
Hans-Ulrich Voß
170 Kamen-Westick
Patrick Könemann
176 Die Textilien der frühgeschichtlichen
Wurt Feddersen Wierde
Christina Peek
186 Knochen, Geweih und Horn als Rohmaterial
Katrin Struckmeyer
Den germanischen Gesellschaften
auf der Spur
194 Kontinuitäten, Brüche und Verflechtungen
Matthias Egeler
212 Germanisches Understatement?
Babette Ludowici
226 Aktuelle Forschungen zur Sozialstruktur
der Germanen im östlichen Mitteleuropa
Adam Cieslinski
254 Die archäologischen Kulturen des Gotenkreises
Andrzej Kokowski
Krieg - ein weites Feld
272 Kampf gegen Rom
Michael Meyer
282 Rom vs. Unbekannt?
Lothar Schulte
306 Kampf und Kult bei den Germanen
Ruth Blankenfeldt
Rom: Ein nützlicher Gegner
338 „A missing link"
Petra Rosenplänter
348 Germanischer Prunk und römische Technik
Benjamin Wehry
354 Römischer Blei- und Silberbergbau rechts
des Rheins im Bergischen Land
Jan Bemmann und Torsten Rünger
360 Der Hortfund von Frauenburg, Kr. Braunsberg
Izabela Szter und Anna Zapolska
368 Grabmal oder öffentliches Monument?
Marion Witteyer
Germanen: Sichtweisen auf einen
umstrittenen Begriff
378 Römische Ethnographie?
Ernst Baltrusch
400 Germanen als Kategorie der Forschung?
Sebastian Brather
416 Germanen?
Stefan Burmeister
432 „Germanen" und „Römer"
450 Germanenname und Germanenbegriff in der Antike
Reinhard Wolters
464 Germanen in der polnischen Archäologie
Wojciech Nowakowski
Rezeption: Zwischen Wagner-Oper
und musealer Präsentation
482 Wer hat Angst vor den Germanen?
Susanne Grunwald und Kerstin P. Hofmann
504 „In dem schwankenden Meere prähistorischer
Hypothesen"
Marion Bertram
538 Germanenkult oder Mythengeschichte?
Matthias Wemhoff
Anhänge
564 Katalog der in der Ausstellung gezeigten Funde
(Auswahl)
584 Literatur
635 Autoren
637 Bildnachweis