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Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte. Band 7a: Die Zeit der Entwürfe (1273-1347)  Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage
Band 7a
Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte. Band 7a: Die Zeit der Entwürfe (1273-1347)


Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage

Band 7a



Michael Menzel

Klett-Cotta
EAN: 9783608600070 (ISBN: 3-608-60007-8)
332 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, 2012

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das spätere Mittelalter ist eine Zeit mannigfacher Umbrüche und Gestaltungsversuche in mehrere Phasen gewesen. Mit der ersten Phase beschäftigt sich »Die Zeit der Entwürfe (1273 - 1347)«. Nach dem Untergang der Staufer brachte der Neubeginn in vielen Lebensbereichen - neben der Politik auch in der Besiedlung, im Städtewesen, in der Wissenschaft, Literatur und Kunst - Überformungen und Neukonzeptionen alter Traditionen mit sich. Dieser Elan blieb aber zumeist unvollendet und machte zur Mitte des 14. Jahrhunderts einer neuen, weniger stürmischen Phase Platz. Die Darstellung skizziert sieben spannende Jahrzehnte, die letztlich in vielem aber ein Torso der Geschichte blieben.

Michael Menzel, Prof. Dr. phil., studierte Geschichte und Philosophie in Göttingen, wo er 1983 mit einer Arbeit über die Sächsische Weltchronik promovierte. Er habilitierte sich 1996 in München mit der Arbeit »Predigt und Geschichte. Historische Exempel in der geistlichen Rhetorik des Mittelalters.« 2003 wurde er auf die Akademieprofessur für Mittelalterliche Geschichte und Landesgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin berufen.
Rezension
Dieser Band 7a des legendären "Gebhardt - Handbuch der deutschen Geschichte" bietet die Darstellung der Zeitspanne zwischen der Reichsherrschaft Rudolfs von Habsburg und der Katastrophe des Schwarzen Todes um die Mitte des 14. Jahrhunderts (1273-1347): Der Untergang der Staufer brachte einen Neubeginn in vielen Lebensbereichen, deshalb "Die Zeit der Entwürfe" (Titel). Der vorausgehende Band 6 hatte die Zeit zwischen 1198 und 1273 behandelt. - Im Laufe eines Jahrhunderts ist der Gebhardt zum bedeutendsten Handbuch der deutschen Geschichte geworden. In ihm resümiert und reflektiert jede Historikergeneration seit dem ersten Erscheinen den Stand der deutschen Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. Bruno Gebhardt, Gymnasiallehrer in Breslau, veröffentlichte 1891/92 ein zweibändiges Handbuch der deutschen Geschichte, das eigentlich für den Gebrauch in Schulen bestimmt war. Die Leser des Gebhardt werden gründlich über den aktuellsten Stand der Forschung informiert. Die deutsche Geschichte wird nicht mehr nur national, sondern in ihren europäischen und weltumspannenden Zusammenhängen verstanden. Wirtschaft, Gesellschaft, Verfassung, Mentalität und Kultur werden gleichgewichtig vor dem Hintergrund der politischen Ereignisgeschichte erläutert. Die Neuausgabe bietet alles, was die moderne Geschichtsschreibung einfordert (und die 9. Auflage nicht bieten konnte): Von differenzierender Regionalgeschichte bis zur Erweiterung politischer "Nationalgeschichte" um das Sozial-, Kultur-, Wirtschafts- und Strukturgeschichtliche. Die knappen, konzentrierten Darstellungen der Epochen oder Teilepochen werden ergänzt durch detaillierte Angaben zu Hilfsmitteln, Quellen und zur weiterführenden Literatur. Neu ist die Konzeption: Sie folgt einem integrierenden Verständnis von Geschichte und überwindet die Trennung der Teildisziplinen durch eine umfassende Darstellung jedes Zeitabschnittes in seinen wichtigsten Aspekten.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Übergangsepochen vom Hoch- zum Spätmittelalter: kühn und in sich zerrissen, innovativ und meditativ, suchend und genial wie wenige Epochen.

Subskriptionspreis: EUR 35,00

»Das späte 13. und das frühe 14. Jh. sind ein Torso der Geschichte geblieben.« Michael Menzel

Die Übergangsepochen vom Hoch- zum Spätmittelalter: kühn und in sich zerrissen, innovativ und meditativ, suchend und genial wie wenige Epochen.
Inhaltsverzeichnis
Zur 10. Auflage des Gebhardt IX
Vorwort zu diesem Band XVI
Verzeichnis der Abkürzungen XVII
Allgemeine Quellen und Literatur
zu den Bänden 1–8 XXIII
Abschnitt VIII
Die Zeit der Entwürfe 1273–1347
Michael Menzel
Quellen und Literatur 3

A. Einleitung

§ 1 Einführung, Quellen, Forschung 10

a) Zeitpanorama 10
b) Quellenüberlieferung 14
c) Neuere Forschungsschwerpunkte 26

B. Landschaften und Herrschaften

§ 2 egionen, Städte, Kolonisation 32

a) Wirtschaftslandschaften 32
b) Urbane Landschaften 37
c) Binnen-, Ostkolonisation 46

§ 3 Anfänge der fürstlichen Territorien 50

a) Hochstifte 53
b) Weltliche Herrschaften 62
c) Deutschordensstaat 73

C. Königtum und Fürstenmacht

§ 4 Rudolf I. (1273–1291) 80

a) Wahl, Heiratspolitik, Revindikationen 80
b) Kampf gegen Ottokar II. von Böhmen 94
c) Hausmacht im Südosten 98
d) Scheitern der Kaiserkrönung, Nachfolge 102

§ 5 Adolf von Nassau (1292–1298) 110

a) Habsburg, Konrad von Teck, Wahl 110
b) Haus-, Reichsmacht 113
c) Fürstenopposition, Sturz 117

§ 6 Albrecht I. (1298–1308) 121

a) Nachwahl, Nürnberger Hoftag, Frankreich 121
b) Sieg über Fürsten, Scheitern der Kaiserkrönung 127
c) Kampf gegen Wenzel II. von Böhmen 130
d) Griff nach der Kurstimme, gewaltsamer Tod 134

D. Kaisertum und Fürstenreich

§ 7 Heinrich VII. (1308–1313) 138

a) Französische Kandidatur, Neubeginn 138
b) Habsburg, Thüringen/Meißen, Böhmen 142
c) Italienzug, Kaiserkrönung, Robert von Neapel 145

§ 8 Ludwig IV. (1314–1347), Friedrich der Schöne (1314–1330) 153

a) Kandidatensuche, Doppelwahl 153
b) Thronstreit, Schlacht von Mühldorf, Brandenburg 159
c) Konflikt mit der Kirche, Doppelkönigtum, Romzug 164
d) Staatstheorie, Kaiserkrönung 170
e) Verfassungsentwicklung 176
f) Bündnisse mit England und Frankreich 183
g) Hausmacht 185

E. Kirche und religiöses Erleben

§ 9 Kirchliche Hierarchie 191

a) Papsttum, Kurie 191
b) Bistümer, Pfarreien 196

§ 10 Ordensspiritualität 201

a) Mystik 201
b) Armutsstreit 206

§ 11 Laikale Gemeinschaften 208

a) Beginen, Begarden 208
b) Drittorden 212

§ 12 Gelebte Frömmigkeit 214

a) Stiftungen 214
b) Wallfahrten 217
c) Flagellanten 220
d) Geist und Kunst

§ 13 Wissenschaft 222

a) Studienorte 223
b) Theologie, Philosophie 227
c) Jurisprudenz 233
d) Medizin 238
e) Karrieren 243

§ 14 Schulen 246

§ 15 Schöne Kunst 249

a) Literatur 249
b) Theater 259
c) Musik 261

§ 16 Bildende Kunst 264

a) Architektur 264
b) Skulptur 273
c) Malerei 277

F. Bilanz

§ 17 Zusammenfassung, Ausblick 284

Anhang

Stammtafeln, Listen 290
a) Stammtafeln 290
b) Amtszeiten 302

Orts- und Sachregister 307
Personenregister 321



Vorwort zu diesem Band
Band 7a hatte eine stürmische Abschlußphase. Die ursprüngliche Planung
eines Gesamtbandes, der die vorliegende Darstellung (1273–1347)
und den chronologisch anschließenden Beitrag von Christian Hesse
(1348–1410) vereinen sollte, ließ sich aus verschiedenen Gründen nicht
realisieren. Die zweite Hälfte wird deshalb als Band 7b folgen.
Ein herzlicher Dank für den Abschluß von Band 7a gilt stellvertretend
für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags Herrn Dr. Johannes
Czaja für die kompetente und zielorientierte Unterstützung. Ein besonderes
Dankeschön, um dessen Tragweite allein die Angesprochenen
wissen, ist an die Mitwirkenden des Instituts für Geschichtswissenschaften
der Humboldt-Universität zu Berlin gerichtet, an Sandra Cohaus,
Ines Garlisch, Jan Kunzek, Felix Schulz und Stefanie Weißmann, ebenso
an Mirjam Eisenzimmer von den Regesta Imperii in München. Ihr Engagement
in vielen Bereichen (Literatur, Fußnoten, Korrektur, Register,
Recherchen) zeigte, daß der Gebhardt auch in der 10. Auflage nichts von
seinem wissenschaftlichen Zauber verloren hat. Ulrike Hohensee, Dr.
Mathias Lawo, Dr. Michael Lindner und Prof. Dr. Olaf B. Rader übernahmen
innerhalb der Arbeitsstelle der Monumenta Germaniae Historica
der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften so
manche Last und schufen den nötigen Freiraum, um den Band abschließen
zu können. Ihnen allen ist viel geschuldet.
Berlin, im März 2012 Michael Menzel


Zur 10. Auflage des Gebhardt
Im Laufe eines Jahrhunderts ist der Gebhardt zum bedeutendsten Handbuch
der deutschen Geschichte geworden. In ihm resümiert und reflektiert
jede Historikergeneration seit dem ersten Erscheinen den Stand der deutschen
Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. Bruno Gebhardt,
Gymnasiallehrer in Breslau, veröffentlichte 1891/92 ein zweibändiges
Handbuch der deutschen Geschichte, das eigentlich für den Gebrauch in
Schulen bestimmt war. Das Werk sollte, wie es im Vorwort der ersten
Auflage hieß, mehr die Teilnahme der Gebildeten als die der Fachgelehrten
gewinnen. Zwar änderte sich das, als Aloys Meister zum Herausgeber
wurde und 1922 die sechste Auflage mit dem Versprechen einleitete, »nur
ausgezeichnete Forscher als Mitarbeiter heranzuziehen« und dabei im
Interesse des hohen wissenschaftlichen Standards mehr Hochschullehrer
als bisher zu beschäftigen. Der übersichtliche, sachliche und damit auch
pädagogische Charakter des Werkes wurde indessen erhalten.
Seit seinen Anfängen gilt der Gebhardt als Standardwerk, als wichtige
Referenz der deutschen Geschichtsschreibung. In seinen Wandlungen
von der ersten bis zur zehnten Auflage ist er dem Anspruch treu geblieben,
den sein ursprünglicher Herausgeber formuliert hatte: »eine vollständige,
dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft entsprechende
deutsche Geschichte
« zu sein. Blickt man auf die Geschichte des Handbuches
zurück, so entstanden dabei Ausgaben, die jeweils ein Höchstmaß
dessen repräsentierten, was fachlich möglich war. Mehr noch: in
ihrer Folge betrachtet, bilden die Handbücher eine zuverlässige Dokumentation
deutscher Historiographie, eine eigene Geschichte dessen,
was jeweils Geschichtsschreibung hat sein können.
Die zehnte Auflage trägt den traditionell hohen Maßstäben Rechnung.
Wie stets werden die knappen, konzentrierten Darstellungen der Epochen
oder Teilepochen ergänzt durch detaillierte Angaben zu Hilfsmitteln,
Quellen und zur weiterführenden Literatur. Neu ist die Konzeption:
Sie folgt einem integrierenden Verständnis von Geschichte und überwindet
die Trennung der Teildisziplinen durch eine umfassende Darstellung
jedes Zeitabschnittes in seinen wichtigsten Aspekten.
Das Bild der Historiker von der deutschen Geschichte hat sich in
den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt. Für die Zeiträume von ihrem
Beginn im frühen Mittelalter bis zur Geschichte unserer unmittelbaren
X Zur 10. Auflage des Gebhardt
Gegenwart gilt: Die Forschung hat neue Einsichten ergeben und alte
»Wahrheiten« obsolet gemacht. Ganze Lebensbereiche wurden neu erschlossen
und dem historischen Gesamtbild einverleibt, nach der Sozialgeschichte
die Geschlechter- und die Geschichte des privaten Lebens,
zuletzt die Geschichte kultureller Praktiken und kollektiver Erinnerungen.
Vor allem aber haben sich als Folge der tiefen Umbrüche der Gegenwart,
zuletzt in der Zäsur von 1989/90, die Gesichtspunkte verändert, mit
denen wir unsere Geschichte befragen, kategorisieren und deuten.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Verständnis deutscher Geschichte
weder von nationalistischem Hochgefühl und nationaler Hybris
geprägt – wie so oft im 19. und 20. Jahrhundert – noch von Desorientierung
und Katastrophenangst zerklüftet, die nach dem Bruch von 1933
bis 1945 nahelagen. Das Bild der deutschen Geschichte ist europäischer
geworden, differenzierter, vielseitiger und pluralistischer. Es ist auf dem
Weg, im globalen Zusammenhang neu konturiert zu werden.
In bisher neun Auflagen – seit 1891 – hat der Gebhardt das Grundwissen
über deutsche Geschichte versammelt, nach dem jeweiligen Stand der
Forschung geordnet und im Lichte der sich wandelnden Gegenwartsfragen
interpretiert. Dies tut auch der neue Gebhardt, der in 10. Auflage
ab 2001 erscheint: völlig neu konzipiert und gegliedert, von ausgewiesenen
Fachkennern verfaßt und für ein breites Publikum geschrieben. Er
fußt auf dem modernen Forschungsstand; er führt in die Forschungsliteratur
ein, die er ausführlich zitiert; er wählt das Wesentliche aus und
bietet Gesichtspunkte zu vielfältiger Interpretation: deutsche Geschichte
über anderthalb Jahrtausende aus einer Perspektive des 21. Jahrhunderts.
Anders als frühere Auflagen integriert der neue Gebhardt Politik-,
Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte gleichgewichtig, statt die
Geschichte der Politik erdrückend in den Mittelpunkt zu rücken. Der
neue Gebhardt unterscheidet sich klarer als frühere Auflagen von einer
bloßen Chronik deutscher Geschichte. Er ist analytischen Ansätzen verpflichtet,
stellt explizit Fragen, macht Angebote für weiterführende
Interpretation. Er versammelt das gesicherte Wissen und berichtet über
gültige Interpretationen. Er bezeichnet aber auch Lücken im Forschungsstand,
identifiziert das Fragwürdige, stellt sich Kontroversen
und weist auf offene Probleme hin.
Anders als andere Synthesen zur deutschen Geschichte ist der Gebhardt
ein Handbuch, an dem zahlreiche Autoren zusammen gearbeitet
Zur 10. Auflage des Gebhardt XI
haben. Das Werk ist deshalb nicht durch das individuelle Urteil einer
Person
geprägt, es ist vielmehr nuancenreicher und vielfältiger, distanzierter
und »objektiver«. Anders als andere Serien zur deutschen
Geschichte löst der Gebhardt seinen Gegenstand nicht in einzelne Probleme
und Themen auf. Vielmehr besteht er auf der Notwendigkeit, den
historischen
Zusammenhang zu rekonstruieren und diesen chronologisch,
mit dem vorwiegenden Interesse am Wandel in der Zeit, darzustellen.
In den letzten Jahrzehnten haben die Landes-, Regional- und die
Mikrogeschichte an Bedeutung gewonnen. In den letzten Jahren ist klar
geworden, daß die Internationalisierung der historischen Arbeit neu auf
der Tagesordnung steht und transnationale Zugriffe gesucht werden.
Doch bleibt der nationalgeschichtliche Zugang zur eigenen Geschichte
überall wichtig. Es kommt darauf an, ihn nicht zu verabsolutieren, sondern
mit der Geschichte kleinerer Einheiten wie mit der Geschichte
transnationaler Zusammenhänge zu vereinbaren. Diesem Ziel dient der
neue Gebhardt, der ein Handbuch deutscher Geschichte ist, aber die
deutsche Geschichte in ihrer regionalen Vielfalt und in ihren europäischen
Zusammenhängen vorstellt.
Der neue Gebhardt erscheint in 24 Bänden unterschiedlichen Umfangs:
Die Bände 1–8 setzen bei der Spätantike ein und führen bis zum Ende des
Mittelalters; die Bände 1, 2, 5, 6 und 8 wurden von Alfred Haverkamp
herausgegeben.
Die Bände 9–12 sind der Frühen Neuzeit bis zum Beginn
des 19. Jahrhunderts gewidmet, die Wolfgang Reinhard als Herausgeber
betreut. Die Bände 13–17 beschäftigen sich mit dem »langen 19. Jahrhundert
« bis zum Ersten Weltkrieg, unter der Herausgeberschaft von
Jürgen
Kocka. Dem 20. Jahrhundert sind die Bände 18–23 gewidmet und
werden von Wolfgang Benz herausgegeben. Das Gesamtwerk mit 24
Bänden soll im Jahr 2013 vorliegen.
Üblicherweise wird dem »Mittelalter« die Zeitspanne von etwa einem
Jahrtausend zwischen dem 4. und 16. Jahrhundert zugerechnet, wobei
sich die mehr oder weniger weit gefaßten Ränder mit der »Antike« und
der »Neuzeit« überlappen. In diesen Jahrhunderten erhielt der lateinische
Westen, der Okzident, neue und bis heute stark nachwirkende Konturen.
Zugleich wurden in diesem weiten Kontext wie im engen Verbund mit
dem ostfränkischen und dem römisch-deutschen Reich die Grundlagen
XII Zur 10. Auflage des Gebhardt
und Grundzüge der deutschen Geschichte geschaffen. Dazu gehören das
föderale Gefüge und die Gemeinde. Die großen historischen Zusammenhänge
offenbaren sich ebenfalls in den unterschiedlichen, wiederum
bis in die Gegenwart nachwirkenden Gestaltungen der erst spät als
»Deutschland« verstandenen deutschen Lande. Diese landschaftliche
Vielfalt bietet tragfähige Brücken zur europäischen Geschichte. Es bestanden
vielfältige
Verflechtungen zwischen römisch-antiken, germanischen
und slawischen Traditionssträngen bei unterschiedlichen Prägungen
von Heidentum, Christentum und Judentum. Um anachronistische
Betrachtungsweisen zu vermeiden, ist die »deutsche Geschichte« des
Mittelalters in ihren engen Verknüpfungen mit der Geschichte des Römischen
Reichs, der lateinischen Christenheit, des Mittelmeerraumes und
des Okzidents zu konzipieren. Die damit zusammenhängenden Fragen
über die Grundlagen, die Grundzüge, die Einflüsse und Auswirkungen,
die Reichweiten und die räumliche Gliederung, die Phasen der deutschen
Geschichte und die leitenden Aspekte stehen im Zentrum der Einleitung
des Herausgebers im ersten Band.
Band 1 behandelt die vielschichtigen, mediterran und kontinental
geprägten
Grundlagen von der Spätantike bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts
unter besonderer Berücksichtigung
jener mitteleuropäischen
Räume,
in denen das römisch-ostfränkische-deutsche Reich seine diversen
Ausformungen erhielt. Im Zentrum des zweiten Bandes steht das
Karolingerreich, jedoch mit einem Schwerpunkt auf dem in den Reichsteilungen
fixierten Ostfrankenreich (714/715–887/888). Band 3 schildert
die Vorgänge und Zusammenhänge, die bis zum ersten Viertel des
11. Jahrhunderts (1024) zu einer stärkeren Verankerung der Reichsherrschaft
in den erst spät christianisierten Gebieten östlich des Rheins
führen.
Wie sich auf dieser veränderten Basis anschließend in der Zeit
der Salier (1024–1125) die Konturen einer »deutschen« Geschichte
innerhalb
der Reichsherrschaft und der nunmehr von kräftigeren amtskirchlichen
Impulsen geprägten römisch-lateinischen Christenheit im
Kontext weiterer
tiefgreifender Veränderungen deutlicher abzeichnen,
steht im Mittelpunkt
des vierten Bandes. Dem folgen im fünften Band
Darlegungen über die von neuen Anstößen und Verquickungen mit der
europäischen und mediterranen
Geschichte bestimmten Jahrzehnte bis
zum endenden 12. Jahrhundert. Band 6 umfaßt die Zeitspanne von der
keineswegs nur negativ zu beurteilenden Krise der Reichsherrschaft im
staufisch-welfischen Thronstreit über die Regierungszeit Friedrichs II.,
Zur 10. Auflage des Gebhardt XIII
in der der Schwerpunkt der Reichsherrschaft wie nie zuvor seit der
Spätantike im mediterranen
Süden lag und zugleich im kontinentalen
römisch-deutschen Reich lokale – gemeindliche und regionale – Kräfte
größeres Gewicht gewannen, bis zum Auseinanderbrechen der imperialen
Klammer im sogenannten Interregnum (1198–1273). Daran
fügt sich
die Darstellung der Zeitspanne zwischen der Reichsherrschaft Rudolfs
von Habsburg und der Katastrophe des Schwarzen Todes um die Mitte
des 14. Jahrhunderts in Band 7a an. Der zweite Teilband 7b analysiert
die Schwerpunktverlagerung der Reichspolitik und die damit zusammenhängenden
Faktoren, die die deutsche Geschichte in der Zeit zwischen
1346/47 und 1410 neu gestalten. Dafür bietet der achte Band für
die Zeitspanne bis zum ersten selbständigen Reichstag von Worms
(1495) weitere Einsichten wiederum aus größerem
Blickwinkel.
Deutschland in der Frühen Neuzeit, die hier zum ersten Mal im Gebhardt
als eigene Epoche begriffen wird, war die Zeit des Alten Reiches, das
1495 Gestalt annahm und 1806 unterging. Die Krisen der Reformation
und des Dreißigjährigen Krieges haben die Struktur dieser einzigartigen
politischen Lebensform, die erst heute angemessen gewürdigt werden
kann, entscheidend geprägt. Deutschland hat seine große wirtschaftliche
und kulturelle Bedeutung, die es zu Beginn besaß, zwar nicht halten
können. Die Führung ging auf andere Länder über. Aber die Deutschen
bildeten
innerhalb der allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung Europas konfessionelle Varianten einer nationalen
Kultur aus, die ebenso wie die deutsche Wirtschaft trotz Krisen und
Kriegen ein bleibendes Erbe hinterlassen hat.
In diesem Zusammenhang behandelt Band 9 die Problematik der
deutschen Geschichte des 16.–18. Jahrhunderts als eigener Epoche und
stellt die Grundlagen im Zeitalter von Reichsreform und Reformation
dar. Band 10 handelt vom konfessionellen Zeitalter und vom Dreißigjährigen
Krieg. Band 11 schildert die Vollendung und Neuorientierung
des frühmodernen
Reiches, Band 12 den beschleunigten Wandel von
Reichsstruktur und Gesellschaft seit 1763.
Es ist üblich geworden, vom »langen 19. Jahrhundert« in Deutschland
und Europa zu sprechen, das von dem Epocheneinschnitt der Französischen
Revolution bis zum Ersten Weltkrieg reichte. Die neue Auflage
des Gebhardt nähert sich dieser Sichtweise an, jedoch nicht zur Gänze.
XIV Zur 10. Auflage des Gebhardt
Band 13 stellt das 19. Jahrhundert als Epoche der entstehenden klassischen
Moderne vor. Es folgt ein Band über Deutschland im Zeitalter der
Napoleonischen Kriege, im Vormärz und in der Revolution von 1848/49.
Der häufig zu wenig in seinem Eigengewicht gewürdigte Zeitabschnitt
zwischen Revolution und Reichsgründung ist das Thema von Band 15.
Das Bild des Kaiserreichs hat sich seit den 1970er Jahren erheblich
geändert; Band 16 bietet eine Synthese auf dem neuesten Forschungsstand.
Das 19. Jahrhundert wird als Epoche der Industrialisierung, des
rasanten Bevölkerungswachstums und der großen Wanderungen begriffen,
als Jahrhundert der Nationalstaaten und der Nationenbildung, der
bürgerlichen Gesellschaft, ihrer Kultur und ihrer Konflikte, und schließlich
auch als bürgerliches Jahrhundert im Sinne zunehmend verwirklichter
Zivilgesellschaft.
Es endete in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs,
der in Band 17 behandelt wird.
Der Erste Weltkrieg bezeichnet eine Zäsur, die das 20. Jahrhundert mit
dramatischen Entwicklungen in Technik und Wissenschaft und mit Brüchen
in den politischen und sozialen Konstellationen, im Welt- und
Menschenbild
von der früheren Geschichte unterscheidet. Das Ende der
Hegemonie
Europas stand am Anfang, die Globalisierung am Ende des
Jahrhunderts. Die ökonomischen und politischen Folgen der gegenwärtigen
Revolution
aller Informations- und Kommunikationssysteme sind
noch ebensowenig abzusehen wie die ethischen Probleme einer Entwicklung,
die mit der Gentechnologie
in die Baupläne des Lebens eingreift.
Dies sind transnationale
Probleme. Nationalgeschichtliche Zusammenhänge
waren gleichwohl
prägend,
und sie zu beschreiben bleibt für das
Verständnis der Triebkräfte und Wirkungen politischen und sozialen
Handelns unerläßlich; sie müssen auch im Zeitalter internationaler Krisen
und Konflikte und der supranationalen Konkurrenz politischer Systeme
und Ideologien im Blick behalten werden.
Die Weimarer Republik hat doppelte Bedeutung als Formierungsphase
der Ideologie des Nationalsozialismus und als gescheiterter Versuch,
deutsche Sonderwege zu beenden. Die nationalsozialistische Diktatur
als Realisierung der aggressivsten Version aller faschistischen Bewegungen
in Europa war mehr als der Kulminationspunkt des deutschen
Nationalismus,
der mit rassenideologischer Dominanz und unbeschränktem
Vernichtungswillen in Konkurrenz zum Kommunismus als
Zur 10. Auflage des Gebhardt XV
Idee und Herrschaftssystem trat. Nationalsozialismus verstand sich
ebenso als Gegenentwurf zur westlichen Demokratie und entfesselte
mörderische Energien gegen Minderheiten wie gegen Nationen, die im
Zweiten Weltkrieg, im Völkermord an den Juden, im Weltanschauungskampf
gegen die Sowjetunion und nach der Okkupation weiter Teile
Europas im Zusammenbruch endeten. Der Verlust von Staatlichkeit und
Territorium, Leben unter Besatzungsherrschaft, Vertreibung und Kontrolle
kennzeichnen die deutsche Geschichte nach 1945, die in zwei
Staaten in gegensätzlichen Weltsystemen eingebunden als Teil des Kalten
Krieges und der Konkurrenz
der Supermächte verlief.
Die Wende 1989/90 als Folge des Untergangs des kommunistischen
Systems wurde zur Herausforderung unverhoffter Einheit der beiden
deutschen Staaten, deren antagonistische Entwicklung zwangsläufig
eine soziale und kulturelle Vereinigungskrise zur Folge hatte. Die Brüche
und Verwerfungen Deutschlands nach 1990 sind trotzdem nicht als
Erscheinungen der Rückkehr zum Nationalstaat zu begreifen, sondern
als sozialgeschichtliche und gesellschaftliche Probleme vor dem Hintergrund
neuer europäischer und globaler Strukturen.
Alfred Haverkamp* · Wolfgang Reinhard · Jürgen Kocka · Wolfgang Benz
Januar 2001
* Herausgeber der Bände 1, 2, 5, 6 und 8 (bis 2007).