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Frühe Neuzeit  mit einem Geleitwort von Winfried Schulze
Frühe Neuzeit


mit einem Geleitwort von Winfried Schulze

Anette Völker-Rasor (Hrsg.)

Oldenbourg Wissenschaftsverlag
EAN: 9783486564266 (ISBN: 3-486-56426-9)
507 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 18 x 26cm, 2000

EUR 34,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Eine Einladung in die Frühe Neuzeit! Das OGL verbindet wissenschaftliche Exaktheit mit verständlicher Sprache und anschaulichen Illustrationen zu einem neuartigen Wegbegleiter durch das Geschichtsstudium, Thema, Technik, Theorie der Geschichtswissenschaft sind die Grundlagen für vier verschiedene Zugänge zur Epoche, Das Buch gibt eine umfassende Orientierung, kombiniert Lerneffekt und Leselust.
Rezension
Frühe Neuzeit – das meint die Zeit zwischen ca. 1500 und 1800, eine Epoche, die nicht nur für Historiker von elementarer Bedeutung für Entstehung und Verstehen der Moderne ist, sondern auch für viele andere Wissenschaften, z.B. Kunstwissenschaft oder Theologie; denn es geht um nicht weniger als um u.a. Renaissance, Reformation und Aufklärung. Das Oldenbourg Geschichte Lehrbuch (OGL) als Zusammenarbeit von 27 Autorinnen und Autoren verbindet wissenschaftliche Präzision mit verständlicher Sprache und anschaulichen Illustrationen zu einem neuartigen Wegbegleiter durch das Geschichtsstudium. Die Auswahl der Themen und Beispiele erscheint ebenso gelungen wie die Vorstellung verschiedener Analyse-Methoden oder die Hinweise auf internationale Forschungseinrichtungen oder die gezielte Internet-Recherche. Das OGL stellt vier Zugangsweisen in die Epoche vor: eine chronologische, eine systematische, eine methodische und eine forschungsgeschichtliche. Dem gut verständlichen Haupttext sind vielfältig Zeittafeln, Kurzbiographien, Abbildungen, Schaubilder, Detailskizzen und Forschungsstimmen beigegeben. Als äußerst hilfreich erweist sich auch ein umfangreiches Sach- und Personenregister.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Thema, Technik, Theorie - diesen drei "T"s widmet sich das Oldenbourg Geschichte Lehrbuch. In gut lesbaren und strukturierten Beiträgen werden einzelne Themen der Frühen Neuzeit dargestellt und auf eine theoretische Basis gestellt. Dabei wird nicht allein die Ereignisgeschichte berücksichtigt, sondern auch verschiedene Blickwinkel der Forschung, Arbeitsweisen der Forschung und Einrichtungen der Forschung in aller Welt. Die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens werden durch drei Technikexkurse vermittelt. Zeittafeln, Kurzbiographien, Abbildungen, Schaubilder, Detailskizzen und Stimmen aus der Forschung stehen neben dem Haupttext der einzelnen Beiträge und sorgen für Anschaulichkeit. Besuchen Sie auch den Internet-Auftritt OGL-online !

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Das Oldenbourg Geschichte Lehrbuch ist ein neuartiger Wegbegleiter durch das Geschichtsstudium. Die andere Oberfläche, der neue Zugang unterscheiden es von bisher gewohnten handbuchartigen Einführungen. Neu ist aber auch, dass dem Buch-OGL von Beginn an mit dem Internet-OGL eine virtuelle Ergänzung mit zusätzlichen Informationen und Links zur Seite gestellt wird.

In der Rubrik "Buch" können Sie sehen, was das gedruckte OGL zu bieten hat. Das Internet-Angebot finden Sie bei den Links zur Geschichtswissenschaft. Und wenn Sie Kommentare, Wünsche oder Anregungen haben, finden Sie Herausgeberin, Autorinnen und Autoren sowie die Verlagsmitarbeiter in der Rubrik "Kontakte".

Rezensionen zum OGL-Frühe Neuzeit

Rezensionen zum OGL-Frühe Neuzeit sind bisher
an den folgenden Stellen erschienen:

November 2002: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
April 2001: Das historisch-politische Buch
März 2001: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
Januar 2001: Frankfurter Allgemeine Zeitung
November 2000: Buch 30, November 2000
Oktober 2000: Server Frühe Neuzeit
August 2000: Parlament
Juni 2000: Neue Zürcher Zeitung


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Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Heft 11 (November) 2002

Im Oldenbourg Verlag erschien erstmals ein umfassendes Lehrbuch zur Frühen Neuzeit. Der von 20 ganz überwiegend jüngeren Historikern verfasste Band behandelt in vier Großkapiteln die "Phasen" und die "Zugänge der Frühen Neuzeit" sowie das "Vorgehen" und die "Einrichtungen der Forschung". Den ersten drei Kapiteln sind spezifische, gut lesbare und verständliche Ausführungen zu den Technika zugeordnet, und zwar über das "Lesen der Geschichte", die "Arbeit mit den Quellen" und die "Präsentation eines Themas". Das Konzept ist ausgewogen aber auch innovativ, etwa durch seine bewusst übernationale, ja mondiale Blickrichtung: Im Phasenkapitel (I) werden die Epoche und ihre Phasen zunächst im Europa-, dann im Weltmaßstab beschrieben; das Studium und seine Einrichtungen (Kap. IV) werden zunächst "im näheren Umkreis", dann "außerhalb Europas" abgeschritten. Erfreulich ist die akzentuierte Pluralität der Ansätze und Methoden, die im Kapitel II "Zugänge" sowohl die mannigfaltigen neuen Impulse innerhalb des Faches als auch Schwerpunkte der Interdisziplinarität hervortreten läßt. Dabei ist allerdings eine Vorliebe für Modernismen unverkennbar, während langbewährte Ansätze und Kooperationen (etwa mit Theologie und Kirchengeschichte, die für die Frühneuzeitler unerläßlich sind und durch nichts ersetzt werden können) im Hintergrund bleiben oder gar nicht behandelt werden. Die Einzelteile und Artikel, deren Verfasser im Inhaltsverzeichnis nicht genannt sind, sodass eine real nicht vorhandene Einheitlichkeit simuliert wird, sind natürlich qualitativ unterschiedlich. Doch besitzt das Lehrbuch insgesamt einen hohen, in der Regel zuverlässigen Informationswert. Durch zahlreiche Beispiele aus der konkreten Forschung sind die meisten Kapitel nicht nur gut und kurzweilig zu lesen, sie sind auch bestens geeignet, dem Anfänger ein Gespür dafür zu geben, dass im Frühneuzeitstudium wie in der Geschichtswissenschaft allgemein die Weisheit des Famulus Wagner "Was ich schwarz auf weiß besitze, kann ich getrost nach Hause tragen" nicht weiterhilft, sondern eigene Ansätze und Zugänge, Themenschwerpunkte und Interessen zu entwickeln sind - und vor allem der Mut zu einem eigenen Urteil, das methodisch-theoretischen Modernismen ebenso skeptisch gegenüberstehen sollte wie unreflektierten Traditionalismen. Kurz ein begrüßenswertes Instrument der Einführung in das Studium der Frühen Neuzeit, in einigen Passagen aber auch ein Handbuch zum Nachschlagen - begrüßenswert insbesondere auch deshalb, weil es - mit Verstand gelesen - zeigt, dass ein Geschichtsstudium sicherlich effektiver und zeitsparender angelegt werden kann, dass aber jeder Kurzzeitstudiengang verfehlt, ja kontraproduktiv ist, der nicht hinreichen Muße sowohl zur Aneignung breiter Kenntnisse als insbesondere auch zur Erarbeitung eines fundierten eigenen methodisch-theoretischen Standpunktes mit entsprechend sicherem Urteilsvermögen läßt.

Heinz Schilling


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Das historisch-politische Buch 48. Jahrgang (2000), 2. Heft

Das anzuzeigende Buch wendet sich an Studierende, Dozentinnen und Dozenten sowie Gymnasiallehrer. Die 26 Autorinnen und Autoren sind meist jüngere Historiker mit Lehrerfahrung im Grundstudium. Hauptzweck des Werkes ist Einführung in Probleme der Forschung. Das erste Kapitel bringt in zwei chronologischen Durchgängen einmal Religions- und Politikgeschichte, zum anderen Geschichte der europäischen Expansion. Das zweite Kapitel behandelt Forschungsthemen aus Teilgebieten und aus der Zusammenarbeit mit Nachbarfächern, das dritte Verfahren der Forschung: Grundbegriffe wie "Sozialdisziplinierung", aber auch weitere Teilgebiete, Quellentypen und den Computer. Vieles ist - teils erklärlicherweise - nicht epochenspezifisch. Ähnlich inhomogen ist das vierte Kapitel. Es gilt Institutionen der Frühneuzeitforschung; noch einmal erscheint die außereuropäische Welt. Eingefügt ins Buch sind drei "Exkurse" über die Entstehungsphasen einer studentischen Arbeit. Einschübe lockern den Text auf: Quellen, darunter durchweg präzis interpretierte Abbildungen, Forschungsstimmen, Fallbeispiele, Kurzbiographien, Karten und Zeitleisten. Die Themenauswahl bevorzugt die ‚"neue" Kulturgeschichte (145) der letzten zwanzig Jahre, Kritik an ‚Makrohistorie‘ im Stil der Annales-Schule wird mit Nuancen übernommen. Folge: Im ersten Kapitel kommen mehrfach die Querverbindungen zu Wirtschaft und Gesellschaft zu kurz. Ältere, aber hoch wirksame Deutungsansätze wie Brunners ‚Alteuropa‘-Begriff kommen nicht mehr vor. Von einem als Forschungsbericht angelegten Buch ist Vollständigkeit gesicherten Überblickswissens nicht zu verlangen. Mir scheint dennoch die politische Geschichte, vor allem die Beziehungen zwischen den Mächten, für den Bedarf von Studierenden allzu stark verknappt. Auch sonst muss man die Anregungen zu ergänzender Lektüre sehr ernst nehmen, um Nutzen aus dem Werk zu ziehen. Auch die erwähnten Schwächen der Gliederung tragen dazu bei, dass für Dozenten oder Gymnasiallehrer - mit Zugriff auf eine leistungsfähige Bibliothek! - ein nützliches Hilfsmittel vorliegt, ein durchschnittliches drittes Semester aber eher überfordert sein dürfte.

Ernst Opgenoorth


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Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 3 (März) 2001

Ansprechend, übersichtlich, reichhaltig - ein überaus gelungenes Buch. Den Zielgruppen - Studierenden im Grundstudium, Dozenten und Lehrern - wird es im Allgemeinen gut gerecht, da kaum Fachwissen vorausgesetzt und Fachtermini bzw. Fremdwörter im Text erklärt werden. Den einzelnen Kapiteln ist eine Zeittafel vorangestellt. In abgetrennten Kästen werden ausführlichere "Detailskizzen" und weiterführende "Forschungsstimmen" angeboten. Ansonsten beschränken sich die Autorinnen und Autoren auf die Vermittlung von Grundwissen, ohne allerdings über Kontroversen der Forschung einfach hinwegzugehen. Die Bebilderung regt zum Blättern an. Positiv fällt auf, dass der Blick über Europa hinausreicht, wenn man auch Osteuropa weitgehend vergeblich sucht.

Vier große Themenbereiche werden abgedeckt: Die Periodisierung wird anhand prägender Ereignisse begründet, so der Reformation, des Absolutismus als "Vorgang der Verdichtung von Herrschaft" (S. 39) und der Französischen Revolution.

Ein getrennter Bereich behandelt die Teildisziplinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Mentalitäten- und Geschlechtergeschichte sowie die Nachbarfächer Volkskunde, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Vielleicht hätte man sich noch etwas mehr über Technik- und Wissensgeschichte gewünscht oder ein eigenes ideen- und geistesgeschichtliches Kapitel. Bezeichnenderweise finden sich im Sachregister etwa unter den Stichwörtern Humanismus oder Renaissance zahlreiche Seitenangaben, doch sind die Fundstellen in den Texten mehr als unergiebig, vor allem für Leser, die eine Begriffsbestimmung suchen (bei einem Einführungslehrbuch vielleicht nicht ganz unwahrscheinlich).

Überraschend umfangreich werden als dritter Schwerpunkt Techniken und Methoden der Frühneuzeitforschung abgehandelt. Man fragt sich, ob Aufsätze über die Vorzüge von Textverarbeitungsprogrammen oder darüber, wie man ein Buch richtig liest, über die Arbeit mit den Quellen, über analytische oder narrative Darstellungsformen sowie (zusätzlich) über Präsentationstechniken wirklich in einem Lehrbuch speziell über die Frühe Neuzeit am rechten Ort sind.

Schließlich der letzte Themenbereich: Er befasst sich mit internationalen Einrichtungen der Frühneuzeitforschung. Besonders positiv hervorzuheben sind hier vier Kapitel, von denen je eines von den Kontinenten Asien, Afrika, Australien und Ozeanien sowie Nord- und Südamerika handelt, wobei natürlich jeweils die Frage ausführlich diskutiert wird, ob der Epochenbegriff Frühe Neuzeit für andere Kontinente und nichteuropäische Kulturen überhaupt Relevanz besitzt. Besonders für Asien und Afrika ist er zur Periodisierung nur bedingt geeignet, dann nämlich, wenn es um die asiatisch-europäische oder afrikanisch-europäische Beziehung geht.

Man findet in diesem letzten Teil nicht nur Informationen über Entwicklung und Tendenzen der jeweiligen Geschichtsschreibung und ihrer Beziehung zur europäischen Historiographie, sondern daneben viele interessante Details aus der außereuropäischen Geschichte. Zu bemängeln ist aber, dass Peer Schmidt für die Lateinamerikaforschung nur deutsche Einrichtungen nennt. Wiederum überraschend ist der besonders spannend geschriebene Aufsatz von Reinhard Wendt, der eine knappe Schilderung der Geschichte des Pazifik, seiner Inseln und Urbevölkerung bietet.

Vielleicht ist es unangemessen, bei einem derart umfangreichen Sammelband auf einen einzelnen Artikel näher einzugehen; dennoch: Der kurze Aufsatz zur Mentalitätengeschichte von Wolfgang Schmale enttäuscht. Neben der Auseinandersetzung mit dem Begriff vermisst man hier Inhaltliches. Sicher hat der Verfasser Recht mit der Aussage, die große Syntheseleistung in Form einer monographischen Darstellung "der Mentalitäten in der europäischen Frühneuzeit" stehe bislang noch aus (S. 174). Doch ist das keine Entschuldigung. Die Frage nach der Veränderung von Persönlichkeitsstrukturen beispielsweise wird nicht einmal gestellt. Dabei hat David W. Sabean das Thema in "Power in the Blood" ("Das zweischneidige Schwert") ausdrücklich angesprochen: Er vermutet, dass die frühneuzeitliche Landbevölkerung "keine Vorstellung von der Person als einem Zentrum des durch Erinnerung integrierten Bewusstseins" hatte (S. 63f.). Seit Beginn des 17. Jahrhunderts vertrat aber der Klerus die Auffassung, dass in der subjektiven Erfahrung eine begrenzte Anzahl kontrollierbarer Emotionen existiere. Die Vorstellung einer konsistenten Persönlichkeitsstruktur war neu. Im Volk dagegen glaubte man, dass der Einzelne von sozialen Situationen abhänge und sich dementsprechend laufend verändere. Heinz Kittsteiner kommt in "Die Entstehung des modernen Gewissens" zu ähnlichen Schlüssen: Die einfachen Bauern orientierten sich am sichtbaren Ergebnis einer Handlung, nicht an der Intention des Handelnden. Diese Bewertung beobachten Psychologen heute nur bei kleinen Kindern. Das Gewissen des Volkes war nach Kittsteiner kraftlos und rückwärtsgewandt, ungeeignet zur Steuerung von Verhalten, nur momentan in Reue und Buße aufbrechend. Das bedeutet, dass die Frage nach der Verantwortlichkeit sich den Menschen in der Frühen Neuzeit nicht so stellte wie uns heute. Wenn Schmale behauptet, hinsichtlich der Mentalitäten habe sich der Bruch mit der Frühen Neuzeit "oft erst zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der 1968er Revolte" ereignet (S. 179), so stellt sich zumindest für die Rezensentin die Frage, ob er die Tragweite der Veränderung der Persönlichkeitsstrukturen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert nicht unterschätzt.

Alles in Allem aber hinterlässt der Band einen sehr positiven Gesamteindruck.

Eva Lacour


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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.1.2001

Kämme einen Exkurs hinein!
Ein Frühneuzeit-Lehrbuch nimmt die Historikerzunft in Sippenhaft

Wie der Begriff der "Frühen Neuzeit" entstanden ist, lässt sich nicht mehr ganz genau nachvollziehen. Er taucht zuerst in amerikanischen Publikationen auf; Anfang der fünfziger Jahre gelangte er in Peter Clarks "Early Modern Europe" erstmals zur Würde des Buchtitels. Synchron mit dem Aufstieg der Modernisierungstheorie stellte sich unter Historikern der Konsens ein, in der europäischen frühen Neuzeit ein "Musterbuch der Moderne" zu sehen und die Dynamik des wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritts im Europa der drei Jahrhunderte zwischen 1500 und 1800 wurzeln zu lassen, die von unserer eigenen Zeit durch die Epochenschwelle der industriellen und der politischen Revolution getrennt sind. Seit den sechziger Jahren mehrten sich deutsche Publikationen, die den Begriff – zunächst klein, bald auch groß geschrieben – im Titel trugen, es folgten Zeitschriften und Lehrstühle, seit kurzem sogar eine regelmäßige Konferenz der deutschen Frühneuzeithistoriker. Nun liegt eine Publikation vor, die als Lehrbuch für Studenten, Geschichtslehrer und akademische Historiker dienen soll.

Winfried Schulze, einer der herausragenden Frühneuzeithistoriker und derzeitiger Vorsitzender des Wissenschaftsrates, legt in seinem Geleitwort überzeugend dar, warum die Auseinandersetzung mit dieser Epoche lohnend ist. Damals seien alle grundlegenden Konflikte der Neuzeit – Kampf um Freiheit des Gewissens, Gleichheit der Menschen, Limitierung von Macht, die Wirkungen neuer Technik vom Buchdruck bis zur Dampfmaschine – zum ersten Mal exemplarisch ausgefochten worden. Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau hätten Konzepte gesellschaftlicher Ordnung entwickelt, die bis heute ihre Relevanz behalten haben. So ist es. Genau hier aber beginnen die Probleme des vorliegenden "Oldenbourg Geschichte Lehrbuchs": Die von Schulze angeführten Autoren kommen darin praktisch gar nicht vor, und die großen Konflikte gehen in der chaotischen Organisation des Werkes unter.

Die Historikerin Anette Völker-Rasor legt als Herausgeberin in ihrem Vorwort dar, dass Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit "wichtige Leitgedanken" bei der Entstehung des Buches gewesen seien. Ihre Darstellung des didaktischen Konzepts weckt jedoch die schlimmsten Befürchtungen: "Wer sich einen neuen Stoff aneignen will, sieht sich gleichsam mitten hineingestellt in ein fremdes Land, das es möglichst unbefangen zu erkunden gilt. Das unbekannte Gebiet umgibt einen wie ein Panorama, von dessen Mittelpunkt aus – an dem man selbst steht – sich die verschiedensten Wege auftun. Vier von vielen möglichen Wegen nun werden mit dem Werk eingeschlagen, wobei das Bild als solches schon deutlich macht, dass hier eine Wahl zugrunde liegt." Das Buch ist in vier "Blöcke" aufgeteilt (Phasen der Frühen Neuzeit, Zugänge, Vorgehen der Forschung, Institutionen). "In diese vier Teile nun werden – um hiermit das Kreisbild des Panoramas wieder zu verlassen und in die lineare Darstellung zurückzukehren – drei Exkurse gleichsam ‚hineingekämmt‘. Sie haben ein ausschließlich didaktisches Ziel, bedienen sich dabei aber der um sie herum behandelten Inhalte als Beispielmaterial." Genug der Stilblüten.

Wer sich bei derartiger Diktion an Zeigefingerpädagogik und das Wort zum Sonntag erinnert fühlt, liegt nicht völlig verkehrt. Dieses Buch lässt allen Ernstes die Frühe Neuzeit mit Martin Luthers 95 Thesen im Jahr 1517 beginnen! Ob man die Entstehung des Kapitalismus, religiöse und revolutionäre Unruhen, Erfindungen und Entdeckungen, den Prozess der Staatsbildung und die Entstehung des Staatensystems oder die Anfänge der Globalisierung zum Parameter nimmt: Stets beginnen diese Prozesse lange vor dem Auftreten des sächsischen Reformators und haben nichts mit ihm zu tun. Dabei muss man nicht einmal an das orthodoxe, heidnische, häretische, jüdische und muslimische Europa oder an die nichteuropäischen Zivilisationen denken, es genügt ein Blick auf die lateinische Christenheit: Wurde nicht Luther bald von einer Delegation böhmischer Theologen aufgesucht, die ihn dazu beglückwünschten, dass er nach über hundert Jahren zur selben Lehre wie Jan Hus gefunden habe? Sicher, die lutherische Rechtfertigungslehre unterschied sich von der des böhmischen Reformators – aber kann man darauf eine Epoche gründen?

Amerikanische Wissenschaftler haben 1999 in einer Umfrage Johannes Gutenberg zum "man of the millennium" gewählt. Diese Wahl mag sich der Fernwirkung von Marshall McLuhans Schlagwort von der "Gutenberg-Galaxis" verdanken, dem Universum, in dem sich die Menschheit seit der Erfindung des Buchdrucks bis hin zum "elektronischen Zeitalter" bewegt habe. Doch auch jenseits dieser Interpretation spricht vieles dafür, den um 1450 erfundenen Buchdruck für eine bedeutsame Innovation, vielleicht die wichtigste des vergangenen Jahrtausends, zu halten, gemessen an ihren Fernwirkungen, welche die Wissenschaften, die Politik, die Religion und die Gesellschaft bis hinein in ihre Strukturen entscheidend verändert haben. Das "Musterbuch der Moderne" wurde durch den Buchdruck verbreitet, zunächst in Europa und später in der ganzen Welt. Gutenberg aber kommt, wenn das Register nicht trügt, in diesem Lehrbuch für die Geschichte der Frühen Neuzeit ebensowenig vor wie andere Heroen der Mediengeschichte, etwa Franz von Taxis, der Erfinder des Postwesens und damit gewissermaßen des "ersten Internet", oder Johann Carolus, der Erfinder der periodischen Presse. Die These, dass Gesellschaftsstrukturen von Medien determiniert werden, wird nicht einmal erwähnt.

Überhaupt, die liebe Theorie! Von einem Lehrbuch dürfte man ja erwarten, dass die wenigen anspruchsvolleren heuristischen Konzepte der Disziplin systematisch vorgestellt und diskutiert würden. Für einige Prozessbegriffe (Sozialdisziplinierung, Konfessionalisierung, Pluralisierung, Globalisierung) ist dies auch tatsächlich der Fall, andere hingegen, etwa Werner Sombarts Begriff des Frühkapitalismus, Max Webers Protestantismus-Kapitalismus-These, seine Rationalisierungsthese, die Herrschaftssoziologie et cetera, sucht man vergeblich, Wieder andere werden lediglich erwähnt (etwa Norbert Elias‘ Zivilisationstheorie) oder sind irgendwo versteckt, Immanuel Wallersteins "World Systems" beispielsweise in einem Kurzkapitel zur afrikanischen Geschichte.

"Modernisierung" wird als Begriff verwendet, aber die Modernisierungstheorie nicht als mächtiges Paradigma einer Nachbarwissenschaft kenntlich gemacht. Poststrukturalismus und "linguistic turn" werden in einem Kapitel zur Literaturwissenschaft begraben. Letztere gehört zusammen mit Volkskunde und Kunstgeschichte zu den Nachbarfächern, mit denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit skizziert wird. Aus der Einleitung just dieses zweiten Teils des Buches geht jedoch hervor, dass die Autoren der "neuen Kulturgeschichte" Anregungen kaum von dort, sondern aus der Soziologie, der Ethnologie oder der Psychologie bezogen haben. Manche Disziplinen geraten – wie die Klima- und Umweltgeschichte – überhaupt nie ins Blickfeld, obwohl gerade das Konzept der "Kleinen Eiszeit" für die Frühe Neuzeit von entscheidender Bedeutung ist. Musik, Malerei und Architektur, das sei nur am Rande vermerkt, kommen überhaupt nicht vor, nach Palladio (und dem Palladianismus), Dürer oder Johann Sebastian Bach sucht man selbst im Abschnitt "Kunstgeschichte" so vergebens wie nach der Erfindung der Zentralperspektive. Begriffe wie Barock scheinen naturgegeben zu sein.

Das Lamento über die mit dieser Publikation verschenkten Möglichkeiten soll aber damit zunächst ein Ende haben, denn es gibt auch Positives zu vermelden. Eine Reihe hervorragender Autoren sind mit wertvollen Beiträgen in das Prokrustesbett der Gliederung eingesperrt worden, ohne dass ihre Namen im Inhaltsverzeichnis erscheinen. In "Block 2" etwa findet man die Zelle von Wolfgang Weber neben der von Karl Härter und Wolfgang Reinhard, um nur drei der annähernd dreißig Autoren namentlich zu erwähnen. Die in Niveau und Perspektive naturgemäß sehr unterschiedlichen Beiträge geben in der Regel eine brauchbare Einführung in ihren Gegenstand und ermöglichen durch Literaturangaben die eigene Weiterarbeit.

Der positivste Aspekt dieses Bandes ist die reiche Ausstattung mit reproduktionsfähigem Bildmaterial, das samt möglicher Interpretation der neueren Fachliteratur entnommen worden ist, etwa die Engelsvisionen des württembergischen Weinbauern Hans Keil aus den Forschungen des amerikanischen Historikers David Sabean. Indem sie an eher entlegener Stelle publizierte aussagekräftige Quellenfunde vor eine breiter Öffentlichkeit stellen, haben die Mitarbeiter und die Herausgeberin des Bandes eine echte Brückenfunktion zwischen Forschung und Lehre übernommen. Die "neuen Impulse innerhalb des Faches" kommen auf diese Weise tatsächlich zur Geltung und werden auf den Prüfstand gestellt, Diese Passagen des Buches laden zum Schmökern ein und rechtfertigen den Kauf. Informativ sind auch die sogenannten "Forschungsstimmen" und "Detailskizzen", die immer wieder als Kolumnen an den Rand der Seiten gestellt worden sind.

Bei der Darstellung der Forschungseinrichtungen ("Block 4") hat der Zufall den Pinsel geführt. Die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel wird angeführt, die sicher bedeutendere Bayrische Staatsbibliothek in München oder die Österreichische Nationalbibliothek in Wien nicht, von Paris oder London ganz zu schweigen. Das Deutsche Historische Institut in Washington fällt unter den Tische, andere werden hingegen (Rom, Paris, London und Warschau) sogar mit dem Namen des Direktors genannt, wohl in der Hoffnung, dass nach jedem Personalwechsel das Lehrbuch eine neue Auflage erleben werde. Das Warburg Institute in London wird empfohlen, kunstgeschichtliche Einrichtungen in Florenz oder Rom hingegen nicht. Die amerikanische Frühneuzeithistoriographie wird keines Wortes gewürdigt, obwohl gerade von dort in den letzten fünfzig Jahren einige der originellsten Arbeiten den Alten Kontinent erleuchtet haben.

Die Herausgeberin sieht das vielleicht nicht so, denn die Tradition, mit welcher Geschichtsstudenten anhand der eingestreuten Historikerporträts vertraut gemacht werden sollen, zeugt von geistiger Enge. Hätten neben den nationalen Größen Gerhard Oestreich und Max Steinmetz nicht auch international einflussreichere Gelehrte wie Fernand Braudel oder Lucien Febvre Erwähnung verdient? Eine Unterscheidung und Gewichtung der historiographischen Traditionen der Frühneuzeitforschung dürfte den Lesern dieses Buches nicht leicht fallen. Insgesamt ist dieses Lehrbuch eine Monstergeburt und somit vielleicht der Frühen Neuzeit, nicht aber einer Einführung in dieselbe angemessen.

Wolfgang Behringer


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Buch 30, November 2000

Im Oldenbourg Wissenschaftsverlag ist der erste Band einer neuen, sehr viel versprechenden Lehrbuchreihe erschienen, die sich zwar eigentlich an Studenten der Geschichtswissenschaften im Grundstudium wendet, die sich aber auch für Oberstufenschüler oder -lehrer sowie für jeden, der sich autodidaktisch ein profundes historisches Grundwissen aneignen will, ganz hervorragend eignet. Der von Anette Völker-Rasor herausgegebene Titel Frühe Neuzeit profitiert davon, dass die beteiligten Wissenschaftler sämtlich zu einer jüngeren Generation von Hochschullehrern gehört, denen die Ausbildung junger Studenten im Grundstudium weniger Last als vielmehr Quelle eigenen Lernens ist, wie man nämlich einen hoch komplexen Stoff für ein Lehrbuch strukturell so aufbereiten kann, dass die Arbeit damit mehr Freude als Last bedeutet.

Die Reihe wird mit den Bänden Alte Geschichte, Mittelalter, Neuere Geschichte und Zeitgeschichte fortgesetzt.

Andreas Vierecke


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Anette Völker-Rasor (Hg.): Frühe Neuzeit. Mit einem Geleitwort von Winfried Schulze, (Oldenbourg Geschichte Lehrbuch), München: Oldenbourg 2000 507 S.
ISBN:3-486-56426-9, Preis: DM 69,-.

Rezensiert für den Server Frühe Neuzeit und H-Soz-u-Kult von: Hilke Gunther-Arendt 11.12.2000.
Historisches Seminar der Universität Oldenbourg.

Um es vorweg zu sagen: die Arbeit mit und an diesem Buch kann allen Studierenden empfohlen werden, ebenso Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern, aber auch Lehrenden an den Universitäten, die von hochschuldidaktisch reflektierten Erfahrungen Andrer profitieren möchten.

Der Band "Frühe Neuzeit" eröffnet eine neue Reihe des Oldenbourg Verlages, die sich programmatisch "Geschichte- Lehrbuch" nennt. Schon seine äußere Gestaltung hebt es von den üblichen Einführungen ab: Ein großes Format mit einem robusten Einband, für häufiges Nachschlagen also geeignet, der Druck ist zweispaltig, in die Texte sind Spalten oder Seiten integriert, die der Information dienen (z.B. Zeittafeln, Schemata, Karten) oder den Autorentext erweitern (z.B. Bildinterpretationen, Kurzbiographien, Forschungsstimmen oder als "Detailskizzen" bezeichnete Erläuterungen zu Strukturen oder Begriffen). Es gibt keine Fußnoten, dafür aber zu jedem Abschnitt gut ausgewählte Hinweise auf Literatur, in der Regel auf solche aus den neunziger Jahren. Konzeption und Layout gleichen bis auf den Schwarz-Weiß-Druck und die Papiersorte in vieler Hinsicht amerikanischen textbooks oder neueren Lehrbüchern für die Sekundärstufe II. Dazu passt, dass unter einer Herausgeberin eine Reihe von Autorinnen und Autoren die Texte geschrieben hat. Dieses Autorenteam von überwiegend jüngeren Historikerinnen und Historikern eint offensichtlich dreierlei: fachliche Kompetenz für die Frühe Neuzeit, Interesse an einer guten Hochschullehre sowie die Überzeugung, dass auch das Geschichtsstudium internationalisiert werden muss.

Der Band gliedert sich in vier große Kapitel. In einem ersten Durchgang (13-124) wird die Geschichte der Zeit zwischen etwa 1500 und1800 unter einem chronologischen Zugriff dargestellt, und zwar in zwei Schritten: Zunächst im ""Europa-", dann im "Welt-Maßstab". Im Mittelpunkt steht allerdings nicht die Vermittlung ereignisgeschichtlicher Grundkenntnisse. Die jeweils drei Unterabschnitte orientieren sich vielmehr an der Herausbildung neuer Strukturen, z.B. der "Begegnung der Kulturen" seit1492 oder der "Verdichtung der Herrschaft" nach 1648. Alle Unterabschnitte sind durch Spitzmarken nur noch sparsam gegliedert. Einleitend wird das Thema in einen begrifflichen und strukturellen Zusammenhang gestellt, der die Formung der prinzipiell unbegrenzten Stoffmasse erlaubt. Der Abschnitt "Um 1776/91: Atlantische Revolution" schärft so zunächst den Blick für die Begriffe "atlantische Geschichte" und "2transatlantische Geschichte" mit den dahinterliegenden Denkkonzepten und arbeitet das Besondere der Amerikanischen Revolution heraus, bevor ein Überblick zu den Anfängen der USA einsetzt. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, setzt aber ereignisgeschichtlich gut informierte Leserinnen und Leser voraus.

Das zweite Kapitel "Zugänge zur frühen Neuzeit" (143-22254) erschließt die Epoche unter ausgewählten systematischen Gesichtspunkten und zwar wieder in einem Doppelschritt. Der erste Teil behandelt Fragen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Mentalitätengeschichte und der Geschlechtergeschichte in der frühen Neuzeit, im zweiten Teil geht es um Kooperation mit anderen Fächern: mit der Volkskunde, mit der Literaturwissenschaft und mit der Kunstgeschichte. Hier tritt stärker als im ersten Kapitel hervor, dass sich das Autorenteam, wenn auch moderat, der neuen Kulturgeschichten verpflichtet fühlt. Die thoerieförmigen Textelemente wirken aber an keiner Stelle aufgesetzt, sie werden plausibel und in der Regel anschaulich aus dem historischen Material abgeleitet.

Das dritte (Doppel)Kapitel widmet sich dem "Vorgehen der Forschung" (22273-380). Noch mehr als in den anderen Kapiteln bewährt sich hier die hochschuldidaktische Erfahrung der Autorinnen und Autoren, gelingt es ihnen doch, das, was traditionell "Historik" genannt wird, im ersten Teil ("Erkenntnis gewinnen und wiedergeben") in drei Schritten zu vermitteln, die den Prozess der historischen Forschung nachzeichnen: Erkenntnis, Deutung und Darstellung. Der Text über "Das Schreiben der Geschichte" erläutert das Problem der Darstellung so konkret und gleichzeitig so theoretisch reflektiert, dass die Leserinnen und Leser der Argumentation des Autors fast mühelos folgen können. Der zweite Teil wendet sich der Praxis der Forschung zu und behandelt nacheinander frühneuzeitspezifische Quellengattungen sowie zentrale Untersuchungsgebiete mit ihrem Kategoriegerüst. Beides wird an konkreten historischen Ereignissen und Entwicklungen erläutert. Als letzter Schritt folgen die "Instrumente" der Forschung: "Historische Arbeit im Zeitalter des Computers". Die Erläuterungen zu den Anwendungsgebieten Textverarbeitung, Literaturverwaltung mit Datenbanken, Informationsverarbeitung durch Datenbanken und Internet sind – wie alle Teile dieses Kapitels – auf andere Epochen der Geschichte übertragbar.

Spätestens beim vierten Kapitel wird deutlich, dass dieses "Lehrbuch "keine übliche Einführung für Studienanfänger ist. Es behandelt die "Einrichtung der Forschung in drei konzentrischen Kreisen: Deutschland, Europa, Welt. Besonders spannend sind die Ausführungen zu Asien und Afrika, weil sie den Blick auf ganz andere Wahrnehmungen und Deutungen von Zeit und Geschichte lenken, auch wenn die Autoren bewusst den Zusammenhang der geschichtswissenschaftlichen Forschung in aller Welt betonen. Dieses Kapitel werden "Fortgeschrittene" mit ebenso großem Gewinn lesen wie """Anfänger"", nicht nur wegen der nützlichen Informationen. Überhaupt ist zu fragen, ob nicht die übliche Arbeitsteilung zwischen Grund- und Hauptstudium, die teilweise auch noch dieses Lehrbuch prägt, revidiert werden sollte. Didaktisch setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass Lernen auf "Vorrat" im Vergleich mit dem Lernen an "Stationen"" relativ unproduktiv ist. Manches, was heute in den Proseminaren gelernt und mangels Anwendungsmöglichkeiten vergessen wird, könnte sinnvoll auch im Hauptstudium erarbeitet werden. Das Lehrbuch ""Frühe Neuzeit" bietet dafür die Möglichkeiten – zumindest für Studierende dürften damit in allen Phasen ihres Studiums arbeiten.

Zwischen den vier Hauptkapiteln finden sich drei Exkurse zur Technik des wissenschaftlichen Arbeitens im Fach Geschichte: wissenschaftliches Lesen, Arbeit mit den Quellen und Präsentation eines Themas. Die Sonderstellung dieser Abschnitte äußert sich in der Sprache: Hier werden die Leser direkt angesprochen, und damit werden auch die Autoren als Personen sichtbar. Am besten gelungen ist der Beitrag der Herausgeberin Anette Völker-Rasor zum hochschuldidaktischen Stiefkind "Wie präsentiere ich die Ergebnisse meiner Arbeit?". Ihrer Feststellung, die Geschichtswissenschaft sei hinsichtlich der Präsentation ihrer Ergebnisse ziemlich traditionell und könne von anderen Fachgebieten (Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik, Psychologie, Philologien) manches lernen, kann kaum widersprochen werden. Die Autorin geht das Thema weder rezeptologisch nach dem Muster "Mit einem Witz beginnen und dann alle drei Minuten eine Folie" noch theoretisch an. Sie beschreibt vielmehr präzise im Zusammenhang der Leserkenntnisse aus anderen Kapiteln, welche Aufgaben bei der Präsentation eines Themas bewältigt werden müssen und wie man sich mental und praktisch darauf einstellt, etwa bei der Organisation des Materials und der sprachlichen Präsentation. Besonderen Nachdruck legt sie dabei auf die "Beteiligung von Geist und Körper" und nimmt damit neuere Erkenntnisse der Lernpsychologie auf. Wenn sie zusammenfassend hervorhebt, dass oft erst die Präsentation Mängel in der theoretischen Durchdringung des Themas offenbart, stellt sie diese gewöhnlich als "Präsentationstechnik" vernachlässigte Dimension des Geschichtsstudiums in den richtigen Zusammenhang von Erkenntnis, Deutung und Darstellung.

Um es abschließend zu wiederholen: Dies ist ein gelungenes Werk für das Studium der Geschichte, das neue Herausforderungen wie veränderte Studierende oder Internationalisierung erst nimmt. Die Konzeption und deren Ausführung kann gewiss in manchen Punkten noch verbessert werden. Gerade deshalb ist dem Werk eine breite Rezeption zu wünschen: Es könnte die bisher nur am Rand, nicht im Zentrum des Fachs geführte Diskussion über eine Reform des Geschichtsstudiums voranbringen.


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Ein Leitfaden durch die frühe Neuzeit
Thema, Technik und Theorie
Von Harry D. Schurdel

Noch ein Einführungswerk für das Studium der Geschichte!" Mit diesem Satz beginnt das Vorwort des hier anzuzeigenden Werkes. Wohl war, derartige Publikationen sind nicht wenige auf dem Markt. Doch dieser erste Band aus der geplanten fünfteiligen Reihe geht durchaus neue, empfehlenswerte Wege. Dies betrifft vor allem die Anschaulichkeit und Übersichtlichkeit des Stoffes mit seiner "Dreieinigkeit" von Thema, Technik und Theorie. Entfacht diese doch schiere Leselust – nicht die schlechteste Voraussetzung für den angestrebten Lerneffekt eines Studienbuches.

Das Buch , traditionell die Zeit von 1500 bis 1800 umfassend, ist in vier Blöcke eingeteilt: Phasen der frühen Neuzeit, Zugänge zur frühen Neuzeit, Vorgehen der Forschung und Einrichtung der Forschung. Jedes dieser Blöcke gliedert sich in zwei Hauptkapitel, die entweder chronologische und geographische oder methodische und erkenntnistheoretische Schwerpunkte setzen. So geht das erste Kapitel zuerst auf den europäischen Schauplatz der Epoche ein, danach erfolgt die Sicht auf drei Themen im globalen Maßstab, worunter jenes mit dem Titel "Freie Meere als Aktionsfeld" in seiner Aufbereitung beispielgebend ist.

Der zweite Block bezieht sich näher auf einige Teilgeschichtsbereiche. Hier ragt vor allem das Kapitel über die Geschlechtergeschichte heraus. Vorbildlich werden die Erkenntnisse der modernen Historischen Anthropologie in die Darstellung zu Ehe und Familie, Arbeit und Lebenswelten oder auch die Verbürgerlichung der Gesellschaft mit der Herausbildung der neuen Weiblichkeit eingearbeitet.

Der dritte Teil ist der geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisbildung, der Forschungsarbeit und der Quellenauswertung zugeeignet. Dass hier der Arbeit mit dem Computer ein eigenes Kapitel mit besonderer Berücksichtigung der Datenbanken und des Internets gewidmet ist, mag zwar heute selbstverständlich erscheinen, ist aber dennoch eine begrüßenswerte Hilfestellung für die Anfangssemester.

Im vierten Teil sticht das Kapitel über wichtige europäische Zentren der Frühneuzeitforschung hervor, vielleicht auch ein Anreiz für ein Studium im Ausland, Hier wäre allerdings für eine Neuauflage des Werkes zu empfehlen, verstärkt auch osteuropäische Länder in die Liste aufzunehmen; im vorliegenden Band wird lediglich Polen aufgeführt,

Die vorbildhafte Praxisorientierung des Bandes wird noch verstärkt durch die den ersten drei Blöcken jeweils unter dem Titel "Technik" nachgestellten Abschnitte. Im ersten Block geht es hierbei um "Das Lesen der Geschichte". Schließlich erfordert das Studium wissenschaftlicher Literatur andere Voraussetzungen als das Schmökern von Unterhaltungsromanen. "Über die Arbeit mit den Quellen" ist das arbeitstechnische Kapitel des zweiten Blocks überschrieben.

An dieser Stelle stehen die Wege zur Entschlüsselung archivischer Quellen und ihrer Bewertung bzw. Interpretation im Mittelpunkt.

Themenpräsentation

Im dritten Block haben wir es mit der "Präsentation eines Themas" zu tun, also die Ergebnisse eigenen Forschens inhaltlich und formal sach- und fachkundig zu präsentieren; hierzu zählen vorrangig die Organisation und Aufbereitung des Materials sowie deren sprachliche Umsetzung. Gerade der letzte Punkt scheint dem Rezensenten besonders wichtig, fehlt der deutschen Wissenschaftsliteratur weitgehend immer noch die "Leichtigkeit des Seins" angelsächsischer Publikationen – ohne der wissenschaftlichen Seriosität verlustig zu gehen.

Gerade in unserer heutigen bildhaft geprägten Zeit muss ein Lehrbuch besonderen Wert auf die graphische Umsetzung legen.

Auch dies geschieht im vorliegenden Werk hervorragend. Hierzu tragen in Sonderheit die immer wiederkehrenden Elemente bei, allen voran Bildessays und Kurzbiographien sowie die Einspalter "Detailskizze" und "Forschungsstimme".

Insgesamt zeugt das Werk von der Nähe der Autoren zur Lehre im Grundstudium und von ihrem besonderen Interesse an den Fragen der bestmöglichen pädagogischen Vermittlung. Dieses Geschichtslehrbuch verdient uneingeschränkte Anerkennung und weck Hoffnung, aber auch Ansprüche für die kommenden Bände.

Annette Völker-Rasor (Hrsg.):
Frühe Neuzeit.
Oldenbourg Wissenschaftsverlag
GmbH, München 2000; 507 S., 69,- DM

Rezension aus: Das Parlament , 25.08./01.09.2000



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Neue Züricher Zeitung, 24./25.6.2000
Einführung in die frühe Neuzeit

tmn. Als Einführung für Studierende gedacht, aber als Überblick auch für eine weitere Leserschaft geeignet ist der Band "Frühe Neuzeit", in dem die Münchner Historikerin Anette Völker-Rasor Beiträge von meist jüngeren Kolleginnen und Kollegen vereint. "Thema, Technik, Theorie" werden in vier Teilen vermittelt: Eine Übersicht über je drei "Phasen" präsentiert mögliche Untergliederungen der Epoche inhaltlich im europäischen und globalen Maßstab; "Zugänge" schildert unter Einschluss von Nachbardisziplinen die Methoden der Analyse, worauf das konkrete "Vorgehen" bei einer Forschungsarbeit erläutert wird, eine durchaus für Fortgeschrittene hilfreiche Übersicht über deutsche, europäische und außereuropäische "Forschungseinrichtungen" beschließt das Buch. Die Abkehr von der im Universitätsalltag selbst nicht überwundenen germanischen Nabelschau prägt nicht nur diesen institutionellen Überblick, sondern die Auswahl der Themen und Beispiele im ganzen Buch. Ebenso wird das "Bild als Quelle" nicht nur in einem Kapitel als Methode vorgestellt, sondern in vielen Illustrationen vorgeführt, die als eigenständige Medien historischer Botschaften interpretiert werden. Von Lynn Hunt und Foucault über Sozialdisziplinierung und Körpererfahrung oder "New Historicism" hin zur Datenbank und zum Internetzugriff auf Archivmaterialien gibt dieses durch Sach- und Personenregister vorbildlich erschlossene Lehrbuch Auskunft über fast alle Wörter, die nicht nur dem verwirrten Studienanfänger, sondern auch manchem anderen interessierten Zeitgenossen um die Ohren fliegen.

Anette Völker-Rasor (Hrsg.): Frühe Neuzeit. Oldenbourg-Verlag, München 2000.508 S., Abb., Fr. 52.50.



Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Buch 7
Einladung in die Frühe Neuzeit 9

I. Phasen der Frühen Neuzeit 13

Einführung 15
Die Epoche im Europa-Maßstab 17
Seit 1517: Religion und Politik 17
Nach 1648: Verdichtung von Herrschaft 35
Um 1789: Zeit der Umbrüche 53
Die Epoche im Welt-Maßstab 69
Seit 1492: Begegnung der Kulturen 69
Nach 1609: Freie Meere als Aktionsfeld 87
Um 1776/91: Atlantische Revolution 107

Technik: Das Lesen der Geschichte 125

II. Zugänge zur Frühen Neuzeit 143

Einführung 145
Neue Impulse innerhalb des Faches 147
Wirtschafts-/Sozialgeschichte: Alte Themen, Neue Akzente 147
Mentalitätengeschichte: Historiographische Wenden 167
Geschlechtergeschichte: Normen und soziale Praxis 183
Zusammenarbeit mit anderen Fächern 203
Volkskunde: Übergänge zwischen den Fächern 203
Literaturwissenschaft: Quellen als Texte gelesen 217
Kunstgeschichte: Bilder als Quellen gesehen 237

Technik: Die Arbeit mit den Quellen 255

III. Vorgehen der Forschung 273

Einführung 275
Erkenntnis gewinnen und wiedergeben 277
Erkenntnis: Ihre Bildung und Verbindlichkeit 277
Deutung: Durch Schlüsselbegriffe und Konzepte 293
Darstellung: Das Schreiben der Geschichte 315
Mit Quellen, Themen, Instrumenten arbeiten 331
Quellen: Bandbreite heute untersuchter Materialien 331
Themen: Neuere Untersuchungsschwerpunkte 343
Instrumente: Historische Arbeit im Zeitalter des Computers 363

Technik: Die Präsentation eines Themas 381

IV. Einrichtungen der Forschung 397

Einführung 399
Das Studium im näheren Umkreis 401
Deutschland: Prozeß der Institutionalisierung 401
Europa: Zentren der Frühneuzeitforschung 415
Die „Frühe Neuzeit" außerhalb Europas 429
Asien: Geschichte im eurasischen Zusammenhang 429
Afrika: Die afrikanisch-europäische Begegnung 445
Australien und Ozeanien: Mythen und Realitäten 459
Die Neue Welt: Die beiden Amerika 473

Abkürzungsverzeichnis 491
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 491
Personenregister 494
Sachregister 501
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